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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
B-VG Art133 Abs4Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Enzenhofer sowie die Hofräte Mag. Berger und Dr. Horvath als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, über die Revision der V S in G, vertreten durch Mag. Michael-Thomas Reichenvater, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Herrengasse 13/II, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 16. Dezember 2021, W161 2242869-1/3E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 16. April 2021 wurde ein Antrag der Revisionswerberin, einer Staatsangehörigen der Republik Kosovo, auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK nach § 55 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) abgewiesen. Unter einem wurde eine Rückkehrentscheidung gegen sie erlassen und die Zulässigkeit ihrer Abschiebung in den Kosovo festgestellt. Einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung wurde die aufschiebende Wirkung aberkannt und keine Frist für ihre freiwillige Ausreise gewährt.
2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde der Revisionswerberin - ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung - als unbegründet ab und sprach aus, dass eine Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei. Unter einem wies das BVwG den mit der Beschwerde verbundenen Antrag, dieser aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, zurück. Die Versagung des begehrten Aufenthaltstitels begründete das BVwG mit der dafür nicht ausreichenden Integration der Revisionswerberin in Österreich. Ferner sei der Revisionswerberin hinsichtlich der Zuerkennung aufschiebender Wirkung kein Antragsrecht eingeräumt, sodass ihr diesbezüglicher Antrag zurückzuweisen sei. Eine Verhandlung habe angesichts des aus der Aktenlage geklärten Sachverhalts gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG unterbleiben können.
3 Die Behandlung der von der Revisionswerberin gegen dieses Erkenntnis an den Verfassungsgerichtshof erhobenen Beschwerde wurde von diesem mit Beschluss vom 29. April 2022, E 261/2022-5, abgelehnt und die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.
4 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich nunmehr die vorliegende außerordentliche Revision. Diese trifft keine Ausführungen zur Anfechtung des Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde.
5 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
8 In der gesonderten Zulässigkeitsbegründung ist konkret darzulegen, in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht und konkret welche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof uneinheitlich oder noch gar nicht beantwortet hat. Lediglich pauschale Behauptungen erfüllen diese Voraussetzungen nicht (vgl. VwGH 14.3.2022, Ra 2021/17/0176 bis 0179, mwN).
9 Aus § 21 Abs. 7 BFA-VG ergibt sich, dass die Unterlassung einer Verhandlung nur dann einen relevanten, zur Aufhebung führenden Verfahrensmangel begründet, wenn ein entscheidungswesentlicher Sachverhalt klärungsbedürftig ist; dieser ist in der Revision dazutun (vgl. VwGH 5.7.2019, Ra 2019/01/0229, mwN).
Dem wird die Revision mit dem bloßen Hinweis auf die unterlassene Durchführung einer Verhandlung und der nicht konkretisierten Behauptung, die Revisionswerberin hätte durch ihre Einvernahme in der Verhandlung darlegen können, dass bei ihr sämtliche Gründe für die Erteilung des begehrten Aufenthaltstitels vorlägen, nicht gerecht.
10 Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. VwGH 13.7.2022, Ra 2022/17/0035, mwN).
Die Revision zeigt einen derartigen krassen Fehler der Beweiswürdigung mit ihrer pauschalen Behauptung, das BVwG habe eine antizipierende Beweiswürdigung angestellt, nicht auf. Denn die Nichtdurchführung einer mündlichen Verhandlung vermag nicht den in der Zulässigkeitsbegründung allein erhobenen Vorwurf einer „antizipierenden Beweiswürdigung“ zu begründen (vgl. VwGH 18.5.2020, Ra 2020/20/0147).
11 Der Verwaltungsgerichtshof hat zur Begründungspflicht gemäß § 29 VwGVG bereits wiederholt ausgesprochen, dass die Begründung jenen Anforderungen zu entsprechen hat, die in seiner Rechtsprechung zu den §§ 58 und 60 AVG entwickelt wurden. Demnach erfordert dies in einem ersten Schritt die eindeutige, eine Rechtsverfolgung durch die Partei ermöglichende und einer nachprüfenden Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts zugängliche konkrete Feststellung des der Entscheidung zugrunde gelegten Sachverhaltes, in einem zweiten Schritt die Angabe jener Gründe, welche das Verwaltungsgericht im Fall des Vorliegens widerstreitender Beweisergebnisse in Ausübung der freien Beweiswürdigung dazu bewogen haben, gerade jenen Sachverhalt festzustellen, und in einem dritten Schritt die Darstellung der rechtlichen Erwägungen, deren Ergebnisse zum Spruch geführt haben. Diesen Erfordernissen wird ein Verwaltungsgericht dann gerecht, wenn sich die seine Entscheidung tragenden Überlegungen zum maßgeblichen Sachverhalt, zur Beweiswürdigung sowie zur rechtlichen Beurteilung aus der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung selbst ergeben (vgl. wieder VwGH 13.7.2022, Ra 2022/17/0072, mwN).
Mit ihrer allgemeinen Kritik, dass dem Erkenntnis nicht nachvollziehbar entnommen werden könne, welche Feststellungen das BVwG der Entscheidung zugrunde lege, entfernt sich die Revisionswerberin von den insoweit hinreichend erkennbaren Feststellungen des angefochtenen Erkenntnisses, sodass es ihr mit diesem Vorbringen nicht gelingt, die Zulässigkeit der Revision vor dem Hintergrund der vorzitierten Rechtsprechung darzulegen.
12 Werden Verfahrensmängel als Zulässigkeitsgründe ins Treffen geführt, so muss auch schon in der Zulässigkeitsbegründung die Relevanz dieser Verfahrensmängel dargelegt werden, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für die Revisionswerberin günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können. Die Relevanz der geltend gemachten Verfahrensfehler ist fallbezogen in konkreter Weise darzulegen. Dies setzt voraus, dass - auf das Wesentliche zusammengefasst - jene Tatsachen dargestellt werden, die sich bei Vermeidung des Verfahrensfehlers als erwiesen ergeben hätten (vgl. wieder VwGH 14.3.2022, Ra 2021/17/0176 bis 0179, mwN).
Dieser Anforderung wird die Darlegung der Zulässigkeitsgründe der Revision nicht gerecht. Denn es werden allgemein Verfahrensfehler - vor allem nicht näher bezeichnete Mängel des Ermittlungsverfahrens - für das Vorliegen einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung ins Treffen geführt, jedoch ohne konkret anzugeben, welche Tatsachen bei deren Vermeidung erwiesen worden wären und weshalb ein für die Revisionswerberin günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können.
13 Eine uneinheitliche Rechtsprechung eines oder mehrerer Verwaltungsgerichte erfüllt nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für sich genommen nicht den Tatbestand des Art. 133 Abs. 4 B-VG, wenn es zu der betreffenden Frage eine (einheitliche) Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gibt (vgl. VwGH 10.7.2020, Ra 2020/01/0203, mwN).
Mit ihrer Rüge, das angefochtene Erkenntnis widerspreche der Rechtsprechung des BVwG in ähnlich gelagerten Fällen zeigt die Revisionswerberin daher keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung auf, zumal sie nicht behauptet, dass sich die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes als uneinheitlich darstelle.
14 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 24. August 2022
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022170117.L00Im RIS seit
19.09.2022Zuletzt aktualisiert am
19.09.2022