TE Vwgh Erkenntnis 1996/4/24 93/15/0076

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Veröffentlicht am 24.04.1996
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
32/04 Steuern vom Umsatz;

Norm

BAO §115 Abs4;
B-VG Art18 Abs1;
UStG 1972 §4 Abs5;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny sowie die Hofräte Dr. Karger und Dr. Steiner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Traudtner, über die Beschwerde der S-GmbH in G, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland, Berufungssenat IX, vom 22. März 1993, 6/5 - 5061/92-06 und 6/5 - 5000/93-06, betreffend ua Umsatzsteuer für die Jahre 1987 bis 1990 sowie Festsetzung von Umsatzsteuervorauszahlungen für die Zeiträume Jänner bis Juli 1991 und Jänner bis September 1992, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen von 4.565 S binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin, eine GmbH, betreibt Geldspielautomaten, wobei sie die von ihr erzielten Entgelte mit einer noch darzustellenden Ausnahme so ermittelt, daß sie - ausgehend vom verbliebenen Kasseninhalt der Geldspielautomaten - einen Vervielfacher von 1,2 anwendet, was einer durchschnittlichen Gewinnchance von 17 % entspricht. Da in den von der Beschwerdeführerin im Streitzeitraum betriebenen Geldspielautomaten keine Zählwerke eingebaut waren, gab es weder Aufzeichnungen über die ausbezahlten Gewinne noch über die Freispiel- und "Gamble"-Einsätze.

Im Jahr 1991 fand bei der Beschwerdeführerin für die Jahre 1987 bis 1989 eine abgabenbehördliche Prüfung statt. In dem über diese Prüfung gemäß § 150 BAO erstatteten Bericht hielt die Prüferin unter Hinweis auf § 4 Abs 5 UStG 1972 idF BGBl Nr 645/1977 fest, beim Spiel mit Gewinnmöglichkeit sei das Entgelt für den einzelnen Spielabschluß maßgeblich, wobei dieses durch einen ausbezahlten Gewinn nicht gemindert werde. Es sei daher jeder Geldeinwurf sowie jeder Gewinn, der zum Weiterspielen verwendet werde, als Entgelt anzusehen. Obwohl es bei den von der Beschwerdeführerin betriebenen Geldspielautomaten mittels Zählwerken technisch möglich wäre, die so zu ermittelnden Spieleinsätze aufzuzeichnen, habe die Beschwerdeführerin auf deren Einbau verzichtet. Es gebe daher keine Aufzeichnungen, auf Grund derer die Spieleinsätze ermittelt werden könnten. Für die Jahre 1984 bis 1986 habe das Finanzamt - den Ausführungen des damaligen Prüfers folgend - einen Vervielfacher von 1,2 akzeptiert, obwohl damals mittels Probespielen (Computersimulation) festgestellt worden sei, der Vervielfacher betrage - ausgehend vom verbliebenen Kasseninhalt - rund 5. Ein Vervielfacher von rund 1,2 ergebe sich nur dann, wenn vom Kasseninhalt bloß auf den Geldeinwurf hochgerechnet werde, und somit Freispiel- und "Gamble"-Einsätze unberücksichtigt blieben. Ein im Zug der (nunmehrigen) abgabenbehördlichen Prüfung beigezogener Systemprüfer habe festgestellt, die von der Beschwerdeführerin errechneten Entgelte könnten nicht den Tatsachen entsprechen. Nach den Ausführungen der Beschwerdeführerin betrage die Gewinnchance an den von ihr betriebenen Geldspielautomaten zumindest 30 %, was einem Vervielfacher von 1,4 entspreche. Hiebei würden jedoch weder Freispiel- noch "Gamble"-Einsätze berücksichtigt. Unter der Annahme, daß diese Einsätze durchschnittlich ebenso hoch seien wie die Geldeinwürfe, ergebe sich ein Vervielfacher von 1,8. Die Prüferin gelangte daher zur Ansicht, ein - überdies branchenüblicher - Vervielfacher von 1,8 entspreche den Tatsachen. Ausgehend vom Zahlenmaterial der Beschwerdeführerin wandte die Prüferin daher zur Ermittlung der Entgelte einen Vervielfacher von 1,8 an. Für das Jahr 1990 sowie für den Zeitraum Jänner bis Juli 1991 verwies die Prüferin auf die obigen Ausführungen und erhöhte die von der Beschwerdeführerin erklärten Entgelte in der eben dargestellten Weise.

Das Finanzamt schloß sich der Ansicht der Prüferin an und erließ die dementsprechenden Bescheide, wobei es zur Begründung auf den erstatteten Bericht und die darüber aufgenommene Niederschrift verwies.

Im Jahr 1992 fand bei der Beschwerdeführerin für den Zeitraum Jänner bis September 1992 eine Prüfung der Umsatzsteuer statt, wobei vom nunmehrigen Prüfer in dem darüber gemäß § 151 Abs 3 BAO erstatteten Bericht dieselben Feststellungen und Schlußfolgerungen wie im bereits erwähnten, gemäß § 150 BAO erstatteten Bericht getroffen wurden.

Das Finanzamt schloß sich ebenfalls der Ansicht des Prüfers an und erließ den dementsprechenden Bescheid.

Im Berufungsverfahren brachte die Beschwerdeführerin im wesentlichen vor, das Finanzamt habe für die Jahre 1984 bis 1986 - den Ausführungen des damaligen Prüfers folgend - einen Vervielfacher von 1,2 akzeptiert. Es widerspreche daher dem Grundsatz von Treu und Glauben, bei unveränderten Verhältnissen nunmehr einen solchen von 1,8 anzuwenden. Ungeachtet eines Erlasses der (nunmehr) belangten Behörde könne ein einheitlicher Vervielfacher nicht angewandt werden, weil sich jeder Spieler anders verhalte, weswegen Vervielfacher von bis zu 10 möglich wären. Da Betreiber von Geldspielautomaten über die ausbezahlten Gewinne nicht verfügen könnten, seien diese als durchlaufende Posten anzusehen. Es könne daher grundsätzlich nur der verbliebene Kasseninhalt der Umsatzsteuer unterworfen werden. Im Ausland würden bei den von ihr betriebenen Geldspielautomaten Vervielfacher von höchstens 1,3 angewandt. Sie habe bei den von ihr im Bundesland Oberösterreich betriebenen Geldspielautomaten überhaupt keinen Vervielfacher angewandt, weil dort die Auszahlung von Gewinnen jeder Art verboten sei und sie sich an dieses Verbot auch halte. Den wiederholten Fragen der Prüferin, warum in diesem Bundesland überhaupt an Geldspielautomaten gespielt werde, habe sie entgegnet, daß dies ausschließlich dem Vergnügen der Spieler diene. Trotzdem habe die Prüferin auch für die im Bundesland Oberösterreich betriebenen Geldspielautomaten mit dem Hinweis, es sei bekannt, daß trotz Auszahlungsverbotes Gewinne ausbezahlt würden, einen Vervielfacher von 1,8 angewandt. Wie sich aus den von Heidinger im FJ 1985, 124, sowie in der SWK 1986 A II 17 und in der SWK 1987 A II 3 verfaßten Artikeln ergebe, unterlägen weder Freispiel- noch "Gamble"-Einsätze der Umsatzsteuer, weil der Spieler hiefür kein Entgelt aufwende. Von der Sektion Fremdenverkehr der Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Wien werde ebenfalls die Ansicht vertreten, bei einer 30 %igen Gewinnchance, wie sie in Wien gesetzlich vorgeschrieben sei, betrage der Vervielfacher 1,4. Bei Einbeziehung von Freispiel- und "Gamble"-Einsätzen ergebe sich daher ein Vervielfacher von 1,8, was zu einer "Erdrosselungssteuer" führe. Die Prüferin habe es in dem von ihr erstatteten Bericht unterlassen aufzuzeigen, welche Beweise sie gewürdigt habe, um zu einem Vervielfacher von 1,8 zu gelangen. Das Schätzungsverfahren sei daher mangelhaft. Es werde daher beantragt, bei den im Bundesland Oberösterreich betriebenen Geldspielautomaten keinen, bei den übrigen jedoch einen Vervielfacher von 1,2 anzuwenden.

In einer Stellungnahme führte die Prüferin im wesentlichen aus, aus dem Grundsatz von Treu und Glauben könne keineswegs abgeleitet werden, eine einmal für einen bestimmten Zeitraum getroffene Feststellung gelte für alle weiteren Zeiträume. Bei dem von ihr angewandten Vervielfacher habe sie sich nicht auf einen Erlaß der (nunmehr) belangten Behörde gestützt, sondern sei - wie aus dem erstatteten Bericht ersichtlich - auf Grund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens zu einem Vervielfacher von 1,8 gelangt. Eigenartig erscheine es, daß die Beschwerdeführerin zwar nicht in Abrede stelle, der Vervielfacher könne nur im Schätzungsweg ermittelt werden, es jedoch unterlassen habe, in den von ihr betriebenen Geldspielautomaten Zählwerke einzubauen, um so die Spieleinsätze zu ermitteln. Obwohl die Beschwerdeführerin grundsätzlich die Ansicht vertrete, nur der Kasseninhalt unterliege der Umsatzsteuer, habe sie selbst in der Regel einen Vervielfacher von 1,2 angewandt. Im Gegensatz zur Ansicht der Beschwerdeführerin unterlägen sowohl Freispiel- als auch "Gamble"-Einsätze der Umsatzsteuer. Durch die neuerliche Inbetriebnahme des jeweiligen Geldspielautomaten finde nämlich ein Leistungsaustausch statt. Von durchlaufenden Posten hinsichtlich der ausbezahlten Gewinne sowie der Freispiel- und "Gamble"-Einsätze könne daher keine Rede sein. Laut Auskunft der Großbetriebsprüfung Linz sei im Bundesland Oberösterreich die Auszahlung von Gewinnen aus Geldspielautomaten trotz gegenteiliger Landesgesetzgebung üblich. Eine von der Bundespolizeidirektion Linz verfaßte, die Beschwerdeführerin betreffende Anzeige wegen der Auszahlung von Gewinnen aus Geldspielautomaten sei aktenkundig. Daß im Bundesland Oberösterreich nicht mit Geldmünzen, sondern mit Jetons gespielt werde, spiele keine Rolle, weil der Wert der Jetons in Geld ausbezahlt werde. Abschließend sei zu bemerken, daß selbst die Beschwerdeführerin die Entgelte im Schätzungsweg ermittelt habe; hiebei sei es belanglos, ob sie nicht in der Lage gewesen sei oder nicht beabsichtigt habe, die tatsächlich erzielten Beträge zum Ansatz zu bringen. Mit Ausnahme der Entgelte aus in im Bundesland Oberösterreich betriebenen Geldspielautomaten folge die nunmehrige Berechnung der von der Beschwerdeführerin vorgenommenen, wobei jedoch statt des Vervielfachers von 1,2 ein solcher von 1,8 angewandt worden sei.

In einer Replik zur Stellungnahme der Prüferin behauptete die Beschwerdeführerin, es sei aus dem erstatteten Bericht nicht ersichtlich, wie die Prüferin zu einem Vervielfacher von 1,8 gelangt sei. Es sei daher sowohl die amtswegige Ermittlungspflicht als auch das Parteiengehör verletzt worden.

Die belangte Behörde hielt der Beschwerdeführerin nochmals vor, wie die Prüferin zu einem Vervielfacher von 1,8 gelangt sei, wobei sie es der Beschwerdeführerin freistellte, eine den gesetzlichen Bestimmungen entsprechende Schätzungsmethode bekanntzugeben bzw die Entgelte den Tatsachen entsprechend zu berechnen. Wie sich aus einer Mitteilung des Finanzamtes Linz aus jüngster Zeit ergebe, würden im Bundesland Oberösterreich ungeachtet des bestehenden Verbotes Gewinne aus Geldspielautomaten ausbezahlt.

In Beantwortung dieses Vorhaltes vertrat die Beschwerdeführerin bloß die Ansicht, das Finanzamt habe für die Jahre 1984 bis 1986 einen Vervielfacher von 1,2 akzeptiert, weswegen es bei unveränderten Verhältnissen in Beachtung des Grundsatzes von Treu und Glauben unzulässig sei, nunmehr einen solchen von 1,8 anzuwenden, wobei nach wie vor nicht erkennbar sei, wie die Prüferin zu diesem Vervielfacher gelangt sei. Weder gab sie eine andere Schätzungsmethode bekannt, noch berechnete sie die Entgelte den Tatsachen entsprechend. Sie teilte weiters mit, es entziehe sich ihrer Kenntnis, ob im Bundesland Oberösterreich tatsächlich Gewinne aus Geldspielautomaten ausbezahlt würden. Sie halte sich jedoch an das Verbot, Gewinne auszuzahlen. Schließlich bot sie der belangten Behörde einen Augenschein bei Probespielen an den von ihr derzeit betriebenen Geldspielautomaten an.

Im nunmehr angefochtenen Bescheid vertritt die belangte Behörde unter Hinweis auf die entscheidungswesentliche Bestimmung des Umsatzsteuergesetzes 1972 und die

hg Rechtsprechung die Ansicht, jedes Entgelt für jedes einzelne Spiel zähle zur Bemessungsgrundlage. Gewinne ein Spieler und könne er mit dem Gewinn ein neues Spiel (Freispiel) tätigen, so werde auf Grund der neuerlichen Inbetriebnahme des Geldspielautomaten ein neuer Umsatz ausgeführt. Der geldwerte auch in anderer Weise (zB zur Konsumation) verwendbare Gewinnanspruch des Spielers bilde das Entgelt für diesen Umsatz. Zur Bemessungsgrundlage der Umsatzsteuer zählten daher sowohl sämtliche in die Geldspielautomaten eingeworfenen Bargeldbeträge als auch die Freispiel- und "Gamble"-Einsätze. Bei dem von der Beschwerdeführerin angewandten Vervielfacher von 1,2 würden weder Freispiel- noch "Gamble"-Einsätze berücksichtigt, weswegen die von ihr errechnete Bemessungsgrundlage unrichtig sei. Die von Heidinger vertretene gegenteilige Ansicht habe der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung verworfen. Ob im Ausland bei Geldspielautomaten andere Vervielfacher angewandt würden, sei irrelevant. Wie der Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis vom 14. Dezember 1978, G 82/78, Slg Nr 8457, ausgeführt habe, stehe es dem Gesetzgeber frei, eine beträchtliche steuerliche Belastung von Unternehmen, die Spiele und Wetten betrieben, vorzusehen. Von einer unsachlichen Regelung, die zu einer "Erdrosselungssteuer" führe, könne daher keine Rede sein. Unbestritten sei, daß die Beschwerdeführerin nur den Kasseninhalt aufgezeichnet und daraus - mit der bereits mehrfach erwähnten Ausnahme - unter Anwendung eines Vervielfachers von 1,2 die Entgelte im Schätzungsweg ermittelt habe. Sie habe es somit unterlassen, iSd § 18 Abs 1 UStG 1972 Aufzeichnungen zur Feststellung der Steuer und der Grundlage ihrer Berechnung zu führen. Die Entgelte seien daher von der Abgabenbehörde im Schätzungsweg zu ermitteln, wobei dem tatsächlichen Ergebnis unter Mitwirkung der Beschwerdeführerin möglichst nahe zu kommen sei. Als taugliche Methode zur Schätzung der Entgelte beim Betrieb von Geldspielautomaten biete sich ein Vervielfacher an, der durch Probespiele, nach den bekannt gegebenen Gewinnchancen oder mittels eines äußeren Betriebsvergleiches ermittelt werden könne. Die Prüferin habe unter Berücksichtigung der Ausführungen der Beschwerdeführerin, die Gewinnchance an den von ihr betriebenen Geldspielautomaten betrage 30 %, was einem Vervielfacher von 1,4 entspreche, sowie eines gleich hohen Faktors (0,4) für die Freispiel- und "Gamble"-Einsätze einen Vervielfacher von 1,8 ermittelt und diesen auf den verbliebenen Kasseninhalt der Geldspielautomaten angewandt. Der so im Zug eines inneren Betriebsvergleiches ermittelte Vervielfacher entspreche zumindest dem branchenüblichen und somit auch einem äußeren Betriebsvergleich, wobei noch zu berücksichtigen sei, daß die Beschwerdeführerin stets darauf hingewiesen habe, aus Konkurrenzgründen würden Betreiber von Geldspielautomaten stets die gleichen Gewinnchancen bieten. Die von der Prüferin gewählte Methode zur Schätzung der Entgelte sei daher nicht zu beanstanden. Ein Augenschein bei Probespielen stelle kein geeignetes Beweismittel dar, weil keine Gewähr dafür bestehe, daß die derzeit von der Beschwerdeführerin betriebenen Geldspielautomaten hinsichtlich der Gewinnchance den in den Streitjahren betriebenen entsprächen. Überdies sei anläßlich der im Jahr 1987 durchgeführten Probespiele an den von der Beschwerdeführerin betriebenen Geldspielautomaten ein Vervielfacher von rund 5 festgestellt worden, was einer Gewinnchance von etwa 80 % entspreche. Es sei unglaubwürdig und widerspreche der Lebenserfahrung, daß bei den im Bundesland Oberösterreich betriebenen Geldspielautomaten keine Gewinne ausbezahlt würden. Da aktenkundig sei, daß trotz des bestehenden Gewinnauszahlungsverbotes in diesem Bundesland Gewinne ausbezahlt würden und es überdies wegen der gegebenen Konkurrenzsituation in der Automatenbranche unlogisch sei, Geldspielautomaten ohne Gewinnauszahlung zu betreiben, seien die Entgelte aus den im Bundesland Oberösterreich betriebenen Geldspielautomaten gleich wie jene aus in anderen Bundesländern betriebenen zu ermitteln. Was schließlich die behauptete Verletzung des Grundsatzes von Treu und Glauben betreffe, genüge es darauf hinzuweisen, daß das im Art 18 Abs 1 B-VG normierte Legalitätsgebot stärker als dieser Grundsatz sei, weil die Abgabenbehörde in Durchsetzung der Rechtsordnung nicht nur berechtigt, sondern sogar verpflichtet sei, von einer gesetzwidrigen Verwaltungsübung, einer gesetzlich nicht gedeckten Rechtsauffassung oder einer unrichtigen Tatsachenwürdigung abzugehen, sobald sie ihr Fehlverhalten erkenne. Dies gelte auch für den Fall, daß die Berichtigung zu Lasten des Abgabepflichtigen gehe. Der vom Finanzamt in den Jahren 1984 bis 1986 akzeptierte Vervielfacher von 1,2 habe sich im Gegensatz zum nunmehr angewandten von 1,8 bloß auf den Geldeinwurf bezogen, was der Rechtslage nicht entsprochen habe. Sie sei daher verpflichtet gewesen, von dieser unrichtigen Ansicht abzugehen.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde erachtet sich die Beschwerdeführerin in ihrem Recht verletzt, "als durch Ansatz eines ungerechtfertigt hohen Vervielfachers auf den Kasseninhalt eine Umsatzsteuerbemessungsgrundlage ermittelt wurde, welche unter den Entgeltbegriff des § 4 Abs 5 UStG 1972 nicht subsumiert werden kann." Unter teilweiser Wiederholung ihres Vorbringens im Verwaltungsverfahren und der Behauptung, die Prüferin sei bei Anwendung des Vervielfachers von 1,8 nicht vom verbliebenen "Netto"-Kasseninhalt, sondern vom "Brutto"-Kasseninhalt ausgegangen, macht sie inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides sowie dessen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Gestützt auf ein vorgelegtes Gutachten vertritt die Beschwerdeführerin in zwei ergänzenden Schriftsätzen die Ansicht, die Anwendung eines Vervielfachers von 1,8 führe zu einer "Erdrosselungssteuer" und damit zu einer stillen Enteignung der Betreiber von Geldspielautomaten, was insbesondere den Art 14 und 18 EMRK iVm Art 1 des Zusatzprotokolls Nr 1, BGBl Nr 210/1958, widerspreche. Wie der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften erst vor kurzem entschieden habe, sei bei Geldspielautomaten lediglich der dem Betreiber verbliebene Kasseninhalt der Umsatzsteuer zu unterwerfen. Nach Art 177 EG-Vertrag seien Entscheidungen des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften rückwirkend anzuwenden, weswegen der Verwaltungsgerichtshof iSd Art 5 EG-Vertrag verpflichtet sei, den angefochtenen Bescheid insbesondere wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben und der belangten Behörde aufzutragen, bei den von ihr betriebenen Geldspielautomaten lediglich den verbliebenen Kasseninhalt der Umsatzsteuer zu unterwerfen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem nach § 12 Abs 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Der Verwaltungsgerichtshof vertritt zur Frage der umsatzsteuerlichen Behandlung der Einspielergebnisse aus Geldspielautomaten im zeitlichen Geltungsbereich des § 4 Abs 5 UStG 1972 idF BGBl Nr 645/1977 in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, daß jedes Entgelt für jedes einzelne Spiel zur Bemessungsgrundlage zählt. Gewinnt ein Spieler und kann er mit dem Gewinn ein neues Spiel (Freispiel) tätigen, so wird auf Grund der neuerlichen Inbetriebnahme des Geldspielautomaten ein neuer Umsatz ausgeführt; der geldwerte, auch in anderer Weise (zur Konsumation) verwendbare Gewinnanspruch des Spielers bildet das Entgelt für den Umsatz. Daraus folgt, daß zur Bemessungsgrundlage der Umsatzsteuer sowohl sämtliche in die Spielautomaten eingeworfenen Bargeldbeträge ungeachtet einer allfälligen Auszahlung von Gewinnen als auch die Freispiel- und "Gamble"-Einsätze zählen. Mit der von Heidinger geübten Kritik an der bisherigen Rechtsprechung hat sich der Verwaltungsgerichtshof bereits ausführlich auseinandergesetzt und bietet sich aus der Sicht des Beschwerdefalles kein Anlaß, von dieser Rechtsauffassung abzugehen (vgl beispielsweise die hg Erkenntnisse vom 16. Dezember 1991, 90/15/0067, und vom 12. Jänner 1994, 93/13/0164, beide mwA).

In der Beschwerde erachtet sich die Beschwerdeführerin in ihrem Recht insofern verletzt, als ein zu hoher Vervielfacher auf den Kasseninhalt angewandt worden sei. Die Beschwerdeführerin bestreitet somit (zunächst) nicht, daß die von ihr erzielten Entgelte im Schätzungsweg - wie auch von ihr selbst mit einer Ausnahme - zu ermitteln sind. Die Ausführungen in der Beschwerde sind jedoch nicht geeignet, einen bei der Schätzung (Anwendung eines Vervielfachers von 1,8 auf den Kasseninhalt) unterlaufenen Verfahrensmangel aufzuzeigen.

Wie die Prüferin bereits in dem von ihr erstatteten Bericht festgehalten hat, beträgt die Gewinnchance an den von der Beschwerdeführerin betriebenen Geldspielautomaten nach deren Angaben zumindest 30 %, was beispielsweise in Wien als Mindestgewinnchance gesetzlich vorgeschrieben ist. Wenn daher die Prüferin im Hinblick auf eine solche Gewinnchance unter der unbedenklichen Annahme, in gleicher Höhe würden Freispiel- und "Gamble"-Einsätze getätigt, einen Vervielfacher von 1,8 angewandt hat, kann der belangten Behörde darin nicht entgegengetreten werden, wenn sie den so ermittelten Vervielfacher als den Tatsachen entsprechend angesehen hat. Bemerkt wird, daß der ermittelte Vervielfacher auch einem äußeren Betriebsvergleich entspricht (vgl nochmals das hg Erkenntnis vom 12. Jänner 1994) und es überdies gerichtsbekannt ist, daß die marktübliche Gewinnchance bei Geldspielautomaten zwischen 50 % und 80 % beträgt, was einen Vervielfacher von 2,5 bis 5 rechtfertigen würde. Die bereits im Verwaltungsverfahren von der Beschwerdeführerin aufgestellte Behauptung, es sei ihr nicht möglich zu erkennen, welche Beweise gewürdigt worden seien, um zu einem Vervielfacher von 1,8 zu gelangen, widersprechen der Aktenlage. Nicht nur, daß im erstatteten Bericht unter Tz 18 umfangreich ausgeführt ist, wie der Vervielfacher ermittelt worden ist, haben sowohl die Prüferin in ihrer Stellungnahme als auch die belangte Behörde in ihrem Vorhalt mehrmals auf die eben erwähnte Tz hingewiesen. Zur Ansicht der Beschwerdeführerin, wegen des Verbotes im Bundesland Oberösterreich, Gewinne auszuzahlen, dürfe auf den in diesem Bundesland verbliebenen Kasseninhalt kein Vervielfacher angewandt werden, genügt es darauf hinzuweisen, daß es - wie bereits von der belangten Behörde ausgeführt - der allgemeinen Lebenserfahrung widerspricht, bei den im Bundesland Oberösterreich von der Beschwerdeführerin betriebenen Geldspielautomaten würden keine Gewinne ausbezahlt. Denn an Geldspielautomaten wird in der Regel gespielt, um Gewinne zu erzielen (vgl das hg Erkenntnis vom 29. April 1991, 90/15/0182), wobei es im Beschwerdefall noch aktenkundig ist, daß im Bundesland Oberösterreich auch von der Beschwerdeführerin Gewinne ausbezahlt worden sind. Die belangte Behörde ist daher nicht rechtswidrig vorgegangen, wenn sie im Sinn der Ausführungen der Prüferin - ausgehend vom ingesamt verbliebenen Kasseninhalt der von der Beschwerdeführerin betriebenen Geldspielautomaten - einen Vervielfacher von 1,8 angewandt hat. Die erstmals in der Beschwerde aufgestellte Behauptung, die Prüferin sei bei der Anwendung des Vervielfachers nicht vom verbliebenen "Netto"-Kasseninhalt, sondern vom "Brutto"-Kasseninhalt ausgegangen, fällt nur deswegen nicht unter das im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltende Neuerungsverbot, weil sich bei deren Richtigkeit der angewandte Vervielfacher als nicht den Tatsachen entsprechend erweisen würde. Wie sich aus dem von der Prüferin erstatteten Bericht unter der bereits erwähnten Tz 18 und der Tz 26 sowie dem vom Prüfer gemäß § 151 Abs 3 erstatteten Bericht ergibt, ist ausgehend von den von der Beschwerdeführerin errechneten Entgelten ein Vervielfacher von 1,8 angewandt worden. Die Behauptung der Beschwerdeführerin, es wäre vom "Brutto"-Kasseninhalt ausgegangen worden, erweist sich als aktenwidrig. Wenn die belangte Behörde im Jahr 1993 durchzuführende Probespiele an anderen, von der Beschwerdeführerin betriebenen Geldspielautomaten als Beweismittel abgelehnt hat, kann ihr nicht entgegengetreten werden. Denn abgesehen davon, daß der angewandte Vervielfacher in einem mängelfreien Verfahren ermittelt worden ist und keine Gewähr bestanden hätte, die von der Beschwerdeführerin im Jahr 1993 betriebenen Geldspielautomaten entsprächen hinsichtlich der Gewinnchance den in den Streitjahren betriebenen, wurde bereits anläßlich der im Jahr 1987 durchgeführten Probespiele ein Vervielfacher von rund 5 festgestellt, was - wie bereits ausgeführt - einer (noch) marktüblichen Gewinnchance bei Geldspielautomaten von etwa 80 % entspricht. Der Hinweis, der Erlaß der belangten Behörde, an den sich die Prüferin orientiert habe, sei rechnerisch unrichtig, geht ins Leere, weil die Prüferin und ihr folgend die belangte Behörde, den Vervielfacher ohne Bezug auf den Erlaß ermittelt haben. Überdies können - wie die Beschwerdeführerin zu Recht bemerkt - aus einem Erlaß weder Rechte noch Pflichten abgeleitet werden.

Mit der Behauptung, die belangte Behörde habe den Grundsatz von Treu und Glauben verletzt, weil - bei unveränderten Verhältnissen gegenüber den Jahren 1984 bis 1986 - nunmehr ein Vervielfacher von 1,8 statt einem solchen von 1,2 angewandt werde, zeigt die Beschwerdeführerin keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf. Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung ausgeführt hat, schützt der genannte Grundsatz nicht ganz allgemein das Vertrauen des Abgabepflichtigen auf die Rechtsbeständigkeit einer unrichtigen abgabenrechtlichen Beurteilung für die Vergangenheit. Vielmehr müßten besondere Umstände vorliegen, die ein Abgehen von der bisherigen Rechtsauffassung durch die Abgabenbehörde unbillig erscheinen lassen, wie dies zB der Fall sein kann, wenn ein Abgabepflichtiger von der Abgabenbehörde ausdrücklich zu einer bestimmten Vorgangsweise aufgefordert wird und sich nachträglich die Unrichtigkeit derselben herausstellt (vgl das Erkenntnis des vom 5. Mai 1992, 92/14/0013, mwA). Derartige besondere Umstände sind im Beschwerdefall nicht zu erkennen. Denn das Finanzamt hat - wie die Beschwerdeführerin ausführt - in den Jahren 1984 bis 1986 auf Vorschlag des damaligen Prüfers einen Vervielfacher von 1,2 akzeptiert. Damit wurde die Beschwerdeführerin jedoch nicht ausdrücklich von der Abgabenbehörde zu einer bestimmten Vorgangsweise aufgefordert. Bei richtiger Beurteilung (vgl das Ergebnis der im Jahr 1987 durchgeführten Probespiele) wäre bereits in den eben erwähnten Jahren ein bedeutend höherer Vervielfacher anzuwenden gewesen. Die belangte Behörde war daher nicht nur berechtigt, sondern sogar verpflichtet, von der von ihr als gesetzwidrig erkannten Verwaltungsübung bzw der unrichtigen Tatsachenwürdigung in den Jahren 1984 bis 1986 für die Streitjahre abzugehen.

Die in den beiden ergänzenden Schriftsätzen von der Beschwerdeführerin behauptete Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides ist vom geltend gemachten Beschwerdepunkt iSd § 28 Abs 1 Z 4 VwGG insofern nicht erfaßt, als in diesen Schriftsätzen die Anwendung eines Vervielfachers überhaupt als unzulässig angesehen wird. Da nach der Anordnung des § 41 Abs 1 VwGG der Verwaltungsgerichtshof nicht zu prüfen hat, ob irgendein subjektives Recht der Beschwerdeführerin, sondern nur ob jenes verletzt worden ist, dessen Verletzung sie behauptet, und damit der Prozeßgegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens festgelegt sowie der Rahmen abgesteckt wird, an den der Verwaltungsgerichtshof bei der Prüfung des angefochtenen Bescheides gebunden ist, war es dem Verwaltungsgerichtshof verwehrt zu prüfen, ob bei der Ermittlung der Entgelte beim Betrieb von Geldspielautomaten überhaupt ein Vervielfacher anzuwenden ist (vgl das hg Erkenntnis vom 29. Juni 1995, 94/15/0217, mwA).

Die Beschwerde erweist sich somit insgesamt als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs 1 VwGG abzuweisen.

Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs 2 Z 6 VwGG abgesehen werden.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl Nr 416/1994.

Schlagworte

Verwaltungsrecht allgemein Rechtsquellen VwRallg1 Rechtsgrundsätze Treu und Glauben erworbene Rechte VwRallg6/2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1993150076.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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