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32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;Norm
EStG 1988 §16 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Wetzel und Dr. Steiner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Traudtner, über die Beschwerde des GH in P, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 21. November 1995, Zl. GA 8-1702/95, betreffend Jahresausgleich 1993, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.920,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen; das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Der bei der L AG in W beschäftigte Beschwerdeführer, der schon in seinen Anträgen auf Jahresausgleich für die Jahre 1989, 1990, 1991 und 1992 seinen Wohnort immer mit P angegeben hatte, begehrte für das Jahr 1993 die Berücksichtigung eines Betrags von S 92.995,39 an Werbungskosten aus dem Titel getrennter Haushaltsführung betreffend die Kosten einer Wohnung in Fischamend sowie der Familienheimfahrten mit eigenem Pkw.
Während er in den Anträgen betreffend die oben genannten
Vorjahre die Rubriken "Angaben zum Ehegatten ... bzw. zum
Lebensgefährten" jeweils im Wege von Streichungen leer gelassen hatte, führte der Beschwerdeführer im Antrag für das Streitjahr dort den Namen AH an, bezeichnete dazu ein Geburtsdatum (14. Jänner 1967) und füllte die zugehörige Rubrik Berufsbezeichnung mit "kaufmännische Angestellte" aus.
Das Finanzamt Melk versagte mit dem Jahresausgleichsbescheid 1993 die Berücksichtigung der angesprochenen Werbungskosten.
Dagegen berief der Beschwerdeführer, wobei er ua vorbrachte, sein Familienwohnsitz befinde sich in P, die betrieblich veranlaßte Wohnung hingegen in F. Angesichts einer Entfernung von 140 km sei eine tägliche Rückkehr nicht zumutbar. In P unterhalte der Beschwerdeführer mit seiner Gattin und seinem Kind einen Haushalt, der den Mittelpunkt der Lebensinteressen dieser Personen bilde. Der zweite Haushalt sei nur aus beruflichen Gründen begründet worden.
In den Verwaltungsakten findet sich ein mit "P, 9. Jänner 1995" datierter Aktenvermerk, der mit einer unleserlichen Unterschrift versehen und insbesondere keiner bestimmten Behörde zuzuordnen ist. Dieser Aktenvermerk hat folgenden Wortlaut:
"Aufgrund der durchgeführten Erhebung bei der Marktgemeinde Petzenkirchen betreffend des Wohnsitzes von Herrn GH wird nunmehr festgeahlten, daß laut persönlicher Auskunft der Gemeinde Petzenkirchen, Herr GH den Hauptwohnsitz in P unterhält.
Der Ordnung halber wurde jedoch hinzugefügt, daß laut vorgelegter Meldekarte keine Meldung über einen eventuellen Zweitwohnsitz in F vorliegt. (Bei einem Zweitwohnsitz würde nach dem Meldegesetz eine Rückmeldung seitens der Gemeinde Fischamend erfolgen; ev. Anfrage an die Meldebehörde in Fischamend durchführen.)
Hinsichtlich der Gattin AH geb. X wird bemerkt, daß diese per 1. Februar 1993 von W nach P verzogen ist.
Das Kind DH wurde am 20. Juni 1993 geboren. Frau AH befindet sich derzeit im Karenzurlaub. Bezüglich der Tätigkeit vor dem Karenzurlaub konnten seitens der Gemeinde Petzenkirchen keine Angaben gemacht werden. (kfm. Ang.) Ebenso ist nicht bekannt, bei welcher Firma Frau H beschäftigt war.
Im übrigen wird noch festgehalten, daß in P derzeit ein Zubau in Bau befindlich ist."
Mit Berufungsvorentscheidung vom 13. Jänner 1995 wies das Finanzamt Melk die Berufung als unbegründet ab, wogegen der Beschwerdeführer fristgerecht die Entscheidung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz begehrte. Der Beschwerdeführer behauptete dabei ausdrücklich, sein Familienwohnsitz "befindet
und befand sich ... in P." Diese Wohnung sei immer als
Familienwohnsitz geplant und auf Dauer angelegt gewesen. Im Rahmen der Familienplanung seien die Räume erweitert und adaptiert worden. Aus beruflichen Gründen habe er eine Wohnung in F mieten müssen, weil eine tägliche Heimfahrt zum Wohnort unzumutbar sei. Auch der Ort sei als Familienwohnsitz anzusehen, an dem ein unverheirateter Steuerpflichtiger mit seinem in eheähnlicher Gemeinschaft lebenden Partner einen Hausstand unterhalte, der den Mittelpunkt der Lebensinteressen dieser Personen bilde. Die polizeiliche Meldung sei unmaßgeblich. Die Gattin des Beschwerdeführers sei in der Nachbargemeinde W gemeldet gewesen, habe aber in Petzenkirchen beim Beschwerdeführer gewohnt. Die Gattin des Beschwerdeführers habe vor der Geburt ihres Kindes Einkünfte von nicht untergeordneter Höhe bezogen, werde auch nach der Karenzzeit wieder berufstätig sein und beziehe ein Karenzgeld, das die Grenze von S 20.000,-- übersteige.
Die belangte Behörde wies die Berufung als unbegründet ab, wobei sie (nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens sowie der einschlägigen Rechtsvorschriften samt Literatur und Judikatur) ausführte, der Fall des Beschwerdeführers sei mit jenen Fällen, in denen die steuerlichen Folgen der Begründung eines weiteren Haushaltes am Orte der Beschäftigung des einen Ehepartners bei Beibehaltung des bisherigen Familienwohnsitzes am Beschäftigungsort des anderen Ehepartners zu beurteilen gewesen seien, nicht zu vergleichen. Im vorliegenden Fall gehe es nämlich um die "Wegverlegung des Familienwohnsitzes vom Beschäftigungsort des Steuerpflichtigen bei Aufrechterhaltung der Beschäftigung". Wörtlich stellte die belangte Behörde dazu folgendes fest:
"Der Bw. hat im gegenständlichen Fall seit dem Kalenderjahr 1991 eine Wohnung in der Nähe seines Beschäftigungsortes angemietet. Im Februar 1993 wurde dieser Wohnsitz vom Beschäftigungsort wegverlegt. Der Grund für diese Verlegung steht in keinem ursächlichen Zusammenhang mit der Erwerbstätigkeit des Bw., sondern war ausschließlich privater Natur (Eheschließung). ..."
Rechtlich folgerte die belangte Behörde daraus, daß die durch die doppelte Hauhaltsführung und die Heimfahrten zur Ehegattin erwachsenen Aufwendungen nicht unter die Werbungskosten gemäß § 16 EStG subsumiert werden könnten.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Verwaltungsgerichtshofbeschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht auf Anerkennung von Werbungskosten verletzt.
Der Bundesminister für Finanzen legte die Verwaltungsakten und die von der belangten Behörde erstattete Gegenschrift vor.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen.
Die Kosten einer doppelten Haushaltsführung sind nach übereinstimmender Auffassung der hg. Judikatur und des Schrifttums dann steuerlich zu berücksichtigen, wenn für die doppelte Haushaltsführung eine berufliche Veranlassung besteht. Davon ist dem Grunde nach (abgesehen von anderen, hier nicht strittigen Voraussetzungen) dann auszugehen, wenn die Beibehaltung des Familienwohnsitzes außerhalb des Beschäftigungsortes des Steuerpflichtigen nicht privat veranlaßt ist (vgl. Quantschnigg/Schuch, Einkommensteuerhandbuch Rz 102 zu § 16 EStG, 664 letzter Absatz). Familienwohnsitz ist jener Ort, an dem ein verheirateter Steuerpflichtiger mit seinem Ehegatten oder ein unverheirateter Steuerpflichtiger mit seinem in eheähnlicher Gemeinschaft lebenden Partner einen Hausstand unterhält, der den Mittelpunkt der Lebensinteressen dieser Personen bildet (vgl. Quantschnigg/Schuch aaO. 665; Doralt, Einkommensteuergesetz-Kommentar2 Rz 349 und 350 zu § 4 EStG).
Eine auf Dauer angelegte doppelte Haushaltsführung ist dann nicht privat veranlaßt, wenn der Ehegatte (bzw. Partner einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft) am Familienwohnsitz Einkünfte aus einer Erwerbstätigkeit erzielt und diese nicht bloß ein untergeordnetes Ausmaß (nachhaltig nicht mehr als S 20.000,--) aufweisen (vgl. Quantschnigg/Schuch aaO. 665 lit. d und die dort referierte hg. Judikatur; Doralt aaO. Rz 351).
Der Beschwerdeführer rügt in Ausführung des Beschwerdegrundes der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften in erster Linie die Feststellung der belangten Behörde, er habe im Februar 1993 seinen schon 1991 in Fischamend begründeten Wohnsitz vom Beschäftigungsort nach Petzenkirchen WEGVERLEGT.
Damit ist der Beschwerdeführer im Recht. Für diese Feststellung findet sich nämlich im Inhalt der vorgelegten Verwaltungsakten nicht der geringste Anhaltspunkt, und zwar auch nicht im Aktenvermerk vom 9. Jänner 1995, dessen Zuordnung an einen bestimmten Verfasser - wie oben schon erwähnt - im übrigen gar nicht möglich ist.
Angesichts der vom Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren ausdrücklich und wiederholt aufgestellten Behauptung, er habe seinen Familienwohnsitz immer in P gehabt, hätte sich die belangte Behörde das Streitjahr betreffend vor dem Hintergrund der oben dargestellten Rechtslage mit den weiteren Behauptungen des Beschwerdeführers, er habe mit seiner späteren Gattin offenbar schon vor der Eheschließung in P in eheähnlicher Gemeinschaft gewohnt, seine Gattin habe vor der Geburt des Kindes Einkünfte von nicht untergeordneter Höhe in Petzenkirchen bezogen und werde nach der Karenzzeit wieder berufstätig sein, sowie mit der Behauptung, auch das bezogene Karenzgeld übersteige die Grenze von S 20.000,--, im einzelnen näher auseinandersetzen und dazu die erforderlichen Feststellungen über den Zeitpunkt der Begründung der Lebensgemeinschaft bzw. der Eheschließung, weiters über den Ort der Berufstätigkeit der früheren Lebensgefährtin und jetzigen Gattin des Beschwerdeführers und die erzielten Einkünfte treffen müssen.
Indem die belangte Behörde diese Ermittlung außer acht gelassen hat, belastete sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, was gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG zu seiner Aufhebung führen muß, weil nicht auszuschließen ist, daß die belangte Behörde bei Durchführung der gebotenen Ermittlungen zu einem anderen Bescheid hätte kommen können.
Mit Rücksicht auf die durch Literatur und Judikatur klargestellte Rechtslage konnte die Entscheidung in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat getroffen werden.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VO BGBl. Nr. 416/1994. Die Abweisung des Kostenmehrbegehrens betrifft Stempelgebührenersatz für überflüssigerweise vorgelegte Beilagen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1996150006.X00Im RIS seit
20.11.2000Zuletzt aktualisiert am
22.10.2012