Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen Dr. Tarmann-Prentner und Mag. Korn und die Hofräte Dr. Stefula und Dr. Thunhart als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A*, vertreten durch Dr. Felix Graf, Rechtsanwalt in Feldkirch, gegen die beklagte Partei H* GmbH, *, vertreten durch die Binder Grösswang Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 95.905 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Berufungsgericht vom 2. November 2021, GZ 3 R 292/21w-27, mit welchem das Urteil des Bezirksgerichts Bludenz vom 30. April 2021, GZ 3 C 368/20t-21 abgeändert wurde, zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird teilweise Folge gegeben. Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, dass das Urteil des Erstgerichts wiederhergestellt wird.
Die beklagte Partei ist schuldig der klagenden Partei den mit 1.547,13 EUR (darin 257,86 EUR USt) bestimmten Anteil an den Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
[1] Bereits in der Vergangenheit hatte die Beklagte vom Kläger Personalzimmer angemietet, wobei jeweils befristet Mietverträge abgeschlossen worden waren. Im Sommer 2018 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass sie die Personalzimmer nur mehr bis zum Sommer 2019 benötige, weil dann ihr eigenes Personalhaus fertiggestellt sein werde. Der Kläger war aber nur bereit, einen Mietvertrag über 18 Monate abzuschließen. Da im Ort keine anderen Personalzimmer verfügbar waren und der Beklagten die Rechtsauskunft erteilt worden war, dass eine solche Befristung ohnehin unzulässig sei, wurde am 31. 8. 2018 ein Mietvertrag geschlossen, nach dem die Beklagte die Zimmer ab 1. 12. 2018 für die Dauer von 18 Monaten anmietet und das Mietverhältnis durch Ablauf der Zeit ohne Kündigung endet. Darüber hinaus enthielt der Mietvertrag die Klausel: „Dem Mieter kommt – entsprechend dem Gesetz – das Recht zur schriftlichen Aufkündigung des Mietverhältnisses nach Ablauf eines Jahres unter Einhaltung einer dreimonatigen Kündigungsfrist zum Monatsletzten zu.“ Mit Schreiben vom 23. 3. 2019 kündigte die Beklagte das Mietverhältnis unter Hinweis auf die Unzulässigkeit der vereinbarten Befristung zum 31. 7. 2019.
[2] Der Kläger begehrt 95.905 EUR an Mietzinse für die Zeit von August 2019 bis Mai 2020. Auch im Falle einer nicht durchsetzbaren Befristung sei von einem wechselseitigen Kündigungsverzicht für die vereinbarte Dauer auszugehen, weshalb die erklärte Aufkündigung rechtsunwirksam sei und die Beklagte die Mietzahlungen bis zum vereinbarten Vertragsende schulde.
[3] Die Beklagte bestritt und wendete ein, dass der Mietvertrag aufgrund der unzulässigen Befristung als auf unbestimmte Zeit abgeschlossen gelte und daher unter Einhaltung einer einmonatigen Kündigungsfrist aufkündbar gewesen sei.
[4] Das Erstgericht gab der Klage im Teilbetrag von 76.724 EUR sA statt und wies das Mehrbegehren von 19.181 EUR sA ab. Obwohl die vereinbarte Befristung nicht durchsetzbar sei, hätten die Vertragsparteien dadurch doch bis zum Ablauf der vereinbarten Vertragsdauer auf ihr ordentliches Kündigungsrecht verzichtet. Die Beklagte sei aber aufgrund des im Mietvertrag vereinbarten Kündigungsrechts berechtigt gewesen, das Mietverhältnis nach Ablauf eines Jahres unter Einhaltung einer dreimonatigen Kündigungsfrist zum Monatsletzten aufzukündigen. Der Kläger habe daher nur Anspruch auf die Monatsmieten bis März 2020.
[5] Das Berufungsgericht änderte die Entscheidung des Erstgerichts dahin ab, dass dem Klagebegehren zur Gänze stattgegeben wurde. Auch das Berufungsgericht ging davon aus, dass die vereinbarte Befristung unwirksam sei, die Parteien aber bis zum vereinbarten Endtermin auf ihr ordentliches Kündigungsrecht verzichtet hätten. Da vereinbart worden sei, dass eine Kündigung frühestens in einem Jahr erfolgen könne, habe die vor Ablauf eines Jahres erklärte Aufkündigung der Beklagten das Mietverhältnis nicht beenden können. Der Kläger habe daher Anspruch auf Fortzahlung der Mietzinse bis zum Ablauf der vereinbarten Vertragsdauer. Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision zu, weil seit der WRN 2006 keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Aufkündigung von Mietverhältnissen mit unzulässigen Befristungen ergangen sei.
[6] Gegen diese Entscheidung wendet sich die Revision der Beklagten, mit der sie eine gänzliche Klagsabweisung anstrebt; in eventu wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
[7] Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen, in eventu ihr nicht Folge zu geben.
[8] Die Revision ist angesichts der korrekturbedürftigen Rechtsansicht des Berufungsgerichts zulässig und auch berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
[9] 1. Die Beklagte behauptet einen Verfahrensmangel, weil das Berufungsgericht die Beweisrüge mangelhaft erledigt habe. Eine mangelhafte oder unzureichende Beweiswürdigung kann im Revisionsverfahren aber nicht angefochten werden (RIS-Justiz RS0043371; RS0069246). Diese Rechtsmittelbeschränkung kann auch nicht dadurch umgangen werden, dass ein unerwünschtes Ergebnis der Behandlung der Beweisrüge als Mangel des Berufungsverfahrens releviert wird (RS0043371 [T28]).
[10] 2. Nach § 29 Abs 1 Z 3 lit b MRG werden Mietverträge über Wohnungen durch Ablauf der vereinbarten Vertragsdauer nur dann aufgelöst, wenn die ursprünglich vereinbarte Vertragsdauer oder die Verlängerung der Vertragsdauer mindestens drei Jahre beträgt. Mietverträge auf bestimmte Zeit, deren Ablauf wegen eines Verstoßes gegen die Mindestvertragsdauer nicht durchgesetzt werden kann, gelten nach § 29 Abs 3 lit a MRG als auf unbestimmte Zeit abgeschlossen oder erneuert.
[11] 3. Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs führt der Verstoß gegen die gesetzliche Mindestvertragsdauer zwar dazu, dass das Mietverhältnis durch den Ablauf der Frist nicht aufgelöst wird, doch bleiben beide Parteien trotzdem für die gesamte vereinbarte Vertragsdauer gebunden, weil sie durch die Befristungsvereinbarung auf ihr ordentliches Kündigungsrecht verzichtet haben, sodass weder der Vermieter noch der Mieter das Mietverhältnis vor der vereinbarten Zeit auflösen kann (RS0109759).
[12] 4. Dass der Wortlaut des § 29 Abs 3 MRG mit der WRN 2006 dahin geändert wurde, dass Mietverträge, die mit einer unwirksamen Befristung abgeschlossen wurden, statt „als auf unbestimmte Zeit erneuert“ als „auf unbestimmte Zeit abgeschlossen oder erneuert“ gelten, war mit keiner Änderung der Rechtslage verbunden, weil der Gesetzgeber damit bloß die bisherige Rechtslage verdeutlichen wollte (ErlRV 1183 BlgNR 22. GP 43). Dementsprechend ist auch nach der WRN 2006 allgemein anerkannt, dass eine unwirksame Befristungsvereinbarung nicht zur Beendigung des Mietverhältnisses führt, die Vertragsparteien aber insofern an ihre Abrede gebunden sind, als dass eine ordentliche Kündigung des Mietverhältnisses vor Ablauf der vereinbarten Vertragsdauer ausgeschlossen ist (Riss/Fidler in Rainer, Miet- und WohnR Kap 4.8.2.5; Stabentheiner in GeKo Wohnrecht I § 29 MRG Rz 40; Vonkilch in Hausmann/Vonkilch4 § 29 MRG Rz 63a ua).
[13] 5. Die Vorinstanzen haben daher zutreffend erkannt, dass die Beklagte das Mietverhältnis unter Berufung auf ihr ordentliches Kündigungsrecht nicht vor Ablauf der vereinbarten Vertragsdauer von 18 Monaten aufkündigen konnte. Wohl aber haben die Parteien vereinbart, dass die Beklagte „entsprechend dem Gesetz (…) nach Ablauf eines Jahres unter Einhaltung einer dreimonatigen Kündigungsfrist zum Monatsletzten“ zur Aufkündigung des Mietverhältnisses berechtigt ist. Diese Vereinbarung entspricht § 29 Abs 2 MRG, wonach dem Mieter bei befristeten Verträgen nach Ablauf eines Jahres der ursprünglich vereinbarten Dauer das unverzichtbare und unbeschränkbare Recht zukommt, das Mietverhältnis vor Ablauf der bedungenen Zeit jeweils zum Monatsletzten unter Einhaltung einer dreimonatigen Kündigungsfrist zu kündigen.
[14] 6. Das Zusammenspiel der dreimonatigen Kündigungsfrist mit der Einjahresfrist, die für die Aufkündigung abgewartet werden muss, hat zur Folge, dass das Mietverhältnis frühestens nach Ablauf von 16 Monaten zur Auflösung gebracht werden kann (Stabentheiner, Die miet- und wohnungseigentumsrechtlichen Teile der Wohnrechtsnovelle, wobl 2000, 197 [200]; Böhm, Das Neue Befristungsrecht, immolex 2000, 243 [244]; Kuprian, Der Mietvertrag3 Besonderer Teil II Rz 51). In der Kommentarliteratur wird darauf hingewiesen, dass die Kündigung erst nach einem Jahr eingebracht werden kann und es nicht ausreicht, dass der Kündigungstermin nach diesem Jahr liegt (Würth in Rummel3 § 29 MRG Rz 5c; Würth/Zingher/Kovanyi, Miet- und Wohnrecht23 MRG § 29 Rz 18; Wieger in Illedits/Reich-Rohrwig3 § 29 MRG Rz 19).
[15] 7. Entgegen der Rechtsansicht des Berufungsgerichts kann daraus aber nicht abgeleitet werden, dass eine schon vor Ablauf der Jahresfrist erklärte Aufkündigung rechtsunwirksam wäre. Nach § 33 Abs 1 MRG ist eine Kündigung des Mieters, die dem Vermieter erst nach Beginn der für den darin genannten Kündigungstermin einzuhaltenden Kündigungsfrist zugeht, für den ersten späteren Kündigungstermin wirksam, für den die Frist zu diesem Zeitpunkt noch offen war. Der Gesetzgeber wollte dem Kündigenden dadurch den mit einer neuerlichen Kündigungserklärung verbundenen Aufwand ersparen (ErlRV 1183 BlgNR 22. GP 43).
[16] 8. Der Grundgedanke, dass auch eine fristwidrige Kündigung des Mieters das Mietverhältnis zum frühestmöglichen Zeitpunkt beendet, ist verallgemeinerungsfähig. Eine analoge Anwendung des § 33 Abs 1 MRG auf Fälle, in denen der Mieter bei seiner Kündigungserklärung die Jahresfrist des § 29 Abs 2 MRG nicht eingehalten hat, ist schon deshalb geboten, weil auch hier der Vermieter durch die verfrühte Kündigungserklärung nicht beschwert ist und seine Interessen durch die Einhaltung der gesetzlichen vorgesehenen Mindestvertragsdauer gewahrt bleiben.
[17] 9. Im Ergebnis hat die vor Anlauf der Jahresfrist erklärte Aufkündigung der Beklagten vom 23. 3. 2019 zum 31. 7. 2019 das Mietverhältnis zum frühestmöglichen Zeitpunkt, sohin nach Ablauf von insgesamt 16 Monaten zum 31. 3. 2020 beendet. Die Beklagte schuldet die Mietzinse deshalb nur bis März 2020, was zur teilweisen Klagsabweisung im Sinn der Wiederherstellung des erstgerichtlichen Urteils führt.
[18] 10. Die Kostenentscheidung beruht für das Berufungsverfahren auf §§ 41, 50 ZPO und für das Revisionsverfahren auf §§ 43, 50 ZPO. Im Berufungsverfahren sind beide Rechtsmittel letztlich erfolglos geblieben, weshalb die Kosten der Berufungsbeantwortungen zu saldieren waren. Im Revisionsverfahren ist der Beklagte nur mit einem Fünftel durchgedrungen, sodass er dem Kläger drei Fünftel der Kosten seiner Revisionsbeantwortung abzüglich eines Fünftels der Pauschalgebühren ersetzen muss.
Textnummer
E135965European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2022:0080OB00079.22H.0830.000Im RIS seit
20.09.2022Zuletzt aktualisiert am
20.09.2022