Index
10/07 VerwaltungsgerichtshofNorm
FrPolG 2005 §46a Abs4Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulzbacher und den Hofrat Dr. Pfiel als Richter sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richterin, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Eraslan, über die Revision des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 23. Februar 2021, W123 2237152-1/6E, betreffend Karte für Geduldete (mitbeteiligte Partei: O S, vertreten durch Mag. Thomas Putscher in 1090 Wien, Mariannengasse 11), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird als gegenstandslos geworden erklärt und das Verfahren eingestellt.
Begründung
1 Der Mitbeteiligte, ein serbischer Staatsangehöriger, beantragte am 23. Jänner 2020 gemäß § 46a Abs. 4 FPG die Ausstellung einer Karte für Geduldete. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) wies diesen Antrag mit Bescheid vom 15. Oktober 2020 ab. Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 23. Februar 2021 sprach das Bundesverwaltungsgericht aus, dass der gegen den genannten Bescheid erhobenen Beschwerde stattgegeben „und der bekämpfte Bescheid behoben“ werde.
2 Gegen dieses Erkenntnis erhob das BFA die vorliegende außerordentliche Revision.
3 Der Vertreter des Mitbeteiligten teilte dem Verwaltungsgerichtshof mit Schreiben vom 25. Mai 2021 mit, dass der Mitbeteiligte mittlerweile abgeschoben worden sei. Im Hinblick darauf forderte der Verwaltungsgerichtshof das BFA mit Verfügung vom 29. Juni 2022 auf, dazu Stellung zu nehmen, inwieweit an einer Entscheidung über die Revision noch ein rechtliches Interesse bestehe.
4 Das BFA bestätigte mit Schriftsatz vom 15. Juli 2022, dass der Mitbeteiligte am 20. Mai 2021 nach Serbien abgeschoben worden sei; er befinde sich - soweit das dem BFA bekannt sei - aktuell nicht im Bundesgebiet. Daher käme bei Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses nur noch die Abweisung des Antrags auf Ausstellung einer Karte für Geduldete bzw. eine Abweisung der Beschwerde in Betracht. Das BFA gehe im Übrigen - wie in der Revision dargelegt - davon aus, dass der Bescheid vom 15. Oktober 2020 mit dem angefochtenen Erkenntnis ersatzlos behoben worden sei, sodass das Verfahren - wenn auch ohne inhaltliche Entscheidung - erledigt sei und das BFA weder das Verfahren fortzusetzen noch die beantragte Karte auszustellen habe. Ausgehend von diesen Rechtsstandpunkten mache es „im Ergebnis wenig Unterschied, ob das angefochtene Erkenntnis aufgehoben wird oder im Rechtsbestand bleibt, da eine andere Rechtsposition der mP [mitbeteiligten Partei] bzw eine Ausstellung einer Karte für Geduldete in keinem Fall in Betracht kommt“.
5 Gemäß § 33 Abs. 1 erster Satz VwGG ist die Revision nach Anhörung des Revisionswerbers mit Beschluss als gegenstandslos geworden zu erklären und das Verfahren einzustellen, wenn in irgendeiner Lage des Verfahrens offenbar wird, dass der Revisionswerber klaglos gestellt wurde. Diese Bestimmung ist nicht nur auf die Fälle der formellen Klaglosstellung beschränkt. Ein Einstellungsfall (wegen Gegenstandslosigkeit) liegt insbesondere auch dann vor, wenn der Revisionswerber kein rechtliches Interesse mehr an einer Sachentscheidung des Gerichtshofes hat.
6 Wie sich § 33 Abs. 1 VwGG entnehmen lässt, versteht der Gesetzgeber das Rechtsschutzbedürfnis (Rechtsschutzinteresse) als Prozessvoraussetzung für das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof. Liegt diese Voraussetzung schon bei Einbringung einer Revision nicht vor, ist sie unzulässig. Fällt diese Voraussetzung erst nach Einbringung einer zulässigen Revision weg, so führt dies zu einer Einstellung des Verfahrens. Das Rechtsschutzinteresse ist immer dann zu verneinen, wenn es (auf Grund der geänderten Umstände) für die Rechtsstellung des Revisionswerbers keinen Unterschied (mehr) macht, ob die angefochtene Entscheidung aufrecht bleibt oder aufgehoben wird bzw. wenn die Erreichung des Verfahrenszieles für ihn keinen objektiven Nutzen hat, die in der Revision aufgeworfenen Rechtsfragen somit insoweit nur (mehr) theoretische Bedeutung haben. Dies gilt auch für Amtsrevisionen (vgl. zum Ganzen etwa VwGH 2.5.2019, Ra 2018/05/0231, Rn. 8/9, mwN).
7 Im vorliegenden Fall war strittig, ob dem Mitbeteiligten während eines Strafaufschubs gemäß § 39 SMG eine Karte für Geduldete auszustellen war. Angesichts der - nach Einbringung der Revision erfolgten - Abschiebung des Mitbeteiligten lagen die Voraussetzungen für eine Duldung nach § 46a FPG aber schon in Ermangelung eines Aufenthalts im Inland nicht mehr vor. Unabhängig davon, ob der Spruch des angefochtenen Erkenntnisses im Sinn einer ersatzlosen Behebung des bekämpften Bescheides oder im Sinn einer Behebung und Zurückverweisung zu verstehen ist, und unabhängig davon, ob dieses Erkenntnis im Rechtsbestand bleibt, kommt daher die Ausstellung einer Karte für Geduldete auf Grund des Antrags vom 23. Jänner 2020 jedenfalls nicht mehr in Betracht.
8 Im Hinblick darauf ist nicht ersichtlich, dass einer meritorischen Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes im vorliegenden Fall noch praktische Bedeutung zukäme. Dies wurde auch vom BFA nicht behauptet.
9 Zufolge des Wegfalls des rechtlichen Interesses der revisionswerbenden Partei an einer Sachentscheidung des Verwaltungsgerichtshofes war die vorliegende Revision somit - in sinngemäßer Anwendung des § 33 Abs. 1 VwGG - mit Beschluss als gegenstandslos geworden zu erklären und das Verfahren einzustellen.
Wien, am 16. August 2022
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2022:RA2021210124.L00Im RIS seit
19.09.2022Zuletzt aktualisiert am
20.09.2022