TE Vwgh Erkenntnis 1996/4/24 92/13/0309

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Veröffentlicht am 24.04.1996
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Index

32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
32/04 Steuern vom Umsatz;

Norm

BAO §211 Abs1 litg;
BAO §236 Abs1;
UStG 1972 §21 Abs1;
UStG 1972 §21 Abs3;
UStG 1972 §21;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Fellner, Dr. Hargassner, Mag. Heinzl und Dr. Zorn als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Fegerl, über die Beschwerde der U AG in Wien, vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 13. November 1992, Zl. GA 7-1343/4/92, betreffend Abgabenachsicht, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

In einer Rechnung der Beschwerdeführerin an die Ö-OHG vom 24. April 1991 ist Umsatzsteuer in Höhe von S 10,123.781,-- ausgewiesen worden. Die Ö-OHG reichte am 6. Juni 1991 die Umsatzsteuervoranmeldung für April 1991, in welcher eine Zahllast in Höhe von S 454.713,-- ausgewiesen ist, beim Finanzamt ein. Am 7. Juni 1991 reichte sie eine "berichtigte Umsatzsteuervoranmelung" für April 1991 ein, welche - im wesentlichen weil nunmehr die Vorsteuer aus der Rechnung der Beschwerdeführerin vom 24. April 1991 berücksichtigt wurde - einen Überschuß in Höhe von S 10,578.494,-- ausweist, und beantragte, den Betrag von S 10,123.781,-- auf das (bei einem anderen Finanzamt geführte) Abgabenkonto der Beschwerdeführerin zu überrechnen. Mit Bescheid vom 26. Juni 1991 setzte das Finanzamt gegenüber der Ö-OHG gemäß § 21 Abs. 3 UStG 1972 die Umsatzsteuer für April 1991 mit einem Überschuß in Höhe von S 10,123.781,-- fest und führte die beantragte Überrechnung durch.

Die Beschwerdeführerin deckte die zum 10. Juni 1991 fällige Umsatzsteuer-Zahllast für April 1991 - in Erwartung der Überrechnung des Guthabens der Ö-OHG - nur in einem um S 10,123.781,-- verminderten Betrag ab. Mit Bescheid vom 22. Juni 1991 wurde in der Folge der Beschwerdeführerin ein Säumniszuschlag in Höhe von S 200.356,-- vorgeschrieben.

Den Antrag der Beschwerdeführerin auf Nachsicht des Säumniszuschlages gemäß § 236 BAO wies die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid im Instanzenzug ab. Zum Einwand der Beschwerdeführerin, daß der Vorsteuerabzug von der Ö-OHG noch innerhalb des Voranmeldungszeitraumes geltend gemacht worden sei und daher für die Finanzbehörde kein Nachteil entstanden sei, werde bemerkt, daß der Säumniszuschlag nicht als Entschädigung für entwaige Nachteile gedacht sei, die durch die verspätete Abgabenentrichtung hervorgerufen sein könnten. § 217 Abs. 1 BAO mache den Eintritt der Verpflichtung zur Entrichtung eines Säumniszuschlages allein davon abhängig, daß eine Abgabe nicht spätestens am Fälligkeitstag entrichtet werde. Diese Gesetzesbestimmung berücksichtige somit nicht die Gründe, aus welchen im Einzelfall eine Abgabe nicht spätestens am Fälligkeitstag entrichtet worden sei. Dem Einwand der Beschwerdeführerin, ein pflichtbewußter Abgabepflichtiger, der seiner Erklärungspflicht nicht erst am letzten Tag nachkomme, würde benachteiligt, halte die belangte Behörde entgegen, daß sich nur dann ein Nachteil ergebe, wenn eine Berichtigung der bereits eingereichten Umsatzsteuervoranmeldung notwendig sei. Die Gründe für die Berichtigung der Umsatzsteuervoranmeldung für April 1991 durch die Ö-OHG seien von dieser zu verantworten. Es könne nicht behauptet werden, daß sich aus der "vorzeitigen" Einreichung der Voranmeldung die Notwendigkeit der Berichtigung ergeben habe. Mit dem Hinweis auf die Höhe des Säumniszuschlages könne eine Unbilligkeit nicht dargetan werden, weil es eine zwangsläufige Folge der gesetzlichen Regelung sei, daß der Säumniszuschlag von der Höhe des verspätet entrichteten Abgabenbetrages abhänge. Da somit die durch § 236 Abs. 1 BAO geforderte Unbilligkeit der Einhebung nicht gegeben sei, könne dem Nachsichtsansuchen nicht Folge gegeben werden.

Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende Beschwerde. Die Beschwerdeführerin bringt vor, der angefochtene Bescheid gehe auf die im gegenständlichen Fall allein zur Diskussion stehende sachliche Unbilligkeit in keiner Weise ein. Er setze sich nicht mit dem für die sachliche Unbilligkeit entscheidungswichtigen Umstand auseinander, daß auch die "berichtigte Umsatzsteuervoranmeldung" für April 1991 am 7. Juni 1991 und somit innerhalb der Frist für die Einreichung der Voranmelung (bis 10. Juni 1991) eingebracht worden sei. Hätte die Ö-OHG statt der beiden Voranmeldungen für April 1991 nur eine, den Überschuß von S 10,123.781,-- ausweisende Voranmeldung abgegeben, so hätte gemäß § 21 Abs. 1

letzter Satz UStG 1972 die Gutschrift auf den Tag der Einreichung der Voranmeldung zurückgewirkt. Folge dieser Rückwirkung wäre bei der Beschwerdeführerin eine fristgerechte Entrichtung der Zahllast gewesen. Der Umstand, daß diese Rechtsfolge nicht eintreten konnte, begründe im konkreten Fall eine sachliche Unbilligkeit im Sinn des § 236 Abs. 1 BAO.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und beantragte in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 236 Abs. 1 BAO können fällige Abgabenschuldigten auf Antrag des Abgabepflichtigen ganz oder zum Teil durch Abschreibung nachgesehen werden, wenn ihre Einhebung nach Lage des Falles unbillig wäre. Die im § 236 Abs. 1 BAO bezogene Unbilligkeit der Abgabeneinhebung kann entweder persönlich oder sachlich bedingt sein, wobei sachlich bedingte Unbilligkeit dann anzunehmen ist, wenn im Einzelfall bei Anwendung des Gesetzes aus anderen als persönlichen Gründen ein vom Gesetzgeber offenbar nicht beabsichtigtes Ergebnis eintritt, sodaß es zu einer anormalen Belastungswirkung und, verglichen mit ähnlichen Fällen, zu einem atypischen Vermögenseingriff kommt (vgl. hg. Erkenntnis vom 22. März 1995, Zl. 94/13/0264, 0265).

Sachliche Unbilligkeit einer Abgabeneinhebung ist grundsätzlich in Fällen anzunehmen, in denen das ungewöhnliche Entstehen einer Abgabenschuld zu einem unproportionalen Vermögenseingriff beim Steuerpflichtigen führt. Der in der anormalen Belastungswirkung und, verglichen mit ähnlichen Fällen, im atypischen Vermögenseingriff gelegene offenbare Widerspruch der Rechtsanwendung zu den vom Gesetzgeber beabsichtigten Ergebnissen muß seine Wurzel in einem außergewöhnlichen Geschehensablauf haben, der auf eine vom Steuerpflichtigen nicht beeinflußbare Weise eine vom Steuerpflichtigen nach dem gewöhnlichen Lauf nicht zu erwartende Abgabenschuld ausgelöst hat, die zudem auch ihrer Höhe nach unproportional zum auslösenden Sachverhalt ist.

Der dem hg. Erkenntnis vom 22. März 1995, 94/13/0264, 0265, zugrundeliegende Sachverhalt unterscheidet sich vom streitgegenständlichen Sachverhalt im wesentlichen dadurch, daß der Steuerpflichtige, dessen Umsatzsteuerguthaben auf das Abgabenkonto eines anderen Steuerpflichtigen umgebucht bzw. überrechnet werden sollte, die Berichtigung der Umsatzsteuervoranmeldung, aus welcher das Guthaben resultiere, dem Finanzamt erst nach Ablauf der Frist für die Einreichung der Umsatzsteuervoranmeldung bekanntgegeben hat. Der Verwaltungsgerichtshof hat es im genannten Erkenntnis nicht für rechtswidrig erkannt, daß die belangte Behörde eine Unbilligkeit in der Einhebung des dadurch beim seinerzeitigen Beschwerdeführer verursachten Säumniszuschlages nicht angenommen hat. Der seinerzeitige Beschwerdeführer hätte sich vergewissern müssen, ob tatsächlich ein Guthaben für die Umbuchung (Überrechnung) zu Verfügung gestanden sei.

Für die Frage der Unbilligkeit im Sinne des § 236 Abs. 1 BAO macht es nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes keinen Unterschied, ob der Vertragspartner der Beschwerdeführerin die Berichtigung der Umsatzsteuervoranmeldung vor oder nach Ablauf der Frist des § 21 Abs. 1 UStG 1972 dem Finanzamt bekanntgegeben hat. Nach dem Wortlaut und dem System des § 21 UStG 1972 gibt es je Voranmeldungszeitraum nur eine Voranmeldung; Anbringen, die das Ergebnis einer in einer Voranmeldung vorgenommenen Selbstberechnung berichtigen, sind keine Voranmeldungen (vgl. hg. Erkenntnis vom 3. Oktober 1988, 87/15/0078; Ritz, Berichtigung von Voranmeldungen, RdW 1994, 256). Daß die Festsetzung nach § 21 Abs. 3 UStG 1972 erst ca. 20 Tage nach Bekanntgabe der Berichtigung an das Finanzamt erfolgt ist und - im Hinblick auf die Vorschrift des § 211 Abs. 1 lit. g BAO - die Abgabenschuld der Beschwerdeführerin erst mit diesem Zeitpunkt als entrichtet anzusehen war, stellt keinen außergewöhnlichen Geschehensablauf dar, der auf eine von der Steuerpflichtigen nicht beeinflußbare Weise einen nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge nicht zu erwartenden Säumniszuschlag ausgelöst hätte. Es kann daher nicht als rechtswidrig erkannt werden, daß die belangte Behörde im gegenständlichen Fall eine Unbilligkeit der Einhebung des festgesetzten Säumniszuschlages nicht angenommen hat.

Die Beschwerdeführerin wurde sohin durch den angefochtenen Bescheid in subjektiven-öffentlichen Rechten nicht verletzt.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1992130309.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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