TE Vfgh Erkenntnis 2022/6/13 V259/2021 (V259/2021-11)

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Veröffentlicht am 13.06.2022
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Index

L8500 Straßen

Norm

B-VG Art139 Abs1 Z2
V des Gemeinderats der Landeshauptstadt Linz vom 20.11.2014 betreffend die Erklärung von Grundflächen zur Gemeindestraße und deren Widmung für den Gemeingebrauch §1, §2
Oö StraßenG 1991 §11, §13
Oö BauO 1994 §16
VfGG §7 Abs2

Leitsatz

Aufhebung von Wortfolgen einer Verordnung der Landeshauptstadt Linz betreffend die Erklärung von Grundflächen zu einer Gemeindestraße und deren Widmung für den Gemeingebrauch mangels ausdrücklicher Ausweisung des Aufschließungszwecks in der Verordnung; Gesetzwidrigkeit mangels Feststellung, dass die Straße vorwiegend der Aufschließung der an dieser Verkehrsfläche liegenden Grundstücke dient

Spruch

I. Die Wortfolgen "1 und" sowie "dargestellte Erklärung von Grundflächen zur Gemeindestraße und deren Widmung für den Gemeingebrauch sowie die" in §1 und die Wortfolge "der zur Gemeindestraße erklärten Grundflächen sowie" in §2 der Verordnung des Gemeinderates der Landeshauptstadt Linz vom 20. November 2014 "gemäß §11 Abs1 und 3; Oö Straßengesetz 1991; Bebauungsplan NW 105/7; 'Mühlbachstraße', KG Pöstlingberg und Katzbach; Erklärung von Grundflächen zur Gemeindestraße - Widmung für den Gemeingebrauch; Auflassung von Verkehrsflächen - Entziehung des Gemeingebrauchs", kundgemacht im Amtsblatt Nr 24 der Landeshauptstadt Linz vom 15. Dezember 2014 und angeschlagen an der Amtstafel in der Zeit vom 15. bis 31. Dezember 2014, werden als gesetzwidrig aufgehoben.

II. Die Aufhebung tritt mit Ablauf des 30. November 2022 in Kraft.

III. Die Oberösterreichische Landesregierung ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Landesgesetzblatt für Oberösterreich verpflichtet.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Anlassverfahren, Prüfungsbeschluss und Vorverfahren

1. Beim Verfassungsgerichtshof ist zur Zahl E140/2021 eine auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde anhängig, der folgender Sachverhalt zugrunde liegt:

1.1. Die Beschwerdeführerin ist Eigentümerin der unmittelbar vom Straßenbauvorhaben "Fahrbahnverlängerung und Neubau eines Wendehammers am Ende der Mühlbachstraße" betroffenen Grundstücke Nr 110/11 und .159/1, je KG Katzbach, in Linz.

1.2. Mit Verordnung des Gemeinderates der Landeshauptstadt Linz vom 20. November 2014 wurden gemäß §11 Abs1 und §13 des Landesgesetzes vom 24. Mai 1991 über die öffentlichen Straßen mit Ausnahme der Bundesstraßen (Oö Straßengesetz 1991), LGBl 84, idF LGBl 61/2008 im Bereich Mühlbachstraße, KG Pöstlingberg und Katzbach, Grundflächen zur Gemeindestraße erklärt sowie bestimmte Verkehrsflächen aufgelassen.

1.3. Mit Bescheid des Magistrates der Landeshauptstadt Linz vom 7. November 2019 wurde – auf Ansuchen der Landeshauptstadt Linz vom 20. Juni 2018 – die straßenrechtliche Bewilligung für das oben genannte Straßenprojekt auf Teilflächen der Grundstücke Nr 102, .347, 104/2, 110/11 und .159/1, alle KG Katzbach, unter Vorschreibung von Auflagen erteilt. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wies das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich mit Erkenntnis vom 27. November 2020 als unbegründet ab. Begründend führte das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich – für den vorliegenden Fall – im Wesentlichen aus, die Linienführung der Straße sei mit der "Trassenverordnung NW105/07" bereits festgelegt worden; zudem entspreche das Bauvorhaben dieser straßenrechtlichen Verordnung. Konkrete Angaben, inwiefern die Gesetzmäßigkeit der "Trassenverordnung" nicht gegeben sein sollte, habe die Beschwerdeführerin nicht machen können.

2. Bei der Behandlung der gegen diese Entscheidung gerichteten Beschwerde sind im Verfassungsgerichtshof Bedenken ob der Gesetzmäßigkeit der Wortfolgen "1 und" sowie "dargestellte Erklärung von Grundflächen zur Gemeindestraße und deren Widmung für den Gemeingebrauch sowie die" in §1 und der Wortfolge "der zur Gemeindestraße erklärten Grundflächen sowie" in §2 der Verordnung des Gemeinderates der Landeshauptstadt Linz vom 20. November 2014 "gemäß §11 Abs1 und 3; Oö Straßengesetz 1991; Bebauungsplan NW 105/7; 'Mühlbachstraße', KG Pöstlingberg und Katzbach; Erklärung von Grundflächen zur Gemeindestraße - Widmung für den Gemeingebrauch; Auflassung von Verkehrsflächen - Entziehung des Gemeingebrauchs", kundgemacht im Amtsblatt Nr 24 der Landeshauptstadt Linz vom 15. Dezember 2014 und angeschlagen an der Amtstafel in der Zeit vom 15. bis 31. Dezember 2014 (in der Folge: Mühlbachstraßen-VO), entstanden. Der Verfassungsgerichtshof hat daher am 29. September 2021 beschlossen, diese Verordnungsbestimmungen von Amts wegen auf ihre Gesetzmäßigkeit zu prüfen.

3. Der Verfassungsgerichtshof legte seine Bedenken, die ihn zur Einleitung des Verordnungsprüfungsverfahrens bestimmt haben, in seinem Prüfungsbeschluss wie folgt dar:

"[…] §11 Abs1 Oö Straßengesetz 1991 sieht vor, dass insoweit die Straße vorwiegend der Aufschließung der an dieser Verkehrsfläche liegenden Grundstücke dient, dies in der Verordnung ausdrücklich festzustellen ist. In den Erläuterungen wird als Zweck der Anfügung des dritten Satzes des §11 Abs1 Oö Straßengesetz 1991 angeführt, 'eine Verpflichtung zur Grundabtretung auch in jenen Fällen vor[zusehen], in denen zwar (noch) kein Bebauungsplan, aber bereits eine straßenrechtliche Verordnung vorliegt, in der die geplanten Straßengrundgrenzen entsprechend bestimmt sind. […] Durch die Anfügung eines weiteren Satzes im §11 Abs1 wird die korrespondierende Bestimmung zu §16 O.ö. Bauordnung 1994 in der Fassung der im Entwurf vorliegenden Oö Bauordnungs-Novelle 1998 betreffend die Verpflichtung zur Grundabtretung geschaffen. Soll bei Verkehrsflächen der Gemeinde mit der Verordnung eine Verpflichtung zur Grundabtretung verbunden sein, ist in der Verordnung festzustellen, daß die Straße vorwiegend der Aufschließung der an dieser Verkehrsfläche liegenden Grundstücke dient' (AB 209/1998 BlgLT 25. GP, 1 f.).

[…] Die zugrunde liegende Verordnung weist keine Feststellung auf, dass die Straße vorwiegend der Aufschließung der an dieser Verkehrsfläche liegenden Grundstücke dient. Nach dem Telos der Bestimmung reicht es aber nach der vorläufigen Auffassung des Verfassungsgerichtshofes nicht aus, den Aufschließungszweck lediglich in den Verordnungsakten zu dokumentieren. Vielmehr statuiert §11 Abs1 Oö Straßengesetz 1991 – insoweit die Straße vorwiegend der Aufschließung dient – eine Verpflichtung zur ausdrücklichen Ausweisung dieses Zweckes in der Verordnung selbst.

[…] Der Verfassungsgerichtshof ist vor diesem Hintergrund vorläufig der Ansicht, dass auf Grund der fehlenden Feststellung des Zweckes – die Straße diene vorwiegend der Aufschließung der an dieser Verkehrsfläche liegenden Grundstücke – in der straßenrechtlichen Verordnung auf Grund des Wortlautes des §11 Abs1 dritter Satz Oö Straßengesetz 1991 (arg: 'ist dies in der Verordnung ausdrücklich festzustellen') die Wortfolgen '1 und' sowie 'dargestellte Erklärung von Grundflächen zur Gemeindestraße und deren Widmung für den Gemeingebrauch sowie die' in §1 und die Wortfolge 'der zur Gemeindestraße erklärten Grundflächen sowie' in §2 der zugrunde liegenden Verordnung mit Gesetzwidrigkeit belastet sind (vgl jüngst VfGH 4.3.2021, V541/2020)."

4. Der Gemeinderat der Landeshauptstadt Linz hat eine Kopie des Bebauungsplanes NW 105/7 vorgelegt und eine Äußerung erstattet, in der den Bedenken wie folgt entgegengetreten wird (ohne die Hervorhebungen im Original):

"Die Bedenken des Verfassungsgerichtshofes gegen die in Prüfung gezogenen Wortfolgen gründen auf der Bestimmung gemäß §11 Abs1 dritter Satz Oö Straßengesetz 1991. Darin ist normiert, dass insoweit die Straße vorwiegend der Aufschließung der an dieser Verkehrsfläche liegenden Grundstücke dient, dies in der Verordnung ausdrücklich festzustellen ist. Der Verfassungsgerichtshof führt dazu aus, dass die zugrundeliegende Verordnung keine Feststellung aufweist, dass die Straße vorwiegend der Aufschließung der an dieser Verkehrsfläche liegenden Grundstücke dient. Nach dem Telos der Bestimmung reiche es aber nach der vorläufigen Auffassung des Verfassungsgerichtshofes nicht aus, den Aufschließungszweck lediglich in den Verordnungsakten zu dokumentieren. Vielmehr statuiere §11 Abs1 Oö Straßengesetz 1991 – insoweit die Straße vorwiegend der Aufschließung dient – eine Verpflichtung zur ausdrücklichen Ausweisung dieses Zweckes in der Verordnung selbst. Vor diesem Hintergrund ist der Verfassungsgerichtshof vorläufig der Ansicht, dass auf Grund der fehlenden Feststellung – die Straße diene vorwiegend der Aufschließung der an dieser Verkehrsfläche liegenden Grundstücke – in der straßenrechtlichen Verordnung auf Grund des Wortlautes des §11 Abs1 dritter Satz Oö Straßengesetz 1991 die in Prüfung gezogenen Wortfolgen mit Gesetzwidrigkeit belastet sind.

In den Erläuterungen zum dritten Satz des §11 Abs1 Oö Straßengesetz 1991 wird festgehalten, dass 'der gleichzeitig dem Oö Landtag zugeleitete Entwurf einer Oö Bauordnungs-Novelle 1998 für die Zukunft eine Verpflichtung zur Grundabtretung auch in jenen Fällen vor[sieht], in denen zwar (noch) kein Bebauungsplan, aber bereits eine straßenrechtliche Verordnung vorliegt, in der die geplanten Straßengrundgrenzen entsprechend bestimmt sind. Der vorliegende Gesetzentwurf enthält die dazu notwendigen Begleitbestimmungen. Durch die Anfügung eines weiteren Satzes im §11 Abs1 wird die korrespondierende Bestimmung zu §16 Oö Bauordnung 1994 [...] betreffend die Verpflichtung zur Grundabtretung geschaffen. Soll bei Verkehrsflächen der Gemeinde mit der Verordnung eine Verpflichtung zur Grundabtretung verbunden sein, ist in der Verordnung festzustellen, dass die Straße vorwiegend der Aufschließung der an dieser Verkehrsfläche liegenden Grundstücke dient' (AB 209/1998 BIgLT 25. GP, 1 f.).

Aus den Erläuterungen zu §11 Abs1 dritter Satz Oö Straßengesetz 1991 ergibt sich, dass der dritte Satz des §11 Abs1 Oö Straßengesetz 1991 als Begleitbestimmung zu der Bestimmung gemäß §16 Oö Bauordnung 1994 zu sehen ist. Und zwar soll eine Verpflichtung zur Grundabtretung auch in jenen Fällen verpflichtend sein, in denen (noch) kein Bebauungsplan vorliegt.

Gemäß §16 Abs1 Oö Bauordnung 1994 sind anlässlich der Bewilligung von Bauplätzen und der Änderung von Bauplätzen und bebauten Grundstücken die nach Maßgabe der Straßenfluchtlinien des Bebauungsplanes (Z1) oder der in einem Plan bestimmten Straßengrundgrenzen einer straßenrechtlichen Verordnung gemäß §11 Abs1 dritter Satz des Oö Straßengesetzes 1991 (Z2) zu den öffentlichen Verkehrsflächen der Gemeinde fallenden, an den Bauplatz oder an den von der Änderung betroffenen Teil des Bauplatzes oder des bebauten Grundstücks angrenzenden Grundflächen [...] abzutreten.

In den Erläuterungen zu §16 Abs1 Oö Bauordnung 1994 wird darauf hingewiesen, dass 'die Verpflichtung zur Grundabtretung in Zukunft auch in jenen Fällen gelten soll, in denen zwar (noch) kein Bebauungsplan, aber bereits eine straßenrechtliche Verordnung vorliegt, in der die geplanten Straßengrundgrenzen entsprechend bestimmt sind. Dafür ist - als Teil der Verordnung - ein Plan erforderlich, der in diesem Punkt den Anforderungen entspricht, die sonst an einen Bebauungsplan gestellt werden. §16 Abs1 Z1 stellt insoweit eine Spezialbestimmung zu §11 Abs1 letzter Satz des Oö Straßengesetzes 1991 dar' (AB 208/1998, BIgLT 25. GP, 3.).

Aus einer Zusammenschau der erläuternden Bemerkungen zu §11 Abs1 Oö Straßengesetz 1991 und §16 Abs1 Oö Bauordnung 1994 wird ersichtlich, dass der Zweck der Bestimmung gemäß §11 Abs1 dritter Satz Oö Straßengesetz 1991 darin liegt, eine Verpflichtung zur Abtretung gemäß §16 Abs1 Z2 Oö Bauordnung 1994 zu begründen, wenn (noch) kein rechtswirksamer Bebauungsplan vorliegt, der gemäß §16 Abs1 Z1 Oö Bauordnung 1994 eine Abtretungspflicht begründen würde.

Die Bestimmung des §11 Abs1 dritter Satz Oö Straßengesetz 1991 müsste demnach differenziert ausgelegt werden, je nachdem, ob bei Erlassung der straßenrechtlichen Verordnung bereits ein rechtswirksamer Bebauungsplan vorliegt oder nicht. Die Verpflichtung zur ausdrücklichen Ausweisung des Aufschließungszweckes gemäß §11 Abs1 dritter Satz Oö Straßengesetz 1991 kann dann als nicht mehr zwingend angesehen werden, wenn bereits ein rechtswirksamer Bebauungsplan mit Straßenfluchtlinien vorliegt, da durch diesen dem Aufschließungszweck bereits genüge getan wird.

Die ggst. straßenrechtliche Verordnung basiert auf dem rechtswirksamen Bebauungsplan NW 105/7 (rechtswirksam ab 28.01.2014), der bereits die Straßenfluchtlinien festlegt. Eine Verpflichtung zur Abtretung im Falle einer Bauplatzbewilligung bzw Änderung von Bauplätzen und bebauten Grundstücken würde sich somit nach Maßgabe der Straßenfluchtlinien des Bebauungsplans ergeben. Das Fehlen des Zusatzes gemäß §11 Abs1 dritter Satz Oö Straßengesetz 1991 kann die straßenrechtliche Verordnung daher nicht mit Gesetzwidrigkeit belasten, da der dahinterstehende Zweck – Verpflichtung zur Abtretung – vom verordnungserlassenden Organ auch anders – alternativ Bebauungsplan – erreicht werden kann und somit im Falle des Vorliegens eines rechtswirksamen Bebauungsplanes mit Straßenfluchtlinien keine Gesetzwidrigkeit im Hinblick auf das Ziel 'Verpflichtung zur Abtretung' erkannt werden kann.

Vor diesem Hintergrund ist die verordnungserlassende Behörde der Ansicht, dass die im Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 29.09.2021, E-140/2021-12 näher bezeichneten Wortfolgen der straßenrechtlichen Verordnung vom 20. November 2014 nicht mit Gesetzwidrigkeit belastet sind."

5. Der Magistrat der Landeshauptstadt Linz hat als beteiligte Partei eine Äußerung erstattet. Er verweist darin auf die bereits im Vorverfahren zum Anlassfall erstattete Äußerung, in der der Verletzung in näher bezeichneten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten entgegengetreten wird, und schließt sich dieser vollinhaltlich an.

6. Die im Anlassfall beschwerdeführende Partei hat als beteiligte Partei eine Äußerung erstattet, in der Folgendes vorgebracht wird:

"Vorab festgehalten wird, dass das Grundrecht auf Unverletzlichkeit des Eigentums neben jenen, welche die körperliche Integrität schützen sollen, zu den schutzbedürftigsten Grundrechten zu zählen ist, welche die österreichische Rechtsordnung kennt. Dementsprechend hoch ist der Maßstab in Bezug auf das den Eingriff in Eigentumsrechte von Privatpersonen rechtfertigende öffentliche Interesse zu setzen sowie die Verpflichtung, im Sinne des Legalitätsprinzips stets aufgrund von Gesetzen vorzugehen. Konkret zu beurteilen ist eine Verordnung als rechtliche Grundlage für die Erteilung einer straßenrechtlichen Bewilligung als weitere Grundlage für die Übertragung eines Grundstücks in das öffentliche Gut[.]

Zu beurteilen ist, ob die Verordnung des Gemeinderates der Landeshauptstadt Linz vom 20.11.2014, 'Ve[r]ordnung NW 105/07', verfassungskonform ist, obwohl diese entgegen des (unmissverständlichen) Wortlauts des §11 Oö StraßenG in ihrem Verordnungstext keinen expliziten Hinweis auf den Aufschließungsgrund enthält. Die verordnungserlassende Behörde vermeint in ihrer Stellungnahme unter Verweis auf §16 Oö BauO, dass dieser Hinweis infolge des Vorliegens eines Bebauungsplanes nicht notwendig sei.

Dem wird wie folgt entgegengetreten:

[…] Mit der Einführung des §16 Abs1 Z2 Oö BauO wurde die bestehende Verpflichtung der Grundabtretung anlässlich der Bewilligung von Bauplätzen, sowie der Änderung von Bauplätzen und bebauten Grundstücken nach Maßgabe der Straßenfluchtlinien des Bebauungsplans auf jene Fälle ausgeweitet, in den[en] zwar (noch) kein Bebauungsplan, aber bereits eine straßenrechtliche Verordnung vorliegt, in welcher die Straßengrundgrenzen entsprechend bestimmt sind. Dazu wurde der letzte Satz des §11 Oö Straßengesetz ergänzt. Dieser besagt unmissverständlich, dass sofern die Straße vorwiegend der Aufschließung der an dieser Verkehrsfläche liegende[n] Grundstücke dienen soll, dies in den Wortlaut der Verordnung ausdrücklich aufzunehmen ist. Mit der Aufnahme einer zusätzlichen Möglichkeit der Verpflichtung zur Grundabtretung ist zur Wahrung der Grundrechte besonderes Augenmerk auf die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen geboten. Wie mittlerweile wiederholt dargelegt und vom Verfassungsgerichtshof zutreffend festgehalten, findet sich ein solcher Passus im Verordnungstext nicht, weshalb die Verordnung bereits aus diesem Grund rechtswidrig ist.

[…] Angesichts der bereits in der Beschwerde gemäß Art144 B-VG näher bezeichneten Stellen des Urteils des Landesverwaltungsgerichtes Linz besteht kein Zweifel daran, dass die Aufschließung der nördlich des Eigentums der Beschwerdeführerin gelegenen Grundstücke damit bezweckt werden sollte, weshalb an dieser Stelle nicht näher darauf eingegangen wird. Ferner wurde dies auch nicht bestritten.

Wenn nun in der Stellungnahme der verordnungserlassenden Behörde festgehalten wird, dass die gegenständliche Verordnung auf dem Bebauungsplan NW 105/7 basiert, verkennt dieser den Umstand, dass gemäß §1 der Verordnung des Gemeinderates konstatiert wird, dass der Straßenplan einen wesentlichen Bestandteil der Verordnung bildet, nicht jedoch die gesamte Verordnung. Der Straßenplan an sich reicht, selbst nach der (verfehlten) Rechtseinschätzung der verordnungserlassenden Behörde nicht, um dem Gesetzestext der Bauordnung zu entsprechen.

§16 Abs1 Z1 Oö BauO rechtfertigt Grundabtretungen aufgrund eines vorliegenden Bebauungsplanes, woraus ersichtlich ist, dass die notwendige Straßenerweiterung der Aufschließung weiterer Bauplätze dient.

§16 Abs1 Z2 Oö BauO soll die Möglichkeit schaffen, bereits aufgrund straßenrechtlicher Vorgaben, aus welcher die Aufschließung durch Erweiterung des Straßennetzes noch nicht erkennbar ist, entsprechende grundbuchsrechtliche Abtretungen zu veranlassen. Um den Liegenschaftseigentümer vor Willkür zu schützen, hat der Gesetzgeber als Korrektiv und gesetzliche Einschränkung vorhergesehen, dass der Aufschließungszweck in der Verordnung festzuhalten ist.

[…] Die Oö BauO findet nach ihre[m] §1 nur für das Bauwesen Anwendung. Aus diesem korrespondierenden Zusammenhang – Grundabtretung infolge Bebauungsplan einerseits und noch in einem Plan bestimmter Straßenfluchtlinien einer straßenrechtlichen Verordnung andererseits – ist in einer sonstigen straßenrechtlichen Verordnung festzuhalten, dass diese v[o]rwiegend der Aufschließung dient. Der Gesetzgeber hat damit zurecht eine entsprechende Einschränkung vorgenommen und die Anwendbarkeit des §16 Abs1 Oö BauO auf jene Fälle eingeschränkt, welche den Zweck der Grundabtretung im Verordnungstext explizit anführen.

Diesen Gedanken bringt der Gesetzgeber auch deutlich zum Ausdruck: In der Erläuterung zu §16 Oö BauO hält dieser fest, dass der Abs1 Z1 leg cit eine lex specialis zu der Regelung des §11 Oö StraßenG darstellt.

Dies kann nichts anderes heißen, als dass im Rahmen des Oö StraßenG jene Verordnungen, mit welchen eine Grundabtretung verbunden sein soll, um einen Aufschließungszweck zu erfüllen, diesen Zweck auch unmissverständlich durch Anführung im Verordnungstext zum Ausdruck zu bringen haben.

[…] Es mag schon sein, dass ein Bebauungsplan NW 105/7 (rechtswirksam ab 28.01.2014) vorliegt und dieser auch als Grundlage nach §16 Abs1 Z1 Oö BauO dienen könnte, doch basiert die gegenwärtige Grundabtretung nicht auf dieser lex specialis, sondern auf §32 des Oö Straßengesetzes. Die Grundabtretung dient damit schon aus ihrer rechtlichen Grundlage heraus keiner unmittelbaren Bauführung auf der Rechtsgrundlage der Oö BauO. Der Verordnungserlasser geht zwar von einer Aufschließung aus, die (jedenfalls) schlüssig ist, hat jedoch das Projekt 'Enteignung' der Beschwerdeführerin nicht über den (einfachen) Weg eines Bauplatzverfahrens nach §16 Abs1 Z1 Oö BauO zu bewerkstelligen versucht, sondern außerhalb eines Verfahrens nach der Bauordnung, ein straßenrechtliches Bewilligungsverfahren geführt, weil ja – zumindest nach den bisherigen Behauptungen – die Notwendigkeit der Errichtung eines Wendehammers bestehen würde, dessen Errichtung der Bauordnung nicht unterliegt.

[…] Nach dem eindeutigen Wortlaut des §11 Abs1 3.Satz Oö StraßenG ist in Fällen, einer vorwiegend der Aufschließung dienenden Straßenbaubewilligung, dies explizit in der Verordnung anzuführen. Der von der verordnungserlassenden Behörde (gewünschten) Reduktion des Gesetzeswortlauts auf Fälle außerhalb des generellen Vorliegens eines Bebauungsplanes bleibt kein Raum, zumal auch nach §31 Oö ROG nahezu eine Verpflichtung zur Erlassung von Bebauungsplänen besteht. Damit wäre der Wortlaut des Gesetzes (3.Satz des §11 OÖ StraßenG) wiederum sinnlos, wenn man dessen Anwendbarkeit auf Fälle reduziert, wo zuvor eine Aufschließung erfolgen soll, jedoch kein Bebauungsplan vorliegt. Auch enthält der 3. Satz des §11 Oö StraßenG keine Einschränkungen in Bezug auf beabsichtigte Bauführungen nach der Oö BauO. Der Gesetzgeber hat die Möglichkeit von Eingriffen in fremdes Eigentum durch die Erweiterung der Oö BauO (§16 Abs1 Z2 OÖ. BauO) geschaffen. Als allgemeines Korrektiv wurde zur Kompensation im Oö StraßenG eine Einschränkung dahingehend vorgenommen, dass der Aufschließungsgrund in der Verordnung angeführt sein muss, ohne dies auf Fälle der beabsichtigten Bauführung nach der Oö BauO zu beschränken.

[…] In Anbetracht des Schutzzwecks der Norm, dem Schutz des Eigentums der Bürger, kann eine Enteignung als Folge einer straßenrechtlichen Bewilligung, welche sich nicht ausdrücklich auf den Bebauungsplan stützt und somit nicht unter Anwendung des §16 Oö BauO vollzogen wird, sondern auf der Grundlage der §§11 iVm 32ff Oö Straßengesetz basiert, aus einer Zusammenschau der Erläuternden Bemerkungen nicht auf einer den Gesetzestext reduzierenden Auslegung stattfinden.

[…] Eine den vorangehenden Ausführungen und damit dem Gesetz widersprechende Auslegung ist nicht grundrechtskonform, weshalb die Verordnung mit Gesetzwidrigkeit belastet ist, wenn diese den Aufschließungszweck nicht gesondert und explizit anführt.

[…] Ferner ist ein Eingriff in das verfassungsmäßig gewährleistete Recht der Unverletzbarkeit des Eigentums iF einer Enteignung, einer Eigentumsbeschränkung oder einer Eigentumsbelastung, welcher durch die Verordnung zweifelsohne gegeben ist, lediglich in jenen Fällen gestattet, in denen das dem Eingriff zugrunde liegende öffentliche Interesse, dem Interesse der Privatperson auf Schutz des Eigentums überwiegt und ein gelinderes Mittel nicht geeignet ist den gewünschten Erfolg[…] herbeizuführen.

Dem Vorwurf der Notwendigkeit der Errichtung eines Wendehammers (insbesondere für das gefahrlose Zu- und Abfahren der Müllabfuhr), welcher zur Begründung des öffentlichen Interesses ins Treffen geführt wurde, ist entgegenzuhalten, dass durch den Trassenverlauf eine wesentliche Beeinträchtigung der Eigentumsrechte der Beschwerdeführerin einhergeht, zumal die Liegenschaft durch die Beschwerdeführerin durch den Trassenverlauf geteilt wird. Es befinden sich unmittelbar – sowohl links als auch rechts – neben dem Trassenverlauf Gebäude der Beschwerdeführerin, wodurch, aufgrund der Niveauunterschiede durch die Ausführung, der Beschwerdeführerin erhebliche Nachteile bzgl dem künftigen Zugang zu diesen Gebäuden entstehen würden.

Angesichts des Umstandes, dass ein Zu- und Abfahren mit schweren Fahrzeugen auch in den letzten Dekaden gelungen ist und die Beschwerdeführerin sich darüber hinaus, iS eines gelinderen Mittels, bereit erklärt hat, bei Errichtung eines öffentlichen Müllplatzes ihren Müll die Mühlbachstraße entlang zu einem entsprechenden Platz zu bringen, begründet das öffentliche Interesse keine Rechtfertigung für den Eingriff in das Grundrecht der Beschwerdeführerin.

[…] Gemäß §11 Abs1 Oö StraßenG hat die Widmung einer Straße für den Gemeingebrauch unter Berücksichtigung der Grundsätze des §13 Abs1 und 2 und Art9 L-VG 1991 zu erfolgen. Dementsprechend ist insbesondere auf folgende Grundsätze Bedacht zu nehmen:

- das Verkehrsbedürfnis

- die Wirtschaftlichkeit der Bauführung

- Art und Intensität möglicher Beeinträchtigungen der Nachbarn

- bestehende und geplante Anlagen des öffentlichen Verkehrs

Die Missachtung dieser Grundsätze bei der Erlassung der relevanten Verordnung belastet diese mit Rechtswidrigkeit, selbst wenn man davon ausgehen würde, dass im Sinn der verordnungserlassenden Behörde tatsächlich kein Hinweis auf den Aufschließungsgrund im Verordnungstext notwendig wäre.

Ein die erheblichen Kosten der Realisierung des Bauvorhabens rechtfertigendes Verkehrsbedürfnis lässt sich lediglich dadurch begründen, dass dieses dazu dient, um dem Eigentümer der Liegenschaft EZ 326, inliegend Grundstück 110/2 Katastralgemeinde Katzbach, die Durchführung des von diesem geplanten Bauprojekts zu ermöglichen. Ein derzeit bestehendes Geh- und Fahrtrecht würde infolge des beabsichtigten Neubaus untergehen.

Soweit tatsächlich eine Realisierung eines Mehrparteienprojekts auf der Liegenschaft EZ 356 im Vordergrund steht, ist festzuhalten, dass eine Zufahrt im Wege einer Privatstraße über dieses und weitere im Eigentum derselben Person stehende[…] Grundstücke realisierbar und möglich ist und vermag dieser Umstand sohin keinesfalls die Kosten des Bauvorhabens zu rechtfertigen. Auch widerspricht eine derartige Vorgehensweise dem Art9 L-VG, wenn dieser das Bekenntnis des Landes Oberösterreich zur Gleichbehandlung festhält. Ferner wäre darüber hinaus wiederum ein Verweis auf den Zweck der Aufschließung notwendig und belastet bereits das Fehlen eines solchen Hinweises die Verordnung mit Rechtswidrigkeit.

Der Vorwurf der Notwendigkeit eines Wendehammers zur Gewährleistung der Sicherheit der öffentlichen Straßen iSd §13 Abs1 Z3 Oö StraßenG rechtfertigt im Hinblick auf die bereits dargelegten Ausführungen zum Eingriff in das verfassungsrechtlich gewährleistete Recht der Unverletzbarkeit des Eigentums der Beschwerdeführerin, insbesondere aufgrund des Vorliegens gelinderer Mittel im Hinblick auf die Wirtschaftlichkeit des Bauvorhabens keinesfalls die erheblichen Kosten, welche durch die Realisierung ebendieses entstehen werden."

7. Die Oberösterreichische Landesregierung hat keine Äußerung erstattet.

II. Rechtslage

1. Die Mühlbachstraßen-VO lautet (die in Prüfung gezogenen Wortfolgen sind hervorgehoben):

"Verordnung

§1

Gemäß §11 Abs1 und 3 Oö Straßengesetz 1991 wird die im Straßenplan vom 28. März 2014 zum Bebauungsplan NW 105/7, der einen wesentlichen Bestandteil dieser Verordnung bildet, dargestellte Erklärung von Grundflächen zur Gemeindestraße und deren Widmung für den Gemeingebrauch sowie die Auflassung von Verkehrsflächen mit Entziehung des Gemeingebrauchs genehmigt.

§2

Die Lage und das Ausmaß der zur Gemeindestraße erklärten Grundflächen sowie der als Verkehrsfläche aufzulassenden Grundflächen sind aus dem beim Magistrat Linz, Anlagen- und Bauamt, Neues Rathaus, 4041 Linz, Hauptstraße 1-5, 4. Stock, Zimmer 4021, während der Amtsstunden vom Tag der Kundmachung dieser Verordnung an zur öffentlichen Einsicht aufliegenden Plan ersichtlich.

§3

Die Verordnung tritt mit dem ihrer Kundmachung im Amtsblatt der Landeshauptstadt Linz folgenden Tag in Kraft. Gleichzeitig wird die straßenrechtliche Verordnung 'Mühlbachstraße', erlassen mit Gemeinderatsbeschluss vom 21. November 2013, kundgemacht im Amtsblatt Nr 2 vom 27. Jänner 2014, aufgehoben. Der zu Grunde liegende Plan wird überdies während 14 Tagen nach seiner Kundmachung an der Amtstafel des Anlagen- und Bauamts, Neues Rathaus, 4041 Linz, Hauptstraße 1-5, 4. Stock, zur öffentlichen Einsicht angeschlagen."

2. §§11 und 13 Abs1 bis 4 Oö Straßengesetz 1991, LGBl 84, idF LGBl 61/2008 lauten:

"3. HAUPTSTÜCK

Herstellung und Erhaltung von Straßen

§11

Widmung, Einreihung und Auflassung von öffentlichen Straßen

(1) Die Widmung einer Straße für den Gemeingebrauch und ihre Einreihung in eine bestimmte Straßengattung hat unter Berücksichtigung der Grundsätze des §13 Abs1 und 2 sowie des Umweltberichtes gemäß §13 Abs4 bei Verkehrsflächen des Landes durch Verordnung der Landesregierung, bei Verkehrsflächen der Gemeinde durch Verordnung des Gemeinderates zu erfolgen. In einer solchen Verordnung ist der Verlauf der Straße in seinen Grundzügen (Linienführung) zu beschreiben. Dient die Straße vorwiegend der Aufschließung der an dieser Verkehrsfläche liegenden Grundstücke, ist dies in der Verordnung ausdrücklich festzustellen.

(1a) In einer Verordnung nach Abs1 können innerhalb der Linienführung im unbedingt notwendigen Ausmaß auch Grundflächen ausgewiesen werden, die erforderlich sind, durch das Straßenbauvorhaben verursachte Schädigungen, Beeinträchtigungen bzw Störungen der im §14 Abs1 Z1 Oö Natur- und Landschaftsschutzgesetz 2001 erwähnten Art auszuschließen oder auf ein möglichst geringes Ausmaß zu beschränken.

(2) Eine Verordnung für die Widmung einer Verkehrsfläche der Gemeinde, die über eine bestehende Privatstraße führt, wird erst wirksam, wenn dafür die allenfalls erforderliche straßenrechtliche Bewilligung (§32) rechtskräftig erteilt wurde und die Gemeinde Eigentümer des Straßengrundes geworden ist.

(3) Die Auflassung einer öffentlichen Straße hat bei Verkehrsflächen des Landes durch Verordnung der Landesregierung, bei Verkehrsflächen der Gemeinde durch Verordnung des Gemeinderates dann zu erfolgen, wenn die öffentliche Straße wegen mangelnder Verkehrsbedeutung für den Gemeingebrauch entbehrlich geworden ist.

(4) Die Erlassung einer Verordnung gemäß Abs1 und 3 ist nicht erforderlich, wenn nur eine bestehende Straße umgelegt wird und dabei die Straßenachse von ihrem früheren Verlauf um nicht mehr als 20 m abweicht.

(5) Die Einreihung einer öffentlichen Straße in eine andere Straßengattung (Umreihung) darf nur erfolgen, wenn gleichzeitig ihre bisherige Einreihung aufgehoben wird.

(6) Vor Erlassung einer Verordnung nach den Abs1 und 3 sind Planunterlagen, in der Regel im Maßstab 1:1000, durch vier Wochen bei der Gemeinde, in deren Gebiet die Straße liegt, zur öffentlichen Einsicht aufzulegen (Planauflage); handelt es sich um eine Verordnung nach Abs1, sind den Planunterlagen der Umweltbericht gemäß §13 Abs4 und die dazu abgegebene Stellungnahme der Oö Umweltanwaltschaft anzuschließen. Rechtzeitig vor Beginn dieser Frist ist auf die Planauflage jedenfalls durch Anschlag an der Amtstafel jeder berührten Gemeinde und, wenn die Gemeinde regelmäßig ein amtliches Mitteilungsblatt herausgibt, auch in diesem, hinzuweisen; bei Verkehrsflächen des Landes hat dieser Hinweis überdies durch eine einmalige Veröffentlichung in der Amtlichen Linzer Zeitung zu erfolgen. Überdies sind von der beabsichtigten Planauflage die vom Straßenbau unmittelbar betroffenen Grundeigentümer sowie die Grundeigentümer von Grundflächen gemäß Abs1a nachweislich von der Gemeinde zu verständigen.

(7) Während der Planauflage kann jedermann, der berechtigte Interessen glaubhaft macht, schriftliche Einwendungen und Anregungen beim Gemeindeamt einbringen. Bei Verkehrsflächen des Landes sind der Landesregierung die eingebrachten Einwendungen und Anregungen nach Ablauf der Planauflage mit einer Stellungnahme des Gemeinderates zum Vorhaben, bei Verkehrsflächen der Gemeinde dem Gemeinderat vorzulegen.

(8) Die Planauflage gemäß Abs6 kann entfallen, wenn eine bestehende Straße lediglich in eine andere Straßengattung umgereiht wird.

§13

Grundsätze für die Herstellung und die Erhaltung, Umweltbericht

(1) Bei der Herstellung und der Erhaltung von öffentlichen Straßen ist - im Sinn des Art9 L-VG 1991 - insbesondere Bedacht zu nehmen auf

1. das Verkehrsbedürfnis,

2. die Wirtschaftlichkeit der Bauausführung,

3. die Sicherheit der öffentlichen Straßen und den Schutz langfristiger Lebensgrundlagen,

4. die möglichste Schonung der Natur, des Landschaftsbildes sowie der Luft, des Bodens und des Wassers,

5. Art und Intensität möglicher Beeinträchtigungen der Nachbarn durch den zu erwartenden Verkehr auf der Straße,

6. bestehende und geplante Anlagen des öffentlichen Verkehrs,

7. die Erhaltung von Kunst und Naturdenkmälern,

8. die Erhaltung von wertvollen Stadt- und Ortsbildern und

9. die barrierefreie Gestaltung.

(2) Im Hinblick auf die Sicherheit der öffentlichen Straßen ist vorzusorgen, daß öffentliche Straßen nach Maßgabe und bei Beachtung der straßenpolizeilichen und kraftfahrrechtlichen Vorschriften von den Straßenbenützern unter Berücksichtigung der durch Witterungsverhältnisse oder Elementarereignisse bestimmten Umstände ohne Gefahr benützbar sind.

(3) Die Straßenverwaltung hat bei der Herstellung und bei der Erhaltung öffentlicher Straßen - soweit erforderlich - die Schutzgüter des Abs1 gegeneinander abzuwägen und dabei eine Lösung anzustreben, die weitestgehend im Interesse aller dieser Schutzgüter gelegen ist.

(4) Die voraussichtlichen Auswirkungen der Herstellung einer öffentlichen Straße auf die Schutzgüter des Abs1 sind von der Straßenverwaltung in einem schriftlichen Bericht darzulegen (Umweltbericht); der Umweltbericht hat insbesondere auch Aussagen über Grundflächen gemäß §11 Abs1a zu enthalten. Der Bericht ist der Oö Umweltanwaltschaft zur Stellungnahme zu übermitteln; sie kann innerhalb von sechs Wochen, gerechnet ab dem Zeitpunkt des Einlangens bei ihr, eine Stellungnahme abgeben. Die Erstellung eines Umweltberichts ist nicht erforderlich, wenn es sich um die Herstellung einer öffentlichen Straße im Bauland (§21 Oö Raumordnungsgesetz 1994) handelt."

3. §16 des Landesgesetzes vom 5. Mai 1994, mit dem eine Bauordnung für Oberösterreich erlassen wird (Oö Bauordnung 1994), LGBl 66, idF LGBl 70/1998 lautet:

"

3. Abschnitt

Anliegerleistungen

§16

Grundabtretung

(1) Anläßlich der Bewilligung von Bauplätzen und der Änderung von Bauplätzen und bebauten Grundstücken sind die nach Maßgabe

1. der Straßenfluchtlinien des Bebauungsplans oder

2. der in einem Plan bestimmten Straßengrundgrenzen einer straßenrechtlichen Verordnung gemäß §11 Abs1 dritter Satz des O.ö. Straßengesetzes 1991

zu den öffentlichen Verkehrsflächen der Gemeinde fallenden, an den Bauplatz
oder an den von der Änderung betroffenen Teil des Bauplatzes oder des bebauten Grundstücks angrenzenden Grundflächen, und zwar bei beiderseitiger Bebaubarkeit bis zur Achse der Verkehrsfläche, bei einseitiger Bebaubarkeit bis zur ganzen Breite der Verkehrsfläche, in beiden Fällen im rechten Winkel auf die Straßenfluchtlinie oder die geplante Straßengrundgrenze, abzutreten. Bei Bruchpunkten in der Straßenfluchtlinie oder in der geplanten Straßengrundgrenze und bei Eckbildungen erstreckt sich die Verpflichtung auch auf die zwischen den Senkrechten gelegenen Flächen.

(2) Die abzutretenden Grundflächen sind gleichzeitig mit der grundbücherlichen Durchführung der Teilung in das Eigentum der Gemeinde zu übertragen. Sie sind über Auftrag der Gemeinde frei von baulichen Anlagen in den Besitz der Gemeinde zu übergeben. Mit der bücherlichen Übertragung des Eigentumsrechtes an die Gemeinde erlöschen die auf den abgetretenen Grundflächen allenfalls verbücherten dinglichen Rechte. Die Herstellung der Grundbuchsordnung ist innerhalb von drei Monaten nach Rechtskraft des Bewilligungsbescheides gemäß §5 oder §9 von der Gemeinde beim Grundbuchsgericht zu beantragen.

(3) Die Verpflichtung zur Grundabtretung trifft den Eigentümer jener Grundflächen, für die die Bewilligung gemäß §5 oder §9 erteilt wird. Ist er nicht Eigentümer der abzutretenden Grundflächen, hat er diese, allenfalls im Weg der Enteignung, zu erwerben."

III. Erwägungen

1. Zur Zulässigkeit des Verfahrens

Im Verfahren hat sich nichts ergeben, was an der Präjudizialität der in Prüfung gezogenen Bestimmungen zweifeln ließe. Da auch sonst keine Prozesshindernisse hervorgekommen sind, erweist sich das Verordnungsprüfungsverfahren insgesamt als zulässig.

2. In der Sache

Die im Prüfungsbeschluss dargelegten Bedenken des Verfassungsgerichtshofes im Verordnungsprüfungsverfahren haben sich als zutreffend erwiesen:

2.1. Zusammengefasst hegte der Verfassungsgerichtshof das Bedenken, dass die in Prüfung gezogenen Wortfolgen in den §§1 und 2 Mühlbachstraßen-VO wegen der fehlenden Feststellung des Zweckes – die Straße diene vorwiegend der Aufschließung der an dieser Verkehrsfläche liegenden Grundstücke – auf Grund des Wortlautes des §11 Abs1 dritter Satz Oö Straßengesetz 1991 gesetzwidrig seien.

2.2. Der Gemeinderat der Landeshauptstadt Linz wendet zusammengefasst ein, aus einer Zusammenschau der Erläuternden Bemerkungen zu den relevanten Bestimmungen ergebe sich, dass der Zweck des §11 Abs1 dritter Satz Oö Straßengesetz 1991 darin liege, eine Verpflichtung zur Abtretung gemäß §16 Abs1 Z2 Oö Bauordnung 1994 zu begründen, wenn (noch) kein rechtswirksamer Bebauungsplan vorliege, der gemäß §16 Abs1 Z1 Oö Bauordnung 1994 eine Abtretungspflicht begründen würde. Es sei daher zu differenzieren, je nachdem ob bei Erlassung der straßenrechtlichen Verordnung bereits ein rechtswirksamer Bebauungsplan vorliege oder nicht. Die Verpflichtung zur ausdrücklichen Ausweisung des Aufschließungszweckes sei nicht mehr zwingend, wenn bereits ein rechtswirksamer Bebauungsplan mit Straßenfluchtlinien vorliege, weil durch diesen dem Aufschließungszweck bereits genüge getan werde. Da die Mühlbachstraßen-VO auf einem rechtswirksamen Bebauungsplan basiere, ergebe sich eine Verpflichtung zur Abtretung nach diesem. Die Mühlbachstraßen-VO könne daher nicht mangels ausdrücklicher Ausweisung des Aufschließungszweckes gesetzwidrig sein, weil sich die Verpflichtung zur Abtretung alternativ aus dem Bebauungsplan ergebe.

2.3. Die im Anlassfall beschwerdeführende Partei vertritt in ihrer Äußerung zusammengefasst die Ansicht, aus dem dritten Satz des §11 Abs1 Oö Straßengesetz 1991 ergebe sich unmissverständlich, dass der Aufschließungszweck, sofern eine Straße überwiegend diesem diene, in den Wortlaut der Verordnung ausdrücklich aufzunehmen sei. Ein solcher Passus finde sich in der Mühlbachstraßen-VO aber nicht, weshalb diese rechtswidrig sei.

2.4. Die vom Gemeinderat der Landeshauptstadt Linz vorgebrachten Argumente vermögen die im Prüfungsbeschluss dargelegten Bedenken des Verfassungsgerichtshofes nicht zu zerstreuen:

Bis zur Novelle der Oö Bauordnung 1994, LGBl 70/1998, war alleinige Voraussetzung für eine verpflichtende Grundabtretung das Bestehen eines rechtskräftigen Bebauungsplanes, der die Straßenfluchtlinien ausweist (vgl Laußermair, §16 Oö BauO, in: Pabel [Hrsg.], Oö Baurecht Kommentar, 2019, Rz 8). Mit der Novelle der Oö Bauordnung 1994, LGBl 70/1998, wurde ein weiterer Tatbestand eingeführt, wonach die Verpflichtung zur Grundabtretung auch dann besteht, wenn eine straßenrechtliche Verordnung gemäß §11 Abs1 dritter Satz Oö Straßengesetz 1991 vorliegt, in der die Straßengrundgrenzen ausgewiesen sind.

§11 Abs1 Oö Straßengesetz 1991 sieht vor, dass insoweit die Straße vorwiegend der Aufschließung der an dieser Verkehrsfläche liegenden Grundstücke dient, dies in der Verordnung ausdrücklich festzustellen ist. In den Erläuterungen wird im "Allgemeinen Teil" darauf hingewiesen, dass die Oö Bauordnungs-Novelle 1998 "eine Verpflichtung zur Grundabtretung auch in jenen Fällen vor[sieht], in denen zwar (noch) kein Bebauungsplan, aber bereits eine straßenrechtliche Verordnung vorliegt, in der die geplanten Straßengrundgrenzen entsprechend bestimmt sind". Im "Besonderen Teil" wird festgehalten, dass "[d]urch die Anfügung eines weiteren Satzes im §11 Abs1 […] die korrespondierende Bestimmung zu §16 Oö Bauordnung 1994 in der Fassung der im Entwurf vorliegenden Oö Bauordnungs-Novelle 1998 betreffend die Verpflichtung zur Grundabtretung geschaffen [wird]. Soll bei Verkehrsflächen der Gemeinde mit der Verordnung eine Verpflichtung zur Grundabtretung verbunden sein, ist in der Verordnung festzustellen, daß die Straße vorwiegend der Aufschließung der an dieser Verkehrsfläche liegenden Grundstücke dient" (AB 209/1998 BlgLT 25. GP, 1 f.).

Die vom Gemeinderat der Landeshauptstadt Linz vorgebrachte Auslegung, eine ausdrückliche Ausweisung des Aufschließungszweckes sei dann nicht als zwingend anzusehen, wenn bereits ein rechtswirksamer Bebauungsplan mit Straßenfluchtlinien vorliege, übersieht, dass dies im klaren Wortlaut von §11 Abs1 dritter Satz Oö Straßengesetz 1991 – aber auch aus den Erläuterungen zu dieser Bestimmung – in keiner Weise zum Ausdruck kommt. Vielmehr knüpft §16 Abs1 Z2 Oö Bauordnung 1994 an §11 Abs1 dritter Satz Oö Straßengesetz 1991 lediglich an. §11 Abs1 Oö Straßengesetz 1991 ordnet allerdings keine Subsidiärverpflichtung in dem Sinne an, dass eine Feststellungspflicht nur dann besteht, wenn (noch) kein Bebauungsplan vorliegt. Vielmehr statuiert §11 Abs1 Oö Straßengesetz 1991 – insoweit die Straße vorwiegend der Aufschließung dient – eine eigenständige Verpflichtung zur ausdrücklichen Ausweisung dieses Zweckes in der Verordnung selbst (arg.: "ist dies in der Verordnung ausdrücklich festzustellen").

2.5. Der Verfassungsgerichtshof legt seiner Entscheidung die Annahme zugrunde, dass das in der Mühlbachstraßen-VO geplante Straßenbauvorhaben vorwiegend der Aufschließung der an dieser Verkehrsfläche liegenden Grundstücke dient: Dies ergibt sich einerseits aus den Verordnungsakten, andererseits aus der im Anlassverfahren angefochtenen Entscheidung des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich. Auch die Beschwerdeführerin im Anlassfall ist der Auffassung, dass die Straße vorwiegend der Aufschließung dient. Ebenso ist der Gemeinderat der Landeshauptstadt Linz dieser Annahme des Verfassungsgerichtshofes im Prüfungsbeschluss des Anlassverfahrens nicht entgegengetreten.

Die zugrunde liegende Verordnung weist jedoch entgegen §11 Abs1 Oö Straßengesetz 1991 keine Feststellung auf, dass die Straße vorwiegend der Aufschließung der an dieser Verkehrsfläche liegenden Grundstücke dient. Die Wortfolgen "1 und" sowie "dargestellte Erklärung von Grundflächen zur Gemeindestraße und deren Widmung für den Gemeingebrauch sowie die" in §1 und die Wortfolge "der zur Gemeindestraße erklärten Grundflächen sowie" in §2 der zugrunde liegenden Verordnung sind daher mit Gesetzwidrigkeit belastet (vgl jüngst VfGH 4.3.2021, V541/2020).

IV. Ergebnis

1. Die Wortfolgen "1 und" sowie "dargestellte Erklärung von Grundflächen zur Gemeindestraße und deren Widmung für den Gemeingebrauch sowie die" in §1 und die Wortfolge "der zur Gemeindestraße erklärten Grundflächen sowie" in §2 der Verordnung des Gemeinderates der Landeshauptstadt Linz vom 20. November 2014 "gemäß §11 Abs1 und 3; Oö Straßengesetz 1991; Bebauungsplan NW 105/7; 'Mühlbachstraße', KG Pöstlingberg und Katzbach; Erklärung von Grundflächen zur Gemeindestraße - Widmung für den Gemeingebrauch; Auflassung von Verkehrsflächen - Entziehung des Gemeingebrauchs", kundgemacht im Amtsblatt Nr 24 der Landeshauptstadt Linz vom 15. Dezember 2014 und angeschlagen an der Amtstafel in der Zeit vom 15. bis 31. Dezember 2014, sind daher als gesetzwidrig aufzuheben.

2. Die Bestimmung einer Frist für das Außerkrafttreten der aufgehobenen Verordnungsstellen gründet sich auf Art139 Abs5 letzter Satz B-VG.

3. Die Verpflichtung der Oberösterreichischen Landesregierung zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung und des damit im Zusammenhang stehenden sonstigen Ausspruches erfließt aus Art139 Abs5 erster Satz B-VG und §59 Abs2 VfGG iVm §4 Abs1 Z2 litb Oö Verlautbarungsgesetz 2015, LGBl 94/2014.

4. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Straßenverwaltung, Gemeingebrauch (einer Straße), Verordnung, VfGH / Fristsetzung, Widmung (einer Straße), Bebauungsplan, Verkehrsflächen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2022:V259.2021

Zuletzt aktualisiert am

15.09.2022
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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