TE Vwgh Erkenntnis 1996/4/25 95/07/0204

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Veröffentlicht am 25.04.1996
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Index

L82000 Bauordnung;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
81/01 Wasserrechtsgesetz;
83 Naturschutz Umweltschutz;

Norm

AVG §56;
AWG 1990 §2 Abs1;
BauRallg impl;
VwGG §41 Abs1;
WRG 1959 §137 Abs3 litf;
WRG 1959 §137 Abs3 litg;
WRG 1959 §31a Abs1;
WRG 1959 §31a Abs2 idF 1969/207;
WRG 1959 §31a Abs6 idF 1969/207;
WRG 1959 §31a;
WRG 1959 §31b Abs1;
WRG 1959 §31b;
WRG 1959 §31c Abs1;
WRG 1959 §31c;
WRG 1959 §32 Abs2 litc;
WRGNov 1969 Art2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Dr. Hargassner, Dr. Bumberger, Dr. Pallitsch und Dr. Beck als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Bachler, über die Beschwerde des F in W, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom 18. September 1995, Zl. Senat-GF-94-029, betreffend Übertretung des Wasserrechtsgesetzes (weitere Partei des Verfahrens: Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.920,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 22. November 1985 erteilte der Landeshauptmann von Niederösterreich (LH) dem Beschwerdeführer gemäß den §§ 32, 99, 105 und 111 WRG 1959 die (nicht befristete) wasserrechtliche Bewilligung

"zur Durchführung einer Trockenbaggerung auf der nördlichen Hälfte des Grundstückes Parzelle 443/1, Katastralgemeinde U. und zur Wiederverfüllung des gesamten Abbauareals auf Parzelle 443/1, KG U., mit

a) Bauschutt (Beton-, Ziegel- und Steinmauerwerksabbruch sowohl von Wänden, Decken, Dächern, Fundamenten und Kanälen mit Holz-, Kunststoff- und Metallteilen, die im Zuge des Abbruches anfallen, jedoch ohne Baustellenabfälle bzw. Muldenmüll)

b) Aushubmaterial (Aushubmaterial ohne Humusanteile oder andere wasserverunreinigende Stoffe) sowie

c) Straßenaufbruch einschließlich Belag,

nach Maßgabe der im Abschnitt A) enthaltenen Projektsbeschreibung und bei Einhaltung der im Abschnitt B) angeführten Auflagen bzw. Bedingungen."

Abschnitt A) enthält folgende Projektsbeschreibung:

"Herr ... (Beschwerdeführer) beabsichtigt in der nördlichen Hälfte des Grundstückes 443/1 in der Katastralgemeinde U., welche ca. 2,5 ha umfaßt, einen Materialabbau in Form einer Trockenbaggerung (ca. 140.000 m3) durchzuführen. Das Gesamtareal umfaßt das gesamte Grundstück 443/1 in der Katastralgemeinde U., welches abschnittsweise nach Abschluß der Arbeiten zur Auffüllung der Grubensohle in der südlichen Grubenhälfte und dem Materialabbau in der nördlichen Hälfte mit Bauschutt (Beton-, Ziegel- und Steinmauerwerksabbruch sowohl von Wänden, Decken, Dächern, Fundamenten und Kanälen mit Holz-, Kunststoff- und Metallteilen, die im Zuge des Abbruches anfallen, jedoch ohne Baustellenabfälle bzw. Muldenmüll) und Aushubmaterial (Aushubmaterial ohne Humusanteile oder andere wasserverunreinigende Stoffe) sowie Straßenaufbruch einschließlich Belag verfüllt werden sollen. Das Deponieareal umfaßt somit ca. 5,2 ha, wobei die Verfüllkubatur mit rund 240.000 m3 angegeben wird. Die Einfahrt in das Grubenareal befindet sich im Süden des betroffenen Grundstückes. Zu den Nachbargrundstücken wird ein Sicherheitsabstand von 3,0 m an der West- und Südgrenze, von 5,0 m an der Ostgrenze (Weg) und 10,0 m an der Nordgrenze (Landesstraße) eingehalten. Vorhandenes Humusmaterial wird am Rande der Abbaufläche gelagert und entsprechend dem Auffüllungsfortschritt zur Abdeckung der wiederverfüllten Grubenteile verwendet. Die Rekultivierung wird abschnittsweise jeweils unmittelbar nach Abschluß der Verfüllarbeiten durchgeführt."

Im Abschnitt B) dieses Bescheides wurden u.a. folgende "Auflagen bzw. Bedingungen" erteilt:

"2.

Außerhalb der Betriebszeiten und bei Abwesenheit der Aufsichtsperson ist das Einfahrtstor verschlossen zu halten.

3.

Der ca. 0,8 ha umfassende zu tief abgebaute Teilbereich ist mit sanitär einwandfreiem, bodenständigem oder diesem gleichwertigen Schottermaterial zumindest bis auf Kote 148,0 m ü.A. vor Ablagerungsbeginn zu verfüllen.

4.

Um den Fortschritt der Sohleanhebung kontrollieren zu können, sind im Randbereich des bereits abgebauten Teils zumindest fünf Höhenfixpunkte mit der Höhenmarke 148,50 m ü.A. zu setzen und bis auf weiteres zu erhalten. Diese sind bis spätestens 30. Juni 1987 herzustellen."

Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Gänserndorf (BH) vom 13. Juni 1994 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 22. November 1985 verstoßen zu haben, als aufgrund einer Erhebung der technischen Gewässeraufsicht am 1. Februar 1993 feststellt wurde, daß

"1. zu diesem Zeitpunkt

a)

Auflagenpunkt 2, nach welchem das Einfahrtstor der gegenständlichen Schottergrube außerhalb der Betriebszeiten und bei Abwesenheit der Aufsichtsperson verschlossen zu halten sei, insoweit nicht erfüllt war, als das Einfahrtstor während der Überprüfung trotz Abwesenheit einer Aufsichtsperson nicht verschlossen gehalten wurde;

              2.              im Zeitraum vom 22. Juli 1992 bis 1. Februar 1993 gegen

b)

Auflagenpunkt 3, nach welchem der ca. 0,8 ha umfassende zu tief abgebaute Teilbereich der Grube mit sanitär einwandfreiem, bodenständigem oder diesem gleichwertigen Schottermaterial zumindest bis auf Kote 148,0 m ü.A. vor Ablagerungsbeginn zu verfüllen sei, insoweit nicht erfüllt wurde, als seit Folgetag des Erlasses eines hinsichtlich desselben Tatvorwurfes am 21. Juli 1992 ergangenen Straferkenntnisses der Bezirkshauptmannschaft Gänserndorf ein großer Teil des zu tief abgebauten Grubenbereiches trotz Ablagerungsbeginn noch nicht bis auf Kote 148 m ü.A. angehoben worden war;

c)

Auflagenpunkt 4, nach welchem im Randbereich des bereits abgebauten Teiles zumindest fünf Höhenfixpunkte mit der Höhenmarke 148,5 m ü.A. bis spätestens 30. Juni 1987 zu setzen seien und bis auf weiteres zu erhalten seien, insoweit nicht erfüllt war, als seit dem Folgetag des zitierten und am 21. Juli 1992 zu eben demselben Tatvorwurf ergangenen Straferkenntnisses der Bezirkshauptmannschaft Gänserndorf, in welchem festgestellt worden war, daß lediglich drei Höhenfixpunkte errichtet worden waren, bis zum 1. Februar 1993 nicht erfüllt war, da lediglich ein Höhenfixpunkt vorhanden war."

Dagegen erhob der Beschwerdeführer Berufung, in der er die Aufhebung des Straferkenntnisses beantragte und geltend machte, daß die zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen bereits verjährt seien.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 18. September 1995 wurde der Berufung des Beschwerdeführers hinsichtlich der Spruchpunkte 1a, 2b und 2c gemäß § 66 Abs. 4 AVG keine Folge gegeben und das Straferkenntnis der BH in diesem Umfang bestätigt.

Eine Berichtigung wurde jedoch insoweit vorgenommen, als Übertretungsnorm und Strafnorm anstatt § 137 Abs. 3 lit. g WRG 1959 nunmehr jeweils "§ 137 Abs. 3 lit. g WRG 1959" zu lauten hätten.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht. Der Beschwerdeführer erachtet sich in dem Recht verletzt, bei der gegebenen Sach- und Rechtslage nicht bestraft zu werden.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Dem Einwand der belangten Behörde, daß das gesamte Beschwerdevorbringen gegen das Neuerungsverbot verstoße, ist entgegenzuhalten, daß sich das Neuerungsverbot auf tatsächliches Vorbringen und auf solches Rechtsvorbringen, zu dessen Beurteilung weitere tatsächliche Feststellungen erforderlich sind, bezieht, keineswegs aber auf rechtliche Argumente, die den festgestellten Sachverhalt erfassen (vgl. die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, S. 554, dargestellte hg. Judikatur). Um letzteres Vorbringen handelt es sich beim gegenständlichen Beschwerdevorbringen.

Der Beschwerdeführer bringt vor, daß die von der belangten Behörde herangezogene Strafnorm des § 137 Abs. 3 lit. g WRG 1959 beim gegebenen Sachverhalt die Bestrafung nicht rechtfertige.

Schon mit diesem Vorbringen ist der Beschwerdeführer im Ergebnis im Recht.

Gemäß § 137 Abs. 3 lit. f WRG 1959 begeht eine Verwaltungsübertretung, wer eine gemäß den §§ 31a, 31b oder 31c bewilligungspflichtige Anlage ohne Bewilligung oder entgegen einer solchen errichtet oder betreibt.

Nach § 137 Abs. 3 lit. g WRG 1959 begeht eine Verwaltungsübertretung, wer ohne die gemäß § 32 Abs. 1 und 2 erforderliche wasserrechtliche Bewilligung oder entgegen einer solchen eine Einwirkung auf Gewässer vornimmt.

Gemäß § 44a VStG hat der Spruch (eines Straferkenntnisses), wenn er nicht auf Einstellung lautet, zu enthalten:

...

2. die Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist;

3. die verhängte Strafe und die angewendete Gesetzesbestimmung.

Nach § 137 Abs. 3 lit. g WRG 1959 ist auch ein Verstoß gegen die in einem Bewilligungsbescheid vorgeschriebenen Auflagen strafbar (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. Mai 1995, 94/07/0091, 0092).

Mit Bescheid vom 22. November 1985 erteilte der LH die wasserrechtliche Bewilligung für eine TROCKENBAGGERUNG und zur Wiederverfüllung des gesamten Abbauareals auf der Grundparzelle Nr. 443/1, Katastralgemeinde U., mit den im Bescheid näher angeführten Materialien. Trockenbaggerungen waren zum damaligen Zeitpunkt jedoch nach dem § 31a Abs. 2 WRG idF BGBl. Nr. 207/1969 bewilligungspflichtig (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 25. Oktober 1994, 92/07/0097. Die gleichlautende Bestimmung findet sich nunmehr nach der WRG-Novelle 1990, BGBl. Nr. 252 in § 31c Abs. 1 WRG 1959.

Mit der wasserrechtlichen Bewilligung zur Wiederverfüllung des gesamten Abbauareals auf Grundparzelle Nr. 443/1, Katastralgemeinde U., mit Bauschutt, Aushubmaterial und Straßenaushub wurde dem Beschwerdeführer die wasserrechtliche Bewilligung zur Anlegung einer Abfalldeponie erteilt, fällt doch Bauschutt nach der Begriffsbestimmung des § 2 Abs. 1 des Abfallwirtschaftsgesetzes, BGBl. Nr. 325/1990 idF BGBl. Nr. 155/1994 unter den Abfallbegriff (vgl. das hg. Erkenntnis vom 29. Juni 1995, 94/07/0181).

Die Anlegung einer Abfalldeponie ist eine Maßnahme, welche zum Zeitpunkt der Bewilligungserteilung durch den LH nach § 32 Abs. 2 lit. c WRG 1959 bewilligungspflichtig war (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. April 1987, 86/07/0288). Eine vor dem 1. Juli 1990 erteilte Deponiebewilligung ist - sofern sie bis zu diesem Zeitpunkt nicht als erloschen anzusehen ist - gemäß § 31d Abs. 2 WRG 1959 idF BGBl. Nr. 252/1990 nunmehr als Bewilligung nach § 31b WRG 1959 idF BGBl. Nr. 252/1990 anzusehen. Nach letzterer Vorschrift findet § 32 Abs. 2 lit. c keine Anwendung. Eine Abfalldeponie ist eine Anlage im Sinne des § 137 Abs. 3 lit. f WRG 1959 (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. Dezember 1994, 94/07/0116).

Daraus ergibt sich, daß die belangte Behörde eine Übertretung des § 31c Abs. 1 und des § 31b WRG 1959 annehmen hätte müssen. Rechtsrichtig wäre als Strafnorm somit § 137 Abs. 3 lit. f WRG 1959 anzuwenden gewesen.

Es erweist sich somit der angefochtene Bescheid als inhaltlich rechtswidrig, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat aufzuheben war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Bauverfahren vor dem VwGH (siehe auch Behörden Vorstellung Nachbarrecht Diverses) VwGH Beschwerde BauRallg11/3 Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt Sachverhalt Neuerungsverbot Allgemein (siehe auch Angenommener Sachverhalt)

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1995070204.X00

Im RIS seit

12.11.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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