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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AHG 1949 §1 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Germ und Dr. Höß als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Leitner, in der Beschwerdesache des X in V, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bundesminister für Inneres wegen Verletzung der Entscheidungspflicht in Angelegenheit eines Antrages auf Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Teilenthebung von der Führung der Amtsgeschäfte durch Weisung des Landesgendarmeriekommandos für Kärnten vom 7. Jänner 1993, den Beschluß gefaßt:
Spruch
Die Säumnisbeschwerde wird als unzulässig zurückgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer steht als Oberstleutnant der Gendarmerie in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund. Er ist seit Mai 1990 Kommandant der Abteilung Villach (Bezirk Feldkirchen und Villach).
Mit Schreiben vom 17. November 1992 wandte sich Abteilungsinspektor G. vom Bezirksgendarmeriekommando Feldkirchen (F.) mit einer Dienstaufsichtsbeschwerde über den Beschwerdeführer an das Landesgendarmeriekommando für Kärnten (im folgenden LGK). Die vom LGK geführten Erhebungen führten in der Folge dazu, daß der Beschwerdeführer mit Wirkung vom 7. Jänner 1993 von der Führung der Amtsgeschäfte als Abteilungskommandant im Bereich F. entbunden wurde.
Mit Fernschreiben vom 9. Jänner 1993 wandte sich der Beschwerdeführer mit der "Bitte um Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Weisung" in der Angelegenheit "Entbindung von der Führung der Amtsgeschäfte im Bez. F. ..." an die belangte Behörde. Nach Wiedergabe verschiedener Vorfälle im Bereich des Bezirksgendarmeriekommandos F. wies der Beschwerdeführer abschließend darauf hin, er habe sich in seiner mehrjährigen Tätigkeit als Abteilungskommandant keiner Dienstpflichtverletzungen schuldig gemacht; die gegen ihn geführten, die Beschwerden betreffenden Erhebungen seien abgeschlossen und der Akt derzeit zur Stellungnahme beim "GAK Villach". Gegen ihn sei weder ein Disziplinarverfahren eingeleitet worden noch lägen objektive Gründe für seine Amtsenthebung vor, die von ihm als Suspendierung gewertet werde und daher mit Bescheid zu verfügen gewesen wäre. Er bitte "um Entscheidung bezüglich der Weisung des LGK".
Die belangte Behörde wertete diese Eingabe als Dienstaufsichtsbeschwerde und forderte das LGK auf, dazu Stellung zu nehmen. Dem kam das LGK mit Schreiben vom 20. Jänner 1993 unter Anschluß umfangreicher Unterlagen nach. Die Dienstbehörde erster Instanz rechtfertigte die Entbindung des Beschwerdeführers von einem Teil seiner Amtsgeschäfte damit, der Beschwerdeführer komme ihrer Ansicht nach seinen Dienstpflichten als Vorgesetzter in bezug auf das dienstliche Fortkommen und die Leistungsförderung der Mitarbeiter im Bezirk F. nicht mehr nach. Durch die getroffene (Personal)Maßnahme würden auch die weiteren Erhebungen in dieser Angelegenheit unbefangen weitergeführt werden können.
Mit Schreiben vom 12. Februar 1993 wies die belangte Behörde das LGK unter anderem an, bestimmte weitere Erhebungen durchzuführen und dem Beschwerdeführer mitzuteilen, daß ihr der Sachverhalt vom LGK gemeldet worden und ihm erst nach Abschluß der Erhebungen bzw. nach rechtskräftigem Ausgang eines allfälligen Disziplinarverfahrens geantwortet werde.
Mit Fernschreiben vom 21. Februar 1993 wandte sich der Beschwerdeführer neuerlich an die belangte Behörde, mit der Bitte um Entscheidung über seine Eingabe (vom 9. Jänner) und ersuchte auch den Fachausschuß um Unterstützung im Sinne des PVG.
Mit Schreiben vom 24. Februar 1993 teilte das LGK der belangten Behörde mit, daß keine Unzukömmlichkeiten bei der Amtsführung des Beschwerdeführers im Bereich des Bezirksgendarmeriekommandos Villach festgestellt werden konnten. Es werde beantragt, die Teilenthebung des Beschwerdeführers als Abteilungskommandant für den Bezirk F. bis zum Abschluß eines Disziplinarverfahrens belassen zu wollen. Eine Disziplinaranzeige werde erstattet.
Mit Schreiben vom 1. April 1993 teilte das LGK der belangten Behörde mit, es sei beabsichtigt die Teilenthebung des Beschwerdeführers mit Wirkung vom 15. April 1993 aufzuheben. Der Beschwerdeführer werde bis zum Abschluß des Disziplinarverfahrens einer "strengen Dienstaufsicht" unterzogen.
Mit Schreiben vom 19. Mai 1993 meldete das LGK der belangten Behörde, der zuständige Senat der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres habe keinen ausreichenden Grund für die Einleitung eines Disziplinarverfahrens gegen den Beschwerdeführer gefunden und daher keinen Einleitungsbeschluß gefaßt.
In seiner Säumnisbeschwerde vom 20. Juli 1993 machte der Beschwerdeführer (ohne nähere Darlegung des obigen Sachverhaltes) die Verletzung der Entscheidungspflicht durch Nichterledigung seines Antrages vom 9. Jänner 1993 durch die belangte Behörde geltend und beantragte, der Verwaltungsgerichtshof möge über die Rechtmäßigkeit der Weisung des LGK (vom 7. Jänner 1993) selbst entscheiden.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Auffassung vertrat, die Eingabe vom 9. Jänner 1993 sei auf Grund der dort gewählten Formulierung und mangels eines ausdrücklichen Begehrens auf bescheidmäßige Absprache, ob die Befolgung des Dienstauftrages "Entbindung von der Führung der Amtsgeschäfte im Bezirk F." zu seinen Dienstpflichten zähle, als Dienstaufsichtsbeschwerde gewertet worden, die "außerhalb der Bestimmungen des DVG 1984 bzw. AVG" behandelt worden sei. Auf Grund der Stellung und des Grades der Ausbildung des Beschwerdeführers habe die belangte Behörde auch davon ausgehen können, daß er über die formalrechtlichen Bestimmungen und die dadurch bedingten Möglichkeiten, bei der zuständigen Behörde einen Feststellungsbescheid zu verlangen, Kenntnis habe.
Mit hg. Verfügung vom 1. Dezember 1993 wurde der Beschwerdeführer aufgefordert, bekanntzugeben, worin sein rechtliches Interesse an der Aufrechterhaltung seiner Beschwerde gegeben sei, nachdem seine Teilenthebung nach der Aktenlage bereits am 15. April 1993 aufgehoben worden sei.
Mit Schreiben vom 2. Februar 1994 antwortete der Beschwerdeführer, der belangten Behörde hätte erkennbar sein müssen, daß sein Fernschreiben vom 9. Jänner 1993 keine Dienstaufsichtsbeschwerde sein könne. Dies deshalb, da Dienstaufsichtsbeschwerden als solche bezeichnet und sich inhaltlich nicht auf "verwaltungsrechtliche Maßnahmen" beziehen könnten. Er habe mit dem Fernschreiben einen Antrag auf Entscheidung über die Rechtmäßigkeit einer Weisung gestellt. Die belangte Behörde hätte im Zweifelsfalle von sich aus den Inhalt seines Begehrens erheben müssen. Der Beschwerdeführer bejahte sein rechtliches Interesse, weil er durch die Maßnahme des LGK finanziellen Schaden erlitten habe. Die Voraussetzung für eine allfällige Amtshaftungsklage sei ein schuldhaftes Verhalten eines Organs. Sofern dieses schuldhafte Verhalten vom Verwaltungsgerichtshof festgestellt werde, wäre die Voraussetzung für eine entsprechende Amtshaftungsklage gegeben.
Gemäß Art. 132 Satz 1 B-VG kann Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht durch Verwaltungsbehörden einschließlich der unabhängigen Verwaltungssenate erheben, wer im Verwaltungsverfahren als Partei zur Geltendmachung der Entscheidungspflicht berechtigt war.
Nach § 27 VwGG kann Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht (Säumnisbeschwerde) erst erhoben werden, wenn die oberste Behörde, die im Verwaltungsverfahren, sei es im Instanzenweg, sei es im Weg eines Antrages auf Übergang der Entscheidungspflicht, angerufen werden konnte, von einer Partei angerufen worden ist und nicht binnen sechs Monaten in der Sache entschieden hat.
Ob eine Eingabe als Antrag auf Erlassung eines Bescheides oder als Dienstaufsichtsbeschwerde zu werten ist, ergibt sich ausschließlich aus dem Inhalt der Eingabe. Aus der Unterlassung der Bezeichnung als Dienstaufsichtsbeschwerde können daher keine wie immer gearteten Rückschlüsse gezogen werden. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers kann sich eine Dienstaufsichtsbeschwerde auf jede Angelegenheit beziehen, sodaß auch aus ihrem Gegenstand kein taugliches Abgrenzungskriterium gegenüber einem Antrag auf Erlassung eines (Feststellungs-)Bescheides gefunden werden kann. Im Beschwerdefall kann dahingestellt bleiben, ob die Eingabe des Beschwerdeführers als Dienstaufsichtsbeschwerde (so die Auffassung der belangten Behörde) zu werten ist (gegen deren Nichterledigung eine Säumnisbeschwerde an den Verwaltungsgerichtshof unzulässig ist, weil auf die Ausübung des Aufsichtsrechtes niemand einen Rechtsanspruch hat und daher keine Entscheidungspflicht verletzt werden kann) oder ob es sich um einen Antrag auf Erlassung eines Feststellungsbescheides über die Rechtmäßigkeit der unbestritten in Weisungsform vom LGK getroffenen Personalmaßnahme handelt, wie der Beschwerdeführer meint; selbst bei Zutreffen der Auffassung des Beschwerdeführers wäre nämlich die belangte Behörde nicht zuständig, über einen derartigen Feststellungsantrag zu entscheiden, weil hier offenkundig (vgl. §§ 1 Abs. 1 Z. 9 in Verbindung mit § 2 Z. 5 lit. c DVV) die Zuständigkeit des LGK als Dienstbehörde erster Instanz gegeben wäre. Bei einer derart offenkundigen Unzuständigkeit wird aber der belangten Behörde die Möglichkeit eröffnet, durch formlose Verfügung im Sinne des § 6 Abs. 1 AVG vorzugehen. Eine Pflicht der belangten Behörde zur Entscheidung über ihre Unzuständigkeit in Bescheidform kann der Verwaltungsgerichtshof im Beschwerdefall nicht erkennen: Denn es bestehen weder Zweifel über die nach dieser Rechtslage gegebene Unzuständigkeit der belangten Behörde, noch hat der Beschwerdeführer diese bestritten oder behauptet, die belangte Behörde sei nach § 6 Abs. 1 AVG vorgegangen und er habe danach auf einer Zuständigkeitsentscheidung durch die belangte Behörde "beharrt" (vgl. dazu den Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. Mai 1991, Zl. 91/12/0034 = Slg. NF Nr. 13.443 A, und die dort zitierte Vorjudikatur).
Davon abgesehen, kann der Verwaltungsgerichtshof vor dem Hintergrund der Stellungnahme des Beschwerdeführers vom 2. Februar 1994 nicht erkennen, daß trotz der (bereits vor Erhebung der Säumnisbeschwerde) am 15. April 1993 erfolgten Aufhebung seiner teilweisen Entbindung von der Führung bestimmter Amtsgeschäfte und damit der vollen Wiederherstellung seines Aufgabenbereiches noch eine konkret fortwirkende Verletzung subjektiver Rechte gegeben ist. Die allfällige Geltendmachung eines Amtshaftungsanspruches wegen behaupteter vermögensrechtlicher Nachteile, die durch diese (zwischenzeitlich aufgehobene) Personalmaßnahme allenfalls herbeigeführt wurden, begründet kein derartiges Interesse (vgl. dazu z.B. den hg. Beschluß vom 21. Oktober 1993, 93/09/0145); im übrigen hätten die Verwaltungsbehörden bzw. der Verwaltungsgerichtshof im Fall von deren Säumigkeit in einem Feststellungsverfahren, wie es dem Beschwerdeführer vorschwebt, lediglich über die Rechtmäßigkeit, nicht aber über die Schuldhaftigkeit des Handelns des LGK zu befinden.
Aus diesen Gründen war daher die Säumnisbeschwerde mangels Berechtigung zu ihrer Erhebung gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 in Verbindung mit 51 VwGG und der gemäß ihrem Art. III Abs. 2 anzuwendenden Pauschalierungsverordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 416/1994.
Schlagworte
Anspruch auf Sachentscheidung Allgemein Anspruch auf bescheidmäßige Erledigung und auf Zustellung, Recht der Behörde zur Bescheiderlassung Feststellungsbescheide Verletzung der Entscheidungspflicht Allgemein Behördliche Angelegenheiten Verletzung der Entscheidungspflicht Diverses Zurückweisung - Einstellung sachliche Zuständigkeit in einzelnen AngelegenheitenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1993120217.X00Im RIS seit
22.02.2002