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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
B-VG Art133 Abs4Beachte
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Grünstäudl sowie die Hofrätinnen Mag. Rossmeisel und Mag. Bayer als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Thaler, in den Revisionssachen 1. des R A, und 2. der M L, beide vertreten durch Mag. Jürgen Brandstätter, Rechtsanwalt in 3100 St. Pölten, Andreas Hofer Straße 8, gegen die Erkenntnisse des Bundesverwaltungsgerichts vom 7. Oktober 2021, L529 2156128-1/33E und L529 2156130-1/33E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revisionen werden zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Erstrevisionswerber ist irakischer Staatsangehöriger, gehört der Volksgruppe der Araber und der schiitischen Religionsgemeinschaft an. Die Zweitrevisionswerberin ist marokkanische Staatsangehörige, gehört der Volksgruppe der Araber und der sunnitischen Religionsgemeinschaft an. Sie sind miteinander verheiratet.
2 Die Revisionswerber stellten am 9. September 2015 Anträge auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005, die sie im Wesentlichen damit begründeten, dass der Erstrevisionswerber nach der Anzeige eines korrupten Richters von schiitischen Milizen bedroht worden sei. Die Zweitrevisionswerberin brachte keine eigenen Fluchtgründe vor.
3 Ergänzend führte die Zweitrevisionswerberin in der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl aus, es habe Probleme gegeben, weil sie als Sunnitin mit einem Schiiten verheiratet sei und beide gemeinsam in einem schiitischen Land gelebt haben.
4 Mit Bescheiden vom 11. April 2017 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Anträge auf internationalen Schutz ab, erteilte keine Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen die Revisionswerber Rückkehrentscheidungen, stellte fest, dass ihre Abschiebung in den Irak bzw. nach Marokko zulässig sei, und legte eine Frist für die freiwillige Ausreise mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidungen fest.
5 Mit den angefochtenen Erkenntnissen wies das Bundesverwaltungsgericht die dagegen erhobenen Beschwerden der Revisionswerber nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab. Weiters sprach es aus, dass die Erhebung einer Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
6 Dagegen erhoben die Revisionswerber zunächst Beschwerden an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom 23. Juni 2022, E 4208-4209/2021-17, abgelehnt und diese dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten hat.
7 In der Folge wurden die gegenständlichen Revisionen erhoben.
8 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
9 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
10 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
11 Die Revisionen wenden sich in ihrer Zulässigkeitsbegründung zunächst gegen die vom Bundesverwaltungsgericht durchgeführte Beweiswürdigung. Dieses habe die eingeholten Länderinformationen falsch ausgelegt, weil bereits aus dem Bericht zur Sicherheitslage im Irak hervorgehe, dass der Erstrevisionswerber im Irak in Lebensgefahr wäre.
12 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist dieser als Rechtsinstanz tätig und im Allgemeinen nicht zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Einzelfall berufen. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. VwGH 22.7.2022, Ra 2022/14/0168, mwN).
13 Entgegen den pauschal gehaltenen Ausführungen in den Revisionen hat sich das Bundesverwaltungsgericht - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung - in umfassender Weise mit dem Fluchtvorbringen des Erstrevisionwerbers auseinandergesetzt und nachvollziehbar begründet, weshalb es diesem keine Glaubwürdigkeit zumaß. Diesen Erwägungen treten die Revisionswerber mit ihrem Zulässigkeitsvorbringen nicht substantiiert entgegen. Es gelingt ihnen damit nicht aufzuzeigen, dass diese Beweiswürdigung und die Beurteilung des Bundesverwaltungsgerichts fallbezogen unvertretbar wären.
14 Die Revisionen machen in der Begründung zur Zulässigkeit weiters Verfahrensmängel geltend, indem ein Verstoß gegen den Grundsatz der Amtswegigkeit und die Unterlassung von Ermittlungsschritten zu den „Umständen hinsichtlich der konkret im Herkunftsland bestehenden Gefahren“ angesprochen wird.
Zum Vorwurf der Verletzung der amtswegigen Ermittlungspflicht bleibt festzuhalten, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Frage, ob das Verwaltungsgericht im Rahmen seiner amtswegigen Ermittlungspflicht weitere Ermittlungsschritte setzen muss, einer einzelfallbezogenen Beurteilung unterliegt. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung läge insoweit nur dann vor, wenn diese Beurteilung grob fehlerhaft erfolgt wäre (vgl. VwGH 30.5.2022, Ra 2021/14/0396, mwN). Derartiges zeigen die Revisionen nicht auf. Zudem ist darauf hinzuweisen, dass ein allgemeines Recht auf eine fallbezogene Überprüfung des Vorbringens eines Asylwerbers durch Recherche im Herkunftsstaat nicht besteht (vgl. VwGH 26.1.2021, Ra 2020/14/0478, mwN).
15 In den Revisionen werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revisionen waren daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am 8. September 2022
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2022:RA2021140368.L00Im RIS seit
27.09.2022Zuletzt aktualisiert am
27.09.2022