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22/02 ZivilprozessordnungNorm
B-VG Art140 Abs1 Z1 litdLeitsatz
Zurückweisung eines Parteiantrags gegen Bestimmungen der JN betreffend die Ablehnung von Richtern mangels Darlegung der Bedenken sowie gegen eine Bestimmung der ZPO mangels PräjudizialitätSpruch
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Begründung
Begründung
1. Der Antragsteller stellte in einem ihn betreffenden Verfahren vor dem Bezirksgericht […] einen Ablehnungsantrag gegen eine Richterin des genannten Gerichtes. Mit Beschluss vom […], wies die Vorsteherin des Bezirksgerichtes […] diesen Antrag zurück.
2. Aus Anlass eines Rekurses gegen diesen Beschluss stellt der Antragsteller den vorliegenden auf Art140 Abs1 Z1 litd B-VG gestützten Antrag auf Aufhebung (näher bezeichneter Wortfolgen) des §19 Abs2, §22 Abs2 und Abs3 JN sowie des §184 Abs1 ZPO wegen Verfassungswidrigkeit.
3. In seinem Antrag richtet sich der Antragsteller im Wesentlichen gegen die Bestimmungen der Jurisdiktionsnorm betreffend die Ablehnung von Richtern wegen Befangenheit (§§19 ff JN). Die "Gesetzesbestimmungen der JN" würden ua dem Recht auf ein faires Verfahren gemäß Art6 EMRK, dem Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens gemäß Art8 EMRK, dem Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter gemäß Art83 Abs2 B-VG, dem Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz gemäß Art7 B-VG und Art2 StGG, dem Recht auf Unverletzlichkeit des Eigentums gemäß Art5 StGG und Art1 1. ZPEMRK, dem Recht auf eine gute Verwaltung gemäß Art41 GRC sowie dem Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf gemäß Art47 GRC widersprechen.
4. Der Antrag ist nicht zulässig.
4.1. Gemäß Art140 Abs1 Z1 litd B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen "auf Antrag einer Person, die als Partei einer von einem ordentlichen Gericht in erster Instanz entschiedenen Rechtssache wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, aus Anlass eines gegen diese Entscheidung erhobenen Rechtsmittels".
Gemäß §62 Abs1 VfGG hat der Antrag, ein Gesetz als verfassungswidrig aufzuheben, die gegen das Gesetz sprechenden Bedenken im Einzelnen darzulegen. Dieses Erfordernis ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes nur dann erfüllt, wenn die Gründe der behaupteten Verfassungswidrigkeit – in überprüfbarer Art– präzise ausgebreitet werden, mithin dem Antrag mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen ist, mit welcher Verfassungsbestimmung die bekämpfte Gesetzesstelle in Widerspruch stehen soll und welche Gründe für diese Annahme sprechen (vgl im Allgemeinen zB 14.802/1997, 17.651/2005, 17.752/2006; spezifisch zum Parteiantrag auf Normenkontrolle zB VfSlg 20.079/2016, 20.153/2017; VfGH 8.6.2017, G9/2017 ua; 26.2.2018, G27/2018).
4.2. Diesem Erfordernis gemäß §62 Abs1 VfGG wird der vorliegende Antrag nicht gerecht. Der Antragsteller unterlässt es darin, nachvollziehbar darzulegen, aus welchen Gründen die einzelnen angefochtenen Bestimmungen in Widerspruch zur Verfassung stehen sollen, sondern behauptet – neben der Wiedergabe von Gesetzestext – lediglich pauschal den Verstoß der angefochtenen Bestimmungen gegen mehrere in einer Aufzählung genannte verfassungsgesetzlich gewährleistete Rechte (vgl bereits VfGH 12.12.2018, G359/2018 ua; 24.9.2019, G175/2019).
4.3. Das Fehlen einer geeigneten Darlegung iSd §62 Abs1 zweiter Satz VfGG ist kein behebbares Formgebrechen, sondern ein Prozesshindernis (vgl VfSlg 15.342/1998 mwN). Der Antrag auf Aufhebung der angefochtenen Bestimmungen der Jurisdiktionsnorm wegen Verfassungswidrigkeit ist daher unzulässig.
4.4. Ein Antrag auf Aufhebung eines Gesetzes oder von bestimmten Stellen eines solchen gemäß Art140 Abs1 Z1 litd B-VG kann gemäß §62 Abs2 VfGG nur gestellt werden, wenn das Gesetz vom Gericht in der anhängigen Rechtssache unmittelbar anzuwenden bzw wenn die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes eine Vorfrage für die Entscheidung der beim Gericht anhängigen Rechtssache ist oder nach Ansicht der Antragsteller wäre. Ein Antrag gemäß Art140 Abs1 Z1 litd B-VG ist demnach mangels Präjudizialität zurückzuweisen, wenn die angefochtene Gesetzesbestimmung keine Voraussetzung der Entscheidung über das Rechtsmittel, aus Anlass dessen der Antrag gestellt wurde, bildet (VfGH 7.10.2015, G224/2015 ua; 26.11.2015, G191/2015).
Für den Verfassungsgerichtshof ist nicht erkennbar, inwiefern §184 Abs1 ZPO, der die prozessualen Parteirechte bei der Vornahme der richterlichen Prozessleitung regelt, in dem Antrag zugrunde liegenden Verfahren über die Ablehnung einer Richterin präjudiziell ist.
Der Antrag erweist sich daher, soweit er sich gegen §184 Abs1 ZPO richtet, auch aus diesem Grund als unzulässig.
5. Bei diesem Ergebnis hat der Verfassungsgerichtshof nicht zu prüfen, ob weitere Prozesshindernisse bestehen.
6. Der Antrag ist gemäß §19 Abs3 Z2 lite VfGG in nichtöffentlicher Sitzung als unzulässig zurückzuweisen.
Schlagworte
VfGH / Parteiantrag, VfGH / Bedenken, VfGH / PräjudizialitätEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2022:G187.2022Zuletzt aktualisiert am
20.09.2022