Index
L80007 Raumordnung Raumplanung Flächenwidmung Bebauungsplan TirolNorm
B-VG Art133 Abs4Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Lehofer und die Hofrätinnen Mag.a Merl und Mag. Liebhart-Mutzl als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, in der Revisionssache der P S T E, vertreten durch die Rechtsanwaltskanzlei Dr. Wendling GmbH in 6370 Kitzbühel, Kirchplatz 1, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom 2. November 2021, LVwG-2021/26/1307-3, betreffend Versagung einer Baubewilligung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bürgermeister der Gemeinde Kirchberg in Tirol; weitere Partei: Tiroler Landesregierung), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Landesverwaltungsgericht Tirol (LVwG) die Beschwerde der Revisionswerberin gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde K. vom 8. April 2021, mit dem ihr die Baubewilligung für den Umbau eines näher bezeichneten Gebäudes versagt worden war, als unbegründet ab und erklärte eine ordentliche Revision für nicht zulässig.
Begründend führte das LVwG - soweit für das gegenständliche Verfahren relevant - zusammengefasst aus, der Bauplatz, auf dem sich das umzubauende Gebäude befinde, liege im (eingeschränkten) Gewerbe- und Industriegebiet gemäß § 39 Abs. 2 Tiroler Raumordnungsgesetz 2016 (TROG 2016), wobei reine Dienstleistungs- und Einzelhandelsbetriebe ausgenommen seien. Nunmehr solle im Obergeschoß des Bestandsgebäudes (Gewerbeeinheit 2) anstelle des genehmigten Großraumbüros eine „Betriebswohnung“ samt anschließendem Büro errichtet werden, wobei die „Betriebswohnung“ und der Bürobereich in einem untrennbaren Zusammenhang stünden (gemeinsame Küche, Erreichbarkeit der „Betriebswohnung“ nur über die Betriebsräumlichkeiten). Tatsächlich sei das Umbauvorhaben bereits ausgeführt worden und die Revisionswerberin bewohne die „Betriebswohnung“ seit etwa 4,5 Jahren mit ihrer Familie.
Die Revisionswerberin sei Miteigentümerin der verfahrensgegenständlichen Liegenschaft; damit sei das Wohnungseigentum an der Gewerbeeinheit 2 untrennbar verbunden. Die Gewerbeeinheit 2 sei - mit Ausnahme der im Obergeschoß befindlichen Wohnung - überwiegend an die MA GmbH vermietet, deren Geschäftsführer der Ehemann der Revisionswerberin sei. Der Aufgabenbereich dieses Unternehmens erstrecke sich auf Elektroinstallationen, Schaltschränke, Automatisierung, Notstromanlagen, Beschallungsanlagen und PC-gestützte Abspielgeräte für Unterhaltungsmusik. Im gewerberechtlichen Bescheid der Bezirkshauptmannschaft K. vom 7. August 2020 sei ausdrücklich festgehalten worden, dass der Betrieb an Sonn- und Feiertagen geschlossen bleibe, zwar durch Notbetriebstätigkeiten bei Veranstaltungen eine gewisse ständige Erreichbarkeit abverlangt werde, im Notfall aber das Equipment von der Betriebsanlage direkt zum Veranstaltungsort gebracht werden könne.
In seiner rechtlichen Beurteilung führte das LVwG aus, die Räumlichkeiten der „Betriebswohnung“ seien der eigenen Erklärung der Revisionswerberin in der Verhandlung vor dem LVwG zufolge gar nicht Gegenstand des mit der MA GmbH geschlossenen Mietvertrages. Da die MA GmbH somit keinerlei Verfügungsrecht über die „Betriebswohnung“ habe, könne ein Bedarf im Sinn des § 39 Abs. 1 lit. c TROG 2016 nicht mit einer geschäftlichen Notwendigkeit des Unternehmens begründet werden.
Darüber hinaus bestehe für die MA GmbH auch keine betriebstechnische Notwendigkeit im Sinn dieser Bestimmung (Hinweis auf VwGH 7.12.2011, 2010/06/0061: an die „betriebstechnische Notwendigkeit“ von Wohnungen ist ein strenger Maßstab anzulegen; 27.1.2011, 2010/06/0036: für die Beurteilung der „betriebstechnischen Notwendigkeit“ einer Wohnung ist der Regelbetrieb maßgeblich, nicht Störfälle; 26.3.2019, Ra 2018/05/0220: eine Rufbereitschaft ist nicht geeignet, die Erforderlichkeit einer Wohnsitznahme am Betriebsstandort zu begründen).
Das gegenständliche Umbauvorhaben widerspreche somit den Festlegungen im Flächenwidmungsplan für den Bauplatz, weshalb der Bauantrag gemäß § 34 Abs. 3 lit. a Z 1 Tiroler Bauordnung 2018 (TBO 2018) abzuweisen gewesen sei.
5 In der Zulässigkeitsbegründung wendet sich die Revisionswerberin gegen die Beurteilung des LVwG, es bestehe keine betriebstechnische Notwendigkeit im Sinn des § 39 Abs. 1 lit. c TROG 2016 zur Errichtung einer Betriebswohnung für die MA GmbH, und rügt Verfahrensfehler insofern, als das LVwG keinen Lokalaugenschein durchgeführt und keine Sachverständigengutachten aus dem Fachbereich des Bauwesens, der Raumordnung und „dem Fachgebiet elektrischer Anlagen“ eingeholt habe.
Dabei wird ein wesentliches Begründungselement im angefochtenen Erkenntnis unberücksichtigt gelassen, nämlich dass die „Betriebswohnung“ nicht Gegenstand des Mietvertrages mit der MA GmbH sei und diese somit kein Verfügungsrecht über die Wohnung habe. Darauf geht die Revision überhaupt nicht ein. Es wäre jedoch darzulegen gewesen, auf welcher Rechtsgrundlage eine Wohnung, über die ein Unternehmen nicht verfügen kann, dennoch betriebstechnisch notwendig im Sinn des § 39 Abs. 1 lit. c TROG 2016 sein könnte. Diese Frage könnte - da es sich um eine Rechtsfrage handelt - auch nicht von den Sachverständigen für Bauwesen, Raumordnung oder aus „dem Fachgebiet elektrischer Anlagen“ beantwortet werden. Mangels Auseinandersetzung mit der vom LVwG zitierten Vorjudikatur (VwGH 2010/06/0061, 2010/06/0036 und Ra 2018/05/0220) bleibt auch offen, aus welchen Gründen im vorliegenden Fall „das (zeitliche und materielle) Ausmaß einer Notbetriebstätigkeit“ ausschlaggebend für das Vorliegen einer betriebstechnischen Notwendigkeit der Wohnung sein sollte.
Die Frage, ob in einem konkreten Fall eine betriebstechnische Notwendigkeit für eine „Betriebswohnung“ im Sinn des § 39 Abs. 1 lit. c TROG 2016 vorliegt oder nicht, unterliegt grundsätzlich der einzelfallbezogenen Beurteilung des Verwaltungsgerichtes. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung läge nur dann vor, wenn diese Beurteilung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen worden wäre (vgl. etwa VwGH 28.5.2020, Ra 2018/06/0245, Rn. 9, mwN).
Wenn das LVwG angesichts des oben dargestellten Sachverhaltes - mit dem sich die Revision, wie ausgeführt, in den Zulässigkeitsgründen nicht auseinandersetzt - davon ausging, dass die betriebstechnische Notwendigkeit der Wohnung am Betriebsstandort nicht nachgewiesen worden sei, kann dies jedenfalls nicht als eine die Rechtssicherheit beeinträchtigende, unvertretbare Beurteilung angesehen werden.
6 In der Revision wird somit keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme; sie war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am 30. August 2022
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2022:RA2021060230.L00Im RIS seit
20.09.2022Zuletzt aktualisiert am
20.09.2022