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L3715 Anliegerbeitrag, Kanalabgabe, UmweltabgabeNorm
B-VG Art18 Abs2Leitsatz
Gesetzwidrigkeit einer rückwirkend inkraftgetretenen Verordnung einer Burgenländischen Gemeinde über die Ausschreibung einer Kanalbenützungsgebühr mangels gesetzlicher Grundlage; Gesetzwidrigkeit der – vor Ablauf der Kundmachungsfrist – rückwirkend inkraftgetretenen vorangegangenen VerordnungRechtssatz
Aufhebung der Wortfolge "und wirkt ab 01.01.2019" im ersten Satz des §6 der Verordnung des Gemeinderates der Marktgemeinde Unterfrauenhaid vom 27.03.2019 über die Ausschreibung einer Kanalbenützungsgebühr. Gesetzwidrigkeit des §6 erster Satz der Verordnung des Gemeinderates der Marktgemeinde Unterfrauenhaid vom 21.12.2018 über die Kanalbenützungsgebühr ("Diese Verordnung tritt mit 01.01.2019 in Kraft."). Antrag des Landesverwaltungsgerichts Burgenland - LVwG.
Im Ausgangsverfahren vor dem LVwG ist über eine Beschwerde gegen die Vorschreibung einer Kanalbenützungsgebühr zu entscheiden, deren Rechtsgrundlage unter anderem die Verordnung des Gemeinderates der Marktgemeinde Unterfrauenhaid vom 27.03.2019 über die Ausschreibung einer Kanalbenützungsgebühr ist. Für den VfGH bestehen daher keine Zweifel, dass das LVwG die angefochtene Wortfolge dieser Verordnung in dem bei ihm anhängigen Verfahren denkmöglich anzuwenden hat. Im Falle der Aufhebung der angefochtenen Wortfolge der genannten Verordnung tritt diese erst mit dem auf den Ablauf der Kundmachungsfrist folgenden Tag in Kraft. Dies betrifft auch die Bestimmung über das Außerkrafttreten der Verordnung des Gemeinderates der Marktgemeinde Unterfrauenhaid vom 21.12.2018 über die Kanalbenützungsgebühr in §6 der Verordnung des Gemeinderates der Marktgemeinde Unterfrauenhaid vom 27.03.2019 über die Ausschreibung einer Kanalbenützungsgebühr. Auch §6 erster Satz der Verordnung des Gemeinderates der Marktgemeinde Unterfrauenhaid vom 21.12.2018 über die Kanalbenützungsgebühr ist sohin im Verfahren vor dem LVwG denkmöglich anzuwenden.
Gemäß §82 Abs1 letzter Satz Bgld GemO 2003 beginnt die Rechtswirksamkeit von Verordnungen, wenn nicht gesetzlich oder auf Grund des Abs2 leg cit ausdrücklich anderes bestimmt ist, frühestens mit dem auf den Ablauf der Kundmachungsfrist folgenden Tag. Nach Abs2 leg cit kann bei Gefahr im Verzug, sofern die Gesetze nicht anderes bestimmen, in der Verordnung angeordnet werden, dass ihre Rechtswirksamkeit bereits vor dem im Abs1 bestimmten Tag beginnt, frühestens jedoch mit Ablauf des Kundmachungstages.
Hinweise auf das Vorliegen von Gefahr im Verzug sind dem Verordnungsakt nicht zu entnehmen und wurden auch von der verordnungserlassenden Behörde nicht vorgebracht. Auch erteilen weder das KAbG noch eine andere gesetzliche Bestimmung eine Ermächtigung zur rückwirkenden Erlassung einer Verordnung. Dabei geht das LVwG zutreffend davon aus, dass §17 Abs4 FAG 2017 Gemeinden allein dazu ermächtigt, Verordnungen auf Grund des freien Beschlussrechtes rückwirkend bloß zum 01.01.2017 in Kraft zu setzen.
Die angefochtene Wortfolge "und wirkt ab 01.01.2019" im ersten Satz des §6 der Verordnung des Gemeinderates der Marktgemeinde Unterfrauenhaid vom 27.03.2019 über die Ausschreibung einer Kanalbenützungsgebühr sieht - trotz der gleichzeitigen Anordnung des Inkrafttretens mit dem auf den Ablauf der Kundmachungsfrist folgenden Tag - entgegen §82 Abs1 Bgld GemO 2003 ein rückwirkendes Inkrafttreten der Verordnung am 01.01.2019 vor. Die angefochtene Wortfolge ist daher wegen Verstoßes gegen §82 Abs1 Bgld GemO 2003 gesetzwidrig.
Die vorangegangene Verordnung des Gemeinderates der Marktgemeinde Unterfrauenhaid vom 21.12.2018 über die Kanalbenützungsgebühr wurde am 21.12.2018 an der Amtstafel angeschlagen und am 10.01.2019 wieder abgenommen. Vor dem Hintergrund des Ablaufs der Kundmachungsfrist mit 11.01.2019 ordnet §6 erster Satz dieser Verordnung deren rückwirkendes Inkrafttreten am 01.01.2019 an. §6 erster Satz der Verordnung des Gemeinderates der Marktgemeinde Unterfrauenhaid vom 21. 12.2018 über die Kanalbenützungsgebühr war daher ebenfalls wegen Verstoßes gegen §82 Abs1 Bgld GemO 2003 gesetzwidrig.
Entscheidungstexte
Schlagworte
Abgaben Kanalisation, Rückwirkung, Verordnung, VfGH / Gerichtsantrag, VfGH / Präjudizialität, Geltungsbereich (zeitlicher) einer Verordnung, Kundmachung, Gemeinderecht, GebührEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2022:V124.2021Zuletzt aktualisiert am
15.09.2022