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L2200 LandesbediensteteNorm
B-VG Art7 Abs1 / GesetzLeitsatz
Keine Verfassungswidrigkeit von Bestimmungen des Stmk Landesbediensteten Dienst- und Besoldungsrechts betreffend die beschränkte Anrechnung von Vordienstzeiten mit reinem Inlandsbezug; unterschiedliche Anrechnung von Vordienstzeiten aus Dienstverhältnissen bei Gebietskörperschaften und solchen bei anderen Einrichtungen basiert auf verfassungsrechtlicher GrundlageRechtssatz
Abweisung des - zulässigen - Hauptantrags des OGH, dass §190 Abs5 Stmk Landes-Dienst- und Besoldungsrecht (Stmk L-DBR) sowie in §280 Abs1 Stmk L-DBR (jeweils idF LGBl 29/2003) die Wortfolge "§256 Vorrückungsstichtag" verfassungswidrig waren. Die Bedenken des OGH richten sich gegen die beschränkte Anrechnung von Vordienstzeiten gemäß §256 Abs1 Z2 litb Stmk L-DBR idF LGBl 29/2003 für Vertragsbedienstete mit reinem Inlandsbezug. Diese Bestimmung ist im Anlassverfahren auf Grund des Verweises in §190 Abs5 leg cit anzuwenden, weshalb §190 Abs5 leg cit präjudiziell ist. §280 Abs1 leg cit steht mit dieser Bestimmung in einem Regelungszusammenhang. Im vorliegenden Fall erweist es sich als ausreichend, dass der OGH lediglich die verweisende Bestimmung des §190 Abs5 Stmk L-DBR anficht, weil es sich dabei um eine Sonderbestimmung für Vertragsbedienstete im Gesundheitswesen handelt, die eine Anwendung des §256 leg cit anordnet. Die verwiesene Bestimmung des §256 leg cit hat demgegenüber den wesentlich weiteren Anwendungsbereich.
Es kann dahingestellt bleiben, ob - insbesondere im Hinblick auf §256 Abs6 Stmk L-DBR idF LGBl 29/2003 - die Annahme des OGH, dass die angefochtenen Bestimmungen nach der Rsp des EuGH unionsrechtswidrig seien, zutrifft, weil sich die im vorliegenden Antrag geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken unabhängig davon als unbegründet erweisen:
Unter der Annahme des OGH, nach der die Rsp des EuGH so zu verstehen sei, dass nicht nur die quantitative Beschränkung nach §256 Abs1 Z2 litb Stmk L-DBR idF LGBl 29/2003, sondern auch die Beschränkung nach Abs6 leg cit - jeweils iVm Abs5 leg cit - im Widerspruch zu Art45 AEUV und Art7 Abs1 VO (EU) 492/2011 stehe, wären die genannten nationalen Bestimmungen in Fällen mit Unionsrechtsbezug auf Grund des Anwendungsvorranges des Unionsrechtes verdrängt.
Diese sich aus dem Widerspruch zum Unionsrecht ergebende Nichtanwendung der genannten nationalen Bestimmungen beträfe nur jene Sachverhalte, die in den Anwendungsbereich des Unionsrechtes fallen, nicht jedoch rein innerstaatliche Sachverhalte, also solche, in denen ein österreichischer Staatsbürger von seinem Recht auf Freizügigkeit keinen Gebrauch gemacht hat. In Fällen ohne Unionsrechtsbezug wäre die nationale Bestimmung somit jedenfalls in ihrer Gesamtheit anzuwenden.
Folglich ergäbe sich in der hier zugrunde liegenden Konstellation eine differenzierte Behandlung von Vertragsbediensteten im Gesundheitswesen aus dem Umstand, dass die angefochtenen Bestimmungen des Stmk L-DBR in ihrer Auslegung durch den OGH eine unterschiedliche Anrechnung von bei Gebietskörperschaften erworbenen Vordienstzeiten im Vergleich zu anderen Vordienstzeiten vorsehen und daher im Anwendungsbereich des Unionsrechtes nicht, im Hinblick auf davon nicht erfasste Sachverhalte jedoch in vollem Umfang anzuwenden wären. Damit läge eine Rechtslage vor, nach der rein inländische Sachverhalte im Ergebnis schlechter behandelt würden als Sachverhalte im Anwendungsbereich des Unionsrechtes.
Nach stRsp des VfGH ist eine Schlechterstellung österreichischer Staatsbürger gegenüber (EU-)Ausländern am Gleichheitssatz zu messen und bedarf daher einer besonderen sachlichen Rechtfertigung. Wenn es dabei auch nicht um Diskriminierungen nach dem Kriterium der Staatsbürgerschaft geht, sondern um die Benachteiligung rein innerstaatlicher Sachverhalte im Verhältnis zu Sachverhalten mit Unionsbezug, so sind inländische Staatsbürger davon doch meist besonders betroffen.
Der Gleichheitssatz lässt es daher im Allgemeinen nicht zu, den Umstand, dass eine bestimmte Regelung unionsrechtlich geboten ist, als alleinige sachliche Rechtfertigung für die unterschiedliche Behandlung von Inländern und Unionsbürgern durch eine nationale Bestimmung heranzuziehen. Dies gilt entsprechend für die Differenzierung zwischen rein innerstaatlichen Sachverhalten und - jeweils bezogen auf Mitgliedstaaten der EU bzw des EWR - grenzüberschreitenden Sachverhalten bzw Sachverhalten mit Bezügen zum Unionsrecht.
Wie der VfGH bereits im Erkenntnis VfSlg 19110/2010 zu §14 Wr Dienstordnung 1994 idF LGBl 42/2006 festgehalten hat, bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen eine Regelung, nach der alle Zeiten, die in einem Dienstverhältnis zu einer inländischen Gebietskörperschaft zurückgelegt worden sind, anders als Zeiten bei einem Privatrechtsträger zur Gänze anzurechnen sind. Dem Gesetzgeber ist im Hinblick auf Art21 Abs4 erster und zweiter Satz B-VG und aus der Sicht des verfassungsrechtlichen Gleichheitssatzes - vor dem Hintergrund des ihm hiedurch bei der Regelung des Dienst-, Besoldungs- und Pensionsrechtes der Beamten eingeräumten, verhältnismäßig weiten rechtspolitischen Gestaltungsspielraumes - nicht entgegenzutreten, wenn er bei der Anrechnung von Vordienstzeiten zwischen Zeiten, die in einem Dienstverhältnis zu einer inländischen Gebietskörperschaft zurückgelegt wurden, einerseits und sonstigen Zeiten andererseits unterscheidet. Bedenken hinsichtlich der Ungleichbehandlung von Vordienstzeiten aus einem Dienstverhältnis zu einer inländischen Gebietskörperschaft und sonstigen Vordienstzeiten haben sich in diesem Fall aus verfassungsrechtlicher Sicht als unbegründet erwiesen (VfSlg 18636/2008).
Diese Rsp basiert auf der der österreichischen Rechtsordnung insgesamt zugrunde liegenden Unterscheidung zwischen Dienstverhältnissen zu einer (inländischen) Gebietskörperschaft und sonstigen Dienstverhältnissen sowie dem in Art21 Abs4 erster Satz B-VG zum Ausdruck kommenden Ziel, dass die Möglichkeit des Wechsels bzw der Mobilität zwischen dem Dienst beim Bund, bei den Ländern, bei den Gemeinden und bei den Gemeindeverbänden jederzeit gewahrt bleibt bzw erhöht wird. Mit Art21 Abs4 B-VG wurde demnach eine besondere verfassungsrechtliche Grundlage (und insofern eine lex specialis zu Art7 B-VG bzw Art2 StGG) für eine Bevorzugung von Dienstzeiten bei Gebietskörperschaften gegenüber Dienstzeiten bei anderen Einrichtungen geschaffen. Das nach dieser Bestimmung (nur) im Hinblick auf Dienstzeiten bei Gebietskörperschaften bestehende Gebot, diese Dienstzeiten bei einer Anrechnung unbeschränkt zu berücksichtigen, wenn die anrechnende Gebietskörperschaft auch die bei ihr zurückgelegten Dienstzeiten unbeschränkt anrechnet, bildet den Ausgangspunkt für die Entscheidungen des EuGH zur Diskriminierung durch eine demgegenüber beschränkte Anrechnung von Dienstzeiten bei anderen Einrichtungen (EuGH 30.11.2000, Rs C-195/98, Österreichischer Gewerkschaftsbund). Diese unionsrechtliche Entwicklung hat im innerstaatlichen Bereich jedoch keine Änderung des Regelungsgehaltes des Art21 Abs4 B-VG und insbesondere der Spezialität dieser Bestimmung gegenüber Art7 B-VG bzw Art2 StGG bewirkt. Die unterschiedliche Gewichtung von Dienstzeiten bei Gebietskörperschaften und solchen bei anderen Einrichtungen ist daher hinsichtlich innerstaatlicher Sachverhalte und damit unabhängig davon, ob im Anwendungsbereich des Unionsrechtes eine vollständige Gleichbehandlung dieser Zeiten geboten wäre, nach wie vor in Art21 Abs4 B-VG angelegt. Ein Vergleich innerstaatlicher Sachverhalte mit unionsrechtlichen Sachverhalten unter dem Gesichtspunkt des Art7 B-VG bzw Art2 StGG kommt in diesem Fall also nicht in Betracht.
Der VfGH kann daher selbst unter der Annahme des OGH, dass die durch die angefochtenen Bestimmungen beschränkte Anrechnung von Dienstzeiten bei Sachverhalten mit Unionsrechtsbezug nicht zur Anwendung kommt und damit nur Inlandssachverhalte betrifft, den im vorliegenden Antrag behaupteten Verstoß der angefochtenen Bestimmungen gegen Art7 B-VG bzw Art2 StGG nicht erkennen.
Schlagworte
Dienstrecht, EU-Recht, Homogenitätsprinzip, Inländerdiskriminierung, Rechtspolitik, Verweisung, VfGH / Prüfungsumfang, lex specialis, VfGH / Gerichtsantrag, Vorrückungsstichtag, BezügeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2022:G17.2022Zuletzt aktualisiert am
23.09.2022