TE Vwgh Erkenntnis 1996/4/25 96/16/0059

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Veröffentlicht am 25.04.1996
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §56;
AVG §58 Abs1;
BAO §92;
BAO §93;
FinStrG §172 Abs2;
FinStrG §83;
FinStrG §89;
VwGG §34 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Fellner und Dr. Kail als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Marihart, über die Beschwerde des Dr. G in W, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Tirol als Finanzstrafbehörde zweiter Instanz vom 28. Februar 1994, Zl. 80.137-8a/94, betreffend Zurückweisung einer Beschwerde gegen die Einleitung eines Finanzstrafverfahrens, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.890,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Das Zollamt Innsbruck erließ am 29. Juni 1993 eine Erledigung folgenden Inhalts:

"Bescheid

über die Einleitung des Strafverfahrens gemäß § 83 Abs. 1

des Finanzstrafgesetzes (FinStrG)

Gegen Herrn Dr. G (= Beschwerdeführer), wohnhaft in W, wird das Finanzstrafverfahren eingeleitet, weil der Verdacht besteht, daß er ab dem Jahre 1992 Scandium und Osmium ausländischer Herkunft, auf welches Eingangsabgaben in derzeit unbekannter Höhe entfällt, hinsichtlich dessen durch Herrn M, Herrn J, Herrn H, Herrn C und weiteren derzeit unbekannten Personen ein Schmuggel begangen worden war, fahrlässig zur treuhändigen Verwahrung und Abwicklung der Verkaufsverhandlungen an sich gebracht und hiemit ein Finanzvergehen nach § 37 Abs. 3 FinStrG begangen haben.

Begründung:

Nach den Ermittlungen des Zollamtes Innsbruck als Finanzstrafbehörde I. Instanz haben Sie im April 1992 mehrmals Scandium unter anderem von Herrn J und M sowie Herrn C übernommen, obwohl Ihnen die ausländische Herkunft der Ware sowie deren zollunredliche Verbringung nach Österreich bekannt sein mußte.

Im Auftrag der ausländischen Eigentümer dieser Waren haben Sie in der Folge Verkaufsverhandlungen mit derzeit unbekannten Personen geführt.

Aus den vorgenannten Gründen war daher das Finanzstrafverfahren einzuleiten."

Die Erledigung enthielt ferner eine Rechtsmittelbelehrung.

Gleichzeitig mit diesem "Einleitungsbescheid" erließ das Zollamt auch eine Beschlagnahmeanordnung über eine Aktenmappe mit Schriftstücken betreffend Scandiumverwahrung und Scandiumverkauf.

Gegen beide Bescheide erhob der Beschwerdeführer in einem Schriftsatz (Administrativ-)Beschwerde. Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid wies die belangte Behörde dieses Rechtsmittel allein insoweit zurück, als die Einleitung des Finanzstrafverfahrens bekämpft wurde. (Eine Erledigung der Beschwerde bezüglich der Beschlagnahmeanordnung kann den Verwaltungsakten nicht entnommen werden.) Nach Auffassung der belangten Behörde entfalte eine Verfahrenseinleitung betreffend fahrlässige Finanzvergehen keine normative Wirkung. Trotz der positiven Rechtsmittelbelehrung erweise sich daher das Rechtsmittel als unzulässig.

Die Behandlung der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde wurde vom Verfassungsgerichtshof mit Beschluß vom 27. Februar 1995, B 775/94-3, abgelehnt. Mit weiterem Beschluß vom 17. Mai 1995, B 775/94-5, wurde die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof abgetreten.

Vor dem Verwaltungsgerichtshof wird inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides geltend gemacht. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht auf Sachentscheidung über seine Administrativbeschwerde und in weiterer Folge dadurch verletzt, daß die belangte Behörde dieser Administrativbeschwerde hätte Folge geben und die Einstellung des Finanzstrafverfahrens hätte verfügen müssen.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift und legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die belangte Behörde geht im angefochtenen Bescheid davon aus, daß die Einleitung eines Finanzstrafverfahrens wegen des Verdachtes eines fahrlässig begangenen Finanzvergehens keinen normativen Charakter aufweise. Damit befindet sich die belangte Behörde im Einklang mit der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. die Erkenntnisse vom 16. Februar 1994, 91/13/0203, und vom 20. April 1995, 92/13/0036). Die in der (Ur-)Beschwerde vorgebrachten Einwendungen gegen diese Auffassung können den Gerichtshof nicht veranlassen, davon abzugehen. Insbesondere hat der Gerichtshof im Erkenntnis Zl. 91/13/0203 näher begründet, warum in der Bestimmung des § 172 Abs. 2 FinStrG betreffend die Erlassung eines Sicherstellungsauftrages kein Grund dafür erblickt werden kann, der Einleitung des Finanzstrafverfahrens normative Wirkung zuzusinnen. Ebensowenig kann ein solcher Grund in den Bestimmungen des § 89 FinStrG über die Beschlagnahme erblickt werden. Eine solche Beschlagnahme bedarf - wie auch im Falle des Beschwerdeführers - eines Bescheides der Finanzstrafbehörde, der mit Beschwerde im Sinne des § 152 Abs. 1 FinStrG bekämpft werden kann. Die Bestimmungen über die Beschlagnahme knüpfen dabei keineswegs an eine Einleitung des Finanzstrafverfahrens an. Die Einleitung des Finanzstrafverfahrens ist somit für die Verfügung der Beschlagnahme nicht Tatbestandsvoraussetzung (vgl. die Erkenntnisse vom 26. Jänner 1989, 88/16/0027, 0035, und vom 16. November 1989, 88/16/0198). Es trifft daher die Meinung des Beschwerdeführers nicht zu, das Zollamt habe "naturgemäß" auch das Finanzstrafverfahren gegen ihn einleiten müssen, um im Beschlagnahmebescheid den Tatvorwurf der fahrlässigen Abgabenhehlerei aussprechen zu können. Zur Klarstellung ist darauf zu verweisen, daß die Beschlagnahmeanordnung nicht Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ist.

Dennoch hat die belangte Behörde ihren Bescheid mit einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit belastet: Sie ist - wie aus dem angefochtenen Bescheid implizit erkennbar ist und wie in der Gegenschrift näher ausgeführt wurde - davon ausgegangen, daß es sich bei der erstinstanzlichen Erledigung nicht um einen Bescheid gemäß § 56 Abs. 2 FinStrG i.V.m. §§ 92 f BAO handelt. Damit ist sie aber nicht im Recht. Es trifft zwar zu, daß in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes als "Bescheid" bezeichneten Erledigungen der Bescheidcharakter abgesprochen worden ist, wenn sie nicht rechtsgestaltend oder rechtsfeststellend eine Angelegenheit des Verwaltungsrechtes entschieden (vgl. zuletzt das Erkenntnis vom 15. April 1994, 93/17/0329, und die dort weiter angeführten Entscheidungen, die jeweils zu anderen als den hier in Rede stehenden Verfahrensordnungen ergangen sind). Demgegenüber ist jedoch ein Verwaltungsakt, der wie im Beschwerdefall die äußeren Merkmale eines Bescheides aufweist, der Rechtsform nach ein Bescheid und prinzipiell geeignet, die mit einem Bescheid verbindenden Wirkungen zu entfalten, soweit er seinem Inhalt nach einen hoheitlichen Willen in der im § 92 Abs. 1 BAO umschriebenen Art und in eindeutiger sprachlicher Gestaltung verbindlich zum Ausdruck bringt (vgl. Stoll, BAO-Kommentar, 917). Die Bezeichnung eines Aktes als "Bescheid" läßt also - in Verbindung mit der sprachlichen Gestaltung des Spruches der Erledigung - darauf schließen, daß die Behörde eine individuelle Norm setzen wollte (vgl. Walter/Mayer, Verwaltungsverfahrensrecht6, Rz 409). Anders als etwa im Falle des oben angeführten Erkenntnisses 93/17/0329, mit dem der gegenständlichen Erledigung trotz ihrer Bezeichnung als Bescheid bloß der Charakter einer Erläuterung (zu einer früheren Gebührenbestimmung) zugeordnet wurde, war die vorliegende Erledigung des Zollamtes Innsbruck im Hinblick auf die sprachliche Gestaltung ihres Spruches als Bescheid zu qualifizieren, der allerdings - wie zur Vermeidung von Mißverständnissen hinzuzufügen ist - rechtswidrig ist, weil die Voraussetzungen für seine Erlassung nicht gegeben waren. Die belangte Behörde wäre damit verhalten gewesen, über die vom Beschwerdeführer eingebrachte (Administrativ-)Beschwerde in der Sache selbst zu entscheiden, wobei sie im Sinne der Bestimmung des § 161 Abs. 1 FinStrG den erstinstanzlichen Bescheid (ersatzlos) aufheben hätte müssen. Da sie dem Beschwerdeführer demgegenüber eine Sachentscheidung verweigert hat, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben, wobei auf die weiteren Beschwerdeausführungen nicht mehr einzugehen war.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Bescheidbegriff Mangelnder Bescheidcharakter Belehrungen Mitteilungen Bescheidcharakter Bescheidbegriff Einhaltung der Formvorschriften Offenbare Unzuständigkeit des VwGH Mangelnder Bescheidcharakter Bescheidbegriff Allgemein

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1996160059.X00

Im RIS seit

25.01.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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