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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
BAO §288 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny sowie die Hofräte Dr. Wetzel, Dr. Karger, Dr. Steiner und Dr. Mizner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Traudtner, über die Beschwerde der A GmbH & Co KG in W, vertreten durch Dr. B, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Salzburg, Berufungssenat I, vom 23. Mai 1991, 145/8-GA3BK-DHu/88, betreffend Berichtigung des Bescheides (Berufungsentscheidung) derselben Behörde vom 15. November 1990, 145-GA3BK-DHu/88, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen von 4.565 S binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Im Jahr 1986 fand bei der Beschwerdeführerin für die Jahre 1981 bis 1984 eine abgabenbehördliche Prüfung statt, worauf das Finanzamt, dem gemäß § 150 BAO erstatteten Bericht folgend, teilweise im wiederaufgenommenen Verfahren Sachbescheide betreffend Umsatzsteuer für die Jahre 1981 bis 1985, Gewerbesteuer für die Jahre 1981 bis 1984, einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften für die Jahre 1981 bis 1984, sowie Einheitswert des Betriebsvermögens zum 1. Jänner 1982, 1. Jänner 1983 und 1. Jänner 1985, erließ.
Die Beschwerdeführerin erhob sowohl gegen die die Wiederaufnahme der Verfahren verfügenden Bescheide als auch gegen die Sachbescheide Berufung.
Mit der im Spruch dieses Erkenntnisses angeführten Berufungsentscheidung vom 15. November 1990 (in der Folge: Berufungsentscheidung) sprach die belangte Behörde über die Berufungen der Beschwerdeführerin ab, wobei sie es jedoch unterließ, den Abspruch über die Berufungen gegen die die Wiederaufnahme der Verfahren verfügenden Bescheide in den Spruch aufzunehmen.
Unter Hinweis auf § 293 BAO berichtigte der Vorsitzende des Berufungssenates I (in der Folge: Vorsitzende) mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid die Berufungsentscheidung. Der Spruch des nunmehr angefochtenen Bescheides lautet:
"Auf Seite 45 ist nach dem Punkt 4 c einzufügen:
5) Die Berufung gegen die Wiederaufnahmeverfahren wird abgewiesen.
Die Fälligkeit erfährt keine Änderung.
Dieser Bescheid tritt nicht anstelle der Entscheidung vom 15. November 1990, sondern ergänzt diese."
Zur Begründung führte die belangte Behörde aus, der die Berufungen gegen die die Wiederaufnahme der Verfahren betreffende Spruchteil sei in den 45 Seiten umfassenden Spruch nicht aufgenommen worden. Dies sei auf ein offensichtliches Versehen zurückzuführen. Daß sie darüber entschieden habe, belege die umfangreiche Begründung zur Wiederaufnahme der Verfahren in der Berufungsentscheidung.
Gegen diesen Bescheid wendet sich die Beschwerdeführerin, wobei sie die Ansicht vertritt, die Berichtigung sei schon deswegen rechtswidrig, weil der Vorsitzende den angefochtenen Bescheid erlassen habe. Die Zuständigkeit des Vorsitzenden sei jedoch nach § 293 Abs 2 iVm Abs 1 BAO auf in einem Bescheid unterlaufene Schreib- und Rechenfehler oder andere offenbar auf einem ähnlichen Versehen beruhende tatsächliche Unrichtigkeiten beschränkt. Die Behebung der Mangelhaftigkeit des Spruches eines Bescheides falle demnach nicht in die Zuständigkeit des Vorsitzenden, weshalb der angefochtene Bescheid wegen Unzuständigkeit der belangten Behörde aufzuheben sei. Darüber hinaus sei der angefochtene Bescheid insofern rechtswidrig, als durch ihn eine normative Anordnung getroffen werde, die keine zulässige Berichtigung eines Bescheides darstelle. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fielen innere Bescheidmängel ebensowenig unter den Berichtigungstatbestand des § 293 BAO wie Fehler im Bereich des Zustandekommens und der Gestaltung des Bescheidwillens, also Fehler des Überlegens und des Schlußfolgerns. Berichtigungsfähig seien ausschließlich Fehler in der Ausdrucksweise. Eine Ergänzung des Spruches eines Bescheides, die erst die Gesetzmäßigkeit eines Spruches sicherstellen solle, fiele nicht unter die Ermächtigung zur Bescheidberichtigung. Überhaupt dürften unter dem Titel der Berichtigung keine nachträglichen Änderungen am Inhalt eines Bescheides vorgenommen werden.
Der Verfassungsgerichtshof lehnte die Behandlung der zunächst an ihn erhobenen Beschwerde ab und trat sie antragsgemäß nach Art 144 Abs 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof ab.
In der iSd § 34 Abs 2 VwGG ergänzten Beschwerde erachtet sich die Beschwerdeführerin in ihrem Recht verletzt, daß die ihr gegenüber erlassene Berufungsentscheidung nicht unter Außerachtlassung der gesetzlichen Regelungen berichtigt und damit deren Rechtskraft durchbrochen wird. Sie macht Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde und Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach § 293 Abs 1 BAO kann die Abgabenbehörde in ihrem Bescheid unterlaufene Schreib- und Rechenfehler oder andere offenbar auf einem ähnlichen Versehen beruhende tatsächliche .... Unrichtigkeiten berichtigen. Nach Abs 2 leg cit kann, wenn es sich bei dem zu berichtigenden Bescheid um eine von einem Berufungssenat gefällte Berufungsentscheidung handelt, der Vorsitzende die Berichtigung verfügen. Diese Verfügung des Vorsitzenden wirkt wie eine Verfügung des Senates.
Mit ihrem Vorbringen zeigt die Beschwerdeführerin keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf. Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung ausgeführt hat, dient § 293 BAO dazu, ein infolge bestimmter Fehlerquellen gegen den Willen der Behörde entstandenes Auseinanderklaffen von Bescheidwillen und formeller Erklärung des Bescheidwillens zu beseitigen (vgl das Erkenntnis vom 20. Juni 1990, 89/13/0113). Fehler, die der Behörde bei der Willensbildung unterlaufen sind, sind nicht berichtigungsfähig (vgl das Erkenntnis vom 26. März 1993, 90/17/0224). Die entscheidungswesentliche Bestimmung bietet somit keine Rechtsgrundlage dafür, den rechtsverbindlichen (normativen) Gehalt und damit die Substanz eines in Rechtskraft erwachsenen Bescheides zu verändern (vgl das Erkenntnis vom 31. Oktober 1979, 2651/77, Slg Nr 5422/F).
Zwischen Spruch und Begründung einer abgabenbehördlichen Berufungsentscheidung besteht regelmäßig ein derart enger Zusammenhang, daß der Inhalt des Spruches unter Einbeziehung des Begründungsteiles auszulegen ist. So kommt es häufig vor, daß sich Teile des Spruches, zB die Abgabenbemessungsgrundlagen, im Begründungsteil einer Berufungsentscheidung finden, ohne daß allein deswegen am Bescheidinhalt und am Willen der bescheiderlassenden Behörde Zweifel aufkommen müßten. Ihre Grenze findet eine solche über den formalen Spruchinhalt hinausgehende Gesamtbetrachtung jedoch dann, wenn der formale Spruchinhalt durch Ausführungen im Begründungsteil nicht ergänzt bzw komplettiert wird, sondern mit diesem in Widerspruch gerät (vgl das hg Erkenntnis vom 12. Jänner 1993, 88/14/0077 bis 0079).
Die belangte Behörde hat es verabsäumt, die Abweisung der Berufung gegen die die Wiederaufnahme der Verfahren verfügenden Bescheide in den Spruch der Berufungsentscheidung aufzunehmen. Zu Beginn dieser Entscheidung bringt sie jedoch zum Ausdruck, daß der Berufungssenat ua auch über die "Wiederaufnahme der Feststellungsverfahren und Einheitswertfeststellungsverfahren" entschieden hat. In der Begründung der Berufungsentscheidung führt die belangte Behörde auf rund zwei Seiten aus, weswegen die Wiederaufnahme der Verfahren rechtmäßig gewesen sei. Somit geht aus dem Beginn sowie der Begründung der Berufungsentscheidung eindeutig hervor, daß die belangte Behörde über die Berufung gegen die die Wiederaufnahme der Verfahren verfügenden Bescheide absprechen und diese als unbegründet abweisen wollte. Bei Betrachtung der gesamten Berufungsentscheidung ist offenkundig, daß der unterlassene Abspruch über die Wiederaufnahme der Verfahren auf ein Versehen der belangten Behörde zurückzuführen ist, weswegen die Berichtigung durch den angefochtenen Bescheid keine Berichtigung des Bescheidwillens sondern eine Erklärung desselben darstellt. Der unterlassene Abspruch ist somit als eine andere offenkundig auf einem ähnlichen - nämlich wie bei einem Schreib- und Rechenfehler - Versehen beruhende tatsächliche Unrichtigkeit zu beurteilen.
Da eine berichtigungsfähige Unrichtigkeit iSd § 293 BAO vorgelegen ist, durfte der Vorsitzende die Berichtigung unabhängig davon, daß es sich um eine Berichtigung des Spruches handelte, verfügen. Die Zulässigkeit der Berichtigung eines Schreib- und Rechenfehlers ist nämlich - und dies gilt auch für andere offenkundig auf einem ähnlichen Versehen beruhende Unrichtigkeiten - nicht davon abhängig, an welcher Stelle des Bescheides der Fehler unterlaufen ist (vgl das hg Erkenntnis vom 30. Mai 1956, 2349/54, Slg Nr 4082/A).
Die Beschwerde erweist sich somit insgesamt als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs 1 VwGG abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl Nr 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1992150128.X00Im RIS seit
20.11.2000