TE Vwgh Erkenntnis 1996/4/24 93/12/0248

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Veröffentlicht am 24.04.1996
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Index

L24009 Gemeindebedienstete Wien;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
63/01 Beamten-Dienstrechtsgesetz;

Norm

AVG §56;
AVG §58 Abs2;
AVG §66 Abs4;
BDG 1979 §10;
B-VG Art130 Abs2;
DO Wr 1966 §18 Abs1;
DO Wr 1966 §54 Abs1 Z2;
DO Wr 1966 §54a Abs1;
DO Wr 1966 §54a Abs4;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Germ, Dr. Höß, Dr. Riedinger und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Leitner, über die Beschwerde des J in W, vertreten durch Dr. V, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Berufungssenates der Stadt Wien vom 22. Juni 1993, Zl. MA 2/116/91, betreffend Kündigung nach der Wiener Dienstordnung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat der Stadt Wien Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der 1964 geborene Beschwerdeführer stand (nach der Aktenlage bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides) in einem provisorischen öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zur Stadt Wien. Er war zuletzt als Schwimmlehrer im Dianabad tätig.

Mit Bescheid vom 11. November 1991 sprach der Magistrat der Stadt Wien (MA 2 - Personalamt) aus, das (seit 1. Juli 1988 bestehende öffentlich-rechtliche) Dienstverhältnis des Beschwerdeführers zur Stadt Wien werde gemäß § 54a Abs. 1 der Dienstordnung 1966 (DO 1966) mit Ablauf von drei Monaten ab Zustellung dieses Bescheides gekündigt. Einer allfälligen Berufung wurde gemäß § 12 Abs. 2 DVG aufschiebende Wirkung zuerkannt. In der Begründung wies die Dienstbehörde erster Instanz darauf hin, die Anstellung werde nach Ablauf der Probedienstzeit (sechs Jahre) definitiv, sodaß das Dienstverhältnis des Beschwerdeführers gemäß § 54a Abs. 1 DO 1966 gekündigt werden könne. Laut Meldung seiner Dienststelle habe der Beschwerdeführer

1. am 7. Jänner 1991 einer jungen Frau ohne Badekarte und daher widerrechtlich den Zutritt zur Schwimmhalle ermöglicht,

2. den für 11. April 1991 vereinbarten Dienstplan nicht eingehalten,

3. am 17. April 1991 einer jungen Frau widerrechtlich den Aufenthalt und die Umkleidemöglichkeit im Schwimmlehrerdienstraum geboten und das Betreten der Schwimmhalle in Straßenkleidung erlaubt und

4. am 17. April 1991 die Aufsichtspflicht in der Schwimmhalle verletzt, da er während des Wellenbetriebes die genannte junge Frau aus der Schwimmhalle geführt habe.

Der Beschwerdeführer habe die Verfehlungen vom 7. Jänner 1991 zugegeben und sei deshalb strengstens ermahnt worden. Die übrigen Verfehlungen habe er bestritten. Nach Wiedergabe von Zeugenaussagen zu den Vorfällen 2 bis 4 vertrat die Dienstbehörde erster Instanz die Auffassung, der Beschwerdeführer sei für den öffentlichen Dienst nicht geeignet.

Laut einem Aktenvermerk wurde dieser Bescheid am 11. oder 12. November 1991 vom Beschwerdeführer übernommen.

In seiner Berufung vom 12. November 1991 wies der Beschwerdeführer darauf hin, der Vorfall 1 sei ein "einmaliger Ausrutscher" gewesen. Die Vorfälle 2 bis 4 seien eindeutig gegen seine Person gerichtete Anschuldigungen, zu denen er bereits (im Ermittlungsverfahren bei der Dienstbehörde erster Instanz) Stellung genommen habe. Er ersuche um nochmalige Überprüfung seiner Angelegenheit und um Rücknahme seiner Kündigung.

Während des Berufungsverfahrens kam es zu einem weiteren Vorfall: Laut Gutachten des Gesundheitsamtes vom 13. Dezember 1991 bestanden bei dem an diesem Tag im Dienst befindlichen und untersuchten Beschwerdeführer ein grippaler Infekt und eine akute Alkoholisierung (Alkotest Stufe 4 = über 0,8 %o). Auf Grund dieser Diagnose sei der Beschwerdeführer nicht dienstfähig gewesen. Seine Wiedervorstellung in nüchternem Zustand sei vom amtsärztlichen Dienst erbeten worden, weil der Beschwerdeführer in jeder Hinsicht uneinsichtig gewesen sei.

Wegen dieses Vorfalles wurde der Beschwerdeführer als Beschuldigter im Disziplinarverfahren am 31. März 1992 einvernommen. Hiezu gab er an, er sei am 12. Dezember 1991 nach Dienstschluß ausgegangen und spät nach Hause gekommen. Am 13. Dezember 1991 habe er aber seinen Dienst um 6.00 Uhr angetreten und diesen ordnungsgemäß versehen. Um ca. 11.30 Uhr sei der Portier zu ihm gekommen und habe gesagt, er müsse sich über Anordnung der Betriebsleitung zu einer amtsärztlichen Untersuchung begeben. Anschließend habe sich der Beschwerdeführer wieder zur Dienststelle begeben, sei aber um ca. 12.15 Uhr nach Hause geschickt worden. Trotz der vielen Krankenstände anderer Kollegen und des auf dem Gesundheitsamt festgestellten grippalen Infektes sei er zum Dienst erschienen.

Bei einer weiteren Verhandlung am 31. März 1992 wurden dem Beschwerdeführer laut Niederschrift verschiedene Zeugenaussagen (die sich auf die Vorfälle 2 bis 4 des erstinstanzlichen Kündigungsbescheides beziehen) zur Kenntnis gebracht. Er erklärte sich nicht bereit, den Namen jener jungen Frau zu nennen, die bei seinen angeblichen Dienstpflichtverletzungen beteiligt gewesen sein solle.

In der Folge finden sich in den Verwaltungsakten verschiedene Aktenvermerke zur Ankündigung des Beschwerdeführers, er strebe eine (Weg)Versetzung von der MA 44 - Bäder an.

Laut Niederschrift vom 4. September 1992 erklärte der Beschwerdeführer, bis dato kein Versetzungsgesuch abgegeben zu haben; er sei auch nicht einverstanden, in die Verwendung als Badewart überstellt zu werden. Er sei darüber informiert worden, daß im Falle der Bestätigung des bekämpften Kündigungsbescheides sein Dienstverhältnis ende und ein zu diesem Zeitpunkt noch offener Erholungsurlaub ohne finanzielle Entschädigung verfalle. Es sei ihm der gesamte Akteninhalt des erstinstanzlichen Verfahrens und des Berufungsverfahrens zur Kenntnis gebracht worden. Er gebe zu diesem Sachverhalt keine Stellungnahme ab.

Mit Schreiben vom 21. Dezember 1992 teilte OA Dr. K. vom Anton-Proksch-Institut/Kalksburg der MA 44 mit, der Beschwerdeführer stehe seit 20. November 1992 in stationärer Behandlung. Nach Durchführung der medikamentösen Entzugsbehandlung nehme der Beschwerdeführer an gesprächstherapeutischen Einzel- und Gruppensitzungen und an der Arbeitstherapie teil. Ein Hauptgrund für den in den letzten Jahren beträchtlich verstärkten Alkoholkonsum sei die Situation auf seinem Arbeitsplatz im Dianabad gewesen. Der Beschwerdeführer habe angegeben, schon mehrere Versetzungsgesuche geschrieben zu haben, bis jetzt aber ohne Erfolg. Aus psychotherapeutischer Sicht würde die Rückkehr des Patienten an seinen alten Arbeitsplatz einer zielführenden Rehabilitation entgegenwirken, weshalb das Versetzungsgesuch des Beschwerdeführers wohlwollend befürwortet werde.

In der Folge trat der Beschwerdeführer am 13. April 1993 wieder seinen Dienst an.

Mit Schreiben vom 2. Juni 1993 übermittelte die MA 44 an die MA 2 eine Beschreibung des Aufgabenbereiches eines Schwimmlehrers. Allen Bediensteten der MA 44 - Bäder sei mittels Weisung nachweislich zur Kenntnis gebracht worden, daß die Konsumation von Alkohol während der Dienstzeit strengstens verboten sei. Ein Verstoß gegen diese Weisung sei aber besonders bei Schwimmlehrern/innen (auch Alkoholkonsum vor Dienstantritt) als schwere Dienstpflichtverletzung anzusehen. Alkoholeinfluß beeinträchtige bekanntlich die Konzentrations- und Reaktionsfähigkeit enorm. Gerade aber diese Faktoren hätten für das Berufsbild der Schwimmlehrer/innen höchsten Stellenwert, da von der Dienst(un)fähigkeit dieser Berufsgruppe Menschenleben oder Schicksale (bei bleibenden gesundheitlichen Schäden auf Grund verspäteter Einleitung von Rettungsmaßnahmen und Erste-Hilfe-Leistungen) abhingen.

Laut Niederschrift vom 3. Juni 1993 wurden dem Beschwerdeführer seine Krankenstände in den Jahren 1990 bis April 1993 sowie das amtsärztliche Gutachten vom 13. Dezember 1991 und das Schreiben der MA 44 vom 2. Juni 1993 zum Tätigkeitsprofil von Schwimmlehrern zur Kenntnis gebracht. Die Abwesenheitstage seien vom Beschwerdeführer nicht bestritten worden. Zu den beiden anderen Dokumenten erklärte der Beschwerdeführer, daß er "weder das amtsärztliche Gutachten noch die Ansicht der MA 44 laut Schreiben vom 2. Juni 1993 in Abrede stelle."

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 22. Juni 1993 wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers als unbegründet ab. Nach Darstellung des Verwaltungsgeschehens führte sie in der Begründung aus, der erste Vorfall vom 7. Jänner 1991 werde als gegeben angenommen, da dies in der Berufung nicht bestritten und bei Parteieneinvernahmen des Beschwerdeführers vor der Behörde erster Instanz ausdrücklich zugestanden worden sei. Die Vorfälle 2 bis 4 könnten hingegen nicht als erwiesen angenommen werden (wird näher ausgeführt). Während des Berufungsverfahrens sei jedoch am 13. Dezember 1991 anläßlich einer amtsärztlichen Untersuchung festgestellt worden, daß der Beschwerdeführer im Zustand akuter Alkoholisierung seinen Dienst versehen habe. Die Richtigkeit dieses Gutachtens sei vom Beschwerdeführer nicht bestritten worden; es bestehe auch seitens der belangten Behörde kein Anlaß, dieses Gutachten in Zweifel zu ziehen. Die Alkoholisierung sei als gegeben anzusehen. Selbst wenn diese Alkoholisierung nicht auf den Konsum alkoholhältiger Getränke im Dienst zurückzuführen gewesen sei, hätte der Beschwerdeführer auch außerhalb der Dienstzeit alles unterlassen müssen, um den Zustand einer Alkoholisierung im Dienst zu vermeiden. Die Alkoholisierung im Dienst müsse als schwere Dienstpflichtverletzung angesehen werden, da der Beschwerdeführer für die Aufsicht im Schwimmhallenbereich, insbesondere für die Schwimmbecken, sowie für die Durchführung von Rettungsmaßnahmen und die Einleitung der Erste-Hilfe-Leistung verantwortlich gewesen sei. Die Erfüllung dieser Dienstpflicht setze aber voraus, daß die Konzentrations- und Reaktionsfähigkeit des Schwimmlehrers nicht durch den Einfluß von Alkohol herabgesetzt sei, da Leben und Gesundheit der Badegäste gefährdet wären, wenn der Schwimmlehrer eine Gefahrensituation überhaupt nicht oder zu spät erkenne. Letztlich sei noch festzustellen, daß der Beschwerdeführer im Jahr 1990 insgesamt 40 Tage, im Jahr 1991 insgesamt 67 Tage und vom 13. April 1992 bis 31. Mai 1992 49 Tage und vom 2. November 1992 bis 12. April 1993 (dies seien 162 Tage) wegen Dienstunfähigkeit vom Dienst ferngeblieben sei. Diese Abwesenheiten seien vom Beschwerdeführer nach Kenntnisnahme im Zuge des Parteiengehörs nicht bestritten worden.

Rechtlich würdigte die belangte Behörde diesen Sachverhalt folgendermaßen:

Die DO 1966 nenne in ihrem § 54a keine Kündigungsgründe. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes verfolge die Einrichtung des provisorischen Dienstverhältnisses den Zweck, den Beamten auf seine Eignung für den Dienst zu prüfen und nur jene Beamte in das definitive Dienstverhältnis zu übernehmen, die allen Anforderungen entsprächen, die an einen Beamten im allgemeinen wie in Anbetracht der Verwendung, für die er aufgenommen worden sei, gestellt werden müßten. Es sei demnach die Zweckbestimmung des der Definitivstellung des öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses eines Bediensteten vorgeschalteten provisorischen Dienstverhältnisses, den Beamtennachwuchs nochmals in der Weise sieben zu können, daß alle sich nicht voll bewährenden Amtsträger noch vor Erlangung einer unkündbaren Stellung von der Beamtenlaufbahn, für die sie sich nicht eigneten, ausgeschlossen würden. Nach Ansicht der belangten Behörde rechtfertigten die vorher als erwiesen angenommenen Dienstpflichtverletzungen (widerrechtliche Zutrittsgewährung in das Dianabad am 7. Jänner 1991; Alkoholisierung im Dienst am 13. Dezember 1991) die Kündigung des Beschwerdeführers. Bei den Kündigungsgründen sei ein strenger Maßstab anzulegen, wobei dies im Sinne der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, der z.B. auch die Nichtmeldung einer Nebenbeschäftigung als Kündigungsgrund angesehen habe (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 11. Oktober 1956, Zl. 796/56), liege. Neben der Dienstpflichtverletzung sei die Kündigung auch auf die ständig zunehmenden Krankenstände des Berufungswerbers zu stützen (1990: 40 Tage; 1991: 67 Tage; 1992: 109 Tage und 1993: bereits 102 Tage). Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes stellten häufige und langdauernde Krankenstände einen Kündigungsgrund dar (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 4. März 1987, Zl. 86/01/0167).

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 18 Abs. 1 Satz 1 und 2 DO 1966, LGBl. Nr. 37/1967, wird die Anstellung nach Ablauf der Probedienstzeit definitiv. Die Probedienstzeit beträgt sechs Jahre und dauert jedenfalls bis zum vollendeten 26. Lebensjahr.

Nach § 54 Abs. 1 Z. 2 leg. cit. wird das Dienstverhältnis durch Kündigung (§ 54a) aufgelöst.

Gemäß § 54a Abs. 1 DO in der Fassung LGBl. Nr. 26/1979 kann die Gemeinde Wien durch Kündigung das Dienstverhältnis während der Probedienstzeit auflösen.

    Die Kündigungsfrist beträgt nach einer bei Zustellung des

erstinstanzlichen Bescheides erreichten Probedienstzeit von

    weniger als einem Jahr              zwei Wochen

    einem Jahr                          einen Monat

    drei Jahren                         zwei Monate

    fünf Jahren                         drei Monate

(Abs. 4 Satz 1 leg. cit.)

    Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht, nicht

entgegen der Bestimmung des § 54a DO 1966 gekündigt zu werden,

verletzt. Der angefochtene Bescheid habe von den vier

kündigungsrelevanten Sachverhalten der ersten Instanz nur den

ersten Sachverhalt als erwiesen angenommen. Allerdings habe die

belangte Behörde (statt der entfallenden Vorfälle 2 bis 4) die

Kündigung (zusätzlich) auf den NACH Erlassung des

Kündigungsbescheides der Dienstbehörde erster Instanz

stattgefundenen Vorfall vom 13. Dezember 1991 (Dienstversehung

in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand) sowie auf die

Krankenstände aus den Jahren 1990 bis 1993 gestützt. Gegen die

beiden erstmals im angefochtenen Bescheid herangezogenen

Kündigungsgründe bringt der Beschwerdeführer unter Hinweis auf

das hg. Erkenntnis vom 27. April 1953, Zl. 2157/52

(= Slg. N.F. Nr. 2946/A), vor, die belangte Behörde hätte als

Berufungsbehörde lediglich darüber abzusprechen gehabt, ob die

Kündigung zu dem im Bescheid der Behörde erster Instanz

angegebenen Zeitpunkt aus den dort angeführten Gründen

rechtsgültig ausgesprochen worden sei. Das (seiner Meinung

nach) demnach einzig verbleibende Faktum (Vorfall vom

7. Jänner 1991) sei nicht so schwerwiegend, um die erfolgte

Kündigung zu stützen.

Dem ist folgendes entgegenzuhalten:

Es trifft zu, daß die belangte Behörde die Abweisung der Berufung des Beschwerdeführers überwiegend auf andere Fakten gestützt hat als die Dienstbehörde erster Instanz. Der von ihr erstmals herangezogene Umstand, der Beschwerdeführer habe am 13. Dezember 1991 den Dienst alkoholisiert versehen, hat sich nach Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides (die unbestritten am 11. oder 12. November 1991 erfolgte), aber vor Ablauf der Kündigungsfrist (die demnach am 11. oder 12. Februar 1992 endete) ereignet. Was die erstmals von der belangten Behörde berücksichtigten Krankenstände zwischen 1990 bis April 1993 betrifft, so umfassen sie mit ihrer signifikanten Steigerung ab 1992 bis April 1993 gleichfalls Zeiträume nach Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides (bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides).

Im Beschwerdefall ist daher vorab zu klären, ob die belangte Behörde als Berufungsbehörde auch Umstände mitberücksichtigen durfte, die sich erst nach Erlassung des erstinstanzlichen Kündigungsbescheides ereignet haben. Dies hängt davon ab, was bei einer Kündigung nach § 54a DO 1966 "Sache" im Sinne des § 66 Abs. 4 AVG ist, das heißt im Sinne des Erkenntnisses eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom 28. November 1983, Slg. N.F. Nr. 11.237/A, was die Angelegenheit (die "in Verhandlung stehende Angelegenheit" im Sinne des § 59 Abs. 1 AVG) ist, die den Inhalt des Spruches des erstinstanzlichen Bescheides gebildet hat. Dies kann nur auf Grund der jeweiligen Verwaltungsvorschrift, die die konkrete Verwaltungssache bestimmt, eruiert werden. Reicht (wie unten noch zu zeigen sein wird) bereits der Vorfall vom 13. Dezember 1991 (allein oder in Verbindung mit der unbestritten gebliebenen Dienstpflichtverletzung vom 7. Jänner 1991 - Gewährung des Zutrittes einer Besucherin zur Schwimmhalle ohne Badekarte -) aus, die Kündigung des Beschwerdeführers zu tragen, bedarf es im Beschwerdefall lediglich der Klärung, ob jedenfalls Fakten, die sich nach Erlassung des erstinstanzlichen Kündigungsbescheides, aber vor Ablauf der darin festgelegten Kündigungsfrist ereignet haben, von der Berufungsbehörde im Kündigungsverfahren zu berücksichtigen sind. In diesem Fall kann es dahingestellt bleiben, ob die Berufungsbehörde auch Fakten, die sich nach Ablauf der von der Dienstbehörde erster Instanz festgesetzten Kündigungsfrist bis zur Erlassung der Berufungsentscheidung ereignet haben, zu berücksichtigen hat und welche Rolle dabei der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung im Sinne des § 12 Abs. 2 DVG zukommt.

Gegenstand des Kündigungsverfahrens nach § 54a DO 1966 ist für die erstinstanzliche Behörde - entsprechend den §§ 18, 54 Abs. 1 Z. 2 und 54a (insbesondere dessen Abs. 1 und 4) DO 1966 - die durch Bescheid zu bewirkende rechtsgestaltende Auflösung eines provisorischen Dienstverhältnisses zu einem nach § 54a Abs. 4 DO 1966 bestimmten Zeitpunkt. Aus § 54a Abs. 1 (arg.: auflösen) in Verbindung mit § 18 Abs. 1 leg. cit. ist abzuleiten, daß der Tag, zu dem das provisorische Dienstverhältnis aufgelöst wird, jedenfalls noch innerhalb der Probedienstzeit liegen muß.

§ 54a DO 1966 stellt die Kündigung des Dienstverhältnisses während der Probedienstzeit in das Ermessen der Dienstbehörde, normiert aber - anders als z.B. § 10 BDG 1979 für eine Kündigung nach Ablauf der Probedienstzeit - keine Kündigungsgründe.

Der "Sinn des Gesetzes" (Art. 130 Abs. 2 B-VG) besteht - entsprechend dem Zweck der Einrichtung der Probedienstzeit - darin, den Beamten auf seine Eignung für den Dienst zu prüfen, und nur Beamte in das definitive Dienstverhältnis zu übernehmen, die allen Anforderungen entsprechen, die an einen Beamten im allgemeinen, wie in Anbetracht der Verwendung, für die er aufgenommen wurde, gestellt werden müssen. Damit sollen alle sich nicht voll bewährenden Beamte noch vor Erlangung einer unkündbaren Stellung von der Beamtenlaufbahn, für die sie sich nicht eignen, ausgeschlossen werden (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 16. Dezember 1992, Zl. 91/12/0278 und die dort angeführte Vorjudikatur).

Auch Ermessensentscheidungen unterliegen der Begründungspflicht. Das innere Ausmaß der Begründung wird (wie bei jedem anderen Bescheid auch) durch das von der Rechtsordnung anerkannte Rechtsschutzinteresse der Parteien bestimmt (vgl. z.B. VwSlg. N.F. Nr. 5007 A/1959, 6787 A/1965, sowie das Erkenntnis vom 5. März 1982, 81/08/0016).

Angesichts der materiell-rechtlichen Rechtslage nach § 54a DO 1966 unter Beachtung des Zweckes der Probedienstzeit und des Umstandes, daß die Dienstbehörde erster Instanz bei Ausübung ihres Ermessens nur das Verhalten des gekündigten Beamten bis zur Erlassung ihres Bescheides berücksichtigen kann, ist Sache für die Berufungsbehörde im Sinne des § 66 Abs. 4 AVG jedenfalls die rechtsgestaltende Auflösung des provisorischen Dienstverhältnisses zu dem durch den erstinstanzlichen Bescheid bestimmten Termin. Abgesehen davon, daß die vom Beschwerdeführer zitierte Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes zu einer früheren Rechtslage (nämlich zu § 70 lit. c des Gesetzes vom 22. September 1951 betreffend das Dienstrecht der Stadt Wien, LGBl. Nr. 14 in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 6/1953) ergangen ist, steht die dort getroffene Aussage, auf die sich der Beschwerdeführer beruft ("Die Rechtsmittelinstanz spricht aber ihrerseits nur darüber ab, ob die Kündigung zu dem darin angegebenen Zeitpunkt rechtsgültig ausgesprochen worden ist"), nicht notwendig im Widerspruch zur hier geäußerten Rechtsauffassung; das zitierte Erkenntnis Slg. N.F. Nr. 2946 A/1953 läßt sich nämlich (arg.: "zu dem dort angegebenen Zeitpunkt rechtsgültig ...") auch auf den Ablauf der von der Dienstbehörde erster Instanz festgelegten Kündigungsfrist beziehen und stellt nicht zwingend auf den Zeitpunkt der Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides ab.

Vor dem Hintergrund dieser Rechtslage war es aber jedenfalls nicht rechtswidrig, wenn die belangte Behörde den Vorfall vom 13. Dezember 1991 (Dienstverrichtung im alkoholisierten Zustand) in ihre Überlegungen miteinbezog. Dieses Faktum ist im Hinblick auf die Anforderungen an einen Schwimmlehrer, die sich aus den von ihm zu besorgenden Aufgaben ergeben, zweifellos geeignet, für sich allein die Kündigung zu tragen. Dem Einwand des Beschwerdeführers, die ihm zur Last gelegte Alkoholisierung müsse nicht als erwiesen angenommen werden, die belangte Behörde selbst gestehe zu, daß die Tatsache des Alkoholkonsums während der Dienstzeit nicht als erwiesen angenommen werden könne, ist das amtsärztliche Gutachten vom 13. Dezember 1991 entgegenzuhalten, das eine akute Alkoholisierung festgestellt hat. Diesem Gutachten, das dem Beschwerdeführer jedenfalls laut Niederschrift vom 3. Juni 1993 auch im Kündigungsverfahren zur Kenntnis gebracht wurde, ist er im Verwaltungsverfahren nicht entgegengetreten. Wann dieser Zustand herbeigeführt wurde, ist im Beschwerdefall ohne Bedeutung, da der Beschwerdeführer nicht einmal behauptet hat, der Dienstantritt am 13. Dezember 1991 um 6.00 Uhr früh sei für ihn völlig überraschend und unvorhersehbar (weil außerhalb des üblichen Dienstplanes) gewesen.

Schon deshalb war es nicht rechtswidrig, wenn die belangte Behörde die Kündigung des Beschwerdeführers ausgesprochen hat, ohne daß die Frage näher zu prüfen war, ob sie im Beschwerdefall auch berechtigt war, die Krankenstände des Beschwerdeführers bis zur Erlassung ihres Bescheides heranzuziehen oder nicht.

Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit der gemäß ihrem Art. III Abs. 2 anzuwendenden Pauschalierungsverordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Anspruch auf bescheidmäßige Erledigung und auf Zustellung, Recht der Behörde zur Bescheiderlassung konstitutive Bescheide Begründung von Ermessensentscheidungen Beschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die Sache Besondere Rechtsprobleme Ermessen Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt Beachtung einer Änderung der Rechtslage sowie neuer Tatsachen und Beweise

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1993120248.X00

Im RIS seit

21.03.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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