TE Vwgh Erkenntnis 1996/4/24 93/13/0254

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Veröffentlicht am 24.04.1996
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Index

32/04 Steuern vom Umsatz;

Norm

UStG 1972 §1 Abs1 Z1;
UStG 1972 §19 Abs2 Z1 lita;
UStG 1972 §3 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Fellner, Dr. Hargassner, Mag. Heinzl und Dr. Fuchs als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Fegerl, über die Beschwerde der H-GmbH & Co KG in W, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland, Berufungssenat V, vom 15. September 1993, Zl. 6/3 - 3448/92-02, betreffend Umsatzsteuer 1989, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Werkvertrag vom 15./17. Jänner 1986 erhielt die Beschwerdeführerin von der B.-Gesellschaft m.b.H. den Auftrag zur Errichtung eines Wohnhauses mit ca. 25 Eigentumswohnungen in S. Als Auftragsgrundlagen wurden im Punkt III. des Werkvertrages dessen Bedingungen, die einschlägigen Auflagen des gültigen Baubescheides und sonstiger behördlicher Genehmigungsbescheide, alle die beauftragten Leistungen betreffenden und zur Ausführung freigegebenen Plan- und sonstigen Ausführungsunterlagen, die vereinbarten Ausführungstermine und alle einschlägigen Ö-Normen genannt. Im Punkt IV des Werkvertrages wurde festgehalten, daß allfällige Abweichungen vom Auftrag, die Vornahme von Änderungen in der Ausführung sowie die Erbringung von Mehrleistungen durch die Beschwerdeführerin nur dann verbindlich sein sollten, wenn vor Inangriffnahme die B.-Gesellschaft m.b.H. zugestimmt habe und für den eventuellen Mehraufwand ein schriftlicher Zusatzauftrag erteilt worden sei. Im Punkt VI. des Werkvertrages wurde festgehalten, daß die Umsatzsteuer entsprechend

Abschnitt 119 DE-Umsatzsteuergesetz bezahlt werde; demnach werde die Umsatzsteuer zu jenem Zeitpunkt fällig, zu welchem die Vertragsleistung größtenteils erbracht worden sei, bzw. die Benützung des Bauwerkes möglich wäre. Nach Punkt VII. des Werkvertrages sollte die Abnahme aller Arbeiten der Beschwerdeführerin bei Bezugsfertigkeit des Bauvorhabens und Übergabe an die B.-Gesellschaft m.b.H. erfolgen, wobei über die Abnahme eine von den Vertragspartnern zu unterzeichnende Niederschrift aufgenommen werden solle.

Das Wohnhaus wurde im Sommer 1989 fertiggestellt und im Herbst des gleichen Jahres kam es zum Bezug von der B.-Gesellschaft m.b.H. in diesem Wohnhaus vergebener Eigentumswohnungen durch deren Erwerber. Die Beschwerdeführerin hatte jedoch in der Errichtung des Wohnhauses den Rahmen der erteilten Baubewilligung mißachtet und zusätzliche Baumaßnahmen unter anderem auch dadurch gesetzt, daß sie einen Gebäudeteil um ein Stockwerk höher als bewilligt errichtet hatte. Nachdem die Baubehörde mit Bescheid vom 2. Jänner 1989 der B.-Gesellschaft m.b.H. aufgetragen hatte, nachträglich um die Baubewilligung für die vorgefundenen Konsensüberschreitungen anzusuchen oder die bewilligungslos errichteten baulichen Anlagen zu beseitigen, wurde für das Bauwerk mit Bescheid vom 28. Dezember 1989 nur eine Teil-Benützungsbewilligung erteilt, während das baurechtliche Schicksal der konsenswidrig errichteten Bauteile zum Zeitpunkt der Erlassung des mit der vorliegenden Beschwerde bekämpften Bescheides noch ungewiß war.

Über den Zeitpunkt des Entstehens der Umsatzsteuerschuld aus der Errichtung dieses Wohnhauses geht der zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens bestehende Streit.

Die Beschwerdeführerin vertrat im Verwaltungsverfahren die Auffassung, daß die von ihr erbrachte Leistung nicht auftragsgemäß erfolgt und deshalb nicht geeignet gewesen sei, eine umsatzsteuerlich abzurechnende Gegenleistung zu fordern. Im Jahre 1989 sei lediglich eine Teilbenützungsbewilligung vorgelegen, die nur 65,7 % des gesamten Auftrages umfaßt habe, während für weitere 10,7 % des Auftrages die Benützungsbewilligung erst am 21. August 1991 erteilt worden sei und der Auftragsrest im Umfang von 23,6 % noch immer nicht als erfüllt angesehen werden könne, da auf Grund der Aktenlage damit gerechnet werden müsse, daß das diesem Auftragsteil zugrundeliegende Gebäude ganz oder teilweise abgerissen und neu gebaut werden müsse. Auf Grund des Fehlens einer gänzlichen Benützungsbewilligung sei auch die Benützung des Bauwerkes rechtlich nicht möglich gewesen; Vertragspartner der B.-Gesellschaft m.b.H. hätten Klagen eingebracht, welche darauf abzielten, für den Fall der Erforderlichkeit des Abbruches des konsenswidrig errichteten Gebäudeteiles vom Vertrag zurückzutreten. Die Beschwerdeführerin habe das Bauwerk deswegen auftrags- und baugenehmigungswidrig ausgeführt, weil sie geglaubt habe, durch die Aufstockung, die dann nachträglich genehmigt werden würde, mehr Erlöse erzielen zu können. Die B.-Gesellschaft m.b.H. habe von der Planüberschreitung zwar gewußt, dieser aber nicht schriftlich zugestimmt.

Die belangte Behörde vertrat demgegenüber im angefochtenen, die Berufung der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid des Finanzamtes über Umsatzsteuer 1989 abweisenden Bescheid die Ansicht, daß bei der Errichtung von Bauwerken für das Entstehen der Umsatzsteuerpflicht die Vollendung der Werklieferung nicht gefordert sei. Bei Werklieferungen der Bauwirtschaft genüge vielmehr die Verschaffung der Verfügungsmacht über das fertiggestellte Werk, ohne daß es auf die Erteilung einer Benützungsbewilligung oder die Legung einer Schlußrechnung ankomme. Habe der Auftraggeber den Werklohn nahezu zur Gänze bezahlt und die errichteten Eigentumswohnungen an die Erwerber übergeben, dann könne von einer Ablehnung der Übernahme der Werklieferung durch den Auftraggeber im Hinblick auf mangelnde Fertigstellung oder vorhandene Mängel keine Rede sein. Da der Vertragspartnerin der Beschwerdeführerin die Verfügungsmacht über das fertiggestellte Werk im September 1989 verschafft worden sei, weil ab diesem Zeitpunkt Wohnungen bereits benützt worden seien, sei die Umsatzsteuerpflicht im Veranlagungsjahr 1989 entstanden. Dem stehe auch der Umstand nicht entgegen, daß über den Werkvertrag aus dem Jahre 1986 hinausgehende zusätzliche Bauleistungen erbracht wurden, zumal die Erlöse in Form von Acontozahlungen zum Großteil vereinnahmt und die Eigentumswohnungen von den Erwerbern bezogen worden seien. Im übrigen sei die rechtswidrige Bauführung mit Wissen der Auftraggeberin erfolgt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher die Beschwerdeführerin die Aufhebung des angefochtenen Bescheides aus dem Grunde der Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder jener infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften mit der Erklärung begehrt, sich durch den angefochtenen Bescheid in ihrem Recht darauf als verletzt zu erachten, daß die Steuerschuld für Lieferungen und sonstige Leistungen erst mit Ablauf des Kalendermonates entsteht, in dem die Lieferung oder sonstige Leistung ausgeführt worden ist.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 1 Abs. 1 Z. 1 UStG 1972 unterliegen der Umsatzsteuer Lieferungen und sonstige Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt.

Unter Lieferungen versteht § 3 Abs. 1 UStG 1972 Leistungen, durch die ein Unternehmer den Abnehmer oder in dessen Auftrag einen Dritten befähigt, im eigenen Namen über einen Gegenstand zu verfügen, wobei die Verfügungsmacht über den Gegenstand von dem Unternehmer selbst oder in dessen Auftrag durch einen Dritten verschafft werden kann.

Für Lieferungen und sonstige Leistungen entsteht gemäß § 19 Abs. 2 Z. 1 lit. a UStG 1972 die Steuerschuld mit Ablauf des Kalendermonates, in dem die Lieferungen oder sonstigen Leistungen ausgeführt worden sind.

Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt ausgesprochen hat, wird bei der Errichtung von Bauwerken für das Entstehen der Umsatzsteuerpflicht nicht die "Vollendung" der Werklieferung wie bei sonstigen Leistungen gefordert. Es genügt hiezu vielmehr die Verschaffung der Verfügungsmacht über das errichtete Gebäude, ohne daß es auf die Erteilung einer Benützungsbewilligung oder auf die Legung einer Schlußrechnung ankommt (vgl. neben der schon im angefochtenen Bescheid zitierten und auch bei Kranich/Siegl/Waba, Kommentar zur Mehrwertsteuer IV, Anm. 47a zu § 19 UStG 1972, wiedergegebenen Judikatur, aus jüngerer Zeit auch das hg. Erkenntnis vom 24. Oktober 1995, 91/14/0190).

Vor dem Hintergrund dieser Rechtslage erweisen sich die Beschwerdeausführungen nicht als geeignet, die Beschwerde zu einem Erfolg zu führen. Daß das Bauwerk im Sommer 1989 - wenn auch baukonsens- und allenfalls auch vertragswidrig - fertiggestellt war und von der Vertragspartnerin der Beschwerdeführerin Eigentumswohnungen in diesem Haus (auch in den konsenswidrig hergestellten Teilen) schon im Herbst 1989 an Erwerber vergeben wurden, welche diese Wohnungen bezogen, bestreitet die Beschwerdeführerin nicht. Damit ist das Schicksal der Beschwerde aber entschieden. Daß die Vergabe von Wohnungen durch die B.-Gesellschaft m.b.H. an Wohnungseigentumserwerber im neu errichteten Gebäude Ausfluß der ihr von der Beschwerdeführerin verschafften Verfügungsmacht am Bauwerk war, kann nicht zweifelhaft sein. Damit aber war die Lieferung im Sinne des § 3 Abs. 1 UStG 1972 durch die Beschwerdeführerin ausgeführt und der das Entstehen der Steuerschuld nach § 19 Abs. 2 Z. 1 lit. a UStG 1972 auslösende Tatbestand verwirklicht. Ob der Gegenstand der Lieferung den vertraglichen Abmachungen widersprochen hatte, ist deswegen im Beschwerdefall nicht von Bedeutung, weil die Vertragspartnerin der Beschwerdeführerin die von dieser erbrachte Leistung dadurch angenommen hat, daß sie ungeachtet der den baurechtlichen Vorschriften widersprechenden Ausführung des Bauwerks von der ihr darüber verschafften Verfügungsmacht durch Vergabe von Wohnungen an Interessenten Gebrauch gemacht hat. Die bloße Mangelhaftigkeit der von der Beschwerdeführerin erbrachten Leistung aus den von ihr ins Treffen geführten Gründen ändert an der Annahme der verschafften Verfügungsmacht durch die B.-Gesellschaft m.b.H. nichts und ist deshalb auch nicht geeignet, das Entstehen der Umsatzsteuerschuld zu verhindern.

Ob angesichts des von der Beschwerdeführerin auch in der Beschwerdeschrift zugestandenen Umstandes, daß ihre Vertragspartnerin von der konsenswidrigen Bauführung wußte, die tatsächliche Ausführung des Bauwerkes durch die Beschwerdeführerin überhaupt als vertragswidrig beurteilt werden könnte oder nicht vielmehr davon auszugehen wäre, daß der den Bauvorschriften widersprechenden Gestaltung des Bauwerks eine einverständliche Abänderung des Werkvertragsinhaltes zugrunde lag, braucht demnach hier nicht mehr untersucht zu werden. Es ist damit auch aus dem von der Beschwerdeführerin ins Treffen geführten "Aktenvermerk" vom 8. März 1989 über eine Besprechung zwischen den Partnern des Werkvertrages, wonach die B.-Gesellschaft m.b.H. jede Haftung für auftragswidrige Bauführungen ablehne und auch nicht bereit sei, dafür Gegenleistungen zu erbringen, nichts zu gewinnen. Nahm die B.-Gesellschaft m.b.H. die erbrachte Leistung durch Vergabe der errichteten Wohnungen noch im Jahre 1989 ungeachtet der behaupteten Vertragswidrigkeit der Leistungserbringung an, dann war die Verfügungsmacht verschafft und der Steuertatbestand ausgelöst. Daß das Fehlen einer Benützungsbewilligung für einen Teil des Bauwerkes dieser Beurteilung nicht entgegensteht, hat die belangte Behörde im Einklang mit der oben wiedergegebenen Judikatur zutreffend erkannt. Nicht zielführend ist die Argumentation der Beschwerdeführerin zum Begriff der Einheitlichkeit der Leistung. Die belangte Behörde ist von einer einheitlichen Leistung ausgegangen, indem sie die Lieferung der einheitlich geschuldeten Bauwerkerrichtung als Gesamtheit in jenem Jahr unterstellt hat, in welchem die Verfügungsmacht über dieses Bauwerk verschafft worden ist. Die gegebenenfalls erforderlich werdende Behebung des dem Gebäude im Hinblick auf die Bauvorschriften anhaftenden Mangels durch die Beschwerdeführerin ändert nichts an dem Umstand, daß die von ihr erbrachte Lieferung durch Gebrauch der verschafften Verfügungsmacht von der B.-Gesellschaft m.b.H. angenommen wurde.

Die Beschwerdeführerin wendet sich des weiteren gegen die im angefochtenen Bescheid gegebene Darstellung der personellen Verflechtung zwischen den Partnern des Werkvertrages des Inhalts, daß die Gesellschaftsanteile an der B.-Gesellschaft m. b.H. zu je 50 % von denselben Personen gehalten werden, welche an der Beschwerdeführerin als Kommanditistin mit je 49 % und an ihrer Komplementärgesellschaft mit je 25 % beteiligt sind. Weshalb diese Darstellung im angefochtenen Bescheid Rechte der Beschwerdeführerin verletzen sollte, bleibt unerfindlich. Abgesehen davon, daß die betroffenen Ausführungen des angefochtenen Bescheides in vollständiger Übereinstimmung mit dem Akteninhalt und selbst mit den Abgabenerklärungen der Beschwerdeführerin stehen, hat die belangte Behörde aus den gerügten Sachverhaltsfeststellungen keine der Beschwerdeführerin nachteiligen Schlüsse gezogen. Es liegt demnach in dieser Hinsicht auch die von der Beschwerdeführerin gesehene Rechtswidrigkeit des Bescheides infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften nicht vor. Ebensowenig stellt es einen Verfahrensmangel dar, daß die belangte Behörde nicht Einsicht in den Bauakt genommen hat, weil nach der dargestellten Rechtslage nicht erkennbar ist, aus welchen Gründen die belangte Behörde im Falle einer Einsicht in den Bauakt zu einem anderen Ergebnis ihres Bescheides hätte gelangen können. Zutreffend verweist die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift überdies darauf, daß die Beschwerdeführerin zu keiner Zeit einen darauf abzielenden Beweisantrag gestellt hatte.

Die Beschwerde erwies sich somit insgesamt als unbegründet und war deshalb gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen. Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung hat der Verwaltungsgerichtshof aus dem Grunde des § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG Abstand genommen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1993130254.X00

Im RIS seit

07.06.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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