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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
B-VG Art133 Abs4Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Büsser sowie die Hofrätin Dr. Funk-Leisch und den Hofrat Dr. Eisner als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Seiler, über die Revision des I S, vertreten durch Dr. Martin Haas, Rechtsanwalt in 1180 Wien, Hasenauerstraße 67b/1, als bestellter Verfahrenshelfer, dieser vertreten durch Dr. Silvia Vinkovits, Rechtsanwältin in 1080 Wien, Friedrich-Schmidtplatz 4/6, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 29. April 2022, L507 2221546-1/18E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber, ein jordanischer Staatsangehöriger, stellte am 11. Dezember 2016 einen Antrag auf internationalen Schutz. Begründend brachte er zusammengefasst vor, er sei in Jordanien diskriminiert worden, weil er Christ sei. Es sei immer wieder zu Schlägereien zwischen Personen der islamischen Bewegung und dem Revisionswerber und seinen Brüdern gekommen.
2 Mit Bescheid vom 3. Juli 2019 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Revisionswerbers ab, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung nach Jordanien zulässig sei, und legte eine Frist für die freiwillige Ausreise fest.
3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
4 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
5 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
6 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
7 Die Revision wendet sich zur Begründung ihrer Zulässigkeit zunächst gegen die Beweiswürdigung des BVwG und bringt vor, der Revisionswerber habe konkret vorgebracht, aus Furcht vor Verfolgung das Land verlassen zu haben. Vor dem Hintergrund der Länderfeststellungen erweise sich die Einschätzung des BVwG, der Revisionswerber habe wegen seines religiösen Glaubens keinerlei Einschränkungen in seinem Heimatland zu befürchten, als unrealistisch und nicht stichhaltig.
8 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist dieser als Rechtsinstanz zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. VwGH 8.6.2022, Ra 2022/19/0047, mwN).
9 Das BVwG ging nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung davon aus, dass der Revisionswerber aufgrund von zahlreichen Widersprüchen, Steigerungen und nicht nachvollziehbaren Angaben nicht aus innerer Überzeugung zum Christentum konvertiert sei. Es sei auch nicht davon auszugehen, dass sich der Revisionswerber offen christlich positionieren würde oder er das Bedürfnis habe, in anderer Weise einen Abfall vom Islam öffentlich darzulegen.
10 Die Revision zeigt mit ihrem allgemein gehaltenen Vorbringen nicht auf, dass die Beweiswürdigung des BVwG fallbezogen unvertretbar wäre.
11 Soweit die Revision zu ihrer Zulässigkeit weiter vorbringt, das BVwG habe veraltete und unvollständige Länderberichte herangezogen, macht sie Verfahrensmängel geltend.
12 Werden Verfahrensmängel als Zulassungsgründe ins Treffen geführt, muss auch schon in der abgesonderten Zulässigkeitsbegründung die Relevanz dieser Verfahrensmängel, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können, dargetan werden. Dies setzt voraus, dass - auch in der gesonderten Begründung für die Zulässigkeit der Revision zumindest auf das Wesentliche zusammengefasst - jene Tatsachen dargestellt werden, die sich bei Vermeidung des Verfahrensmangels als erwiesen ergeben hätten (vgl. VwGH 30.3.2021, Ra 2021/19/0007, mwN).
13 Mit dem pauschalen Vorbringen, die Länderberichte würden zum Großteil aus dem Jahr 2020 stammen und die Verschlechterung der Lage aufgrund der Flüchtlingsströme nicht ausreichend berücksichtigen, sowie wenige aussagekräftige Passagen über das jordanische Justizwesen und die Rechte von Konvertiten enthalten, wird dem Erfordernis der Relevanzdarstellung nicht Genüge getan.
14 Schließlich wendet sich die Revision gegen die vom Gericht vorgenommene Interessenabwägung im Sinne des Art. 8 EMRK und bringt ohne nähere Begründung im Zulässigkeitsvorbringen vor, diese sei nicht nachvollziehbar.
15 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist eine unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung nach Art. 8 EMRK im Allgemeinen - wenn kein revisibler Verfahrensmangel vorliegt und sie in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel (vgl. VwGH 1.8.2022, Ra 2022/19/0178, mwN).
16 Mit dem pauschalen Zulässigkeitsvorbringen, das BVwG habe die Gesamtbetrachtung aller wesentlichen Umstände „unrichtig und nicht nachvollziehbar“ vorgenommen, verabsäumt es die Revision, konkret jene Umstände zu bezeichnen, die unberücksichtigt geblieben wären oder denen nicht ihr entsprechendes Gewicht beigemessen worden wäre. Die Revision vermag daher nicht aufzuzeigen, dass das BVwG seine Interessenabwägung in einer unvertretbaren Weise vorgenommen hätte oder die Gewichtung der einbezogenen Umstände den in der Rechtsprechung aufgestellten Leitlinien widerspräche (vgl. etwa VwGH 25.8.2021, Ra 2021/19/0125, mwN).
17 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Wien, am 6. September 2022
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022190138.L00Im RIS seit
27.09.2022Zuletzt aktualisiert am
27.09.2022