TE Vwgh Erkenntnis 1996/4/23 95/11/0226

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Veröffentlicht am 23.04.1996
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
90/02 Kraftfahrgesetz;

Norm

AVG §45 Abs2;
AVG §46;
KDV 1967 §35 Abs3;
KDV 1967 §35 Abs7;
KFG 1967 §67 Abs2;
KFG 1967 §73 Abs1;
VwGG §34 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Neumeister, über die Beschwerde des F in O, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in D, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 11. Mai 1995, Zl. 11-39 Ste 2-1990, betreffend Entziehung der Lenkerberechtigung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 73 Abs. 1 KFG 1967 die Lenkerberechtigung für Kraftfahrzeuge der Gruppen B und F entzogen und gemäß § 73 Abs. 2 leg. cit. ausgesprochen, daß ihm bis zur behördlichen Feststellung der Wiedererlangung der gesundheitlichen Eignung eine neue Lenkerberechtigung nicht erteilt werden dürfe.

In der Begründung dieses Bescheides führte die belangte Behörde aus, die Erstbehörde habe dem Beschwerdeführer die Lenkerberechtigung wegen wiederholter Alkoholdelikte vorübergehend für die Dauer von 18 Monaten entzogen. Die belangte Behörde habe ein amtsärztliches Sachverständigengutachten über die körperliche und geistige Eignung des Beschwerdeführers zum Lenken von Kraftfahrzeugen eingeholt. Nach diesem Gutachten vom 24. Jänner 1995, in das der Befund der verkehrspsychologischen Untersuchungsstelle des Kuratoriums für Verkehrssicherheit vom 19. Oktober 1994 integriert worden sei, bestehe beim Beschwerdeführer ein Zustand nach jahrelangem Alkoholüberkonsum. Darauf sei vermutlich die festgestellte wesentliche Verminderung der kraftfahrspezifischen Leistungsfähigkeit in den Bereichen Beobachtungsfähigkeit, Konzentrationsfähigkeit, sensomotorische Koordination und Reaktionsverhalten zurückzuführen. Darüber hinaus bestünden gegenüber der Norm deutlich ausgeprägte Mängel der Einstellung und des Verhaltens, die mit anerkannten Tests erhoben und nachvollziehbar dargestellt seien. Diese testpsychologisch gesicherten Ergebnisse stimmten mit den Ergebnissen der ärztlichen Untersuchung überein. Der Beschwerdeführer sei daher aus ärztlicher Sicht zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Gruppen B und F geistig und körperlich nicht geeignet.

Der Einwand des Beschwerdeführers, das Gutachten sei unschlüssig, weil es mit den erhobenen Leberfunktionsparametern nicht in Einklang zu bringen sei, gehe ins Leere, weil sich aus dem amtsärztlichen Gutachten eine wesentliche Verminderung der kraftfahrspezifischen Leistungsfähigkeit ergebe und die Leberfunktionswerte diesbezüglich nicht aussagekräftig seien. Die im Sachverständigengutachen enthaltene Aussage, daß derzeit keine körperlichen oder psychischen Zeichen für Alkoholmißbrach bestünden, stehe der Annahme, daß beim Beschwerdeführer eine wesentliche Verminderung der kraftfahrspezifischen Leistungsfähigkeit und mangelnde Bereitschaft zur Verkehrsanpassung vorlägen, nicht entgegen. Die Prognose, wann der Beschwerdeführer wieder verkehrszuverlässig sein werde, spiele für die Frage, ob ihm die Lenkerberechtigung mangels gesundheitlicher Eignung zu entziehen sei, keine Rolle. Die Durchführung einer Beobachtungsfahrt sei entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers nicht erforderlich gewesen. Mit seiner Behauptung, die untersuchenden Psychologen hätten seine mangelnde Eloquenz zu Unrecht dahin beurteilt, daß sein Intelligenz- und Erinnerungsvermögen abgeschwächt sei, könne der Beschwerdeführer keine Bedenken gegen die Schlüssigkeit des Sachverständigengutachtens begründen. Dasselbe gelte für sein Vorbringen, er sei Staplerfahrer und erledige seine Arbeit zur vollsten Zufriedenheit seines Arbeitgebers. Dieses Vorbringen stelle daher keinen Grund für eine diesbezügliche Anfrage an den Arbeitgeber dar.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenden Bescheides und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides aus diesen Gründen beantragt wird.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer erblickt im Unterbleiben der von ihm beantragten Beobachtungsfahrt einen Verfahrensmangel. "Im Zusammenhang mit dem Alter des eingeholten Befundes des Kuratoriums für Verkehrssicherheit und dem Gutachten des Amtssachverständigen" habe er daher nicht nachweisen können, daß er in der Lage sei, "körperliche Mängel zu kompensieren".

Diesen Ausführungen ist zunächst entgegenzuhalten, daß die belangte Behörde im Grunde des § 67 Abs. 2 zweiter Satz KFG 1967 nicht gehindert war, sich auf das amtsärztliche Sachverständigengutachten und den ihm zugrundeliegenden verkehrspsychologischen Befund zu stützen. Falls der Beschwerdeführer der Auffassung gewesen sein sollte, daß sich seine kraftfahrspezifische Leistungsfähigkeit und seine Bereitschaft zur Verkehrsanpassung nach der verkehrspsychologischen Untersuchung, aber vor Erlassung des angefochtenen Bescheides signifikant gebessert hätten, wäre es an ihm gelegen, dies, z.B. durch Vorlage eines neuen verkehrspsychologischen Befundes, entsprechend darzutun. Im übrigen ist ihm zu erwidern, daß eine Verpflichtung, die Durchführung einer Beobachtungsfahrt anzuordnen, nur dann besteht, wenn das ärztliche Gutachten eine Beobachtung des Antragstellers beim Handhaben von Betätigungsvorrichtungen des Kraftfahrzeuges erfordert (§ 67 Abs. 2 KFG 1967) oder wenn die Kompensierbarkeit des Verlustes eines Auges (§ 35 Abs. 3 KDV 1967) oder des mangelnden oder fehlenden Hörvermögens (§ 35 Abs. 7 KDV 1967) zu prüfen ist. Keiner dieser Fälle war beim Beschwerdeführer gegeben. Es ging auch nicht um die Möglichkeit des Ausgleiches "körperlicher Mängel", sondern um das Fehlen der nötigen kraftfahrspezifischen Leistungsfähigkeit und der Bereitschaft zur Verkehrsanpassung. Daß das Ergebnis einer Beobachtungsfahrt als Beweismittel im Sinne des § 46 AVG dienen kann (vgl. das hg. Erkenntnis vom 16. Mai 1989, Zl. 89/11/0051, mwN), bedeutet nicht, daß die Partei des Entziehungsverfahrens einen Anspruch auf Anordnung einer solchen Fahrt hätte.

Mit seinem Vorwurf, die amtsärztliche Sachverständige sei bei der Schilderung der Vorgeschichte zu Unrecht davon ausgegangen, das gegenständliche Entziehungsverfahren sei bereits das vierte, ist der Beschwerdeführer zwar insoweit im Recht, als es sich nach der Aktenlage erst um das dritte Entziehungsverfahren handelt, doch ist nicht erkennbar, inwiefern sich diese Unrichtigkeit auf das Sachverständigengutachten ausgewirkt haben könnte, zumal sich dieses in entscheidender Weise auf den Befund der verkehrspsychologischen Untersuchungsstelle des Kuratoriums für Verkehrssicherheit stützt, dem wiederum zahlreiche mit dem Beschwerdeführer durchgeführte Tests zugrundelagen. Mit seiner Behauptung, bei einfacheren Menschen und älteren Kraftfahrern seien Tests problematisch, vermag der Beschwerdeführer keine Bedenken gegen die Aussagekraft des dem amtsärztlichen Sachverständigengutachten zugrundeliegenden verkehrspsychologischen Befundes zu wecken. Der Beschwerdeführer ist am 7. Juli 1957 geboren, gehört also keineswegs noch zu der Gruppe der "älteren Kraftfahrer". Im übrigen sind die verkehrspsychologischen Tests so ausgelegt, daß sie auch hinsichtlich dieser Personen aussagekräftig sind (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 22. September 1995, Zl. 93/11/0245, mwN). Dasselbe gilt für "einfachere Menschen", weil für die Absolvierung der Tests zur Untersuchung der kraftfahrspezifischen Leistungsfähigkeit und der Persönlichkeitstests eine besondere Bildung oder hohe Intelligenz nicht vorausgesetzt wird.

Der Beschwerdeführer hält den angefochtenen Bescheid für rechtswidrig, weil ihm nicht entnommen werden könne, für welche Zeit ihm keine neue Lenkerberechtigung erteilt werden dürfe. Bei der körperlichen und der geistigen Eignung handle es sich um verschiedene Erteilungsvoraussetzungen, bei deren Fehlen gemäß § 73 Abs. 1 KFG 1967 die Lenkerberechtigung entzogen werden könne. Der Ausspruch, ihm dürfe bis zur Feststellung der Wiedererlangung der "gesundheitlichen Eignung" keine neue Lenkerberechtigung erteilt werden, sei daher undeutlich.

Diesen Ausführungen ist einzuräumen, daß es sich bei der geistigen und der körperlichen Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen um unterschiedliche Erteilungsvoraussetzungen handelt, doch geht aus dem Spruch des angefochtenen Bescheides im Zusammenhalt mit seiner Begründung klar hervor, daß das Fehlen der kraftfahrspezifischen Leistungsfähigkeit und der Bereitschaft zur Verkehrsanpassung ausschlaggebend für die Entziehung der Lenkerberechtigung gewesen ist. Die kraftfahrspezifische Leistungsfähigkeit betrifft die geistige und die körperliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen (siehe das oben zitierte Erkenntnis vom 22. September 1995, mwN), die mangelnde Bereitschaft zur Verkehrsanpassung hingegen allein die geistige Eignung (siehe die hg. Erkenntnisse vom 22. Jänner 1991, Zl. 90/11/0143, und vom 4. Juni 1991, Zl. 90/11/0206).

Dem Bescheid ist demnach zweifelsfrei zu entnehmen, daß das Fehlen der geistigen und der körperlichen Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen den Grund für die verfügte Entziehungsmaßnahme gebildet hat und vor Wiedererlangung dieser Erteilungsvoraussetzungen eine neue Lenkerberechtigung nicht erteilt werden darf. Wenn die belangte Behörde diese beiden Erteilungsvoraussetzungen unter den Begriff der "gesundheitlichen Eignung" zusammengefaßt hat, hat sie Rechte des Beschwerdeführers nicht verletzt.

Die Ausführungen des Beschwerdeführers zu § 30 Abs. 1 Z. 1 und § 31 KDV 1967 gehen ins Leere, weil die belangte Behörde psychische Krankheiten oder geistige Behinderungen beim Beschwerdeführer nicht angenommen hat, sodaß eine Untersuchung durch einen entsprechenden Facharzt im Sinne des § 31 zweiter Satz KDV 1967 nicht erforderlich gewesen ist. Dasselbe gilt für die Behauptung des Beschwerdeführers, auf Grund der vorgelegten Leberbefunde könne chronischer Alkoholismus nicht gegeben sein. Die belangte Behörde hat nämlich ihren Bescheid nicht darauf gestützt, dem Beschwerdeführer fehle die nötige Gesundheit im Sinne des § 34 Abs. 1 lit. d KDV 1967.

Der vom Beschwerdeführer betonte Umstand, daß das letzte Alkoholdelikt vor jenem vom 9. April 1994 vier Jahre zurückliege, ist für die Frage, ob ihm im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides die nötige kraftfahrspezifische Leistungsfähigkeit und die Bereitschaft zur Verkehrsanpassung fehlten, ohne Bedeutung. Dasselbe gilt für die Tätigkeit des Beschwerdeführers als Staplerfahrer. Entgegen seiner Ansicht kommt bei Fehlen der kraftfahrspezifischen Leistungsfähigkeit ein Ausgleich durch erlangte Geübtheit (im Sinne des § 30 Abs. 2 KDV 1967) nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht in Betracht (siehe dazu unter anderem die Erkenntnisse vom 3. Februar 1989, Slg. Nr. 12.855/A, und vom 30. April 1991, Zl. 90/11/0169).

Aus den dargelegten Erwägungen erweist sich die Beschwerde als unbegründet. Sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Besondere Rechtsgebiete Diverses Grundsatz der Unbeschränktheit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1995110226.X00

Im RIS seit

12.06.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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