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25/01 StrafprozessNorm
B-VG Art140 AbsZ1 litd, Art140 Abs1bLeitsatz
Ablehnung der Behandlung eines Parteiantrag gegen Bestimmungen der StPO betreffend die freie BeweiswürdigungSpruch
Die Behandlung des Antrages wird abgelehnt.
Begründung
Begründung
1. Der Verfassungsgerichtshof kann die Behandlung eines Antrages gemäß Art140 Abs1 Z1 litd B-VG ablehnen, wenn er keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat (Art140 Abs1b B-VG; vgl VfGH 24.2.2015, G13/2015).
2. Der Verfassungsgerichtshof hat sich in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes gemäß Art140 B-VG auf die Erörterung der geltend gemachten Bedenken zu beschränken (vgl VfSlg 12.691/1991, 13.471/1993, 14.895/1997, 16.824/2003). Er hat sohin ausschließlich zu beurteilen, ob die angefochtene Bestimmung aus den in der Begründung des Antrages dargelegten Gründen verfassungswidrig ist (VfSlg 15.193/1998, 16.374/2001, 16.538/2002, 16.929/2003).
3. Der Antragsteller behauptet zunächst die Verfassungswidrigkeit des §165 Abs2 erster Satz StPO wegen Verstoßes gegen den Grundsatz der Waffengleichheit gemäß Art6 Abs3 EMRK und das Sachlichkeitsgebot gemäß Art7 B-VG, da die Bestimmung das Gericht einseitig an den Antrag einer Prozesspartei (Staatsanwaltschaft) binde, ohne diesen ablehnen zu können:
Dieses Vorbringen hat keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, denn der Antragsteller legt seinem Bedenken eine verfehlte Rechtsauffassung zugrunde: Wie in §165 Abs2 StPO schon der Wortlaut ("auf Antrag der Staatsanwaltschaft") und der Verweis auf §104 StPO zu erkennen geben, hat das Gericht einem Antrag gemäß §165 Abs2 StPO nur zu entsprechen, wenn die materiellen Voraussetzungen für die Durchführung einer kontradiktorischen Vernehmung vorliegen (§104 Abs1 letzter Satz StPO ["Das Gericht hat den Antrag mit Beschluss abzuweisen, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen für solche Beweisaufnahmen nicht vorliegen."]; vgl Pilnacek/Stricker, §104 StPO, in: Fuchs/Ratz [Hrsg.], Wiener Kommentar zur StPO, rdb.at, Stand 13.11.2017, Rz 21 f, 30).
4. Der Antragsteller behauptet zudem die Verfassungswidrigkeit der Wortfolge "nach freier Überzeugung" in §14 StPO und des Wortes "freien" in §258 Abs2 StPO, weil damit eine schrankenlose richterliche Entscheidungsbefugnis ermöglicht werde. Dies sei "unvereinbar mit dem Recht auf ein faires Verfahren und mit der Unschuldsvermutung ebenso wie mit dem Sachlichkeitsgebot und dem Willkürverbot, vor allem aber mit dem Zweifelsgrundsatz des in dubio pro reo".
Auch dieses Antragsvorbringen lässt die behaupteten Verfassungswidrigkeiten als so wenig wahrscheinlich erkennen, dass es keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat: Anders als der Antragsteller meint, ist das Gericht im Rahmen seiner Beweiswürdigung keineswegs frei, Beweise ohne sachlichen Grund nicht zu erheben oder Beweise entgegen allgemeinen Erfahrungssätzen nicht objektiv nachvollziehbar zu würdigen. Das Gericht ist vielmehr im Hauptverfahren (§§210 ff StPO) zur amtswegigen Wahrheitsforschung verpflichtet (§3, §232 Abs2 StPO) und seine Entscheidung hat im Hinblick auf dessen Überzeugungsbildung nachvollziehbar und plausibel zu sein (vgl zB Schmoller, §14 StPO, in: Fuchs/Ratz [Hrsg.], Wiener Kommentar zur StPO, rdb.at, Stand 1.11.2012, Rz 8 mwN; siehe zu ähnlichem Vorbringen bereits VfGH 11.6.2019, G87/2019; 12.6.2020, G162/2020; 21.9.2020, G314/2020; 10.3.2021, G392/2020). Mit "frei" meint das Gesetz in Bezug auf die Beweiswürdigung lediglich, dass diese – grundsätzlich – von rechtlichen Schranken frei ist, also keine Bindung an feste Beweisregeln besteht (Schmoller aaO).
5. Demgemäß wurde beschlossen, von einer Behandlung des – nicht auf das Vorliegen sämtlicher Formerfordernisse und Prozessvoraussetzungen geprüften – Antrages abzusehen (§19 Abs3 Z1 iVm §31 letzter Satz VfGG).
Schlagworte
Strafprozessrecht, Beweise, VfGH / Parteiantrag, VfGH / Ablehnung, ZeugenbeweisEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2022:G3.2022Zuletzt aktualisiert am
20.09.2022