TE Vwgh Erkenntnis 1996/4/24 95/01/0514

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 24.04.1996
beobachten
merken

Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1991 §1 Z1;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Kremla und Dr. Händschke als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Hajicek, über die Beschwerde des M in W, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 8. September 1995, Zl. 4.344.326/9-III/13/95, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Auf Grund der Beschwerde und der dieser beigelegten Ausfertigung des angefochtenen Bescheides ist von folgendem Sachverhalt auszugehen:

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger Ghanas und reiste am 13. März 1994 in das Bundesgebiet ein. In einem schriftlichen Asylantrag vom 17. März 1994 brachte er zu seinen Fluchtgründen vor, er sei Mitglied der NCP

("National Congress Party") gewesen. Nach der Fusion dieser Partei mit dem NDC ("National Democratie Congress") sei er jedoch zur NPP ("National Patriotic Party") übergewechselt. Daraufhin sei er parteipolitisch provoziert worden, indem rund um sein Haus Plakate des NDC angebracht worden seien. Er habe diese Plakate alle wieder entfernt, danach seien neuerlich welche angebracht worden. Am dritten Tag sei er von der Polizei festgenommen worden, wobei man ihm vorgeworfen habe, gegen das Wahlkommissionsgesetz Nr. 21 verstoßen zu haben. Er sei auf Bewährung entlassen worden, habe sich jedoch wöchentlich bei der Polizei melden müssen. Dieser Vorfall habe sich im Herbst 1992 ereignet. Im August 1993 sei er wegen derselben Sache abermals einvernommen worden; im Februar 1994 sei der Fall vom Staatsanwalt aufgegriffen worden und es sei zu zwei Gerichtsverhandlungen gekommen. Nach den geltenden Rechtsvorschriften habe ihm eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren gedroht. Deshalb sei er geflüchtet. Im Falle seiner Rückkehr habe er mit einer zwei- bis dreijährigen Haftstrafe zu rechnen.

Anläßlich seiner niederschriftlichen Befragung durch das Bundesasylamt am 7. April 1994 gab der Beschwerdeführer darüber hinaus an, innerhalb der NCP sei er als Funktionär der Jugendabteilung aktiv tätig gewesen. Im August 1992 habe ein Kongreß stattgefunden, in dessen Rahmen der Vorsitzende der Partei sowie der Präsidentschaftskandidat gewählt worden seien; eine Woche später habe er über den Rundfunk erfahren, daß die NCP mit dem NDC eine Allianz einzugehen beabsichtige. Dies habe er abgelehnt, sei deshalb aus der Partei ausgetreten und habe sich der NPP angeschlossen. Da er nichts mehr von der NCP gehört habe, habe er deren Poster, die rund um sein Haus aufgeklebt gewesen seien, entfernt. Daraufhin hätten unbekannte Personen neue NCP-Plakate angebracht, die er abermals entfernt habe. Drei Tage später sei er von Polizeibeamten in Zivil festgenommen und für die Dauer von 3 Tagen inhaftiert worden. Dies unter dem Vorwurf, die NCP-Plakate mutwillig abgenommen zu haben, was gegen das Wahlgesetz Nr. 21 verstoße. Nachdem jemand für ihn eine Verpflichtungserklärung abgegeben habe, sei er wieder auf freien Fuß gesetzt worden, habe sich jedoch für die Dauer von einem Monat einmal wöchentlich bei der Polizei melden müssen. Im August 1993 sei er abermals wegen desselben Vorfalles festgenommen, jedoch noch am selben Tag entlassen worden. Im Februar 1994 habe er eine Ladung zu Gericht erhalten. Daraufhin sei er im Februar 1994 zweimal vor Gericht erschienen, wobei sein Anwalt ihm mitgeteilt habe, daß seine Angelegenheit "von oben her negativ beeinflußt werde" und er im Falle des Schuldspruches mit einer Freiheitsstrafe von ein bis zwei Jahren zu rechnen habe. Deshalb habe sein Anwalt ihm geraten, Ghana zu verlassen. Ein weiterer Fluchtgrund sei die grundlose Inhaftierung in den Jahren 1984 bis 1985 gewesen, weil er einem Major sein Auto nicht habe geben wollen. Während dieser Haftzeit habe man ihm Fleisch aus dem Körper geschnitten, welches er habe essen müssen.

Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 13. April 1994 wurde der Asylantrag des Beschwerdeführers abgewiesen.

Infolge der dagegen erhobenen Berufung erließ die belangte Behörde ihren Bescheid vom 24. Mai 1994, mit dem diese Berufung abgewiesen wurde, der jedoch durch Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 14. Dezember 1994, B 1450/94-9, aufgehoben wurde. Im Zuge des neuerlich bei der belangten Behörde anhängig gewordenen Berufungsverfahrens und über diesbezügliche Aufforderungen erstattete der Beschwerdeführer ein ergänzendes Vorbringen dahingehend, seine grundlose Inhaftierung im Jahre 1984/85 sei sehr wohl ein Indiz für wohlbegründete Furcht vor Verfolgung durch die jetzige Regierung, da diese sowie die Repressalien in den Jahren 1992 und 1993 zeigten, daß er kein faires Verfahren zu erwarten habe, solange die Regierung an der Macht sei bzw. solange die jetzige Regierung nicht durch freie Wahlen bestätigt worden sei. Während die erste Inhaftierung offenbar von einem Major der damaligen Militärregierung veranlaßt worden sei, sei das Verfahren im Jahre 1992 auf Grund seiner politischen Einstellung eingeleitet worden. Im übrigen wiederholte er sein Vorbringen hinsichtlich der Begleitumstände seines Gefängnisaufenthaltes im Jahre 1984/85 und vertrat die Auffassung, es könne nicht von ihm verlangt werden, daß auf seinem Hause sowie auf dem dazugehörigen Bereich Wahlplakate einer Partei, mit der er sich nicht identifiziere, dulde. Er habe die Plakate nicht von öffentlichen Plakatwänden oder dafür vorgesehenen Flächen abgenommen, er habe daher auch nicht mutwillig die aufgeklebten Plakate entfernt. Dadurch werde deutlich, daß er seine politische Gesinnung nicht ohne jegliche, staatlich verordnete Einschränkung offen habe zeigen dürfen und sich nicht politisch aktiv habe betätigen können. Nur wenn die Beschädigung von Plakaten einer anderen Partei Unrecht gewesen sei, so könne doch eine Verfolgung dieses Deliktes mit solch drakonischen Strafen (ein bis zwei Jahre Haft) nur als politische Verfolgung Andersdenkender angesehen werden. Er könne erst zurückkehren, wenn die jetzige Regierung auf Grund demokratischer Wahlen abgesetzt oder bestätigt werde und die "Nichtbeeinflussung der Gerichte und der Verwaltung durch die Regierung - wie sie jetzt tatsächlich ausgeübt" werde - "dokumentiert und sichergestellt" sei.

Die belangte Behörde wies mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid die Berufung des Beschwerdeführers (neuerlich) gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab.

Sie begründete die neuerliche Abweisung im wesentlichen dahingehend, derartige Provokationen, wie sie der Beschwerdeführer geltend gemacht habe, könnten nach ihrer Ansicht keinen Umstand darstellen, der einen Asylanspruch begründen könne, zumal sie nicht als asylbegründende mittelbare staatliche Verfolgung gewertet werden könnten, sondern lediglich Übergriffe von Einzelpersonen darstellten, die sich nicht als politisch, religiös oder ethnisch motiviert, vom Staat initiierte oder geduldete Verfolgungshandlungen darstellten. Solche Übergriffe indizierten noch keine systematische, dem Staat zurechenbare Verfolgung. Im übrigen führte die belangte Behörde aus:

"Würde es bereits genügen, wenn das Vorliegen der asylbegründenden Tatsachen abstrakt möglich wäre, also nicht mit Sicherheit ausgeschlossen ist, so könnte von Beweiswürdigung im eigentlichen Sinn wohl kaum gesprochen werden. Ein hervorstehendes Charakteristikum ist, daß das Vorbringen, wenngleich es bis zu einem gewissen Grad auch auf Ihren eigenen Erfahrungen beruht, regelmäßig so abstrakt und allgemein gehalten ist, daß es sich einer Überprüfbarkeit an der Wirklichkeit entzieht".

Wäre der Beschwerdeführer tatsächlich als politischer Gegner erkannt gewesen, hätte man ihn im übrigen kaum wieder auf freien Fuß gesetzt. Deshalb erscheine es unwahrscheinlich, daß er zwei Jahre später auf Grund dieser Delikte verurteilt hätte werden sollen. Selbst im Falle einer derartigen Verurteilung sei auch die relative Strenge der angedrohten Strafe nicht maßgeblich, weil der Beschwerdeführer sich der eventuellen Bestrafung durch seine Deliktsetzung, nämlich das Entfernen von Wahlplakaten, wissentlich ausgesetzt habe. Staatliche Maßnahmen zur Verhinderung oder Bestrafung solcher Vergehen seien aber Ausdruck des Rechtes eines solchen Staates und stellten als solche keine Verfolgung im Sinne des § 1 Z. 1 AsylG 1991 dar. Auch die nach seiner Darstellung zu Unrecht erhobenen Strafvorwürfe begründeten allein für sich genommen noch nicht die Annahme eines politischen Aspektes des Verfahrens, vielmehr sei es dem Betroffenen zuzumuten, sich wie jeder Staatsbürger wie in jedem anderen Staat, dem Gericht zu stellen und die aufgebotenen Beweismittel zu entkräften. Maßnahmen des Staates bzw. der ihm zurechenbaren Organe könnten erst als Verfolgung gewertet werden, wenn sie aus einem der in § 1 Z. 1 AsylG 1991 genannten Gründe erfolgten und ein bestimmtes Ausmaß an Intensität und Qualität überschritten. Die vom Beschwerdeführer geschilderten Ereignisse könnten diesen Ansprüchen nicht gerecht werden. Hinsichtlich der Inhaftierung sowie der weiteren Umstände dieser Inhaftierung im Jahre 1984/85 fehle der zeitliche Zusammenhang zur Flucht.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Obwohl die von der belangten Behörde herangezogene, oben im wesentlichen wiedergegebene Begründung des angefochtenen Bescheides sich teilweise in nicht nachvollziehbaren Erwägungen ergeht bzw. auf konkrete Behauptungen des Beschwerdeführers überhaupt nicht eingeht - ohne sich allerdings auf die Ermittlungsergebnisse des Verfahrens erster Instanz gemäß § 20 Abs. 1 AsylG 1991 expressis verbis zu beschränken -, erweist sich die Überlegung der belangten Behörde, es fehle den vom Beschwerdeführer dargestellten Folgen seiner Handlungen der asylrechtliche Konnex im Sinne des § 1 Z. 1 AsylG 1991 (Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention) im Ergebnis als frei von Rechtsirrtum. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Entfernung der Wahlplakate durch den Beschwerdeführer auf dessen politscher Gesinnung beruhte oder nur eine Reaktion auf beabsichtigte Provokation war. Das gegen ihn eingeleitete Strafverfahren diente lediglich der Verfolgung eines Gesetzesverstoßes und wäre von jedem gleichartigen Täter unabhängig von seiner politischen Gesinnung zu gewärtigen und hinzunehmen gewesen. Auch ist dem Vorbringen des Beschwerdeführers in erster Instanz - gemäß § 20 Abs. 1 AsylG 1991 Entscheidungsgrundlage für die belangte Behörde - nicht zu entnehmen, er hätte infolge seiner politischen Gesinnung eine höhere Strafe zu erwarten gehabt als andere in gleicher Lage. Der Beschwerdeführer hat im Verwaltungsverfahren auch nicht dargetan, daß er sich nicht gegen die von ihm behauptete mißbräuchliche Verwendung seines Eigentums auf andere Art und Weise hätte wehren können. Der von ihm erwarteten (ein- bis zweijährigen) Haftstrafe im Falle seines Schuldspruches wegen Verstoßes gegen das Wahlgesetz und den von ihm gehegten Zweifeln an der "Fairness" des Verfahrens hierüber fehlt es daher im aufgezeigten Sinn an einem asylrechtlich relevanten Anknüpfungspunkt. Daß durch diese Maßnahmen lediglich die politische Gesinnung des Beschwerdeführers getroffen hätte werden sollen, läßt sich jedenfalls seiner Darstellung im Verwaltungsverfahren nicht entnehmen. Insofern gehen auch die diesbezüglichen Ausführungen in der Beschwerde an den der Entscheidung der belangten Behörde zugrunde gelegten Sachverhaltsfeststellungen vorbei.

Die belangte Behörde hat des weiteren zutreffend erkannt, daß auch den geschilderten Vorkommnissen in den Jahren 1984/85 mangels eines erkennbaren zeitlichen Zusammenhanges keine Eignung mehr zukommen kann, Flüchtlingseigenschaft des Beschwerdeführers im Sinne der Genfer Konvention zu bejahen.

Da bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen ließ, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.

Es erübrigte sich daher auch eine Entscheidung des Berichters über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1995010514.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten