Entscheidungsdatum
09.07.2022Index
83 Naturschutz UmweltschutzNorm
AWG 2002 §37 Abs1Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seinen Richter Mag. Spielmann über die Beschwerden von (1.) AA, Adresse 1, **** Z, (2.) BB, Adresse 1, **** Z, (3.) CC, Adresse 2, **** Z, (4.) DD, Adresse 2, **** Z, (5.) EE, Adresse 3, **** Z, (6.) FF, Adresse 3, **** Z, (7.) GG, Adresse 4, **** Z, (8.) JJ, Adresse 4, **** Z, (9.) KK, Adresse 5, **** Z, (10.) LL, Adresse 6, **** Z, (11.) MM, Adresse 6, **** Z, (12.) NN, Adresse 7, **** Z, (13.) OO, Adresse 8, **** Z, (14.) PP, Adresse 8, **** Z, (15.) QQ, Adresse 8, **** Z, (16.) RR, Adresse 8, **** Z, (17.) TT, Adresse 9, **** Z, (18.) UU, Adresse 9, **** Z, (19.) VV, WW, **** Z, (20.) XX, Adresse 10, **** Z, (21.) YY, Adresse 11, **** Z, (22.) ZZ, Adresse 12, **** Z, (23.) AA1, Adresse 13, **** Z, (24.) BB1, Adresse 14, **** Z, (25.) CC1, Adresse 14, **** Z, (26.) DD1, Adresse 15, **** Z, (27.) EE1, Adresse 15, **** Z, (28.) FF1, Adresse 15, **** Z, (29.) GG1, **** Z, (30.) JJ1, Adresse 17, **** Z, (31.) KK1, Adresse 17, **** Z, (32.) LL1, Adresse 18, **** Z, (33.) MM1, Adresse 18, **** Z, (34.) NN1, Adresse 18, **** Z, (35.) OO1, Adresse 18, **** Z, (36.) PP1, Adresse 19, **** Z, (37.) QQ1, Adresse 19, **** Z, (38.) RR1, Adresse 20, **** Z, (39.) TT1, Adresse 21, **** Z, (40.) UU1, Adresse 22, **** Z, (41.) VV1, Adresse 22, **** Z, (42.) WW1, Adresse 23, **** Z, (43.) XX1, Adresse 23, **** Z, (44.) YY1, Adresse 24, **** Z, (45.) ZZ1, Adresse 24, **** Z, (46.) AA2, Adresse 25, **** Z, (47.) BB2, Adresse 25, **** Z, (48.) CC2, Adresse 26, **** Z, (49.) DD2, Adresse 27, **** Z, (50.) EE2, Adresse 25, **** Z, (51.) FF2, Adresse 26, **** Z, (52.) GG2, Adresse 26, **** Z, (53.) JJ2, Adresse 27, **** Z, (54.) KK2, Adresse 28, **** Z, (55.) LL2, Adresse 29, **** Z, (56.) MM2, Adresse 30, **** Z, (57.) NN2, Adresse 30, **** Z, (58.) OO2, Adresse 31, **** Z, (59.) PP2, Adresse 31, **** Z, (60.) QQ2, Adresse 32, **** Z, (61.) RR2, Adresse 33, **** Z, (62.) TT2, Adresse 34, **** Z, (63.) UU2, Adresse 35, **** Z, (64.) VV2, Adresse 35, **** Z (65.) WW2, Adresse 36, **** Z, (66.) XX2, Adresse 37, **** Z, (67.) YY2, Adresse 38, **** Z, (68.) ZZ2, Adresse 37, **** Z, (69.) AA3, Adresse 39, **** Z, (70.) BB3, Adresse 40, **** Z, (71.) CC3, Adresse 40, **** Z, alle vertreten durch DD3 Rechtsanwalts GmbH, Adresse 41, **** Y, (72.) EE3, Adresse 42, **** Z, (73.) FF3, Adresse 42, **** Z, sowie des (74.) Gemeindeverbandes Allgemeines öffentliches Bezirkskrankenhaus Z, Adresse 43, **** Z, vertreten durch die Rechtsanwälte GG3, Adresse 44, **** Z, und der (75.) Stadtgemeinde Z, Adresse 45, **** Z, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol als AWG-Behörde vom 11.03.2020, Zahl ***, betreffend eines Bewilligungsverfahrens nach dem Abfallwirtschaftsgesetz 2002 (AWG 2002) für eine ortsfeste Baurestmassenaufbereitungsanlage samt Zwischenlager (Antragstellerin: JJ3 GmbH, Adresse 46, **** Z, vertreten durch KK3, LL3 GmbH, **** X), nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung,
zu Recht:
1. Die Beschwerden werden mit den Maßgaben als unbegründet abgewiesen,
- dass als zusätzliche Auflage vorgeschrieben wird, dass die in der Betriebsanlage eingesetzten Verbrennungskraftmaschinen mindestens der Emissionsstufe IV der Verordnung (EU) 2016/1628 entsprechen müssen,
- dass die wasserrechtliche Befristung in Spruchpunkt IV/2 mit 31.12.2042 und die wasserrechtliche Bauvollendungsfrist in Spruchpunkt IV/3 mit 31.12.2023 neu festgesetzt wird, und
- dass die Betriebszeiten wie folgt begrenzt werden:
Montag bis Freitag: 07.00 Uhr bis 19.00 Uhr, Samstag: 07.00 Uhr bis 12.00 Uhr
Brech- und Siebanlage: Montag bis Freitag: 08.00 Uhr bis 18.00 Uhr (max 800 h/a)
Sonn- und Feiertage: kein Betrieb
max 250 Arbeitstage/Jahr
2. Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I. Verfahren:
Mit dem angefochtenen Bescheid hat die AWG-Behörde der Antragstellerin die abfallrechtliche Bewilligung nach § 37 Abs 1 AWG 2002 zur Errichtung und zum Betrieb einer ortsfesten Baurestmassenaufbereitungsanlage samt Zwischenlager auf den Grundstücken Nr **1 und **2, KG Z, erteilt. Da die ursprünglich mitbeantragte Zwischenlagerung gefährlicher Asbestabfälle bereits zuvor zurückgezogen wurde, hat diese Bewilligung keinen Asbest mehr zum Gegenstand. Zu den Einwendungen von Anrainern hat die AWG-Behörde aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens zusammengefasst festgestellt, dass sich für sie keine relevanten Auswirkungen in Hinblick auf Luftschadstoffe und Lärm ergeben.
In dem am 12.05.2020 dagegen erhobenen Rechtsmittel an das Landesverwaltungsgericht haben die Beschwerdeführer Nr 1 bis 71 auf das Wesentliche zusammengefasst geltend gemacht, dass sie als Nachbarn iSd § 2 Abs 6 Ziffer 5 AWG 2002 durch die Errichtung, den Bestand und den Betrieb der Abfallbehandlungsanlage durch Lärm, Luftschadstoffe und zusätzlichen Verkehr gefährdet und belästigt würden. Die Standardauflagen für mobile Behandlungsanlagen seien nicht vorgeschrieben worden. Das nach § 10 AWG 2002 erforderliche Abfallwirtschaftskonzept würde fehlen. Es käme auch zu Beeinträchtigungen einer durch die Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH-Richtlinie) und das Tiroler Naturschutzgesetz 2005 (TNSchG 2005) geschützten Biberpopulation.
Am 18.05.2020 hat die Stadt Z Beschwerde erhoben und zusammengefasst eingewandt, dass Nachbarn sowie Patienten des Bezirkskrankenhauses durch die Betriebsanlage belästigt und gefährdet werden könnten. Es sei verabsäumt worden, ein Gutachten zur speziellen Windsituation und eine Verkehrsanalyse einzuholen. Der Standort des Vorhabens sei nicht geeignet, er grenze an ein Naturschutzgebiet an und widerspreche dem Raumordnungskonzept und der Flächenwidmung. Die Standardauflagen für mobile Behandlungsanlagen seien nicht vorgeschrieben worden. Die Deponieverordnung 2008 (DVO 2008) und das TNSchG 2005 hätten zur Anwendung kommen müssen. Der Biberbestand in den angrenzenden Z-er und W- Auen hätte festgestellt werden müssen.
Mit Beschwerde vom 28.05.2020 haben sich die Beschwerdeführer Nr 72 und 73 inhaltlich den Rechtsmitteln der Beschwerdeführer Nr 1 bis 71 und der Stadt Z angeschlossen.
Schließlich hat auch der Gemeindeverband A.ö. Bezirkskrankenhauses Z mit Schreiben vom 28.05.2020 Beschwerde erhoben und zusammengefasst vorgebracht, dass eine lokale Wind- und Schallmessungen erforderlich gewesen wären. Die Abfallart Straßenkehricht sei nicht beantragt worden. Das Krankenhaus sei nicht 350 m, sondern nur 300 m von der Anlage entfernt. Das Vorhaben widerspreche dem Raumordnungskonzept und der Flächenwidmung. Der zusätzliche Verkehr beeinträchtige die Flüssigkeit und Leichtigkeit des Verkehrs und die Krankenhauszufahrt. Nach der Rechtsprechung des Unabhängigen Verwaltungssenates Tirol müsse ein Mindestabstand von 500 m zum Krankenhaus eingehalten werden.
II. Sachverhalt:
Gegenstand der Bewilligung ist die Errichtung und der Betrieb einer ortsfesten Baurestmassenaufbereitungsanlage samt Zwischenlager für nicht gefährliche Abfälle auf den Grundstücken Nr **2 und **1, KG Z. Auf einer Fläche von rund 9.000 m2 sollen Bodenaushubmaterialien und Baurestmassen aufbereitet und zwischengelagert werden. Die Aufbereitung soll mittels Radlader, Hydraulikbagger und mobiler Brech- und Siebanlagen erfolgen. Weiters sind Büro- und Aufenthaltscontainer mit WC und Waschgelegenheit, Sprinkleranlagen, eine Reifenwaschanlage, überdachte Lagerboxen, eine Waage, diverse Container (40 m3), sechs Parkplätze und eine asphaltierte Rampe mit Plateaufläche zur Materialsortierung geplant.
Zusammengefasst wurde die Zwischenlagerung von Holz, nicht verunreinigten Holzemballagen und Holzabfällen, Bau- und Abbruchholz, unbeschichteten Papier und Pappe, Rea-Gips, Glas, Mineralfasern, ölverunreinigten Böden, Gips, verunreinigten Eisen- und Stahlabfällen, Eisenmetallemballagen und –behältnissen, Kunststofffolien, Gummi, Altreifen und Altreifenschnitzel, Verpackungsmaterial und Kartonage, Baustellenabfällen (kein Bauschutt), Leichtfraktionen aus der Verpackungssammlung sowie Sperrmüll und Straßenkehricht bewilligt. In der Baurestmassenaufbereitung dürfen Keramik, Bauschutt (keine Baustellenabfälle), Straßenaufbruch, Bodenaushub, Betonabbruch, Gleisschotter, Bitumen - Asphalt und Straßenkehricht behandelt werden. In der mechanischen Abfallbehandlung dürfen sonstige verunreinigte Böden behandelt werden. Die konkreten Schlüsselnummern und die exakten Abfallbezeichnungen entsprechend der Abfallverzeichnisverordnung 2020 sind in Spruchpunkt II des angefochtenen Bescheides definiert.
In Spruchpunkt III des angefochtenen Bescheides wurde die Gesamtlagerkapazität mit 10.800 Tonnen und die maximale Gesamtjahresumschlagsmenge (Anlieferung, Aufbereitet und Zwischenlagerung) mit 100.000 Tonnen begrenzt. Es wurden Betriebszeiten von Montag bis Freitag von 07.00 Uhr bis 19.00 Uhr und an Samstagen von 07.00 Uhr bis 12.00 Uhr beantragt. An Sonn- und Feiertagen findet kein Betrieb statt. Die Brech- und Siebanlagen dürfen ausschließlich von Montag bis Freitag von 08.00 Uhr bis 18.00 Uhr in Betrieb genommen werden. Sie dürfen insgesamt maximal 800 h/a und nur elektrisch betrieben werden. Während der Rahmenbetriebszeiten dürfen zusätzlich ein dieselbetriebener Radlader und ein dieselbetriebener Hydraulikbagger der Emissionsstufe IV eingesetzt werden.
Als Lärmschutzmaßnahmen sind in der Betriebsanlage 4,5 m hohe Materialhäufen oder Lärmschutzwände im Nahbereich der Aufbereitungsanlage zu errichten. Zur Hintanhaltung von auftretenden Staubemissionen dürfen die Aufbereitungsanlagen nur elektrisch betrieben werden. Der Zufahrtsbereich zum Zwischenlager ist zu asphaltieren und die übrige Zufahrt ist mit Grobschotter zu befestigen. An der Oberfläche ist die Fahrbahn mit einer Planierschicht aus recyceltem Asphaltgranulat zu versehen. Die Zwischenlager sind zur Verhinderung von Staubverfrachtungen beim Aufkommen von Wind bzw beim Brechen mit Beregnungsanlagen zu befeuchten. Auch an Sonn- und Feiertagen sind Staubemissionen durch Bewässerungen zu unterbinden. Die Aufbereitungsanlagen sind mit einer automatischen Befeuchtungseinheit auszustatten. Im Einfahrtsbereich ist eine Reifenwaschanlage zu errichten. Innerhalb der Betriebsanlage gilt eine Geschwindigkeitsbegrenzung von 20 km/h. Unter Spruchpunkt V/A des angefochtenen Bescheides wurden die beantragten emissionsmindernden Maßnahmen teilweise konkretisiert.
Das nächstgelegene Wohngebiet befindet sich nordöstlich der Betriebsanlage in einer Entfernung von ca 210 m. Dazwischen liegt der ca 7 m hohe Straßendamm des Autobahnzubringers Z-Süd. Die beschwerdeführenden Anrainer wohnen jedoch weiter weg, teilweise in Entfernungen von über 3 km. Der nächstliegende, beschwerdeführende Wohnnachbar ist der Eigentümer des Grundstücks Nr **3, KG Z, dessen Grundgrenze ca 350 m von der Grenze des Anlagengrundstücks Nr **2 entfernt liegt. Noch näher befindet sich nur das Bezirkskrankenhaus, dessen Grundgrenze nur ca 300 m und dessen Fassade ca 350 m Abstand zum Anlagengrundstück aufweist. Allerdings liegt auch in diesen Fällen zwischen der Betriebsanlage und den beschwerdeführenden Anrainern der Straßendamm des Autobahnzubringers, sodass keine direkte Sichtverbindung besteht.
Wie das durchgeführte Ermittlungsverfahren ergeben hat, wird das beantragte Vorhaben auf den am nächsten liegenden Grundstücken der Beschwerdeführer in einer Höhe von 15 m tagsüber zu einer Lärmimmission von bis zu 47 dB (berechnete 42 dB zuzüglich 5 dB Sicherheit) führen. Das durchgeführte Verfahren hat aber auch zweifelsfrei ergeben, dass es selbst im maximal zulässigen Betrieb zu keiner relevanten Veränderung der bestehenden Lärmsituation kommen wird. Das mit 55 dB bestehende, wesentlich höhere Lärmniveau wird nämlich den neu hinzukommenden Lärmpegel deutlich überdecken. Die in 15 m Höhe zu erwartenden 47 dB liegen aber auch alleine unter der Empfehlung der WHO für Schall im Freien in der Nacht. Damit wird der in den Innenräumen von der WHO empfohlene Wert von 30 dB in Schlafräumen eingehalten. In tiefer liegenden Stockwerken wird die Belastung ohnehin niedriger sein, da der Schall, der sich nach oben ausbreitet, vom Straßendamm des Autobahnzubringers abgeschirmt wird. So liegt die derzeitige Belastung beim Krankenhaus in einer Höhe von 4 m bei 51 bis 54 dB. Die prognostizierte Zusatzbelastung in diesem Bereich von 44 dB (berechnete 39 dB zuzüglich 5 dB Sicherheit) liegt sowohl unter dieser Vorbelastung als auch unter der Empfehlung der WHO.
Der Betrieb der Anlage wird zweifellos auch zu Luftschadstoffemissionen führen. Im Wesentlichen wird es sich dabei um Staub aus dem LKW-Verkehr, den Radladerbewegungen, dem Abkippen und Aufladen von Material sowie aus der Materialbehandlung selbst handeln. Es sind jährliche Emissionsfrachten von 3.350 kg Feinstaub PM10 prognostiziert. Darin sind 420 kg PM2,5 enthalten. Die derzeitige Immissionsbelastung (Hintergrundbelastung) im Projektgebiet liegt mit 20 µg/m³ PM10 und weniger als 30 µg/m³ NO2 deutlich unter den Grenzwerten des IG-L. Selbst bei den nächstgelegenen Anrainern in ca 210 m Entfernung (also deutlich näher als der nächstgelegene Beschwerdeführer) sind aufgrund des beantragten Vorhabens keine relevanten Zusatzbelastungen an Feinstaub PM10 (kleiner als 3 % des Grenzwertes für den Jahresmittelwert nach dem IG-L, dh <1,2 µg/m3 im Jahresmittel) zu erwarten. Die zu erwartenden Stickoxidemissionen resultieren im Wesentlichen aus den eingesetzten Dieselmotoren. Bei der nunmehr vorgeschriebenen Emissionsstufe IV (Stickoxidemissionen von maximal 0,4 g/kWh) sind selbst unter Berücksichtigung eines Dauerbetriebes des Radladers und des Hydraulikbaggers an 12 Stunden pro Tag und 250 Betriebstagen pro Jahr nur Stickoxidemissionen von 0,35 t/a zu erwarten. Die daraus resultierende Gesamtbelastung an Stickoxiden und Stickstoffdioxiden liegt deutlich unter der Irrelevanzgrenze des IG-L.
Aus umweltmedizinischer Sicht wird es somit selbst bei den am nächsten liegenden Beschwerdeführern zu keinen relevanten Änderungen der bestehenden Immissionssituation kommen. Die Zusatzbelastungen werden deutlich im irrelevanten Bereich liege. Eine Gefährdung des Lebens und der Gesundheit und unzumutbare Belästigungen können somit ausgeschlossen werden.
III. Beweiswürdigung:
Beweis wurde aufgenommen durch den Behördenakt, insbesondere durch die umfangreichen, von der belangten Behörde eingeholten Gutachten der Amtssachverständigen für Emissionen, Immissionen und Umweltmedizin. Zudem hat das Landesverwaltungsgericht am 27.04.2022 eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt und den emissionstechnischen Amtssachverständigen MM3, den immissionstechnischen Amtssachverständigen NN3 und den umweltmedizinischen Amtssachverständigen OO3 einvernommen. Diese Amtssachverständigen haben schlüssig und widerspruchsfrei dargelegt, dass es selbst bei den nächstgelegenen Anrainern zu keinen relevanten zusätzlichen Immissionen kommen wird und, dass diese weder in ihrer Gesundheit gefährdet noch unzumutbar belästigt werden. Die meisten beschwerdeführenden Anrainer wohnen aber ohnehin deutlich weiter entfernt (teilweise mehrere Kilometer), sodass bei ihnen jedenfalls keine Auswirkungen mehr feststellbar sein werden.
Die Beschwerdeführer Nr 72 bis 75 sind den Sachverständigengutachten nicht ansatzweise auf gleicher fachlichen Ebene entgegengetreten. Insbesondere konnten die Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung nachvollziehbar darlegen, dass sowohl die lokalen Windverhältnisse ausreichend berücksichtigt, als auch die notwendigen Messergebnisse für Luftschadstoffe und Schall vorliegen. Und sofern der Privatsachverständige der Beschwerdeführer Nr 1 bis 71 kritisiert, dass auch Schätzungen vorgenommen und Vergleichswerte herangezogen wurden, konnte der emissionstechnische Amtssachverständige diese Vorgehensweise mit einschlägiger Literatur – insbesondere mit dem „Leitfaden UVP und IG-L“ des Umweltbundesamtes – erklären. Jedenfalls hat auch der Privatsachverständige nicht ansatzweise Berechnungen, Messungen oder sonstige Beweismittel vorlegen können, die die Amtssachverständigen widerlegen würden oder aus denen auf irgendeine relevante Beeinträchtigung der Anrainer geschlossen werden könnte. Damit ist es auch den Beschwerdeführern Nr 1 bis 71 nicht gelungen, dem Ermittlungsergebnis substantiiert entgegen zu treten. Den vorliegenden Amtssachverständigengutachten kann somit bedenkenlos gefolgt werden. Besonders zu berücksichtigen ist dabei, dass zwischen den nächsten Anrainern und der Betriebsanlage ein stark befahrener Autobahnzubringer auf einem meterhohen Damm verläuft, sodass nicht einmal eine Sichtverbindung besteht. Beweismittel, die auf eine relevante Belastung der Anrainer mit Schall oder Luftschadstoffen hinweisen würden, liegen hingegen nicht vor.
IV. Rechtslage:
Abfallwirtschaftsgesetz 2002 (AWG 2002):
„Begriffsbestimmungen
§ 2.
(…)
(6) Im Sinne dieses Bundesgesetzes
(…)
5. sind „Nachbarn“ Personen, die durch die Errichtung, den Bestand, den Betrieb oder eine Änderung einer Behandlungsanlage gefährdet oder belästigt oder deren Eigentum oder deren dingliche Rechte gefährdet werden könnten. Nicht als Nachbarn gelten Personen, die sich vorübergehend in der Nähe der Behandlungsanlage aufhalten und die nicht Eigentümer oder dinglich berechtigt sind. Als Nachbarn gelten jedoch die Inhaber von Einrichtungen (zB Beherbergungsbetriebe, Krankenanstalten, Heime, Schulen), in denen sich regelmäßig Personen vorübergehend aufhalten, hinsichtlich des Schutzes dieser Personen. Als Nachbarn gelten auch Eigentümer von grenznahen Liegenschaften im Ausland, wenn in dem betreffenden Staat österreichische Nachbarn in den entsprechenden Verfahren rechtlich oder tatsächlich den gleichen Nachbarschutz genießen;
(…)
Genehmigungs- und Anzeigepflicht für ortsfeste Behandlungsanlagen
§ 37.
(1) Die Errichtung, der Betrieb und die wesentliche Änderung von ortsfesten Behandlungsanlagen bedarf der Genehmigung der Behörde. Die Genehmigungspflicht gilt auch für ein Sanierungskonzept gemäß § 57 Abs. 4.
(…)
Konzentration und Zuständigkeit
§ 38.
(1) (Verfassungsbestimmung) Im Genehmigungsverfahren und Anzeigeverfahren für gemäß § 37 genehmigungspflichtige Behandlungsanlagen sind alle Vorschriften – mit Ausnahme der Bestimmungen über die Parteistellung, die Behördenzuständigkeit und das Verfahren – anzuwenden, die im Bereich des Gas-, Elektrizitätswirtschafts-, Landesstraßen-, Naturschutz- und Raumordnungsrechts für Bewilligungen, Genehmigungen oder Untersagungen des Projekts anzuwenden sind. Hinsichtlich dieser landesrechtlichen Vorschriften hat die Behörde im selben Bescheid in einem eigenen Spruchpunkt zu entscheiden.
(…)
(1a) Im Genehmigungsverfahren und Anzeigeverfahren für gemäß § 37 genehmigungspflichtige Behandlungsanlagen sind alle Vorschriften – mit Ausnahme der Bestimmungen über die Parteistellung, die Behördenzuständigkeit und das Verfahren – anzuwenden, die im Bereich des Gewerbe-, Wasser-, Forst-, Mineralrohstoff-,
Strahlenschutz-, Luftfahrt-, Schifffahrts-, Luftreinhalte-, Immissionsschutz-, Rohrleitungs-, Eisenbahn-, Bundesstraßen-, Gaswirtschafts- und Denkmalschutzrechts für Bewilligungen, Genehmigungen oder Untersagungen des Projekts anzuwenden sind. Die Genehmigung oder Nicht-Untersagung ersetzt die nach den genannten bundesrechtlichen Vorschriften erforderlichen Bewilligungen, Genehmigungen oder Nicht-Untersagungen.
(…)
(2) (Verfassungsbestimmung) Im Genehmigungsverfahren und Anzeigeverfahren sind die bautechnischen Bestimmungen des jeweiligen Bundeslandes anzuwenden; in diesen Fällen entfällt eine baubehördliche Bewilligungspflicht.
(…)
Parteistellung
§ 42.
(1) Parteistellung in einem Genehmigungsverfahren gemäß § 37 Abs. 1 haben
(…)
3. Nachbarn,
(…)
6. die Gemeinde des Standortes und die unmittelbar an die Liegenschaft der Behandlungsanlage angrenzende Gemeinde,
(…)
Genehmigungsvoraussetzungen
§ 43.
(1) Eine Genehmigung gemäß § 37 ist zu erteilen, wenn zu erwarten ist, dass die Behandlungsanlage neben den Voraussetzungen der gemäß § 38 anzuwendenden Vorschriften folgende Voraussetzungen erfüllt:
1. Das Leben und die Gesundheit des Menschen werden nicht gefährdet.
(…)
3. Nachbarn werden nicht durch Lärm, Geruch, Rauch, Staub, Erschütterung oder in anderer Weise unzumutbar belästigt.
4. Das Eigentum und sonstige dingliche Rechte der Nachbarn werden nicht gefährdet; unter einer Gefährdung des Eigentums ist nicht die Möglichkeit einer bloßen Minderung des Verkehrswertes zu verstehen.“
Gewerbeordnung 1994 (GewO 1994):
„§ 77.
(…)
(3) Die Behörde hat Emissionen von Luftschadstoffen jedenfalls nach dem Stand der Technik (§ 71a) zu begrenzen. Die für die zu genehmigende Anlage in Betracht kommenden Bestimmungen einer Verordnung gemäß § 10 des Immissionsschutzgesetzes-Luft (IG-L), BGBl. I Nr. 115/1997, in der jeweils geltenden Fassung, sind anzuwenden. Sofern in dem Gebiet, in dem eine neue Anlage oder eine emissionserhöhende Anlagenerweiterung genehmigt werden soll, bereits mehr als 35 Überschreitungen des Tagesmittelwertes für PM10 gemäß Anlage 1a zum IG-L oder eine Überschreitung
- des um 10 µg/m3 erhöhten Jahresmittelwertes für Stickstoffdioxid gemäß Anlage 1a zum IG-L,
- des Jahresmittelwertes für PM10 gemäß Anlage 1a zum IG-L,
- des Jahresmittelwertes für PM2,5 gemäß Anlage 1b zum IG-L,
- eines in einer Verordnung gemäß § 3 Abs. 5 IG-L festgelegten Immissionsgrenzwertes,
- des Halbstundenmittelwertes für Schwefeldioxid gemäß Anlage 1a zum IG-L,
- des Tagesmittelwertes für Schwefeldioxid gemäß Anlage 1a zum IG-L,
- des Halbstundenmittelwertes für Stickstoffdioxid gemäß Anlage 1a zum IG-L,
- des Grenzwertes für Blei in PM10 gemäß Anlage 1a zum IG-L oder
- eines Grenzwertes gemäß Anlage 5b zum IG-L
vorliegt oder durch die Genehmigung zu erwarten ist, ist die Genehmigung nur dann zu erteilen, wenn
1. die Emissionen der Anlage keinen relevanten Beitrag zur Immissionsbelastung leisten oder
2. der zusätzliche Beitrag durch emissionsbegrenzende Auflagen im technisch möglichen und wirtschaftlich zumutbaren Ausmaß beschränkt wird und die zusätzlichen Emissionen erforderlichenfalls durch Maßnahmen zur Senkung der Immissionsbelastung, insbesondere auf Grund eines Programms gemäß § 9a IG-L oder eines Maßnahmenkatalogs gemäß § 10 des Immissionsschutzgesetzes-Luft in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 34/2003, ausreichend kompensiert werden, so dass in einem realistischen Szenario langfristig keine weiteren Überschreitungen der in diesem Absatz angeführten Werte anzunehmen sind, sobald diese Maßnahmen wirksam geworden sind.“
V. Erwägungen:
Zunächst wird festgehalten, dass der Standortgemeinde im abfallrechtlichen Genehmigungsverfahren gemäß § 42 Abs 1 Ziffer 6 AWG 2002 nur die Stellung als sogenannte „Formal-(legal)partei“ zukommt; sei es zur Wahrung der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, sei es zur Wahrung der im Interesse der in der Gemeinde verkörperten örtlichen Gemeinschaft gelegenen Rechte. Das Landesverwaltungsgericht Tirol ist daher verpflichtet, die Beschwerde der Standortgemeinde einer inhaltlichen Erledigung zuzuführen. Aus der Parteistellung der Gemeinde fließt nämlich das Recht auf Überprüfung des erstinstanzlichen Bescheids im Wege einer Sachentscheidung, ohne dass sich die Formalpartei auf ein darüberhinausgehendes subjektives Recht berufen könnte. Allerdings fehlt der Gemeinde grundsätzlich ein subjektives öffentliches Recht, dessen Verletzung sie vor dem Verwaltungsgerichtshof geltend machen kann (vgl VwGH 24.05.2012, 2012/07/0084).
Was die übrigen Beschwerdeführer anlangt, ist zunächst festzuhalten, dass Nachbarn – zu denen gemäß § 2 Abs 6 Ziffer 5 AWG 2002 auch die Inhaber von Krankenanstalten hinsichtlich des Schutzes der dort aufhältigen Personen gehören – gemäß § 43 Abs 1 AWG 2002 im Verfahren zur Genehmigung einer Abfallbehandlungsanlage „nur“ das subjektive öffentliche Recht haben, dass die beantragte Genehmigung nicht erteilt wird, wenn – trotz Vorschreibung von Auflagen – eine Gefährdung ihres Lebens, ihrer Gesundheit, ihres Eigentums und ihrer sonstigen dinglichen Rechte oder eine unzumutbare Belästigung ihrer Person zu erwarten ist.
Der Nachbarbegriff des § 2 Abs 6 Ziffer 5 AWG 2002 entspricht somit im Wesentlichen jenem des § 75 Abs 2 GewO 1994. Die Rechtsprechung zu dieser Bestimmung kann daher auch auf das AWG 2002 übertragen werden. Daher reicht für die Nachbarstellung bereits die bloße Möglichkeit einer Gefährdung oder Belästigung. Das für die Beurteilung der Nachbarstellung maßgebliche räumliche Naheverhältnis wird durch den möglichen Immissionsbereich bestimmt. Nachbarstellung kommt einer Person dann nicht zu, wenn für sie eine von der Betriebsanlage ausgehende Gefährdung oder Belästigung von Vornherein auszuschließen ist (vgl VwGH 23.09.2004, 2004/07/0055).
Betreffend der Beschwerdeführer Nr 72 und 73 ist aber zu bedenken, dass nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes Eigentümer das in § 2 Abs 6 Ziffer 5 zweiter Satz AWG 2002 aufgestellte Erfordernis des nicht (bloß) vorübergehenden Aufenthaltes im Nahbereich der Betriebsanlage zwar nicht zu erfüllen haben. Allerdings können Eigentümer den ihre Person treffenden Nachbarschutz nur bei Zutreffen der in § 2 Abs 6 Ziffer 5 erster Satz AWG 2002 enthaltenen Merkmale und daher jedenfalls nur unter Berufung auf Sachverhaltsumstände geltend machen, die den Eintritt einer persönlichen Gefährdung oder Belästigung im Hinblick auf einen, wenn auch nur vorübergehenden Aufenthalt überhaupt möglich erscheinen lassen (VwGH 11.11.1998, 96/04/0135). In diesem Sinne können die Beschwerdeführer Nr 72 und 73, die ihre Wohnung nicht selbst bewohnen, sondern dem Beschwerdeführer Nr 40 zur Nutzung überlassen haben, nicht durch Lärm und Geruch gefährdet werden und sind in diesem Zusammenhang nicht als Nachbarn anzusehen (vgl VwGH 22.06.2015, 2015/04/0002).
Betreffend der zu erwartenden Zusatzbelastungen mit Luftschadstoffen ist zunächst darauf hinzuweisen, dass auch hinsichtlich der Frage, ob ein Vorhaben eine Gefährdung des Lebens und der Gesundheit des Menschen gemäß § 43 Abs 1 Z 1 AWG 2002 oder eine unzumutbare Belästigung von Nachbarn gemäß § 43 Abs 1 Z 3 AWG 2002 darstellt, auf die GewO 1994 und die dazu ergangene Judikatur zurückgegriffen werden kann (vgl VwGH 26.11.2015, 2012/07/0027). Gemäß § 77 Abs 3 Z 1 GewO 1994 – der zufolge der Konzentrationsbestimmung des § 38 Abs 1a AWG 2002 auch im vorliegenden AWG-Genehmigungsverfahren anzuwenden ist – sowie gemäß dem vergleichbaren § 20 Abs 3 IG-L ist die Bewilligung für eine Betriebsanlage in einem Gebiet mit bereits vorliegender Grenzwertüberschreitung (unter anderem) dann zu erteilen, wenn die Emissionen der Anlage keinen relevanten Beitrag zur Immissionsbelastung leisten. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind Immissionen dann als unerheblich zu betrachten, wenn sie im Verhältnis zum Grenzwert eine sehr geringe Quantität aufweisen und damit nur mit sehr geringer Wahrscheinlichkeit Umweltauswirkungen nach sich ziehen können. Dabei ist die Auffassung, dass die Relevanzgrenze 1 % des Grenzwertes für den jeweiligen Jahresmittelwert beträgt, unbedenklich (vgl VwGH 17.09.2010, 2009/04/0080). Auch in der einschlägigen Literatur wird die Auffassung vertreten, dass in belasteten Gebieten ein Limit für die Zusatzbelastung von 1 % des Grenzwertes heranzuziehen ist. Für unbelastete Gebiete liegt die Relevanzgrenze sogar bei einer Zusatzbelastung von 3 % des Grenzwertes (Leitfaden UVP und IG-L des Umweltbundesamtes und RdU-UT 2006/1). Im gegenständlichen Fall hat das durchgeführte Ermittlungsverfahren ergeben, dass die Irrelevanzgrenze des IG-L für Luftschadstoffe nicht überschritten werden.
Das durchgeführte Ermittlungsverfahren hat zudem ergeben, dass es selbst im maximal zulässigen Betrieb bei den Nachbarn zu keiner relevanten Änderung der bestehenden Lärmsituation kommen wird. Das bereits bestehende Lärmniveau – etwa des zwischen der Betriebsanlage und den Anrainern liegenden Autobahnzubringers – wird nämlich den neu hinzukommenden Lärmpegel der Betriebsanlage überdecken. Aber auch ohne diese bestehende Hintergrundbelastung würden die Grenzwerte der WHO (selbst jene für die Nacht, in der ohnehin kein Betrieb zulässig ist) eingehalten. Aufgrund dieses eindeutigen Ermittlungsergebnisses ist sowohl eine Gefährdung des Lebens und der Gesundheit als auch eine unzumutbare Belästigung der Beschwerdeführer ausgeschlossen. Dass es zu einer Gefährdung ihres Eigentums oder der sonstiger dinglicher Rechte kommen könnte, wurde weder vorgebracht noch liegen dafür Anhaltspunkte vor.
Sofern gerügt wird, dass die „Standardauflagen für mobile Behandlungsanlagen“ nicht vorgeschrieben worden seien, genügt der Hinweis, dass es sich bei mobilen Behandlungsanlagen nach § 2 Abs 7 Ziffer 2 AWG 2002 um Einrichtungen handelt, mit denen Abfälle an verschiedenen Standorten vorübergehend behandelt werden und die nach § 52 AWG 2002 zu bewilligen sind. Im angefochten Bescheid wurde jedoch eine ortsfeste Behandlungsanlage nach § 37 Abs 1 AWG 2002 genehmigt, sodass keine Auflagen für wechselnde Standorte erforderlich sind. Abgesehen davon käme den Beschwerdeführern gemäß § 52 Abs 3 AWG 2002 in Genehmigungsverfahren für mobile Behandlungsanlagen gar keine Parteistellung zu, sodass sie dafür auch keine „Standardauflagen“ geltend machen könnten.
Somit geht auch der Verweis auf die Entscheidung des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol (UVS) vom 17.11.2005, Zahl 2005/K12/1777-7, ins Leere, der betreffend einer mobilen Behandlungsanlage gemäß § 52 Abs 5 AWG 2002 die Auflage vorgeschrieben hat, dass sie nur mit einem Mindestabstand von 500 m zu besonders schützenswerten Nachbarbereichen wie etwa Krankenhäusern betrieben werden darf. Abgesehen davon, dass dieser Abstand dem konkreten Emissionsverhalten der damals beantragten Maschine geschuldet war (im Unterschied zur nunmehr elektrischen Anlage hat es sich damals um eine dieselbetriebene Anlage gehandelt), musste im damaligen Verfahren berücksichtigt werden, dass die mobile Behandlungsanlage in ganz Österreich verwendet werden durfte und somit die lokale Situation am jeweiligen Aufstellungsort nicht im Vorhinein bekannt bzw bestimmbar war. Die Auflage hat sich daher nicht individuell an einem konkreten Standort, sondern an allen möglichen Standorten orientiert. Der UVS hatte somit auch unbekannte, potentiell ungünstige Aufstellungssituationen ins Kalkül zu ziehen. Im nunmehr vorliegenden Fall einer ortsfesten Behandlungsanlage sind jedoch die lokalen Verhältnisse (also etwa die Vorbelastung und der ca 7 m hohe Damm des Autobahnzubringers) bekannt und können berücksichtigt werden.
Aus der zitierten Rechtsprechung des UVS kann jedenfalls nicht abgeleitet werden, dass bei jeder Abfallbehandlungsanlage unabhängig von ihrem konkreten Emissionsverhalten und ungeachtet der lokalen Verhältnisse immer einen Mindestabstand von 500 m zu Krankenhäusern einzuhalten wäre. In diesem Zusammenhang wird aber auch angemerkt, dass der UVS in seiner Entscheidung vom 17.11.2005 für Wohnnachbarn lediglich einen Mindestabstand von 150 m vorgeschrieben hat. Wenn die Beschwerdeführer auf Vorschreibung der Abstandsbestimmungen des UVS aus dem Jahr 2005 bestehen, sind diese zumindest hinsichtlich der Beschwerdeführer Nr 1 bis 73 selbst im ungünstigsten Fall um das doppelte übertroffen.
Zur Anwendung der Deponieverordnung 2008 (DVO 2008) ist klarzustellen, dass es sich bei Deponien gemäß § 2 Abs 7 Ziffer 4 AWG 2002 um Anlagen zur langfristigen Ablagerung von Abfällen handelt. Im vorliegenden Fall wurde aber nur eine Baurestmassenaufbereitungsanlage samt Zwischenlager genehmigt, sodass die Bestimmungen für Deponiegenehmigungen nach § 48 AWG 2002 und insbesondere auch die DVO 2008 nicht zur Anwendung gelangen.
Zur Forderung, wonach die Auswirkungen aus dem Mehrverkehr auf öffentlichen Straßen in die Betrachtung miteinbezogen werden müssten, ist auf die ständige Rechtsprechung zu verweisen, wonach Immissionen als Folge des Fahrens – selbst mit Betriebsfahrzeugen – auf Straßen mit öffentlichem Verkehr, die keinen Teil der Betriebsanlage bilden, nicht der Betriebsanlage zugerechnet werden können (vgl zB VwGH 17.02.2011, 2007/07/0134). Dementsprechend ist das Vorbringen, wonach sich die regionale Verkehrsbelastung durch das bewilligte Vorhaben weiter verschärfen könnte, genauso wenig relevant wie die Befürchtung, dass es zu Behinderungen in der Krankenhauszufahrt kommen könnte. Die Beschwerden erweisen sich somit als unbegründet und sind abzuweisen.
Die Beschwerdeführer kritisieren, dass das nach § 39 Abs 1 Ziffer 8 iVm § 10 Abs 3 AWG 2002 erforderliche Abfallwirtschaftskonzept fehlen würde. Diese Frage berührt jedoch die Rechtssphäre der Beschwerdeführer genauso wenig wie die Frage, ob die bewilligte Abfallart Straßenkehricht im Bewilligungsantrag ausdrücklich genannt wurde.
Dem Beschwerdevorbringen, wonach das beantragte Vorhaben dem Raumordnungskonzept und der Flächenwidmung widerspreche, ist entgegenzuhalten, dass § 38 Abs 2 AWG 2002 vorsieht, dass im abfallwirtschaftsrechtlichen Genehmigungsverfahren die bautechnischen und nicht auch die baurechtlichen Bestimmungen anzuwenden sind. Somit ist aufgrund von § 38 Abs 2 AWG 2002 die Übereinstimmung des Vorhabens mit der Raumordnung nicht zu prüfen. Das Raumordnungskonzept und der Flächenwidmungsplan entfalten in diesem Zusammenhang keine Wirkung (vgl VfGH 15.03.2000, V226/97).
Die Mitanwendung des Raumordnungsrechts gemäß § 38 Abs 1 AWG 2002 beschränkt sich zudem auf etwaige dort vorgesehene Genehmigungs- oder Untersagungstatbestände, nicht aber auf die bloße Übereinstimmung mit Planungsakten, wie zB dem Flächenwidmungsplan, oder allgemeinen Regelungen, welche die Übereinstimmung mit einem Raumplanungsinstrument der Gemeinde oder des Landes zum Inhalt haben. Die Frage der Widmungskonformität wäre also nur dann relevant, wenn eine solche als Bewilligungs- oder Untersagungskriterium in den mitanzuwendenden Gesetzen normiert wäre [Schleichl/Zauner/Berl, AWG 2002 (2005) § 38 Rz 14; Bumberger/Hochholdinger/ Niederhuber/Wolfslehner, AWG 2002 (2014) § 38 AWG K7 und K8]. Das Tiroler Raumordnungsgesetz 2022 (TROG 2022) sieht jedoch keine derartigen Bewilligungs- oder Untersagungstatbestände vor.
Die Standorteignung wird auch insofern bestritten, als im Westen ein Naturschutzgebiet angrenzt und eine Biberpopulation betroffen sei. Dazu ist zunächst festzuhalten, dass es sich bei naturschutzrechtlichen Fragen grundsätzlich um keine subjektiv-öffentlichen Rechte der Nachbarn handelt. In diesem Zusammenhang kommt ihnen somit grundsätzlich keine Parteistellung zu. Und zur Beschwerde der Standortgemeinde ist klarzustellen, dass die AWG-Behörde gemäß § 38 Abs 1 AWG 2002 in einem eigenen Spruchpunkt über allfällige naturschutzrechtliche Bewilligungstatbestände abzusprechen hat. Der angefochtene Bescheid enthält jedoch keinen naturschutzrechtlichen Spruch, sodass über allfällige naturschutzrechtliche Bewilligungspflichten nicht abgesprochen wurde. Mangels Erteilung einer naturschutzrechtlichen Bewilligung kann die Standortgemeinde in Zusammenhang mit dem TNSchG 2005 auch nicht in ihren Rechten verletzt worden sein. Sollten durch die Ausführung des Vorhabens dennoch naturschutzrechtliche Tatbestände verwirklicht werden, wäre die zuständige Behörde von Amts wegen verpflichtet, die entsprechenden Maßnahmen zur Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes zu ergreifen.
Nur der Vollständigkeit halber wird daher festgehalten, dass § 21 TNSchG 2005 keine Bewilligungspflichten für Anlagen außerhalb von Naturschutzgebieten vorsieht und, dass sich aus dem von der AWG-Behörde eingeholten naturkundefachlichen Gutachten auch keine sonstigen Bewilligungspflichten ableiten lassen. Insbesondere hat der Amtssachverständige Beeinträchtigungen für Biber ausgeschlossen. Auch die Beschwerdeführer haben nicht ansatzweise eine konkrete Beeinträchtigung von Bibern dargelegt und sind dem Amtssachverständigen somit nicht substantiiert entgegengetreten. Die Forderung nach weiteren Ermittlungen zu Bibern kommt somit einem unzulässigen Erkundungsbeweis gleich, zu dessen Aufnahme das Landesverwaltungsgericht nicht verpflichtet ist (vgl VwGH 18.03.2021, Ra 2020/20/0451).
Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass das Ermittlungsverfahren keine relevanten Änderungen der Umweltsituation durch Lärm oder sonstige Immissionen bei den Nachbarn ergeben hat. Sie haben daher keinen Anspruch auf Versagung der Bewilligung. Entsprechend dem Gutachten des emissionstechnischen Amtssachverständigen ist aber durch eine zusätzliche Auflage sicherzustellen, dass die in der Betriebsanlage verwendeten Dieselmotoren emissionsseitig dem aktuellen Stand der Technik entsprechen. Zur Klarstellung sind auch die beantragten und während des Verfahren geänderten Betriebszeiten im Wege einer Auflage zu fixieren. Infolge der Verfahrensdauer sind schließlich auch die wasserrechtlichen Fristen anzupassen.
VI. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Soweit die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof in Wien für zulässig erklärt worden ist, kann innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung dieser Entscheidung eine ordentliche Revision erhoben werden. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision kann innerhalb dieser Frist nur die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.
Wenn allerdings in einer Verwaltungsstrafsache oder in einer Finanzstrafsache eine Geldstrafe von bis zu Euro 750,00 und keine Freiheitsstrafe verhängt werden durfte und im Erkenntnis eine Geldstrafe von bis zu Euro 400,00 verhängt wurde, ist eine (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichthof wegen Verletzung in Rechten nicht zulässig.
Jedenfalls kann gegen diese Entscheidung binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, erhoben werden.
Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Verwaltungsgericht einzubringen.
Es besteht die Möglichkeit, für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof und für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof Verfahrenshilfe zu beantragen. Verfahrenshilfe ist zur Gänze oder zum Teil zu bewilligen, wenn die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten bzw wenn die zur Führung des Verfahrens erforderlichen Mittel weder von der Partei noch von den an der Führung des Verfahrens wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint.
Für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist beim Verfassungsgerichtshof einzubringen. Für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist im Fall der Zulassung der ordentlichen Revision beim Verwaltungsgericht einzubringen. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision ist der Antrag auf Verfahrenshilfe beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen; dabei ist im Antrag an den Verwaltungsgerichtshof, soweit dies dem Antragsteller zumutbar ist, kurz zu begründen, warum entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird.
Zudem besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.
Landesverwaltungsgericht Tirol
Mag. Spielmann
(Richter)
Schlagworte
BaurestmassenaufbereitungsanlageAnmerkung
Der Verwaltungsgerichtshof wies die gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Tirol vom 09.07.2021, Z LVwG-2020/44/1125-11, erhobene außerordentliche Revision mit Beschluss vom 07.09.2022, Z Ra 2022/07/0088 bis 0158-4, zurück.European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGTI:2022:LVwG.2020.44.1125.11Zuletzt aktualisiert am
21.09.2022