TE Vwgh Erkenntnis 2022/8/24 Ro 2021/17/0004

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Veröffentlicht am 24.08.2022
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
34 Monopole
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

AVG §56
B-VG Art137
GSpG 1989
GSpG 1989 §50 Abs6 idF 2016/I/118
GSpG 1989 §52 Abs1 idF 2019/I/062
GSpG 1989 §53
GSpG 1989 §53 Abs1
GSpG 1989 §54 Abs1 idF 2013/I/070
GSpG 1989 §55 Abs1 idF 2010/I/111
GSpGNov 2010
VStG
VStG §17 Abs1
VStG §17 Abs2
VStG §24
VStG §39 Abs1 idF 2018/I/057
VwGG §42 Abs2 Z1
VwGVG 2014 §38
VwRallg

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Enzenhofer und die Senatspräsidentin Mag. Dr. Zehetner sowie die Hofräte Dr. Schwarz, Mag. Berger und Dr. Terlitza als Richterin und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, über die Revision des Bundesministers für Finanzen gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich vom 23. November 2020, 1. LVwG-413314/9/BMa/FK und 2. LVwG-413344/3/BMa/FK, betreffend die Herausgabe beschlagnahmter Gegenstände (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landespolizeidirektion Oberösterreich; mitbeteiligte Partei: G s.r.o., vertreten durch Dr. Fabian A. Maschke, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Dominikanerbastei 17/11), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1        Anlässlich einer am 9. März 2017 im Lokal K in W durchgeführten glücksspielrechtlichen Kontrolle sprach die belangte Behörde gemäß § 53 Abs. 2 Glücksspielgesetz - GSpG die vorläufige Beschlagnahme von drei dort vorgefundenen Glücksspielgeräten aus.

2        Mit Bescheid vom 24. März 2017 ordnete die belangte Behörde gegenüber der mitbeteiligten Partei die Beschlagnahme der folgenden Glücksspielgeräte nach § 53 Abs. 1 Z 1 lit. a GSpG an:

”1. SKILL GAMES, Serien-Nr. ...

2. afric2go, Serien-Nr. ...

3. Kajot, Serien-Nr. ...“

3        Die diesbezüglichen Strafverfahren gegen die Geschäftsführerin der mitbeteiligten Partei und gegen die Lokalbetreiberin wurden mit den Erkenntnissen des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich (LVwG) vom 26. März 2018 und 27. März 2018 eingestellt.

4        Mit Erkenntnis vom 4. April 2018 gab das LVwG der u.a. von der mitbeteiligten Partei gegen den Beschlagnahmebescheid erhobenen Beschwerde insofern statt, als es die Beschlagnahme hinsichtlich der Geräte „FA-Nr. 1 und 3“ aufhob. Die Beschwerde hinsichtlich des Gerätes „FA-Nr. 2“ wies das LVwG als unbegründet ab (Spruchpunkt I.). Weiters sprach es aus, dass eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig sei (Spruchpunkt II.).

5        Der Verwaltungsgerichtshof hob mit Erkenntnis vom 21. September 2018, Ra 2018/17/0132, diese Entscheidung insoweit wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit auf, als damit die Beschlagnahme hinsichtlich der Geräte FA-Nr. 1 und 3 aufgehoben wurde.

6        Mit Erkenntnis vom 1. März 2019 wies das LVwG die u.a von der mitbeteiligten Partei gegen den Beschlagnahmebescheid erhobene Beschwerde hinsichtlich der Geräte „FA-Nr. 1 und FA-Nr. 3“ als unbegründet ab (Spruchpunkt I.). Weiters sprach es aus, dass gegen diese Entscheidung eine Revision nicht zulässig sei (Spruchpunkt II.).

7        In der Folge erließ die belangte Behörde einen an die mitbeteiligte Partei und an die Abgabenbehörde gerichteten Bescheid vom 14. März 2019, der folgenden Spruch enthält:

„Gemäß § 55 Abs. 1 Glücksspielgesetz wird von der [belangten Behörde] die Herausgabe der beschlagnahmten Glücksspielgeräte mit der Gehäusebezeichnung

1. SKILL GAMES, Serien-Nr. ...

2. Kajot, Serien-Nr. ...

an die Eigentümerin, [mitbeteiligte Partei], angeordnet.“

8        Begründend führte die belangte Behörde aus, der Nachweis, dass „mit den gegenständlichen Glücksspielgeräten“ nicht gegen die Bestimmungen des GSpG verstoßen worden sei, sei bereits in einem gesonderten Verwaltungsstrafverfahren „samt Überprüfung durch die Berufungsinstanz“ erbracht worden. Eine neuerliche Detailprüfung aller Sachverhaltselemente sowie ein förmliches Parteiengehör über die beabsichtigte Herausgabe hätten daher unterbleiben können. Da die gesetzlichen Voraussetzungen für die Herausgabe nach § 55 Abs. 1 GSpG vorlägen, sei spruchgemäß zu entscheiden gewesen.

9        Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das LVwG - nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung - u. a. die von der Abgabenbehörde dagegen erhobene Beschwerde als unbegründet ab (Spruchpunkt A.I.) und sprach aus, dass gegen diese Entscheidung eine Revision zulässig sei (Spruchpunkt A.II.).

10       Begründend führte das LVwG aus, mit Erkenntnissen des LVwG vom 27. März 2018 bzw. 26. März 2018 seien die Strafverfahren gegen die Lokalbetreiberin und gegen die Geschäftsführerin der mitbeteiligten Partei hinsichtlich der verfahrensgegenständlichen Geräte eingestellt worden, wobei die Verfahren vor der auch nunmehr erkennenden Richterin durchgeführt worden seien. Zeugen, Beteiligte und die Richterin seien dieselben Personen, sodass sich eine nochmalige Befragung der Zeugen (auch unter Zugrundelegung des Unmittelbarkeitsgrundsatzes) erübrige. Auch im vorliegenden Verfahren sei nicht zu Tage getreten, dass es sich bei den beiden beschlagnahmten Gegenständen um Glücksspielgeräte handle.

11       Die Bestimmung des § 55 Abs. 1 GSpG, wonach die Herausgabe nur an solche Beteiligte zu erfolgen habe, die in den letzten fünf Jahren nicht wegen einer einschlägigen Verwaltungsübertretung bestraft worden seien, sei so zu verstehen, dass es sich um eine Verwaltungsübertretung mit dem konkreten Gerät handeln müsse.

12       Zum Einwand, die belangte Behörde habe die Herausgabe ohne Antrag eines Herausgabeberechtigten verfügt, sei anzuführen, dass § 55 Abs. 1 GSpG dem Wortlaut nach keinen Antrag voraussetze, sondern von Amts wegen zu prüfen sei, ob die Voraussetzungen für die Einziehung oder den Verfall vorlägen, widrigenfalls die Herausgabe der beschlagnahmten Geräte zu verfügen sei.

13       Die ordentliche Revision sei zulässig, weil zur Frage, ob die Herausgabe nach § 55 Abs. 1 GSpG einen Antrag des Herausgabeberechtigten voraussetze, keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ersichtlich sei. Zudem fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu der Frage, ob es sich im Hinblick darauf, dass gemäß § 55 Abs. 1 GSpG beschlagnahmte Gegenstände (nur) dann herauszugeben seien, wenn keiner der an der Verwaltungsübertretung Beteiligten innerhalb der letzten fünf Jahre schon einmal wegen einer solchen Verwaltungsübertretung bestraft worden sei, um eine Verwaltungsübertretung mit dem konkret von der Herausgabe betroffenen Gerät oder mit irgendeinem Gerät bzw. mit einem Gerät, welches im Zuge der jeweiligen Kontrolle vorgefunden worden sei, handeln müsse.

14       Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Amtsrevision des Bundesministers für Finanzen. Die belangte Behörde und die mitbeteiligte Partei erstatteten keine Revisionsbeantwortung.

15       Die Amtsrevision bringt zu ihrer Zulässigkeit - zusammengefasst - vor, eine Entscheidung nach § 55 Abs. 1 GSpG setze einen auf Herausgabe eines beschlagnahmten Gegenstandes gerichteten Antrag eines Berechtigten voraus. Im vorliegenden Fall sei die belangte Behörde von Amts wegen vorgegangen und habe ohne einen solchen Antrag die Herausgabe der beiden Glücksspielgeräte verfügt. Das LVwG hätte diese Entscheidung nicht bestätigen dürfen. Zu dieser Rechtsfrage bestehe keine höchstgerichtliche Rechtsprechung. Weiters stelle sich die Frage, ob bei „der Verwaltungsübertretung“ iS von § 55 Abs. 1 erster Satz GSpG jeder Gegenstand für sich zu prüfen sei oder ob auch eine Verwaltungsübertretung mit anderen Gegenständen einer Herausgabe entgegenstehen würde.

16       Mit diesem Vorbringen erweist sich die Revision als zulässig. Sie ist auch begründet.

17       Das Glücksspielgesetz - GSpG, BGBl. Nr. 620/1989 (§ 50 idF BGBl. I Nr. 118/2016, § 52 idF BGBl. I Nr. 62/2019, § 54 GSpG idF BGBl. I Nr. 70/2013 und § 55 idF BGBl. I Nr. 111/2010) lautet (auszugsweise):

„ ...

STRAF- UND VERFAHRENSBESTIMMUNGEN

Behörden und Verfahren

§ 50. (1) ...

...

(5) Die Abgabenbehörde hat in Verwaltungsverfahren nach §§ 52, 53 und 54 dann, wenn zu der Verwaltungsübertretung eine von ihr stammende Anzeige vorliegt, Parteistellung und kann Beschwerde gegen Bescheide sowie Einspruch gegen Strafverfügungen erheben.

(6) Eine von der Bezirksverwaltungsbehörde oder von der Landespolizeidirektion beabsichtigte Aufhebung einer Beschlagnahme oder die Einstellung eines Strafverfahrens ist im Falle des Vorliegens einer Anzeige einer Abgabenbehörde dieser zuvor unverzüglich zur Stellungnahme zu übermitteln.

...

Verwaltungsstrafbestimmungen

§ 52. (1) ...

...

(4) ... Gegenstände, mit deren Hilfe eine verbotene Ausspielung im Sinne des § 2 Abs. 4 durchgeführt oder auf andere Weise in das Glücksspielmonopol des Bundes eingegriffen wird, unterliegen, sofern sie nicht gemäß § 54 einzuziehen sind, dem Verfall.

...

Einziehung

§ 54. (1) Gegenstände, mit denen gegen eine oder mehrere Bestimmungen des § 52 Abs. 1 verstoßen wird, sind zur Verhinderung weiterer Verwaltungsübertretungen gemäß einer oder mehrerer Bestimmungen des § 52 Abs. 1 einzuziehen, es sei denn der Verstoß war geringfügig.

(2) Die Einziehung ist mit selbständigem Bescheid zu verfügen. Dieser ist all jenen der Behörde bekannten Personen zuzustellen, die ein Recht auf die von der Einziehung bedrohten Gegenstände haben oder ein solches geltend machen und kann, soweit die Einziehung betroffen ist, von ihnen mit Beschwerde angefochten werden. Kann keine solche Person ermittelt werden, so hat die Zustellung solcher Bescheide durch öffentliche Bekanntmachung zu erfolgen.

(3) Eingezogene Gegenstände sind nach Rechtskraft des Einziehungsbescheides binnen Jahresfrist von der Behörde nachweislich zu vernichten.

(4) § 54 Abs. 1 gilt auch für vor dem Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes beschlagnahmte Gegenstände.

Herausgabe beschlagnahmter Gegenstände

§ 55. (1) Beschlagnahmte Gegenstände, die nicht eingezogen werden und die auch nicht gemäß § 17 Abs. 1 oder 2 VStG für verfallen erklärt werden können, sind demjenigen, der ihren rechtmäßigen Erwerb nachweist, dann herauszugeben, wenn keiner der an der Verwaltungsübertretung gemäß einer oder mehrerer Bestimmungen des § 52 Abs. 1 Beteiligten (Veranstalter, Inhaber) innerhalb der letzten fünf Jahre (§ 55 VStG) schon einmal wegen einer solchen Verwaltungsübertretung bestraft worden ist. Die Herausgabe hat mit dem Hinweis zu erfolgen, daß im Falle einer weiteren Verwaltungsübertretung gemäß einer oder mehrerer Bestimmungen des § 52 Abs. 1 die Gegenstände, mit denen gegen eine oder mehrere Bestimmungen des § 52 Abs. 1 verstoßen wird, eingezogen werden. Davon ist auch der Eigentümer der herausgegebenen Gegenstände zu verständigen, soweit er ermittelbar ist und ihm die Gegenstände nicht herausgegeben wurden.

(2) Sind beschlagnahmte Gegenstande gemäß Abs. 1 innerhalb eines Zeitraumes von drei Jahren nach Rechtskraft der Bestrafung niemanden herauszugeben, so gehen sie in das Eigentum des Bundes über.

(3) Geld, das sich in beschlagnahmten Gegenständen befindet, ist zunächst zur Tilgung von allfälligen Abgabenforderungen des Bundes und sodann von offenen Geldstrafen des wirtschaftlichen Eigentümers der beschlagnahmten Gegenstände zu verwenden, ansonsten auszufolgen.

...“

Das Verwaltungsstrafgesetz - VStG, BGBl. Nr. 52/1991 (§ 39 VStG idF BGBl. I Nr. 57/2018) lautet (auszugsweise):

„ ...

Verfall

§ 17. (1) Sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen, dürfen nur Gegenstände für verfallen erklärt werden, die im Eigentum des Täters oder eines Mitschuldigen stehen oder ihnen vom Verfügungsberechtigten überlassen worden sind, obwohl dieser hätte erkennen müssen, daß die Überlassung des Gegenstandes der Begehung einer mit Verfall bedrohten Verwaltungsübertretung dienen werde.

(2) Gegenstände, die nach Abs. 1 verfallsbedroht sind, hinsichtlich deren aber eine an der strafbaren Handlung nicht als Täter oder Mitschuldiger beteiligte Person ein Pfandrecht oder Zurückbehaltungsrecht nachweist, dürfen nur für verfallen erklärt werden, wenn die betreffende Person fahrlässig dazu beigetragen hat, daß mit diesem Gegenstand die strafbare Handlung begangen wurde, oder bei Erwerb ihres Rechtes von der Begehung der den Verfall begründenden strafbaren Handlung wußte oder hätte wissen müssen.

(3) Kann keine bestimmte Person verfolgt oder bestraft werden, so kann auf den Verfall selbständig erkannt werden, wenn im übrigen die Voraussetzungen dafür vorliegen. Die Zustellung solcher Bescheide kann auch durch öffentliche Bekanntmachung bewirkt werden.

§ 18. Verfallene Gegenstände sind, sofern in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist oder die Gegenstände nicht wegen ihrer Beschaffenheit vernichtet werden müssen, nutzbringend zu verwerten. Nähere Vorschriften darüber können durch Verordnung getroffen werden.

...

Beschlagnahme von Verfallsgegenständen

§ 39. (1) Liegt der Verdacht einer Verwaltungsübertretung vor, für die der Verfall von Gegenständen als Strafe vorgesehen ist, so kann die Behörde zur Sicherung des Verfalles die Beschlagnahme dieser Gegenstände anordnen.

(2) Bei Gefahr im Verzug können auch die Organe der öffentlichen Aufsicht aus eigener Macht solche Gegenstände vorläufig sicherstellen. Sie haben darüber dem Betroffenen sofort eine Bescheinigung auszustellen und der Behörde die Anzeige zu erstatten.

(3) Die Behörde kann an Stelle der Beschlagnahme den Erlag eines Geldbetrages anordnen, der dem Wert der der Beschlagnahme unterliegenden Sache entspricht.

(4) Ist die Beschlagnahme anders nicht durchführbar, so können auch dem Verfall nicht unterliegende Behältnisse, in denen sich die mit Beschlag belegten Gegenstände befinden, vorläufig beschlagnahmt werden; sie sind jedoch tunlichst bald zurückzustellen.

(5) Unterliegen die beschlagnahmten Gegenstände raschem Verderben oder lassen sie sich nur mit unverhältnismäßigen Kosten aufbewahren und ist ihre Aufbewahrung nicht zur Sicherung des Beweises erforderlich, so können sie öffentlich versteigert oder zu dem von der Behörde zu ermittelnden Preis veräußert werden. Der Erlös tritt an die Stelle der veräußerten Gegenstände. Die Veräußerung wegen unverhältnismäßiger Aufbewahrungskosten unterbleibt, wenn rechtzeitig ein zur Deckung dieser Kosten ausreichender Betrag erlegt wird.

(6) Die Beschwerde beim Verwaltungsgericht gegen einen Bescheid gemäß Abs. 1 oder 3 hat keine aufschiebende Wirkung.

...“

Art. 137 B-VG, BGBl. Nr. 1/1930 idF BGBl. I Nr. 51/2012, lautet samt Überschrift:

B. Verfassungsgerichtsbarkeit

Artikel 137. Der Verfassungsgerichtshof erkennt über vermögensrechtliche Ansprüche gegen den Bund, die Länder, die Gemeinden und die Gemeindeverbände, die weder im ordentlichen Rechtsweg auszutragen noch durch Bescheid einer Verwaltungsbehörde zu erledigen sind.“

18       Im Revisionsfall hat die belangte Behörde ihren Bescheid vom 14. März 2019, mit dem sie die Herausgabe der beschlagnahmten Gegenstände angeordnet hat, auf § 55 Abs. 1 GSpG gestützt. Sowohl das LVwG als auch die revisionswerbende Partei habe in Bezug auf Art. 133 Abs. 4 B-VG ausschließlich Fragen zur Auslegung der genannten Bestimmung aufgeworfen.

19       § 55 Abs. 1 GSpG regelt einen Fall der Herausgabe von Gegenständen, die nach § 53 GSpG u.a. wegen des Verdachts des fortgesetzten oder wiederholten Verstoßes gegen Bestimmungen des § 52 Abs. 1 GSpG beschlagnahmt wurden. Dabei wird die Herausgabe vom Vorliegen bestimmter Voraussetzungen (Unzulässigkeit von Einziehung und Verfall, Nachweis des rechtmäßigen Erwerbs, Unbescholtenheit der Beteiligten im Sinne des § 55 Abs. 1 GSpG) abhängig gemacht. Darüber hinaus hat die Herausgabe mit dem Hinweis zu erfolgen, dass im Falle einer weiteren Verwaltungsübertretung gemäß einer oder mehrerer Bestimmungen des § 52 Abs. 1 GSpG die Gegenstände, mit denen gegen eine oder mehrere Bestimmungen des § 52 Abs. 1 GSpG verstoßen wird, eingezogen werden.

20       Die Herausgabe nach § 55 Abs. 1 GSpG setzt somit voraus, dass die Prüfung der Rechtmäßigkeit der Beschlagnahme ergibt, dass mit den (wegen eines diesbezüglichen Verdachts) beschlagnahmten Gegenständen tatsächlich eine Verwaltungsübertretung gemäß einer oder mehrerer Bestimmungen des § 52 Abs. 1 GSpG begangen wurde, diese Gegenstände aber dennoch weder eingezogen noch nach § 17 Abs. 1 oder Abs. 2 VStG für verfallen erklärt werden können.

21       Damit bleibt ein sehr eingeschränkter Anwendungsbereich für die Bestimmung des § 55 Abs. 1 GSpG. Die Bedingung, dass zwar ein objektives Tatbild des § 52 Abs. 1 GSpG verwirklicht wurde, der Eingriffsgegenstand, mit dem der Verstoß begangen wurde, aber dennoch nicht eingezogen werden darf, ist dann erfüllt, wenn der Verstoß nur geringfügig war (§ 54 Abs. 1 GSpG), was sich etwa aus den Umsätzen mit dem Eingriffsgegenstand ergeben kann (vgl. ErläutRV 657 BlgNR 24. GP 9, zur GSpG-Novelle 2010, BGBl. I Nr. 73/2010). Aus § 55 Abs. 1 zweiter Satz GSpG ergibt sich, dass in solchen „Bagatellfällen“ trotz der Verwirklichung eines objektiven Tatbilds des § 52 Abs. 1 GSpG bei Erfüllung der übrigen Bedingungen (u.a. Unzulässigkeit des Verfalls) von einer Einziehung zunächst abzusehen und eine solche erst im Wiederholungsfall vorzunehmen wäre.

22       Im Revisionsfall haben sowohl die belangte Behörde als auch das LVwG ihrer Entscheidung die Auffassung zugrunde gelegt, dass hinsichtlich der beiden mit Bescheid vom 24. März 2017 beschlagnahmten Geräte ein objektives Tatbild des § 52 Abs. 1 GSpG nicht verwirklicht wurde.

23       Bereits daraus folgt, dass im Revisionsfall § 55 Abs. 1 GSpG nicht zur Anwendung gelangt. Das bedeutet aber keinesfalls, dass die beiden beschlagnahmten Geräte nicht herauszugeben wären:

24       Wie der Verwaltungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen hat, ist eine Beschlagnahme nach § 53 Abs. 1 GSpG nur dann zulässig, wenn ein ausreichend substantiierter Verdacht vorliegt, dass mit Glücksspielgeräten oder sonstigen Eingriffsgegenständen, mit denen in das Glücksspielmonopol des Bundes eingegriffen wird, fortgesetzt oder wiederholt gegen Bestimmungen des § 52 Abs. 1 GSpG verstoßen wird. Nicht erforderlich ist dabei, dass die Übertretung des Gesetzes zum Zeitpunkt der Beschlagnahme bereits erwiesen ist (vgl. VwGH 15.9.2021, Ra 2020/17/0038, mwN).

25       Bei einer Beschlagnahme handelt es sich um eine vorläufige Maßnahme der Entziehung eines Gegenstands aus der Verfügungsmacht eines Betroffenen mit dem Zweck der Sicherung während des Verfahrens darüber, was mit dem Gegenstand endgültig zu geschehen hat. Wie auch eine gemäß § 39 Abs. 1 VStG verfügte Beschlagnahme tritt eine Beschlagnahme gemäß § 53 GSpG außer Kraft, wenn der Zweck der Beschlagnahme (Sicherung von Verfall oder Einziehung) erreicht oder weggefallen ist. Der Beschlagnahmebescheid verliert dann seine normative Wirkung (vgl. VwGH 20.7.2021, Ra 2021/17/0102, mwN).

26       Weder das GSpG noch das VStG sieht ausdrücklich vor, dass über die sich aus dem Verlust der normativen Wirkung ergebende Rückgabepflicht ein förmlicher Bescheid zu erlassen ist; diese Pflicht tritt unmittelbar kraft Gesetzes ein (vgl. VfGH 21.2.2013, A 6/12, mwN), und zwar unabhängig davon, ob ein auf Herausgabe gerichteter Antrag gestellt wurde (vgl. VfGH 9.10.1997, A 4/97, VfSlg 14.971). Wird die Behörde mit der Herausgabe säumig, dann steht den Betroffenen das Recht zu, ihre Rückforderungsansprüche im Wege einer Klage gemäß Art. 137 B-VG beim Verfassungsgerichtshof geltend zu machen.

27       § 50 Abs. 6 GSpG enthält für die (für das Beschlagnahmeverfahren zuständige) Behörde die Verpflichtung, die Abgabenbehörde (seit dem Finanz-Organisationsreformgesetz - FORG [BGBl. I Nr. 104/2019]: Amt für Betrugsbekämpfung) unverzüglich von der beabsichtigten Aufhebung einer Beschlagnahme in Kenntnis zu setzen und ihr eine diesbezügliche Stellungnahme zu ermöglichen, sofern dem (Beschlagnahme-)Verfahren eine Anzeige der Abgabenbehörde zugrunde liegt. In der Folge wäre dann jedenfalls unter der weiteren Beteiligung der betroffenen Partei zu klären, ob die Beschlagnahme rechtlich unwirksam geworden ist und daher die beschlagnahmten Gegenstände herauszugeben sind (vgl. dazu VwGH 6.9.2016, Ra 2015/09/0103, mwN).

28       Im Revisionsfall lag der Beschlagnahme zwar eine Anzeige der Abgabenbehörde zugrunde, es wurde aber vom LVwG nicht festgestellt und ist auch nicht ersichtlich, dass die belangte Behörde die Abgabenbehörde von der beabsichtigten Herausgabe verständigt hatte. Auch vom Vorliegen einer die Herausgabe ablehnenden Stellungnahme ist nicht auszugehen. Der Erlassung eines Bescheides, mit dem die Herausgabe der beschlagnahmten Gegenstände angeordnet wird, fehlte daher schon aus diesem Grunde die gesetzliche Grundlage.

29       Indem das LVwG dies verkannte und den Bescheid vom 14. März 2019, mit dem die belangte Behörde die Herausgabe beschlagnahmter Gegenstände angeordnet hatte, bestätigte, belastete es das angefochtene Erkenntnis mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit.

30       Das angefochtene Erkenntnis war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Wien, am 24. August 2022

Schlagworte

Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2 Besondere Rechtsgebiete Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2 Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtswirkungen von Bescheiden Rechtskraft VwRallg9/3 Zeitpunkt der Bescheiderlassung Eintritt der Rechtswirkungen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2022:RO2021170004.J00

Im RIS seit

19.09.2022

Zuletzt aktualisiert am

19.09.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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