TE Vwgh Erkenntnis 1996/4/25 92/06/0077

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Veröffentlicht am 25.04.1996
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Index

L37158 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Vorarlberg;
L81708 Baulärm Vorarlberg;
L82000 Bauordnung;
L82008 Bauordnung Vorarlberg;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
83 Naturschutz Umweltschutz;

Norm

AVG §1;
AVG §42;
AVG §8;
AWG 1990 §29 Abs1 Z2;
AWG 1990 §29 Abs13;
AWG 1990 §44 Abs6;
BauG Vlbg 1972 §6 Abs9;
BauRallg;
B-VG Art10 Abs1 Z12;
B-VG Art119a Abs5;
B-VG Art15 Abs1;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer, den Vizepräsidenten

Dr. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Bernegger und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. König, über die Beschwerde der M in H, vertreten durch Dr. B, Rechtsanwalt in B, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Dornbirn vom 13. Jänner 1992, Zl. II-123/91, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Parteien: 1. Dipl.-Kfm. W Brennstoffe GesmbH & Co, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in B; 2. Stadt H, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Vorarlberg hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von 12.830,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem Bescheid vom 22. März 1991 versagte der Bürgermeister der mitbeteiligten Stadt die von der erstmitbeteiligten Partei beantragte Baubewilligung für die Errichtung einer Anlage zur Behandlung mineralölhältiger Abwässer und Schlämme auf den Gpn. 2101/2, 2101/3 und 2101/4, KG H. (Spruchpunkt I.). Im Spruchpunkt II. dieses Bescheides wurden u.a. die Einwendungen der Beschwerdeführerin "bezüglich einer Wert- und Wohnqualitätsminderung der Liegenschaften" bzw. "bezüglich einer zusätzlichen Belastung durch Geruch und Lärm und einer Gefahr durch Lagerung und Verwendung von Chemikalien" gemäß § 30 Abs. 1 bzw. gemäß § 30 Abs. 2 Vorarlberger Baugesetz als unzulässig zurückgewiesen bzw. als unbegründet abgewiesen. Begründet wurde dieser Bescheid im wesentlichen damit, daß der Gemeindevorstand die erforderliche Abstandsnachsicht von "3,00 m auf 0,00 m zur Gp. 2101/1 nicht genehmigt" habe. Daher sei die beantragte Baubewilligung für die Errichtung eines Gebäudes zur Behandlung von mineralölhältigen Abwässern und Schlämmen nach § 31 Abs. 5 Vorarlberger Baugesetz zu versagen gewesen. In jedem Verfahren zur baupolizeilichen Bewilligung eines Zu- und Umbaues bei einem bestehenden Gebäude stelle sich die Abstandsfrage neu. Es bedürfe daher einer Bauabstandsnachsicht zur Gp. 2101/1 und zu den bestehenden Gebäuden auf dem Baugrundstück. Gemäß § 6 Abs. 9 Vorarlberger Baugesetz könne die Behörde mit Genehmigung des Gemeindevorstandes wegen der besonderen Form oder Lage des Baugrundstückes oder aus Gründen einer zweckmäßigeren Bebauung von den in den Abs. 2 bis 8 leg.cit. vorgeschriebenen Abstandsflächen und Abständen Ausnahmen zulassen, wenn dadurch die Interessen des Brandschutzes, der Gesundheit sowie des Schutzes des Landschafts- und Ortsbildes nicht beeinträchtigt würden. Neben der Änderung der Verwendung des Bauwerkes würden infolge des großen Zubaues alle Fassaden des bestehenden Flugdaches wesentlich verändert werden. Dadurch seien sämtliche Kriterien einer Abstandsnachsicht neu zu prüfen. Wenn ein Grundstück keine besondere Form oder Lage aufweise oder auch ohne Bauabstand zweckmäßig bebaubar sei, komme eine Erteilung einer Abstandsnachsicht nicht in Frage. Da im vorliegenden Fall das Grundstück ohne weiteres groß genug sei, um auch bei Einhaltung des Bauabstandes zur Gp. 2101/1 die entsprechende Betriebsfläche unterzubringen, komme die Erteilung einer Bauabstandsnachsicht aus rechtlichen Gründen nicht in Betracht.

Außerdem wären die Interessen des Brandschutzes und der Gesundheit bei einer allfälligen Betriebsstörung oder eines Brandfalles stark beeinträchtigt. Die Unzulässigkeit der von den Nachbarn vorgebrachten Einwendungen ergebe sich aus dem § 30 Vorarlberger Baugesetz. Die Fälle, in denen im Bauverfahren Rechte der Nachbarn begründet würden, seien im § 30 Abs. 1 leg.cit. erschöpfend aufgezählt. Alle anderen Einwendungen seien, soweit sie sich nicht auf das Privatrecht stützten, gemäß § 30 Abs. 2 Vorarlberger Baugesetz als unzulässig zurückzuweisen. Privatrechtliche Einwendungen seien auf den Rechtsweg zu verweisen.

Die Beschwerdeführerin hat an der am 18. Jänner 1991 vom Bürgermeister durchgeführten mündlichen Verhandlung teilgenommen und dort folgende Stellungnahme abgegeben:

"Ich verweise auf meine schriftliche Stellungnahme vom 21. August 1990 und der Berufung vom 1. Dezember 1990."

In der Verhandlungsschrift ist weiters vermerkt, daß die Beschwerdeführerin "um 17.20 Uhr die Bauverhandlung (verläßt)". Sowohl die von der Beschwerdeführerin bezogene Berufung vom 1. Dezember 1990 (gegen den gewerberechtlichen Bescheid der Bezirkshauptmannschaft D.) als auch die "schriftliche Stellungnahme vom 21. August 1990" sind der Verhandlungsschrift angeschlossen. Die schriftliche Stellungnahme der Beschwerdeführerin vom 21. August 1990 hat folgenden Wortlaut:

"Mit dem Vorhaben sind wir nicht einverstanden.

Durch die geplante Lagerung und Bearbeitung gefährlicher chemischer Stoffe sehen wir uns in höchstem Maße gefährdet. Auch mit laufenden Belästigungen, zum Beispiel durch Geruch, wird zu rechnen sein.

Im seinerzeitigen Bauverfahren, betreffend das

bestehende Betriebsgebäude, wurde einer Bauabstandsnachsicht zugestimmt, sodaß dieses nunmehr direkt an unserer Grundgrenze steht.

Durch die vorgesehene Nutzungsänderung sind die

gesetzlichen Abstandsvorschriften neu anzuwenden. Wir verlangen deshalb die Vorschreibungen größerer Abstände als normalerweise vorgesehen, weil der Verwendungszweck des Bauwerkes nicht nur das ortsübliche Ausmaß übersteigende Belästigungen, sondern ernsthafte Gefährdungen erwarten läßt.

Wir ersuchen auch, die grundsätzliche

Widmungsverträglichkeit des geplanten Betriebes zu prüfen. Schlußendlich erwarten wir eine Einschränkung der wirtschaftlichen Verwertungsmöglichkeit unserer Liegenschaft. Sowohl die Vermietung unserer Wohnungen, wie im besonderen auch unseres Gastlokales mit Gastgarten, erscheint uns neben dem geplanten Betrieb sehr schwer möglich.

Eine detaillierte Ausführung unserer Einwendungen

werden wir anläßlich der erforderlichen mündlichen Verhandlung vorlegen."

2. Gegen den Bescheid des Bürgermeisters vom 22. März 1991 erhob die erstmitbeteiligte Partei Berufung. Diese Berufung wurde mit dem Bescheid der Berufungskommission der Stadtvertretung der mitbeteiligten Stadt vom 27. September 1991 als unbegründet abgewiesen und der Bescheid des Bürgermeisters vom 22. März 1991 vollinhaltlich bestätigt. Der Bescheid wurde im wesentlichen damit begründet, daß die Behörde mit Genehmigung des Gemeindevorstandes gemäß § 6 Abs. 9 Vorarlberger Baugesetz wegen der besonderen Form oder Lage des Baugrundstückes oder aus Gründen einer zweckmäßigeren Bebauung von den in den Absätzen 2 bis 8 leg.cit. vorgeschriebenen Abstandsflächen und Abständen Ausnahmen zulassen könne, wenn dadurch die Interessen des Brandschutzes, der Gesundheit sowie des Schutzes des Landschafts- und Ortsbildes nicht beeinträchtigt würden. Aus der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ergebe sich, daß bei einer bloßen Verwendungsänderung, auch wenn die Außenwände und Fenster unverändert blieben, von der Baubehörde zu prüfen sei, ob die Voraussetzungen für eine einmal erteilte Abstandsnachsicht nach Abs. 9 leg.cit. nach wie vor gegeben seien. Diese Prüfung habe sich allerdings auf die Frage der Beeinträchtigung der Interessen des Brandschutzes und der Gesundheit im Zusammenhang mit der neuen Verwendung zu beschränken. Die Frage, ob die Nachsicht wegen der besonderen Form oder Lage des Baugrundstückes oder aus Gründen einer zweckmäßigeren Bebauung überhaupt zuzulassen gewesen sei, bzw. Fragen des Landschafts- und Ortsbildschutzes seien nicht mehr neuerlich aufzuwerfen. Im Beschwerdefall liege aber beim vorliegenden Bauprojekt der erstmitbeteiligten Partei keine bloße Verwendungsänderung vor. Im Jahre 1980 sei durch die Baubehörde ein Brennstofflager bewilligt worden. Das nunmehrige Bauvorhaben ziele auf einen Umbau und die Erweiterung der bestehenden Betriebsanlage zu einer Anlage für die Behandlung mineralölhältiger Abwässer und Schlämme ab. Hiezu werde das bestehende Flugdach als Halle ausgebaut bzw. erweitert. Die derzeit überdachte Fläche des Flugdaches betrage 232 m2 und solle als Halle mit einer überdachten Gesamtfläche von 426 m2 ausgebaut werden, sodaß die Erweiterung 194 m2 betrage. Die Wand zum Nachbargrundstück Gp. 2101/1 werde neu als Brandmauer ausgebildet und 15 cm über das Dach hochgezogen. Die verbleibenden Wandbereiche würden über einem 1,5 m hohen "Parapitmauerwerk" aus Stahlbeton, aus Blechkassetten mit Wärmedämmung und "Tranpezblech-Fassaden" auf einer Tragkonstruktion aus Stahlprofilen hergestellt. In diesen Wandteilen seien außerdem der Einbau eines derzeit noch nicht vorhandenen Lichtbandes aus "Profilitglaspaneelen" und von insgesamt vier Stück "Sektionaltoren" sowie vier Geh- und Fluchttüren vorgesehen. Bei diesen umfangreichen Baumaßnahmen, mit welchen allein durch die flächenhafte Erweiterung eine von allen Seiten völlig neue Ansicht des geplanten Objektes gegenüber dem bestehenden Objekt eintreten werde, könne keinesfalls mehr von einer bloßen Änderung der Verwendung gesprochen werden. Dies habe zur Folge, daß sich die Prüfung, ob die Voraussetzungen für die im Jahre 1980 erteilte Abstandsnachsicht nach § 6 Abs. 9 Vorarlberger Baugesetz nach wie vor gegeben seien, nicht auf die Frage der Beeinträchtigung der Interessen des Brandschutzes und der Gesundheit im Zusammenhang mit der neuen Verwendung zu beschränken gehabt habe, sondern daß auch die Frage, ob die Nachsicht wegen der besonderen Form oder Lage des Baugrundstückes oder aus Gründen einer zweckmäßigeren Bebauung überhaupt zuzulassen sei bzw. die Frage des Landschafts- und Ortsbildschutzes neu aufzuwerfen gewesen sei. Bei der Frage der zweckmäßigeren Bebauung spielten wirtschaftliche Gesichtspunkte zweifelsfrei eine Rolle. Die Baubehörde erster Instanz sowie der in der Frage der Erteilung einer Abstandsnachsicht befaßte Stadtrat hätte daher prüfen müssen, ob bei einer Nichtgewährung der Abstandsnachsicht Mehrkosten für die erstmitbeteiligte Partei entstünden. Dazu seien Gutachten eingeholt worden. Daraus ergebe sich, daß weder aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten noch auch auf Grund der besonderen Form und Lage des Baugrundstückes, welches sich relativ "schmal entlang der Gleisanlagen der ÖBB schmiegt", die Tatsache gegeben sei, daß eine Erteilung einer Nachsicht von den im § 6 Abs. 2 bis 8 Vorarlberger Baugesetz vorgesehenen Bauabstandsflächen zweckmäßig wäre. Ginge man allerdings davon aus (was nicht der Fall sei), daß sowohl aus Gründen der Zweckmäßigkeit als auch aus Gründen der besonderen Lage des Grundstückes eine Abstandsnachsicht zu gewähren sei, so wäre zu prüfen, ob die Gesundheit der Nachbarn sowie der Schutz des Landschafts- und Ortsbildes gefährdet seien. Durch das im Akt befindliche, in der mündlichen Verhandlung am 18. Jänner 1991 erwähnte und allen Parteien durch die am 12. September 1990 stattgefundene gewerberechtliche Verhandlung bekanntgewordene Gutachten der Amtsärztin der Bezirkshauptmannschaft D. sowie durch ein weiteres amtsärztliches Sachverständigengutachten werde erläutert, daß bei konsensgemäßem Betrieb der Anlage durch die zusätzlichen Emissionen die Nachbarschaft weder in ihrer Gesundheit gefährdet noch unzumutbar belästigt werde. Die im Akt befindliche Stellungnahme des Gemeindearztes vom 1. März 1991 bestätige, daß im wesentlichen bei einem 100 %-igen Funktionieren und bei entsprechenden laufenden Sicherheitskontrollen der Anlage keine gravierende Schädigung für die Gesundheit zu erwarten sei, obwohl eine gewisse Mehrbelastung für die Umwelt bestünde. Aus all diesen Gutachten ginge also hervor, daß sowohl zusätzliche Emissionen als auch eine Schädigung - wenn auch keine gravierende - bei konsensgemäßem Betrieb der Anlage zu erwarten seien. Das Gutachten des brandschutztechnischen Sachverständigen, das in der gewerberechtlichen Verhandlung am 12. September 1990 erstattet worden sei und welches in das vorliegende Verfahren Eingang gefunden habe, ginge eindeutig davon aus, daß in brandschutztechnischer Hinsicht die Gefahr des Auftretens einer explosionsfähigen Brennstoff-Konzentration bei der angegebenen Betriebsweise nicht zu erwarten sei; gegen die Erteilung der beantragten Genehmigung bestünde bei sachverhaltsgemäßer Ausführung vom Standpunkt des vorbeugenden Brandschutzes kein Einwand, wenn die geforderten Auflagen erfüllt würden. Dies sei durch ein ergänzendes Gutachten bestätigt worden. Es bestünde aus der Sicht des brandschutztechnischen Sachverständigen gegen die beantragte Bauabstandsnachsicht kein Einwand. Daß durch das geplante Bauwerk eine Verschlechterung des Ortsbildes eintreten werde, sei zwar nicht behauptet worden, sei aber angesichts der das beantragte Objekt umgebenden kleindörflichen Struktur klar ersichtlich. Die Voraussetzungen für die Erteilung einer Abstandsnachsicht nach § 6 Abs. 9 Vorarlberger Baugesetz seien daher nicht erfüllt. Ein Rechtsanspruch auf Erteilung einer Abstandsnachsicht nach dieser Bestimmung bestünde nicht. Bei den Einwendungen der Beschwerdeführerin bezüglich einer Wert- und Wohnqualitätsminderung der Liegenschaften handle es sich nicht um ein im § 30 Abs. 1 Vorarlberger Baugesetz normiertes subjektiv-öffentliches Recht, das ein Nachbar zu Recht einwenden könne. Diese Einwände seien daher gemäß § 30 Abs. 2 Vorarlberger Baugesetz als unzulässig zurückzuweisen und, soweit sie sich auf das Privatrecht stützten, auf den Rechtsweg zu verweisen gewesen. Richtigerweise sei auch die Einwendung der Beschwerdeführerin bezüglich einer zusätzlichen Belastung durch Geruch und Lärm sowie einer Gefahr durch Lagerung und Verwendung von Chemikalien gemäß § 30 Abs. 1 Vorarlberger Baugesetz als unbegründet abgewiesen worden. Es sei durch die im Zuge des Verfahrens erstatteten Gutachten eindeutig bewiesen, daß unter Einhaltung der im gewerbe- oder baurechtlichen Verfahren vorgeschriebenen Auflagen keine zusätzlichen Belastungen durch Geruch und Lärm und keine zusätzliche Gefahr durch Lagerung und Verwendung von Chemikalien durch die Verwirklichung des beantragten Vorhabens entstünde.

3. Auf Grund der von der erstmitbeteiligten Partei erhobenen Vorstellung wurde der Bescheid der Berufungskommission der mitbeteiligten Stadt vom 27. September 1991 von der belangten Behörde mit dem angefochtenen Bescheid vom 13. Jänner 1992 wegen Verletzung von Rechten der erstmitbeteiligten Partei aufgehoben und zur neuerlichen Entscheidung an die Berufungskommission der Stadt

H. zurückverwiesen. Begründet wurde dieser Bescheid im wesentlichen damit, daß Rechte der erstmitbeteiligten Partei deshalb verletzt worden seien, weil der Grundsatz des Parteiengehörs verletzt worden sei, habe es doch bereits die Behörde erster Instanz unterlassen, das Ergebnis der ergänzenden Ermittlungen den Parteien des Verfahrens zur Kenntnis zu bringen. Der Ansicht im Berufungsbescheid, es liege keine bloße "Verwendungsänderung" im Sinne der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes vor, sei beizupflichten. Das vorhandene Flugdach mit Begrenzungsmauern nach Nord-Osten und Süd-Osten sei als "Bauwerk" gemäß § 2 lit. e des Baugesetzes einzustufen und nicht als Gebäude im Sinne des Gesetzes. Gemäß § 6 Vorarlberger Baugesetz würden jedoch für Gebäude und Bauwerke unterschiedliche Abstandsflächen und Abstände gelten. Das Vorhaben sehe die Umwidmung der Flughalle in ein Gebäude vor sowie die gleichzeitige Errichtung eines Zubaues mit einer Fläche von 194 m2. Das habe zur Folge, daß sämtliche Zulassungsvoraussetzungen gemäß § 6 Abs. 9 Vorarlberger Baugesetz zu prüfen seien. Im bisherigen Ermittlungsverfahren sei diese vollständige Prüfung jedoch unterblieben. Somit seien Rechte der erstmitbeteiligten Partei, nämlich das Recht auf Erforschung des wirklichen Sachverhaltes im Sinne des § 37 AVG, verletzt worden. Die Feststellung im Berufungsbescheid, durch das geplante Bauwerk trete eine Verschlechterung des Ortsbildes ein, sei durch die Aktenlage in keiner Weise gedeckt, insbesondere fehle hiezu eine gutachtliche Äußerung. Parallel zum Bauverfahren sei von der Bezirkshauptmannschaft D. ein gewerberechtliches Betriebsanlagengenehmigungsverfahren durchgeführt worden. Im Zuge dieses Verfahrens sei eine Reihe von qualifizierten Gutachten eingeholt worden. Derartige Gutachten könnten auch im Bauverfahren herangezogen und der Beurteilung zugrunde gelegt werden. Diese Gutachten seien teilweise von der erstmitbeteiligten Partei der Baubehörde vorgelegt worden, zum Teil habe die Baubehörde diese Gutachten selbst eingeholt. Es sei deshalb unverständlich, warum diese Gutachten nicht Eingang in die Überlegungen der Berufungsbehörde gefunden hätten. Insbesondere habe der chemisch-technische Sachverständige in seinem Gutachten vom 24. Juni 1991 bestätigt, daß eine Gesundheitsgefährdung von Anrainern durch immissionsbedingte Belastungen bei konsensgemäßem Betrieb und bei derzeit abschätzbaren möglichen Störfällen schon auf Grund der derzeitigen Kenntnislage ausgeschlossen würden. Auch die medizinische Sachverständige schließe sich dieser Stellungnahme in ihrem Gutachten vom 22. Juli 1991 an. Unter Einhaltung eines einjährigen Probebetriebes könne davon ausgegangen werden, daß eine Gefährdung im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 1 GewO 1973 auszuschließen sei, Belästigungen, Beeinträchtigungen oder nachteilige Einwirkungen im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 2 bis 5 GewO 1973 seien auf ein zumutbares Maß beschränkt. Diese Gutachten könnten auch nicht durch die Stellungnahme des Gemeindearztes vom 1. März 1991 bekämpft werden, zumal diese Stellungnahme für die Entscheidung in keiner Weise nachvollziehbar sei. Auch der Sachverständige für Brandschutz habe eindeutig in seinem Gutachten vom 12. September 1990 (mündliche Verhandlung der Bezirkshauptmannschaft D.) sowie in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 8. Februar 1990 zum Ausdruck gebracht, daß durch das Vorhaben eine über das bisherige Ausmaß hinausgehende Brandgefährdung des Nachbarobjektes auf der Gp. 2101/1 nicht eintrete; gegen die beantragte Bauabstandsnachsicht bestünde sohin kein Einwand. Auch das Arbeitsinspektorat Bregenz bringe in seinem Schreiben vom 4. Juni 1991 zum Ausdruck, daß ein Abrücken vom Nachbargrundstück eine Verringerung der Raumkubatur zur Folge habe; dadurch werde der Verkehr mit Hubstablern nicht mehr möglich sein, da eine gefahrlose Manipulation nicht mehr gegeben erscheine; auch für den Bereich der Lüftung und der Interessen der Dienstnehmer würden nachteilige Auswirkungen befürchtet. Der besondere Vorteil der Anlage bestünde darin, daß Abfallprodukte direkt mit der Bahn verladen werden könnten. Beim Bahnhof H. bestünde auch eine entsprechende Vorrichtung zur Verladung mineralölhältiger Produkte. Die im Bauakt erliegenden Gutachten bestätigten wohl einwandfrei, daß die im Baurecht verankerten Rechte der Nachbarn geschützt seien. Im fortgesetzten Verfahren würde daher nur mehr die Frage zu prüfen sein, inwieweit durch die Zulassung geringerer Abstandsflächen Interessen des Landschafts- und Ortsbildes beeinträchtigt bzw. nicht beeinträchtigt würden. Unabhängig von der Vorstellung sei aber auch noch darauf verwiesen, daß die von der erstmitbeteiligten Partei geplante Anlage dem Abfallwirtschaftsgesetz, BGBl. Nr. 325/1990, unterliege. Insbesondere seien diese Anlagen gemäß § 29 Abfallwirtschaftsgesetz bewilligungspflichtig, wobei nach der Verfassungsbestimmung des § 29 Abs. 13 Abfallwirtschaftsgesetz eine Baubewilligung nicht mehr erforderlich sei. Es seien nur mehr die bautechnischen Bestimmungen der Bauordnung des jeweiligen Bundeslandes zu berücksichtigen. Das Abfallwirtschaftsgesetz sei am 1. Juli 1990 in Kraft getreten. Da der Antrag noch vor dem 1. Juli 1990 gestellt worden sei, sei deshalb noch ein Bauverfahren durchzuführen. Die erstmitbeteiligte Partei hätte jedoch jederzeit die Möglichkeit, das Ansuchen zurückzuziehen und ein neues Ansuchen beim Amt der Vorarlberger Landesregierung einzubringen. Dadurch wäre ein eigenes Bauverfahren bei den Gemeindebehörde entbehrlich.

4. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihren Rechten "gemäß § 6 des Vorarlberger Baugesetzes (vorgeschriebene Abstandsflächen und Abstände) verletzt". Sie beantragt, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt; sie sowie die erst- und die zweitmitbeteiligte Partei haben jeweils eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragen.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. Vorerst ist zu prüfen, ob die Beschwerdeführerin berechtigt ist, gegen den angefochtenen Bescheid Beschwerde zu erheben. Diese Frage ist aus folgenden Gründen zu bejahen: Nach geltendem Recht ist die Gemeinde an die die Aufhebung tragenden Gründe des aufsichtsbehördlichen Bescheides gebunden. Dies gilt auch für den Verwaltungsgerichtshof und die Vorstellungsbehörde selbst in einem neuerlichen Verfahren (vgl. dazu Walter-Mayer, Grundriß des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechtes,

6. Aufl., Rz. 567). Entgegen der von der belangten Behörde in ihrer Gegenschrift vertretenen Auffassung ist die Beschwerdeführerin nicht nur auf Grund der Aufhebung des Gemeindebescheides durch die belangte Behörde im neu durchzuführenden Verfahren als Partei beizuziehen und dort dann berechtigt, ihre Interessen wahrzunehmen, sondern auch berechtigt, den Vorstellungsbescheid der belangten Behörde insoweit zu bekämpfen, als der Spruch bzw. die tragenden Gründe dieses Bescheides bindende Wirkung für das nachfolgende Verfahren entfalten und ihre rechtlichen Interessen verletzen können.

Das Mitspracherecht des Nachbarn im Baubewilligungsverfahren ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes in zweifacher Weise beschränkt: Es besteht einerseits nur insoweit, als dem Nachbarn nach den in Betracht kommenden baurechtlichen Vorschriften subjektiv-öffentliche Rechte zukommen, und andererseits nur in jenem Umfang, in dem der Nachbar solche Rechte im Verfahren durch die rechtzeitige Erhebung entsprechender Einwendungen wirksam geltend gemacht hat. Gemäß § 30 Abs. 1 lit. b des Vorarlberger Baugesetzes, LGBl. Nr. 39/1972, in der hier noch anzuwendenden Fassung der Novelle LGBl. Nr. 47/1983, ist in der Erledigung über den Bauantrag (u.a.) über Einwendungen der Nachbarn abzusprechen, die sie auf § 6 Vorarlberger Baugesetz stützen, insoweit diese Bestimmung den Schutz des Nachbarn aus Rücksichten des Brandschutzes und der Gesundheit, insbesondere Belichtung, Luft und Lärm betrifft. Gemäß § 6 Abs. 9 leg.cit. kann die Behörde mit Genehmigung des Gemeindevorstandes wegen der besonderen Form oder Lage des Baugrundstückes und aus Gründen einer zweckmäßigeren Bebauung von den im Abs. 2 bis 8 leg.cit. vorgeschriebenen Abstandsflächen und Abständen Ausnahmen zulassen, wenn dadurch die Interessen des Brandschutzes, der Gesundheit sowie des Schutzes des Landschafts- und Ortsbildes nicht beeinträchtigt werden. Fehlt auch nur eine dieser Voraussetzungen, so ist eine Abstandsnachsicht unzulässig (vgl. dazu insgesamt das hg. Erkenntnis vom 17. November 1994, Zl. 93/06/0246).

1.2. Die Beschwerdeführerin hat weder den Bescheid des Bürgermeisters vom 22. März 1991, mit dem der erstmitbeteiligten Partei die Baubewilligung mangels Vorliegens der Abstandsnachsicht versagt worden ist, noch auch den diesen Bescheid bestätigenden Bescheid der Berufungskommission der Stadtvertretung der Stadt H. vom 27. September 1991 bekämpft. Daraus kann aber nicht abgeleitet werden, daß sich deshalb die Beschwerdeführerin ihrer Rechtsschutzmöglichkeiten begeben hätte; sie hat nämlich im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 18. Jänner 1991 ausdrücklich auf die früher erteilte Bauabstandsnachsicht Bezug genommen und darauf hingewiesen, daß "die gesetzlichen Abstandsvorschriften neu anzuwenden (sind)" (siehe dazu oben I. 1.). Darüber hinaus hat sie Einwendungen "bezüglich einer zusätzlichen Belastung durch Geruch und Lärm und einer Gefahr durch Lagerung und Verwendung von Chemikalien" vorgebracht. Dadurch, daß von der Behörde erster Instanz und auch von der Berufungskommission die letztgenannten Einwendungen im Spruch des jeweiligen Bescheides als unbegründet abgewiesen worden sind, und wegen der Tatsache, daß die Beschwerdeführerin diesbezüglich kein Rechtsmittel erhoben hat, hat sich die Beschwerdeführerin nicht (wie dies die zweitmitbeteiligte Partei in ihrer Gegenschrift vermeint) ihrer Möglichkeit zur Bekämpfung des Bescheides begeben, da sie - solange die Behörde eine (aus welchen Gründen auch immer) in ihrem Sinn gelegene, abweisende Entscheidung des Bauansuchens trifft - in keinen Rechten verletzt sein kann und ihr daher die Rechtsmittellegitimation fehlte. Eine mögliche Verletzung in ihren Rechten trat erst mit dem angefochtenen Bescheid ein, die sie im Rahmen der von ihr im erstinstanzlichen Verfahren rechtzeitig geltend gemachten Einwendungen mittels Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof wahrnehmen kann. Abgesehen davon sind ihre Einwendungen im Zusammenhang mit § 6 Abs. 9 Vorarlberger Baugesetz in keinem der genannten Bescheide als unbegründet abgewiesen worden. Vielmehr gingen die Gemeindebehörden selbst davon aus, daß eine Ausnahme nach § 6 Abs. 9 leg.cit. nicht zu erteilen sei. Mit insoweit bindender Wirkung hat jedoch - abweichend von der Auffassung der Gemeindebehörden - die belangte Behörde, wie erwähnt, im angefochtenen Bescheid festgestellt, daß die Voraussetzungen für die Erteilung der Nachsicht nach § 6 Abs. 9 Vorarlberger Baugesetz vorlägen und daher im "fortgesetzten Verfahren ... nur mehr die Frage zu prüfen sein (wird), inwieweit durch die Zulassung geringerer Abstandsflächen Interessen des Landschafts- und Ortsbildes beeinträchtigt bzw. nicht beeinträchtigt werden". Ein Beschwerderecht der Beschwerdeführerin ist dabei insoweit anzunehmen, als die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid bei Anwendung des § 6 Abs. 9 leg.cit. mit bindender Wirkung festgelegt hat, daß sowohl die Voraussetzung "der besonderen Form oder Lage des Baugrundstückes" als auch die Voraussetzung "einer zweckmäßigeren Bebauung" vorliegen und auch Interessen des Brandschutzes und der Gesundheit der Erteilung der Abstandsnachsicht nicht entgegenstünden. Die Beschwerde der Beschwerdeführerin ist daher zulässig.

2. Die belangte Behörde hat bereits im angefochtenen Bescheid die Auffassung vertreten, daß im Beschwerdefall eine Bewilligungspflicht gemäß § 29 Abfallwirtschaftsgesetz, BGBl. Nr. 325/1990, gegeben sei und daher - wäre das Ansuchen erst nach dem Inkrafttreten des Abfallwirtschaftsgesetzes am 1. Juli 1990 gestellt worden - eine Baubewilligungspflicht gar nicht mehr bestünde (siehe I. 3.).

Hiezu ist folgendes festzustellen: Wie sich aus der in den Verwaltungsakten befindlichen Baubeschreibung ergibt, dient die Anlage der erstmitbeteiligten Partei zur Aufbereitung von mineralölhaltigen Abfällen von Abfallarten laut ÖNORM S 2100 bzw. S 2101 (und zwar: für "Abfälle von Emulsionen und Gemischen von Mineralölprodukten, ... Mineralölschlämme, ... Säuregemische mit mineralölhältigen Verunreinigungen, ... Laugen, Laugengemische mit mineralölhältigen Verunreinigungen"). Im § 1 der Verordnung über die Festsetzung gefährlicher Abfälle, BGBl. Nr. 49/1991, wird die ÖNORM S 2101 betreffend "überwachungsbedürftige Sonderabfälle", ausgegeben am 1. Dezember 1983, für verbindlich erklärt, allerdings "für Altöle mit der Maßgabe des § 2 Z. 24" dieser Verordnung: dabei handelt es sich um

"flüssige Mineralölerzeugnisse, Emulsionen von Erzeugnissen von flüssigen Mineralölerzeugnissen, Motor-, Getriebe- und Hydrauliköle aus synthetischen Kohlenwasserstoffen oder Carbonsäureestern und Schmiermittel auf Basis pflanzlicher Öle, die

a)

mehr als 15 vH - bezogen auf die Masse - Verunreinigungen aus einer produktspezifischen Verwendung des Stoffes,

b)

mehr als 30 ppm polychlorierte Biphenyle oder Terphenyle

(PCB, PCT),

c)

mehr als 0,5 vH - bezogen auf die Masse - Halogene enthalten oder

d)

einen Flammpunkt unter 55 Grad C aufweisen,

anzugeben mit der jeweils in der ÖNORM S 2100 angeführten Schlüsselnummer".

Es ist daher im Beschwerdefall nicht auszuschließen, daß es sich bei den erfaßten Abfallarten um gefährliche Abfälle handelt (dies ist mangels Konkretisierung in der Baubeschreibung vom Verwaltungsgerichtshof nicht abschließend beurteilbar.) Für die Bewilligungspflicht kommt demnach im Beschwerdefall vorrangig § 29 Abs. 1 Z. 2 Abfallwirtschaftsgesetz, in der im Beschwerdefall maßgeblichen Fassung vor der Novelle BGBl. Nr. 155/1994, in Betracht, wonach die "Errichtung oder wesentliche Änderung sowie die Inbetriebnahme von ... Anlagen von Unternehmen, deren überwiegender Betriebszweck die Übernahme von nicht im eigenen Betrieb anfallenden gefährlichen Abfällen zur thermischen oder stofflichen Verwertung oder sonstigen Behandlung ist". Auf Grund der vorgelegten Akten kann der Verwaltungsgerichtshof freilich (auch) nicht abschließend beurteilen, ob es sich im Beschwerdefall um ein Unternehmen handelt, dessen "überwiegender Betriebszweck" in der Übernahme gefährlicher Abfälle besteht. Es läßt sich nämlich nicht feststellen, ob - wie erwähnt - die im Antrag (bzw. in der Baubeschreibung) der erstmitbeteiligten Partei ausdrücklich angeführten Abfallarten nach der ÖNORM S 2100 bzw. nach der ÖNORM S 2101 überhaupt gefährliche Abfälle sind bzw. (wenn dies z.B. zum Teil nicht der Fall sein sollte) ob gefährliche Abfälle den überwiegenden Betriebszweck der Anlage (vgl. zu dieser Auslegung der Worte des § 29 Abs. 1 Z. 2 leg.cit. das hg. Erkenntnis vom 21. März 1995, Zl. 93/04/0241) darstellen oder nicht. Erst wenn durch entsprechende Ermittlungen festgestellt ist, ob gefährliche Abfälle (mindestens) den überwiegenden Betriebszweck der Anlage darstellen, bestünde die Bewilligungspflicht nach § 29 Abs. 1 Z. 2 Abfallwirtschaftsgesetz (in der Fassung vor der Novelle BGBl. Nr. 155/1994) mit der Folge, daß gemäß § 29 Abs. 13 leg.cit. im Beschwerdefall seit dem Inkrafttreten des Abfallwirtschaftsgesetzes am 1. Juli 1990 eine Baubewilligungspflicht gar nicht mehr besteht. Wie der Verwaltungsgerichtshof nämlich in ständiger Judikatur (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 17. September 1991, Zl. 87/05/0201, sowie den hg. Beschluß vom 22. September 1992, Zl. 92/05/0205) zum Ausdruck gebracht hat, ist die Baubewilligungspflicht unmittelbar mit dem Inkrafttreten des zitierten Gesetzes entfallen, weil die Übergangsregelung des § 44 Abs. 6 leg.cit., wonach "anhängige Genehmigungsverfahren nach den bisherigen Rechtsvorschriften zu beenden sind", nur auf Rechtsvorschriften des Bundes und nicht (auch) auf landesrechtliche Bauvorschriften bezogen ist. Eine Übergangsregelung, derzufolge die bereits am 1. Juli 1990 anhängigen Bauansuchen auch weiterhin nach den Bauvorschriften der Länder zu erledigen sind, hätte ebenfalls einer Verfassungsbestimmung bedurft, sodaß auch verfassungsrechtliche Erwägungen gegen die von der belangten Behörde vertretene Ansicht über die kraft der Übergangsbestimmung des § 44 Abs. 6 leg.cit. im Beschwerdefall gegebene Zuständigkeit der Baubehörde sprechen (vgl. neuerlich den bereits zitierten Beschluß vom 22. September 1992).

Ausgehend von der dargestellten verfehlten Rechtsansicht hat es die belangte Behörde unterlassen, weitere Ermittlungen im Zusammenhang mit ihrer Zuständigkeit anzustellen, und zwar insbesondere dahingehend, ob ihre Zuständigkeit etwa im Hinblick darauf (noch) gegeben ist, daß im Beschwerdefall überwiegend gefährliche Abfälle behandelt werden.

Der angefochtene Bescheid mußte daher wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufgehoben werden.

3. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Baurecht Nachbar Bindung an die Rechtsanschauung der Vorstellungsbehörde Ersatzbescheid Verhältnis zu anderen Materien und Normen B-VG

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1992060077.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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