TE Vwgh Erkenntnis 1996/4/23 95/05/0214

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Veröffentlicht am 23.04.1996
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Index

L37154 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Oberösterreich;
L80004 Raumordnung Raumplanung Flächenwidmung Bebauungsplan
Oberösterreich;
L81704 Baulärm Umgebungslärm Oberösterreich;
L82000 Bauordnung;
L82004 Bauordnung Oberösterreich;
L82304 Abwasser Kanalisation Oberösterreich;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §8;
BauO OÖ 1976 §32 Abs2;
BauO OÖ 1976 §46 Abs3;
BauRallg;
ROG OÖ 1972 §20 Abs3 Z1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Gritsch, über die Beschwerde des G in X, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in X, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 31. Mai 1995, Zl. BauR - 011468/1 - 1995 Gr/Lan, betreffend eine Bauangelegenheit (mitbeteiligte Parteien: 1. X-Bank AG, Linz, 2. Landeshauptstadt Linz, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Oberösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die erstmitbeteiligte Partei ist Eigentümerin des Grundstückes Nr. .n1/4 der Liegenschaft EZ nn, KG Linz, auf welchem das Haus B-Straße 1d, bestehend aus Kellergeschoß, Erdgeschoß, vier Obergeschoßen und einem Dachgeschoß errichtet ist. Im Süden grenzt dieses Grundstück an die öffentliche Verkehrsfläche Bethlehemstraße, im Osten an das Grundstück Nr. .n2/1, im Norden an das im Miteigentum des Beschwerdeführers stehende Grundstück Nr. .n1/2 sowie an das daran westlich anschließende Grundstück Nr. .n1/5. Die Grundstücke Nr. .n2/1 und .n1/2 grenzen im Osten an die öffentliche Verkehrsfläche Marienstraße, welche ihrerseits mit der Bethlehemstraße eine rechtwinkelige T-Kreuzung bildet. Das auf dem Grundstück Nr. .n1/4 der erstmitbeteiligten Partei errichtete Gebäude ist an der Grundstücksgrenze zur Bethlehemstraße und zum Grundstück Nr. .n2/1 errichtet. Die Grundstücksgrenze zu Grundstück Nr. .n1/2 stellt die innere Bauplatzgrenze des Grundstückes Nr. .n1/4 dar. Das Gebäude ist von dieser Grenze zirka fünf Meter entfernt.

Für den Bereich der vorzitierten Grundstücke weist der gültige Flächenwidmungsplan Linz-Teil Mitte und Süd Nr. 1 die Widmung "Kerngebiet" aus. Ein Bebauungsplan ist nicht vorhanden. Das Gebiet liegt im Stadtzentrum vom Linz.

Mit Eingabe vom 22. Juni 1994 beantragte die erstmitbeteiligte Partei die Erteilung der Baubewilligung für den Zubau eines Lifthauses sowie den Einbau einer Wohnung in das Dachgeschoß des Hauses B-Straße 1d. An das bestehende Stiegenhaus soll im Süden an das bestehende Gebäude ein Lifthaus mit den Außenmaßen 1,50 m x 1,65 m angebaut und überdacht werden. Die Gebäudehöhe wird dadurch nicht verändert.

Mit Bescheid des Magistrates der Landeshauptstadt Linz vom 30. September 1994 wurde das 582 m2 große Grundstück Nr. .n1/4 der erstmitbeteiligten Partei zum Bauplatz erklärt.

Gegen das von der erstmitbeteiligten Partei beantragte Bauvorhaben erhob der Beschwerdeführer Einwendungen folgenden Inhaltes:

"Sowohl der beantragte Liftschacht als auch der Dachraumausbau sind insofern unzulässig, als der erforderliche Mindestabstand von 1/3 der relevanten Gesamthöhe der beantragten Bauwerke zur Grundgrenze zum Grundstück .n1/2 nicht eingehalten wird."

Mit Bescheid des Magistrates der Landeshauptstadt Linz vom 24. Februar 1995 wurde die beantragte Baubewilligung unter Auflagen erteilt, die Einwendungen des Beschwerdeführers wurden als unbegründet abgewiesen.

Mit Bescheid des Stadtsenates der Landeshauptstadt Linz vom 4. April 1995 wurde der dagegen erhobenen Berufung des Beschwerdeführers keine Folge gegeben.

Mit Bescheid der oberösterreichischen Landesregierung vom 31. Mai 1995 wurde der Vorstellung des Beschwerdeführers keine Folge gegeben und festgestellt, daß der Beschwerdeführer durch den genannten Bescheid in seinen Rechten nicht verletzt wird. Der Umstand, daß der verfahrensgegenständliche Bauplatz von keinem rechtswirksamen Bebauungsplan erfaßt werde, sei insofern von Bedeutung, als § 32 Abs. 1 der Oberösterreichischen Bauordnung 1976 bestimme, daß, sofern sich aus baurechtlichen Vorschriften und dem Bebauungsplan nichts anderes ergebe, hinsichtlich der Lage und Höhe von baurechtlich bewilligungspflichtigen Gebäuden die Bestimmungen des Abs. 2 bis 4 gelten. Die Anwendbarkeit des § 32 Abs. 2 leg. cit. setze daher voraus, daß ein Bebauungsplan nicht vorliege bzw. andere baurechtliche Vorschriften oder ein existierender Bebauungsplan nicht besondere Regelungen vorsehen. Im vorliegenden Fall komme daher der Beantwortung der Frage, ob das gegenständliche Bauvorhaben in einem "geschlossen bebauten Gebiet" liege, maßgebliche Bedeutung zu, zumal der in § 32 Abs. 2 der Oberösterreichischen Bauordnung 1976 geregelte Mindestabstand durch den geplanten Zubau eines Lichtschachtes unterschritten werden soll. Schon die Berufungsbehörde habe zutreffend darauf verwiesen, daß es insbesondere im Hinblick auf die im Akt erliegenden Unterlagen (Auszug aus dem rechtswirksamen Flächenwidmungsplan; Lageplan im Maßstab 1:1000; Kopie eines Planes der Stadt Linz im Maßstab 1:5000) offenkundig sei, daß sich nicht nur die Häuser in der Bethlehemstraße, sondern auch die im näheren Umfeld (vor allem auch in dem durch die Landstraße, Marienstraße, Graben sowie Bethlehemstraße umgrenzten Stadtgebiet) errichteten Gebäude überwiegend an den Besitzgrundgrenzen befänden und durchwegs zusammengebaut seien. Entgegen dem Vorbringen des Beschwerdeführers sei auch das Grundstück Nr. .n1/2 nicht unbebaut, vielmehr befände sich darauf das Gebäude M-Straße 12. Der Umstand, daß im örtlichen Bereich auch Grünflächen bzw. sonstige unbebaute Flächen (z.B. Innenhöfe) vorhanden seien, stehe der Annahme nicht entgegen, daß der hier zu beurteilende Bauplatz in einem geschlossen bebauten Gebiet liege. Das Grundstück der erstmitbeteiligten Partei sei auch keine langgezogene Streifenparzelle, vielmehr handle es sich um ein nahezu zur Gänze verbautes Grundstück.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde. Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid seinem gesamten Vorbringen zufolge in dem Recht auf Nichtbewilligung des beantragten Bauprojektes verletzt.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer bringt vor, bei Verwirklichung des gegenständlichen Bauvorhabens werde der gemäß § 32 der Oberösterreichischen Bauordnung 1976 gesetzlich vorgeschriebene Mindestabstand zum Grundstück Nr. .n1/2, KG Linz, nicht eingehalten. Die B-Straße und deren näheres Umfeld (L-Straße, M-Straße, Graben) könne nicht als geschlossen bebautes Gebiet gewertet werden. Zwar stünden die Vorderfronten der Häuser dieser Straßen an den Besitzgrundgrenzen. An den Hinterfronten der Häuser befänden sich jedoch weitgehend freie Flächen. Dies sei auch beim gegenständlichen Bauvorhaben der Fall. Das im Miteigentum des Beschwerdeführers stehende Grundstück Nr. .n1/2, KG Linz, sei weitgehend unbebaut. Zumindest in diesem Bereich seien die Mindestabstandgrenzen gemäß § 32 Abs. 2 der Oberösterreichischen Bauordnung 1976 zu beachten. Dies ergebe sich insbesondere auch bei "teleologischer Auslegung der einschlägigen Vorschriften der Oö Bauordnung". Durch diese Vorschriften über die Einhaltung von Mindestabständen solle verhindert werden, daß durch ein Bauvorhaben das unmittelbar angrenzende Grundstück bzw. dessen Benutzung und Verwertung über ein gewisses Mindestmaß hinaus, das mit jedem Nachbarbau verbunden sei, nicht beeinträchtigt werde. Im gegenständlichen Fall würde das Bauvorhaben mehr oder weniger unmittelbar an der Grundgrenze errichtet werden. Dadurch würde die Verwertbarkeit bzw. Benutzbarkeit des im Miteigentum des Beschwerdeführers stehenden Grundstückes massiv und in unzulässiger Art und Weise beeinträchtigt werden.

Mit diesem Vorbringen vermag der Beschwerdeführer eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aus folgenden Gründen nicht aufzuzeigen:

Gemäß § 32 Abs. 2 der im Hinblick auf die Übergangsbestimmung des § 58 Abs. 1 der Oberösterreichischen Bauordnung 1994 hier anzuwendenden Oberösterreichischen Bauordnung 1976 in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 82/1983 (BO) müssen Neubauten und solche Zubauten, die eine Vergrößerung des Gebäudes der Länge oder Breite nach bezwecken, außerhalb eines geschlossen bebauten Gebietes gegen die seitlichen Grenzen des Bauplatzes (§ 2) und gegen die innere Bauplatzgrenze,

a)

wenn es sich um Hochhäuser handelt, einen Mindestabstand von der Hälfte der Gesamthöhe des Gebäudes,

b)

wenn es sich nicht um Hochhäuser handelt, einen Mindestabstand von einem Drittel der Gesamthöhe des Gebäudes, jedenfalls aber einen Mindestabstand von 3 m erhalten.

Unter einem "geschlossen bebauten Gebiet" im Sinne dieser Gesetzesstelle ist ein Gebiet zu verstehen, in welchem die Häuser relativ eng - wenn auch mit Zwischenräumen - beieinander stehen, insbesondere Ortskerne, in denen sich die Gebäude überwiegend in der Nähe der Besitzgrundgrenzen befinden (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 19. September 1995, Zl. 94/05/0269, m.w.N.). Nur außerhalb eines geschlossen bebauten Gebietes im Sinne des § 32 Abs. 2 BO ist ein Abstand vom Nachbarbauplatz einzuhalten. Abstandsbestimmungen außerhalb des Geltungsbereiches des § 32 Abs. 2 BO kennt das Gesetz nicht (vgl. hiezu das vorzitierte hg. Erkenntnis).

Da im vorliegenden Fall weder andere baurechtliche Vorschriften noch ein Bebauungsplan etwas anderes bestimmen, sind die Abstandsbestimmungen des § 32 BO anzuwenden (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 29. April 1980, Slg. Nr. 10.112/A), zumal nunmehr eine Bauplatzerklärung vorliegt (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 28. September 1982, Zl. 82/05/0070). Bei Auslegung des Tatbestandsmerkmales "außerhalb eines geschlossen bebauten Gebietes" ist davon auszugehen, daß dieser Ausdruck in § 32 Abs. 2 BO keinen normativen, sondern einen tatsächlichen Zustand umschreibt (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 18. Jänner 1994, Zl. 93/05/0158, BauSlg. 1994/3).

Der Feststellung im Berufungsbescheid, die B-Straße liege im Stadtzentrum von Linz, sowohl in der B-Straße als auch im näheren Umfeld (L-Straße, M-Straße) befänden sich die Häuser überwiegend an den Besitzgrundgrenzen und stünden durchwegs geschlossen aneinander, ist der Beschwerdeführer in der Vorstellung nicht entgegengetreten. Diese Feststellungen wurden von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid übernommen und es wurde in der Begründung hiezu ergänzend ausgeführt, aus den im Akt erliegenden Unterlagen sei ersichtlich, daß sich nicht nur die Häuser in der Bethlehemstraße, sondern auch im näheren Umfeld überwiegend an den Besitzgrundgrenzen befänden und durchwegs zusammengebaut seien. Auch das Grundstück Nr. .n1/2, KG Linz, sei bebaut.

Der Beschwerdeführer führt hiezu aus, daß sich an den Hinterfronten der Häuser weitgehend freie Flächen befänden. Er bestätigt jedoch die Feststellung der belangten Behörde, daß die Vorderfronten der Häuser an den Besitzgrundgrenzen stünden, "die Hinterfronten der Häuser stehen zum überwiegenden Teil nicht an den Besitzgrundgrenzen".

Ausgehend von den unstrittigen Feststellungen im angefochtenen Bescheid und den aus dem vorgelegten Verwaltungsakt ersichtlichen Beweisergebnissen, insbesondere der aus der Mappenkopie ersichtlichen Anordnung der Grundstücke im hier maßgeblichen Gebiet der Landeshauptstadt Linz, kann der Annahme der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden, daß das Grundstück Nr. .n1/4 der erstmitbeteiligten Partei in einem geschlossen bebauten Gebiet im Sinne des § 32 Abs. 2 BO liegt. Dies auch bezüglich der inneren Bauplatzgrenze zu Grundstück Nr. .n1/2. Dem widerspricht nicht die im hg. Erkenntnis vom 11. Oktober 1994, Zl. 94/05/0090, BauSlg. 1994/210, dargelegte Rechtsansicht, wonach der Umstand, daß ein Teil eines Bauplatzes im geschlossen bebauten Gebiet zu liegen kommt, nicht bewirkt, daß auf dem gesamten Bauplatz keine Abstände einzuhalten seien. Von dem 582 m2 großen Grundstück Nr. .n1/4, KG Linz, sind nämlich nahezu 400 m2 verbaut und es beträgt die Entfernung des Gebäudes zur inneren Bauplatzgrenze nur rund fünf Meter. Der hier zu beurteilende Sachverhalt ist daher nicht mit dem im letztgenannten hg. Erkenntnis abgehandelten Fall vergleichbar.

Insgesamt vermochte daher der Beschwerdeführer eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht aufzuzeigen. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Planung Widmung BauRallg3Definition von Begriffen mit allgemeiner Bedeutung VwRallg7 geschlossen bebautes Gebiet

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1995050214.X00

Im RIS seit

11.07.2001

Zuletzt aktualisiert am

23.09.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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