TE Vfgh Erkenntnis 1994/3/17 G233/93, G235/93

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Veröffentlicht am 17.03.1994
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Index

L8 Boden- und Verkehrsrecht
L8200 Bauordnung

Norm

B-VG Art18 Abs2
B-VG Art140 Abs1 / Präjudizialität
B-VG Art140 Abs1 / Prüfungsgegenstand
StGG Art5
Oö BauO §18 Abs4
Oö BauO §18 Abs7

Leitsatz

Aufhebung der in der Oö BauO gesetzten Frist für die Geltendmachung eines Zurückstellungsanspruchs nach Grundabtretung wegen Verletzung des Eigentumsrechts; keine Bedachtnahme auf den Zeitpunkt der Entstehung des Zurückstellungsanspruchs; keine Verfassungswidrigkeit der Anknüpfung der Regelung über die Zurückstellung an eine Änderung des Bebauungsplanes; verfassungsrechtliche Verpflichtung des Verordnungsgebers zur Beseitigung rechtswidriger Widmungen auch ohne ausdrückliche Erwähnung im Gesetz

Spruch

Die Wendung "4," in §18 Abs7 des Gesetzes vom 2. April 1976, mit dem eine Bauordnung für Oberösterreich erlassen wird (O.ö. Bauordnung - O.ö. BauO.), LGBl. Nr. 35, in der Fassung LGBl. Nr. 82/1983, wird als verfassungswidrig aufgehoben.

Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Wirksamkeit.

Der Landeshauptmann von Oberösterreich ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Landesgesetzblatt verpflichtet.

§18 Abs4 OÖ BauO wird nicht als verfassungswidrig aufgehoben.

Im übrigen wird das Gesetzesprüfungsverfahren eingestellt.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. Beim Verfassungsgerichtshof ist zu B332/93 ein Beschwerdeverfahren anhängig, welchem folgender Sachverhalt zugrundeliegt:

1.a) Die Beschwerdeführerin ist Eigentümerin des Grundstückes Nr. 113/1 KG Urfahr. An dieses Grundstück schließt das Grundstück Nr. 265/4 KG Urfahr an. Diese 110 m2 große Grundparzelle war ursprünglich Teil des Grundstückes Nr. 113/1, wurde jedoch am 4. November 1950 zum Zweck der Verbreiterung einer Straße in das öffentliche Gut abgetreten. Die Grundabtretung erfolgte aufgrund eines Baubewilligungsbescheides vom 12. Oktober 1949 des Magistrats Linz-Urfahr für das Grundstück Nr. 113/1 und aufgrund eines Genehmigungsbescheides dieser Behörde vom 3. November 1949 für die Teilung des Grundstückes Nr. 113/1 in die Baugrundstücke Nr. 113/1 und 113/14. Beide Bescheide enthalten die Bedingung, daß der betreffende Grundstückstreifen kosten- und lastenfrei in das öffentliche Gut der Stadtgemeinde Linz abzutreten ist.

Die durch die Abtretung ermöglichte Straßenverbreiterung wurde bisher nicht durchgeführt.

b) Mit Bescheid des Magistrates der Landeshauptstadt Linz vom 3. Juli 1992 wurde ein auf §18 OÖ BauO gestützter Antrag der Beschwerdeführerin auf Zurückstellung des Grundstückes Nr. 265/4 KG Urfahr abgewiesen. Der dagegen erhobenen Berufung hat der Stadtsenat der Landeshauptstadt Linz mit Bescheid vom 28. Oktober 1992 keine Folge gegeben. Auch die gegen diesen Bescheid erhobene Vorstellung blieb erfolglos, die Oberösterreichische Landesregierung gab ihr mit Bescheid vom 15. Jänner 1993 ebenfalls keine Folge.

2. Gegen diesen Vorstellungsbescheid richtet sich die auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in welcher sich die Beschwerdeführerin im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums sowie wegen Anwendung von verfassungswidrigen Gesetzesbestimmungen, nämlich §18 Abs4 und Abs7 OÖ BauO, in ihren Rechten verletzt erachtet und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt.

3. Sowohl die Landeshauptstadt Linz als auch die Oberösterreichische Landesregierung haben in einer Äußerung bzw. Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde begehrt.

II. Beim Verfassungsgerichtshof ist weiters zu B1587/92 ein Beschwerdeverfahren anhängig, welchem folgender Sachverhalt zugrundeliegt:

1. Mit Bescheid des Magistrats der Landeshauptstadt Linz vom 19. November 1991 wurde ein auf §18 Abs4 OÖ BauO gestützter Antrag der Beschwerdeführerin auf Zurückstellung einer Grundfläche, die im Zuge einer Bauplatzbewilligung in das öffentliche Gut abgetreten worden war, abgewiesen. Der dagegen erhobenen Berufung hat der Stadtsenat der Landeshauptstadt Linz mit Bescheid vom 22. März 1992 keine Folge gegeben. Auch die gegen diesen Bescheid erhobene Vorstellung blieb erfolglos, die Oberösterreichische Landesregierung gab ihr mit Bescheid vom 22. September 1992 ebenfalls keine Folge.

Gegen diesen Vorstellungsbescheid richtet sich die auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in welcher sich die Beschwerdeführerin im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums sowie wegen Anwendung einer verfassungswidrigen Gesetzesbestimmung, nämlich §18 Abs4 OÖ BauO, in ihren Rechten verletzt erachtet und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides, in eventu die Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof beantragt.

2. Sowohl die Landeshauptstadt Linz als auch die Oberösterreichische Landesregierung haben in einer Äußerung bzw. Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde begehrt.

III. 1. Der Verfassungsgerichtshof hat am 2. Oktober 1993 beschlossen, aus Anlaß des Verfahrens zu B332/93 die Verfassungsmäßigkeit der Abs4 und 7 des §18 OÖ BauO sowie aus Anlaß des Verfahrens zu B1587/1992 die Verfassungsmäßigkeit des Abs4 des §18 OÖ BauO von Amts wegen zu prüfen.

2. Die Oberösterreichische Landesregierung hat in beiden Gesetzesprüfungsverfahren Äußerungen erstattet, in welchen sie die Präjudizialität der in Prüfung gezogenen Bestimmungen bezweifelt und ihre Verfassungsmäßigkeit verteidigt.

IV. Der Verfassungsgerichtshof hat in den - gemäß §187 ZPO iVm §35 Abs1 VerfGG zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbundenen - Gesetzesprüfungsverfahren erwogen:

1.a) §18 Abs4 OÖ BauO in der (hier maßgeblichen) Fassung LGBl. 82/1983 lautet:

"Fallen Grundflächen, die für im Bebauungsplan ausgewiesene öffentliche Verkehrsflächen abgetreten werden mußten, infolge einer Änderung des Bebauungsplanes nicht mehr unter diese Widmung, so ist ihre Zurückstellung dem früheren Grundeigentümer bzw. dessen Rechtsnachfolger,

a) wenn die Verkehrsfläche bereits hergestellt wurde, innerhalb von sechs Wochen nach der straßenrechtlichen Auflassung, wenn eine solche nicht erforderlich ist, nach der tatsächlichen Auflassung der Grundfläche als öffentliche Verkehrsfläche,

b) wenn die Verkehrsfläche noch nicht hergestellt wurde, innerhalb von sechs Wochen nach Änderung des Bebauungsplanes,

schriftlich anzubieten. Lehnt der frühere Grundeigentümer bzw. dessen Rechtsnachfolger innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung dieses Anbotes die Zurückstellung der Grundflächen nicht schriftlich ab, so hat die Gemeinde die Zurückstellung innerhalb einer weiteren Frist von drei Monaten auf ihre Kosten zu bewirken. Ohne Entschädigung abgetretene Grundflächen sind ohne Entschädigung, gegen Entschädigung abgetretene Grundflächen sind gegen Rückerstattung der geleisteten Entschädigung - soweit sich diese nicht auf entfernte bauliche Anlagen bezog - zurückzustellen. Die Grundflächen sind auf Verlangen des früheren Grundeigentümers bzw. dessen Rechtsnachfolgers möglichst in dem Zustand zurückzustellen, in dem sie abgetreten wurden. Die Ablehnung der Zurückstellung durch den früheren Grundeigentümer bzw. dessen Rechtsnachfolger kann nicht widerrufen werden."

b) §18 Abs7 OÖ BauO in der (hier ebenfalls maßgeblichen) Fassung LGBl. 82/1983 lautet:

"Die Verpflichtungen und Berechtigungen nach den Absätzen 4, 5 und 6 bestehen nicht mehr, wenn seit der Abtretung der Grundflächen mehr als 30 Jahre vergangen sind."

2.a) Der Verfassungsgerichtshof hat in seinen Beschlüssen auf Einleitung der Gesetzesprüfungsverfahren vorläufig angenommen, daß er die Abs4 und 7 des §18 OÖ BauO bei Beurteilung der angefochtenen Bescheide (im Falle B1587/92 nur den Abs4) anzuwenden haben werde.

b) Die Oberösterreichische Landesregierung vertritt in ihren Äußerungen die Auffassung, es sei - wenn überhaupt - nur die Bestimmung der litb des Abs4 präjudiziell, wobei sich der zu B332/93 angefochtene Vorstellungsbescheid inhaltlich ausschließlich auf den Abs7 stütze. Aber auch dieser Absatz sei nur in jenem Teil präjudiziell, der im Zusammenhang mit Abs4 steht, sodaß von einer allfälligen Aufhebung nur die Wendung "4," betroffen sein könne.

c) Die Einwände der Oberösterreichischen Landesregierung sind lediglich hinsichtlich Abs7 berechtigt.

Zunächst ist festzuhalten, daß die Oberösterreichische Landesregierung als Vorstellungsbehörde - entgegen ihrem nunmehrigen Vorbringen im Normenprüfungsverfahren - den zu B332/93 angefochtenen Bescheid auch ausdrücklich und unmittelbar auf den Abs4 des §18 OÖ BauO gestützt hat (s. zB den Satz "Eine Änderung des Bebauungsplanes, wie sie daher §18 Abs4 OÖ BauO vorsieht, ist im gegenständlichen Fall daher nicht gegeben, weshalb allein aus diesem Grund eine Zurückstellung der in Anspruch genommenen Grundflächen gemäß §18 OÖ BauO nicht relevant ist." auf S. 6 des genannten Bescheides).

Des weiteren übersieht die Oberösterreichische Landesregierung, daß die litb des Abs4 lediglich eine Frist setzt, innerhalb der die Behörde dem früheren Grundeigentümer die Zurückstellung der Grundfläche anzubieten hat. Gegen diese Frist bestehen keinerlei verfassungsrechtliche Bedenken, sondern vielmehr gegen die (bereits) im Einleitungssatz des Abs4 als Bedingung für die Zurückstellung vorausgesetzte Änderung des Bebauungsplanes. Eine Aufhebung lediglich der litb würde bewirken, daß die Behörde dann, wenn die Verkehrsfläche noch nicht hergestellt wurde, mit ihrem Zurückstellungsanbot an keine Frist gebunden ist, im übrigen aber die für die Bescheiderlassung maßgebliche Rechtslage unverändert lassen.

Da der Rest des Abs4 des §18 OÖ BauO, insbesondere dessen lita, vom Einleitungssatz sprachlich und inhaltlich nicht trennbar ist, ist der gesamte Abs4 präjudiziell.

Hingegen ist die Oberösterreichische Landesregierung hinsichtlich des Abs7 des §18 OÖ BauO dahin im Recht, daß mit dem Entfall der - hier maßgeblichen - Verweisung auf den Abs4 (also mit der Aufhebung der Wendung "4,") die hier beanstandete Verfassungswidrigkeit wegfallen würde (vgl. hiezu die ständige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes, wonach nicht mehr aus dem Rechtsbestand ausgeschieden werden soll, als Voraussetzung für den Anlaßfall ist, zB VfSlg. 11506/1987 mwH).

d) Das Gesetzesprüfungsverfahren ist daher - weil insoweit auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen vorliegen - hinsichtlich des Abs4 (aus Anlaß beider Beschwerdefälle) und hinsichtlich der Wendung "4," in Abs7 des §18 OÖ BauO (aus Anlaß des Verfahrens B332/93) zulässig, im übrigen aber wegen Unzulässigkeit einzustellen.

3.a) Der Verfassungsgerichtshof hat seine Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit des Abs4 des §18 OÖ BauO wie folgt formuliert:

"Eine im Zusammenhang mit einer Bauplatzbewilligung erfolgte Abtretung einer Grundfläche in das öffentliche Gut stellt nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes (vgl. VfSlg. 3666/1959, 8980/1980 S. 356, 8981/1980 S. 367, 11017/1986 S. 204) eine Enteignung dar. Unter anderem im Erkenntnis VfSlg. 8981/1980 hat der Verfassungsgerichtshof ausführlich dargelegt, daß die Aufrechterhaltung einer einmal verfügten Enteignung verfassungsrechtlich unzulässig ist, wenn der öffentliche Zweck, zu dessen Verwirklichung ein Gesetz eine Enteignungsmöglichkeit vorsieht, tatsächlich nicht verwirklicht wird. Eine einfachgesetzliche Regelung, die eine Enteignung für einen bestimmten öffentlichen Zweck (dem Art5 StGG entsprechend) für zulässig erklärt, enthalte wesensgemäß den Vorbehalt, daß es unzulässig sei, die Enteignung aufrecht zu erhalten, wenn der öffentliche Zweck vor seiner Verwirklichung wegfällt. Die Rückgängigmachung für den Fall der Nichtverwirklichung des als Enteignungsgrund normierten öffentlichen Zweckes sei dem Rechtsinstitut der Enteignung immanent.

Wie die Landeshauptstadt Linz insofern zutreffend ausführt, hat der Verfassungsgerichtshof in dem zitierten Erkenntnis auch ausgesprochen, daß diese Rückgängigmachung einer Enteignung in verschiedener Beziehung einer näheren Regelung zugänglich ist (s. VfSlg. 8981/1980 S. 371 f). Eine derartige Regelung müsse allerdings die durch Art5 StGG vorgegebenen Grenzen des Eigentumsschutzes beachten und dürfe nicht gegen den Wesensgehalt dieses Grundrechtes verstoßen.

Der Verfassungsgerichtshof geht vorläufig davon aus, daß der Landesgesetzgeber die in §18 OÖ BauO (welcher im 3. Abschnitt des II. Hauptstückes dieses Gesetzes enthalten ist) geregelte Grundabtretung nicht als Enteignung im Sinne des 2. Abschnittes des II. Hauptstückes der OÖ BauO gestaltet hat. Der Gerichtshof geht weiters vorläufig davon aus, daß die genannte Vorschrift des §18 OÖ BauO es aber ausschließt, den Anspruch auf Rückübereignung abgetretener Grundstücke unmittelbar auf Art5 StGG zu stützen. §18 OÖ BauO scheint somit eine abschließende Regelung der Rückübereignung abgetretener Grundstücke zu enthalten.

Aus der oben zitierten Judikatur, insbesondere aus dem Erkenntnis VfSlg. 11017/1986 scheint sich aber zu ergeben, daß ein auf §18 Abs4 OÖ BauO beruhender Anspruch durchaus von der Eigentumsgarantie des Art5 StGG umfaßt ist, zumal es völlig unbestritten ist, daß die hier vorgenommene Grundabtretung anläßlich einer Bauplatzbewilligung bescheidmäßig verfügt wurde, und zwar zum Zweck der Errichtung einer öffentlichen Verkehrsfläche.

Die Regelung des §18 Abs4 OÖ BauO macht das Entstehen des Anspruches auf Zurückstellung einer anläßlich einer Bauplatzbewilligung abgetretenen Grundfläche davon abhängig, daß diese Grundfläche infolge einer Änderung des Bebauungsplanes nicht mehr unter die Widmung "öffentliche Verkehrsfläche" fällt. Ob die abgetretene Grundfläche aber tatsächlich dem vorgesehenen Verwendungszweck zugeführt wird, ist für den Anspruch hingegen nicht entscheidend. Eine Konstruktion, wie die in §18 Abs4 OÖ BauO festgelegte, wäre aber unter dem Blickwinkel des Art5 StGG wohl nur dann vertretbar, wenn die Tatsache, daß ein als öffentliche Verkehrsfläche gewidmetes Grundstück nicht als solche verwendet wird, jedenfalls auch in einer Änderung des Bebauungsplanes Niederschlag finden müßte. Dies scheint aber nach dem Oberösterreichischen Raumordnungsgesetz, LGBl. 18/1972 (OÖ ROG), nicht der Fall zu sein:

Die Voraussetzungen für eine Änderung eines Bebauungsplanes sind in §23 OÖ ROG geregelt.

Diese Bestimmung lautet:

"§23

Änderung der Flächenwidmungspläne und der Bebauungspläne

(1) Flächenwidmungspläne und Bebauungspläne sind bei Änderung der maßgeblichen Rechtslage oder wenn es das Gemeinwohl erfordert zu ändern.

(2) Flächenwidmungspläne und Bebauungspläne können geändert werden, wenn öffentliche Interessen, die nach den Bestimmungen dieses Gesetzes bei der Aufstellung von solchen Plänen zu berücksichtigen sind, und Interessen Dritter nicht verletzt werden.

(3) ...

(4) ...

Es zeigt sich also, daß eine Verpflichtung zur Änderung eines Bebauungsplanes nur dann besteht, wenn sich die maßgebliche Rechtslage geändert hat oder wenn es das Gemeinwohl erfordert. Der Umstand, daß eine als öffentliche Verkehrsfläche ausgewiesene Fläche dem vorgesehenen Zweck jahrelang nicht oder nicht vollständig zugeführt wird, scheint nun von keinem dieser beiden Änderungstatbestände erfaßt zu sein. Wenn eine als öffentliche Verkehrsfläche geplante Grundfläche de facto nicht als solche ausgestaltet wird, so bedeutet dies weder eine Änderung der maßgeblichen Rechtslage noch einen Umstand, der unbedingt zur Wahrung des Gemeinwohles beseitigt werden müßte. Nach dem - hier auf seine Verfassungsmäßigkeit nicht zu prüfenden - System des Oberösterreichischen Raumordnungsrechtes scheint es einen Bebauungsplan also nicht mit Rechtswidrigkeit zu belasten, wenn ein als öffentliche Verkehrsfläche ausgewiesenes Grundstück jahrelang keinem entsprechenden Verwendungszweck zugeführt wird (zur anders gearteten Tiroler Rechtslage vgl. §16 Abs5 des Tiroler Raumordnungsgesetzes 1984 sowie das Erkenntnis VfSlg. 11849/1988).

Die in Prüfung gezogene - im Hinblick auf die oben angeführte Judikatur des Verfassungsgerichtshofes wohl dem Schutzbereich des Art5 StGG unterliegende - Bestimmung scheint somit das Bestehen eines Zurückstellungsanspruches für abgetretene (enteignete) Grundflächen in verfassungswidriger Weise von einer Änderung des Bebauungsplanes abhängig zu machen. Da das OÖ ROG den Verordnungsgeber nicht dazu verpflichtet, eine entsprechende Änderung vorzunehmen, wenn eine öffentliche Verkehrsfläche nicht innerhalb einer bestimmten Zeit ihrem Zweck zugeführt wird, scheint die zu prüfende Bestimmung sogenannte Enteignungen auf Vorrat zu ermöglichen, die nicht nur vom Verfassungsgerichtshof (s. VfSlg. 8981/1980 ua.), sondern auch vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (Fall Sporrong und Lönnroth vom 23. September 1982, EuGRZ 1983, S. 523f.) als Verstoß gegen das Grundrecht auf Unversehrtheit des Eigentums, wie es in Art5 StGG und in Art1 des 1. Zusatzprotokolles zur EMRK geschützt ist, qualifiziert wurden."

b) Zum Abs7 des §18 OÖ BauO hat der Verfassungsgerichtshof folgende Bedenken geäußert:

"Die in Prüfung gezogene Regelung scheint nach vorläufiger Ansicht des Verfassungsgerichtshofs insofern gegen Art5 StGG zu verstoßen, als sie für den in Rede stehenden Zurückstellungsanspruch eine Verjährungsfrist von 30 Jahren ab Abtretung einer Grundfläche vorsieht. Es trifft zwar zu, daß der Verfassungsgerichtshof an sich keine Bedenken dagegen hat, daß die Geltendmachung eines derartigen Anspruches an eine bestimmte Frist gebunden wird (s. VfSlg. 8981/1980 S. 372). Entscheidend ist jedoch, daß diese Frist in verfassungsrechtlich zulässiger Weise nur so gesetzt werden darf, daß die durch Art5 StGG vorgegebenen Grenzen der Eigentumsgarantie gewahrt bleiben. Dies scheint zu bedeuten, daß die Verjährungsfrist erst mit dem Zeitpunkt beginnen darf, in dem feststeht, daß der als Enteignungsgrund normierte öffentliche Zweck nicht verwirklicht wird, da erst ab diesem Zeitpunkt die Möglichkeit der Geltendmachung des Zurückstellungsanspruches besteht.

Eine Regelung, die - wie der in Prüfung gezogene §18 Abs7 - die Verjährungsfrist für den Zurückstellungsanspruch bereits vor dem Zeitpunkt beginnen läßt, ab dem dieser Anspruch überhaupt geltend gemacht werden kann, scheint gegen das Recht auf Unversehrtheit des Eigentums zu verstoßen, da sie dazu führen kann, daß dem Enteigneten nur eine unvertretbar kurze Frist zur Wahrung seines Eigentumsrechtes zur Verfügung steht oder daß er seinen Zurückstellungsanspruch gar nicht geltend machen kann (wenn sich nämlich erst nach mehr als 30 Jahren herausstellt, daß der Enteignungszweck nicht verwirklicht wird). Weder die Oberösterreichische Landesregierung noch die Landeshauptstadt Linz stellen in Abrede, daß die Frage, ob der als Enteignungsgrund normierte öffentliche Zweck tatsächlich in vollem Umfang verwirklicht wird, aus verschiedenen Gründen oft über Jahre hinweg offen bleiben kann.

Der Hinweis der Oberösterreichischen Landesregierung, daß es durchaus gerechtfertigt sei, die Verjährungsfrist für den Zurückstellungsanspruch in Analogie zur allgemeinen Verjährungsfrist des bürgerlichen Rechtes mit 30 Jahren festzusetzen, übersieht (abgesehen davon, daß die Verjährungsfrist bei Ansprüchen öffentlich-rechtlicher Art sogar 40 Jahre beträgt), daß nicht die Dauer der in §18 Abs7 OÖ BauO normierten Verjährungsfrist die verfassungsrechtlichen Bedenken auslöst, sondern der Zeitpunkt, ab dem diese - an sich zulässige - Frist gemäß §18 Abs7 OÖ BauO zu laufen beginnt.

Die von der Oberösterreichischen Landesregierung herangezogene Analogie scheint im übrigen dafür zu sprechen, daß die in Rede stehende Frist konsequenterweise erst beginnen dürfte, wenn feststeht, daß der Enteignungszweck nicht verwirklicht wird:

Ausschlaggebend für den Beginn der Verjährungsfrist eines Rechtes ist nämlich nach bürgerlich-rechtlichen Vorschriften erst jener Zeitpunkt, in dem das betreffende Recht erstmals hätte ausgeübt werden können (s. §1478 ABGB). Dieser Zeitpunkt ist im Fall des Zurückstellungsanspruches nach einer Enteignung wohl jener, zu dem feststeht, daß der Enteignungszweck nicht verwirklicht wird, nicht aber jener, in dem die Enteignung (Grundabtretung) durchgeführt wird."

4.a) Die Oberösterreichische Landesregierung meint zu den Bedenken des Verfassungsgerichtshofes zu Abs4 des §18 OÖ BauO folgendes:

"Die verfassungsrechtlichen Bestimmungen (insbesondere auch die Grundrechte) sind für die Verwaltung unmittelbar anwendbar und binden die Staatsorgane auch ohne ausdrückliche Erwähnung im Gesetz. Dies ergibt sich aus der allgemeinen Interpretationsmaxime, daß erzeugungsmäßig niedrigere Rechtserscheinungen unter Bedacht auf die - ihre Erzeugung regelnden oder determinierenden - Rechtsvorschriften auszulegen sind. Im Zweifel ist demnach kein Rechtsakt so zu verstehen, daß er fehlerhaft scheint: Scheint daher zunächst ein Gesetzestext in verschiedener Weise auslegbar, so engt sich die Wahl auf jene Auslegung ein, die das Gesetz verfassungskonform erscheinen läßt (vgl. VfSlg. 11466/1988). Dies gilt allgemein, das heißt für die Auslegung einfachen Verfassungsrechts im Lichte der Grundprinzipien, die verfassungskonforme Auslegung von Gesetzen und die gesetzeskonforme Auslegung von Verordnungen und individuellen Akten (vgl. Walter/Mayer, Bundesverfassungsrecht, 7. Auflage, RZ. 135 m. w.N.).

Ebenso wie ein schon bei ihrer Erlassung gegebener Widerspruch zu verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten die Verordnung mit Rechtswidrigkeit belastet, ist ein auch später eingetretener Widerspruch zu solchen Rechten insoweit beachtlich, als er jedenfalls einen Änderungstatbestand für den Bebauungsplan darstellt, auch wenn dieser Fall im einfachen Gesetz nicht explizit genannt ist.

Die o.ö. Landesregierung ist darüber hinaus der Ansicht, daß die Anordnung im §23 Abs1 O.ö. Raumordnungsgesetz 'wenn es das Gemeinwohl erfordert' ebenso verfassungskonform ausgelegt werden kann. Der Begriff 'Gemeinwohl' hat insoweit auch eine negative Komponente, als Maßnahmen, die im öffentlichen Interesse gesetzt wurden, bei Wegfall dieses öffentlichen Interesses auch wieder rückgängig zu machen sind. Dies vor allem auch vor dem Hintergrund, daß auch die Vollziehung letztlich durch den Gleichheitssatz gebunden ist. Bei der Prüfung, ob ein Bebauungsplan diesen verfassungsgesetzlichen Vorgaben entspricht, ist nicht auf den Zeitpunkt der Erlassung der Verordnung abzustellen, sondern auf den Zeitpunkt der Prüfung durch den Verfassungsgerichtshof; dadurch ist - ähnlich wie bei Gesetzen - die Möglichkeit gegeben, daß Verordnungen, die im Zeitpunkt ihrer Erlassung 'sachlich gerechtfertigt' waren, diese 'sachliche Rechtfertigung' durch eine Änderung der tatsächlichen Verhältnisse verlieren und rechtswidrig werden (vgl. Walter/Mayer, a.a.O., RZ. 1353 m.w.N.). Dies ergibt sich nach Meinung der o.ö. Landesregierung aus dem Sinn und Zweck des O.ö. Raumordnungsgesetzes (vgl. in diesem Zusammenhang VfSlg. 6774/1972 und Aichlreiter, Österreichisches Verordnungsrecht, 1075).

Die o.ö. Landesregierung ist weiters der Ansicht, daß der Begriff 'Gemeinwohl' das Erfordernis der Beachtung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte jedenfalls mitumfaßt. Der Ansicht des Gerichtshofes kann entgegengehalten werden, daß ein Bebauungsplan in den fraglichen Fällen sehr wohl von der Gemeinde zu ändern ist, wenn er ansonsten verfassungsgesetzlichen Bestimmungen, insbesondere den Grundrechten widersprechen würde. Auch für den Verordnungsgeber sind insoweit die Grund- und Freiheitsrechte (wie andere Verfassungsbestimmungen; vgl. etwa VfSlg. 11990/1989) unmittelbar geltende Vorgaben, die er zu beachten hat.

Aus diesen Überlegungen ergibt sich, daß die Verpflichtung zur Änderung eines Bebauungsplanes somit auch dann gegeben ist, wenn dieser verfassungsgesetzlichen Bestimmungen widersprechen würde oder Grundlage für verfassungswidrige Entscheidungen bieten würde. Insofern kann daher durch eine Änderung der tatsächlichen Verhältnisse, auf die das Gesetz abstellt, eine erlassene Verordnung gesetzwidrig werden (invalidieren; vgl. etwa VfSlg. 8218/1977, 9588/1982 und 12290/1990).

Nach Meinung der o.ö. Landesregierung ist im Verfahren nach §18 Abs4 O.ö. Bauordnung der zugrundeliegende bzw. nicht geänderte Bebauungsplan zweifellos auch präjudiziell, sodaß insofern eine Rechtsschutzmöglichkeit für den Betroffenen gegeben ist. In einem solchen Verfahren hätte die Gemeinde auch darzulegen, warum sie bisher den Plan nicht geändert und so die Voraussetzungen für den Anspruch nach §18 Abs4 O.ö. Bauordnung geschaffen hat. Insofern kann daher nach Ansicht der o.ö. Landesregierung nicht davon ausgegangen werden, daß §18 O.ö. Bauordnung eine abschließende Regelung über die Zurückstellung abgetretener Grundflächen enthält. Da diese Bestimmungen den Zurückstellungsanspruch auch nicht ausschließen, sondern nur von bestimmten Voraussetzungen (: Änderung des die öffentlichen Interessen der örtlichen Raumordnung dokumentierenden Bebauungsplanes) abhängig machen, kann ihnen auch insoweit keine Verfassungswidrigkeit vorgeworfen werden."

b) Auch bezüglich des Abs7 des §18 OÖ BauO teilt die Oberösterreichische Landesregierung die Bedenken des Verfassungsgerichtshofes nicht und führt aus:

"Zu dieser Bestimmung erlaubt sich die o.ö. Landesregierung zunächst auf den auszugsweise beiliegenden Bericht des Gemischten Ausschusses betreffend das Gesetz, mit dem eine Bauordnung für Oberösterreich erlassen wird, Beilage 140/1976 zum kurzschriftlichen Bericht des o.ö. Landtages, XXI.

Gesetzgebungsperiode (Beilage 2) hinzuweisen, dem zu entnehmen ist, daß der Gesetzgeber seinerzeit davon ausgegangen ist, daß nach mehr als 30 Jahren angenommen werden müsse, daß eine Herstellung der früheren Verhältnisse nicht mehr zweckmäßig sei. Der Gesetzgeber geht damit von einer Durchschnittsbetrachtung aus, die auch durch die bisherige überblickbare Praxis durchaus gerechtfertigt werden kann. Unbestritten ist, daß diese Regelung in Einzelfällen zu unbilligen Ergebnissen führt.

Im Regelfall ist die Frist von 30 Jahren ab Grundabtretung für die Rechtsdurchsetzung durch die betroffenen Grundeigentümer durchaus ausreichend. So sieht etwa die vergleichbare Bestimmung des Bundesstraßengesetzes (§20a) bloß eine Frist von zehn Jahren ab Rechtskraft des Enteignungsbescheides vor (vgl. dazu Aicher, Verfassungsrechtlicher Eigentumsschutz und Enteignung, Entsprechen die Bestimmungen über die Enteignung, insbesondere nach dem Bundesstraßengesetz, und ihre Praxis dem Grundrechtsschutz? Gutachten zu den Verhandlungen des 9. Österreichischen Juristentages, Wien 1985, 104). Wie der dem Prüfungsbeschluß zugrundeliegende Fall zeigt, kommt es nur durch die Vollziehtung (Nichtänderung des Bebauungsplanes) zu Problemen in vereinzelten Fällen. Insbesondere bei der oben dargelegten unmittelbaren Beachtung und Anwendung der grundrechtlichen Vorgaben durch die Verwaltung und Entscheidung über die Straßenbauvorhaben in angemessener Zeit, steht den betroffenen Grundeigentümern bzw. den Rechtsnachfolgern regelmäßig auch eine angemessene Frist zur Geltendmachung ihrer Ansprüche offen."

5. Zum Abs4 des §18 OÖ BauO:

Die Einwände der Oberösterreichischen Landesregierung gegen die Bedenken des Verfassungsgerichtshofes sind im Ergebnis berechtigt.

Das entscheidende Bedenken des Verfassungsgerichtshofes bezog sich darauf, daß das OÖ Raumordnungsrecht den Verordnungsgeber nicht zu verpflichten scheine, eine entsprechende Planänderung vorzunehmen, wenn eine dem öffentlichen Verkehr gewidmete Fläche durch längere Zeit diesem Zweck (zu welchem die Enteignung vorgenommen worden war) nicht zugeführt wird.

Diese Prämisse hat sich jedoch als unzutreffend herausgestellt. Zu Recht weist die Oberösterreichische Landesregierung darauf hin, daß etwa auf den Wegfall des öffentlichen Interesses an der Errichtung einer Verkehrsfläche mit einer entsprechenden Widmungsänderung zu reagieren ist und daß bei verfassungskonformer Interpretation der Voraussetzungen für die Änderungspflicht nach den raumordnungsrechtlichen Vorschriften der bei einem Unterbleiben der Änderung eintretende Verstoß gegen verfassungsgesetzlich gewährleistete Rechte (hier: das Eigentumsrecht) zu berücksichtigen ist. Eine solche Interpretation folgt auch aus der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zur Rückübereignung (s. die bereits im Rahmen der Bedenken des Verfassungsgerichtshofes zitierten Erkenntnisse VfSlg. 8981/1980 und 11017/1986) und dem - bei bestimmten Fallkonstellationen möglichen - Eintreten eines verfassungswidrigen Zustandes bei Nichterlassung einer Verordnung (s. VfSlg. 11632/1988). Eine Widmung als Verkehrsfläche ist also nur insoweit und nur so lange gesetzmäßig, als der die Enteignung rechtfertigende Zweck gegeben ist. Im übrigen hat der Verfassungsgerichtshof bereits in dem - einen niederösterreichischen Flächenwidmungsplan betreffenden - Erkenntnis VfSlg. 12555/1990 aus Art18 Abs2 B-VG die Verpflichtung des Verordnungsgebers abgeleitet, eine (von Beginn an) rechtswidrige Widmung zu beseitigen oder durch eine rechtmäßige zu ersetzen, und zwar auch dann, wenn dies als Grund für eine Planänderung im Gesetz nicht angeführt ist.

Eine weitere Überlegung bestärkt dieses Ergebnis: Wenn eine im Sinne der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zwingende Rückübereignung (s. die bereits zitierten Erkenntnisse VfSlg. 8981/1980 und 11017/1986) eines nunmehr als Verkehrsfläche gewidmeten Grundstückes auch ohne Änderung der Widmung erfolgen könnte, würde das bedeuten, daß der Eigentümer ein Grundstück erhielte, dessen Widmung jede für ihn zweckentsprechende Nutzung verhindert. Dies würde aber ebenfalls einen mit dem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Schutz des Eigentums nicht in Einklang stehenden Umstand darstellen (s. das Erkenntnis VfSlg. 11849/1988 S 268f. zu einem Bauverbot im Baugebiet wegen beabsichtigter Errichtung von Verkehrsflächen, welche aber durch Jahrzehnte nicht in Angriff genommen wurde).

Schließlich verweist der Verfassungsgerichtshof auf seine - auch in der Äußerung der Oberösterreichischen Landesregierung zitierte - Judikatur, der ebenfalls der Gedanke der Maßgeblichkeit des Sachverhalts für die Rechtmäßigkeit einer generellen Norm zu Grunde liegt (s. VfSlg. 8218/1977, 9588/1982 und 12290/1990).

Der Verfassungsgerichtshof kann daher seine Bedenken, die in Prüfung gezogene Regelung mache das Bestehen eines Zurückstellungsanspruches für abgetretene (enteignete) Grundflächen in verfassungswidriger Weise von einer Änderung des Bebauungsplanes abhängig, zu welcher der Verordnungsgeber aber nicht verpflichtet sei, nicht aufrechterhalten.

6. Zum Abs7 des §18 OÖ BauO:

Hier konnten die Bedenken des Verfassungsgerichtshofes nicht entkräftet werden.

Die Oberösterreichische Landesregierung bestreitet zwar nicht, daß die in Prüfung gezogene Regelung "in Einzelfällen zu unbilligen Ergebnissen führt", hält aber die in Abs7 des §18 OÖ BauO festgelegte Frist von 30 Jahren ab Grundabtretung zur Geltendmachung eines Zurückstellungsanspruches für "durchaus ausreichend".

Dies mag in vielen Fällen schon deshalb zutreffen, weil die Frist zur Verwirklichung jenes Zweckes, für den enteignet wurde, im allgemeinen wohl nicht Jahrzehnte lang währen dürfte (vgl. auch hiezu VfSlg. 11849/1988). Es ist aber denkbar, daß in manchen - durchaus nicht vernachlässigbaren - Fällen wie dem Anlaßfall im Verfahren B332/93 oder bei den dem Erkenntnis VfSlg. 8981/1980 zugrundegelegenen Enteignungen, wo die jeweilige Enteignung mehr als 30 Jahre zurücklag, die Frist zur Verwirklichung des Enteignungszweckes länger dauern kann, ohne daß dies sachwidrig wäre.

Die hier in Prüfung gezogene Regelung legt den Beginn der Frist aber mit einem einheitlichen Zeitpunkt (Abtretung der Grundfläche) fest und nimmt in keiner Weise darauf Bedacht, daß ein Zurückstellungsanspruch überhaupt erst nach Ablauf einer zur Verwirklichung des mit der Enteignung verbundenen Zwecks angemessenen (oder auch gesetzlich festgelegten) Frist entstehen kann. Dies kann dazu führen, daß zur Geltendmachung eines Zurückstellungsanspruches nur eine unvertretbar kurze Frist zur Verfügung steht oder der Eigentümer seinen Anspruch überhaupt nicht mehr geltend machen kann.

Die in Prüfung gezogene Regelung widerspricht somit dem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums.

7. Aufgrund dieser Erwägungen ist daher die Wendung "4," in Abs7 des §18 OÖ BauO als verfassungswidrig aufzuheben. Es ist weiters auszusprechen, daß der Abs4 leg.cit. nicht als verfassungswidrig aufgehoben wird, und das Gesetzesprüfungsverfahren im übrigen einzustellen.

Die übrigen Aussprüche gründen sich auf Art140 Abs5 und 6

B-VG.

Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

VfGH / Präjudizialität, VfGH / Prüfungsumfang, Baurecht, Raumordnung, Bebauungsplan, Grundabtretung, Enteignung, Rückgängigmachung (Enteignung), Verordnungserlassung, Verkehrsflächen, Auslegung verfassungskonforme, Fristen (Zurückstellungsanspruch)

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1994:G233.1993

Dokumentnummer

JFT_10059683_93G00233_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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