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StVONorm
StVO 1960 §4 Abs1 litcBetreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hrdlicka und die Hofräte Dr. Baumgartner und Dr. Leukauf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Vesely, über die Beschwerde des FP in G, vertreten durch Dr. Franz Lach, Rechtsanwalt in Graz, Radetzkystraße 5, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 11. Juli 1985, Zl. 11-75 Po 17-85, betreffend Übertretungen der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird, soweit mit ihm der Beschwerdeführer wegen der Übertretung des § 4 Abs. 1 lit. c StVO bestraft wurde, einschließlich der damit verbundenen Verfahrenskostenbeiträge wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Hinsichtlich der dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Übertretung des § 99 Abs. 1 lit. b in Verbindung mit § 5 Abs. 4 lit. a StVO wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Das Land Steiermark hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 9.660,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen; das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Der Schuldspruch des Straferkenntnisses der Bundespolizeidirektion Graz vom 30. April 1985 hat folgenden Wortlaut:
„Der-Die Beschuldigte FP, geb. 1945, vertr.d.RA. Dr. Franz Lach, Graz, Radetzkystraße Nr. 5 ist-hat-am 20.10.1984 um-Uhr, in Graz 6, Münzgrabenstraße-südliche Fahrbahn des Dietrichsteinplatzes als Lenker des Pkw‘s G nnn 1) um ca. 02.00 am 20.10.1984 durch ihr Entfernen aus dem LKH/Graz/1. Chirurgie, obwohl er vom Meldungsleger aufgefordert wurde bis zum Zeitpunkt der Einvernahme durch den Meldungsleger im Landeskrankenhaus zu bleiben, bzw. durch Zusichnahme eines alkoholischen Nachtrunkes im Gasthaus S-Gasse in Graz nicht an der Feststellung des Sachverhaltes mitgewirkt und 2) im Wachzimmer Schanzelgasse am 20.10.1984, um 02.05 Uhr sich nach Aufforderung eines Organes der Straßenaufsicht geweigert, sich zwecks Feststellung des Grades der Alkoholeinwirkung einem im öffentlichen Sanitätsdienst stehenden Arzt vorführen zu lassen, obwohl eine Untersuchung seiner Atemluft auf Alkoholgehalt mittels Alkotestes den Verdacht der Beeinträchtigung durch Alkohol ergeben hat und hat dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 1) 4/1c StVO 2) 99/1b i.V.m. 5/4a StVO begangen.“
Wegen dieser Übertretungen wurden über den Beschwerdeführer zu 1) gemäß § 99 Abs. 2 lit. a StVO und zu 2) gemäß § 99 Abs. 1 lit. b StVO Geldstrafen von zu 1) S 1.500,-- (Ersatzarreststrafe 2 Tage) und zu 2) S 10.000,-- (Ersatzarreststrafe 14 Tage) verhängt.
Die gegen dieses Straferkenntnis vom Beschwerdeführer eingebrachte Berufung wies die Steiermärkische Landesregierung mit Bescheid vom 11. Juli 1985 gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 in Verbindung mit § 24 VStG 1950 ab.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie nach dem Inhalt der Beschwerde auch wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsstrafakten vor und beantragte in der von ihr erstatteten Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich der Beschwerdeführer nach dem gesamten Beschwerdevorbringen durch den angefochtenen Bescheid in dem Recht verletzt, nicht wegen der ihm zur Last gelegten Übertretungen bestraft zu werden. In Ausführung des so zu verstehenden Beschwerdepunktes bringt der Beschwerdeführer zur Übertretung des § 4 Abs. 1 lit. c StVO unter anderem vor, es werde weder im Straferkenntnis (der Erstinstanz) noch im Berufungsbescheid angegeben, welche Gründe die Behörden gehabt hätten, den Beschwerdeführer nach dieser Gesetzesstelle zu bestrafen. Der Beschwerdeführer ist schon mit diesem Einwand bezüglich der Übertretung des § 4 Abs. 1 lit. c StVO im Ergebnis im Recht:
Gemäß § 4 Abs. 1 lit. c StVO haben alle Personen, deren Verhalten am Unfallsort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhange steht, an der Feststellung des Sachverhaltes mitzuwirken. Gemäß § 44a lit. a VStG hat der Spruch eines Bescheides die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten. Diese Vorschrift erfordert, daß die als erwiesen angenommene Tat entsprechend zu konkretisieren ist, d.h., daß im Spruch eines Straferkenntnisses alle jene Tatmerkmale enthalten sein müssen, die zur Individualisierung und Konkretisierung des inkriminierten Verhaltens erforderlich sind.
Die Mitwirkungspflicht nach § 4 Abs. 1 lit. c StVO besteht nicht für jedermann, insbesondere auch nicht etwa für einen Verkehrsteilnehmer, der bloß Zeuge des Verkehrsunfalles wird (vgl. zu den Verpflichtungen, die jedermann und ein Zeuge eines Verkehrsunfalles hat, die Regelungen der Absätze 3 und 4 des § 4 StVO). Die Verpflichtung zur Mitwirkung an der Feststellung des Sachverhaltes trifft nur Personen, deren Verhalten am Unfallsort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhange steht. Voraussetzung für die Strafbarkeit der Übertretung dieser Gesetzesstelle ist demnach, daß der Täter zum Personenkreis des § 4 Abs. 1 StVO gehört. Die Eigenschaft des Täters, eine Person zu sein, deren Verhalten am Unfallsort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhange steht, bildet sohin ein wesentliches Sachverhaltselement, das bei der Umschreibung der Tat in den Spruch des Straferkenntnisses aufzunehmen ist. Seine Anführung allein in der Begründung widerspricht der zwingenden Norm des § 44a lit. a VStG (vgl. dazu unter anderem die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 29. Jänner 1982, Zl. 81/02/0292, sowie vom 14. Mai 1982, Zl. 02/1246/80).
Dieses Element fehlt jedoch in dem von der belangten Behörde unverändert bestätigten Spruch des Straferkenntnisses der Erstinstanz, wie der vorstehend wörtlich wiedergegebenen Fassung des Spruches zu entnehmen ist. Dies stellt einen Verstoß gegen § 44a lit. a VStG 1950 dar, weshalb hinsichtlich der dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Übertretung des § 4 Abs. 1 lit. c StVO der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war (vgl. dazu unter anderem das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 5. September 1986, Zl. 85/18/0393).
Zur Übertretung des § 99 Abs. 1 lit. b in Verbindung mit § 5 Abs. 4 lit. a StVO bringt der Beschwerdeführer vor, es sei sicherlich richtig, daß er vom Beamten des Wachzimmers Schanzelgasse aufgefordert worden sei, „eine Blutalkoholprobe bzw. sich einem Arzt vorführen zu lassen“. Er sei auch sofort bereit gewesen, sich einem Alkoholtest zu unterziehen. Es werde keinesfalls die Berechtigung der einschreitenden Beamten bestritten, den Beschwerdeführer einer amtsärztlichen Untersuchung zuzuführen. Es müsse jedoch ausgeführt werden, daß der Beschwerdeführer - wie er selbst zugegeben habe - nach dem Unfall ein kleines Fläschen Kognak und einen „Spritzer“ getrunken habe, jedenfalls eine Alkoholmenge, die bei Durchführung der Blutabnahme eine positive Alkoholisierung zur Folge hätte. Aus diesem Grund sei es auch verständlich, daß der Beschwerdeführer eine Vorführung zur Blutabnahme abgelehnt habe, weil das Ergebnis der Untersuchung für den Beschwerdeführer vorauszusehen gewesen sei und ihn nur belastet hätte.
Zu diesem Vorbringen ist zunächst zu bemerken, daß der Beschwerdeführer nicht bestraft wurde, weil er eine Blutabnahme abgelehnt hat, sondern weil er sich weigerte, sich einem Arzt zwecks Feststellung der Grades der Alkoholbeeinträchtigung vorführen zu lassen.
Gemäß § 99 Abs. 1 lit. b StVO begeht eine Verwaltungsübertretung, wer sich bei Vorliegen der im § 5 bezeichneten Voraussetzungen unter anderem weigert, sich einem Arzt vorführen zu lassen. Gemäß § 5 Abs. 4 lit. a StVO sind die Organe der Straßenaufsicht berechtigt, Personen einem im öffentlichen Sanitätsdienst stehenden Arzt zwecks Feststellung des Grades der Alkoholeinwirkung vorzuführen, bei denen eine Untersuchung nach Abs. 2 den Verdacht der Beeinträchtigung durch Alkohol ergeben hat, es sei denn, daß sie das Fahrzeug noch nicht in Betrieb genommen und in Kenntnis des Untersuchungsergebnisses von der Inbetriebnahme Abstand genommen haben.
Voraussetzung für die den Organen der Straßenaufsicht im § 5 Abs. 4 lit. a StVO eingeräumte Berechtigung ist allein der positiv verlaufene Alkotest, welche Voraussetzung im Beschwerdefall unbestritten gegeben war. Die Frage der tatsächlichen Alkoholbeeinträchtigung ist für die Strafbarkeit der Weigerung, sich dem Arzt vorführen zu lassen, nicht maßgebend. Weder die positive Atemluftprobe noch der Genuß des Alkohols nach dem Unfall berechtigten daher den Beschwerdeführer, die Vorführung zum Arzt zu verweigern (siehe dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 17. September 1986, Zl. 86/03/0156). Ebenso ist die in der Beschwerde aufgeworfene Frage, warum der Alkotest, dem sich der Beschwerdeführer unbestritten unterzog, nicht sofort am Unfallsort durchgeführt worden sei, sodaß es dem Beschwerdeführer ermöglicht worden sei, einen Nachtrunk zu sich zu nehmen, der das Ergebnis einer Alkoholbeeinträchtigung zum Zeitpunkt des Unfalles widergespiegelt hätte, für die Verpflichtung des Beschwerdeführers, sich dem Arzt vorführen zu lassen, ohne rechtliches Gewicht.
Hinsichtlich der dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Übertretung des § 99 Abs. 1 lit. b in Verbindung mit § 5 Abs. 4 lit. a StVO erweist sich demnach die Beschwerde als unbegründet. Sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG diesbezüglich abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 243/1985. Die Abweisung des Mehrbegehrens hat nicht erforderlichen Stempelgebührenaufwand - die Beschwerde war lediglich in zweifacher Ausfertigung und der angefochtene Bescheid lediglich in einfacher Ausfertigung beizubringen - zum Gegenstand.
Wien, am 18. März 1987
Schlagworte
Alkotest VerweigerungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1987:1985030140.X00Im RIS seit
27.09.2022Zuletzt aktualisiert am
27.09.2022