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L00005 Sonstiges Landesverfassungs- und Organisationsrecht Salzburg;Norm
AVG §18 Abs4;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hnatek und die Hofräte Dr. Puck, Dr. Höfinger, Dr. Köhler und Dr. Zens als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Fegerl, über die Beschwerde der E-Gesellschaft m.b.H. in B, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in B, gegen den Bescheid der Salzburger Landesregierung vom 5. Februar 1996, Zl. 8/01-25.058/1-1996, betreffend Rückerstattung von Stromerzeugungsabgabe, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
1.1. Mit Bescheid vom 21. Juli 1995 wies das Landesabgabenamt Salzburg den Antrag der beschwerdeführenden Partei auf Rückzahlung der für die Jahre 1992 bis 1995 auf Grund des Salzburger Umweltfondsgesetzes, LGBl. Nr. 50/1992, entrichteten Stromerzeugungsabgabe in einer Gesamthöhe von S 463.963,25 ab. Die beschwerdeführende Partei erhob Berufung.
1.2. Mit einer als "Bescheid des Landesabgabenamtes Salzburg" bezeichneten Erledigung vom 5. Februar 1996 wurde diese Berufung gemäß § 182 Abs. 1 und 3 sowie § 208 der Salzburger Landesabgabenordnung, LGBl. Nr. 68/1963 (im folgenden: Sbg LAO), abgewiesen. Diese Erledigung ist auf dem Kopfpapier des Amtes der Salzburger Landesregierung ausgefertigt und ist "Für die Landesregierung" unterschrieben. Der Erwägungsteil dieses Bescheides wird eingeleitet durch den Satz "Zu diesem Sachverhalt hat die Abgabenbehörde 2. Instanz folgendes erwogen:"
Nach der Begründung dieser Erledigung habe der Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 7. Dezember 1994 (G 101-153/94, G 202/94) den zweiten Abschnitt sowie die §§ 11 und 14 des Salzburger Umweltfondsgesetzes aufgehoben. Diese Aufhebung sei mit der Kundmachung des Landeshauptmannes vom 7. Februar 1995 wirksam geworden. Der Verfassungsgerichtshof habe keine Rückwirkung der Aufhebung ausgesprochen. Der vorliegende Fall sei kein Anlaßfall im Gesetzesprüfungsverfahren gewesen. Das Gesetz sei daher hier noch auf jene Tatbestände anzuwenden, die vor der Aufhebung des Gesetzes lägen. Anlaßfall könne eine Sache nur dann sein, wenn über diese bescheidmäßig abgesprochen worden und die Beschwerdesache sodann beim Verfassungsgerichtshof rechtzeitig, das heißt bis zum Beginn der mündlichen Verhandlung bzw. der nichtöffentlichen Beratung anhängig gemacht worden sei.
1.3. Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht wird. Nach der Begründung dieser Beschwerde bedeute die Gesetzesaufhebung durch den Verfassungsgerichtshof eine Aufhebung ex tunc, da ein verfassungswidrig beschlossenes Gesetz nicht dem Rechtsbestand angehören könne und sohin "von seiner Wurzel an" bereits ungültig sei. Zum Zeitpunkt der Selbstbemessung habe die beschwerdeführende Partei keine Möglichkeit gehabt, die fehlende rechtliche Grundlage der Abgabe zu erkennen. Auf die durch Einreichung der Selbstbemessungserklärung "festgesetzte" Abgabe sei § 182 Sbg LAO, betreffend die Rückzahlung zu Unrecht entrichteter Abgaben (im Sinne des Zivilrechtes läge eine Nichtschuld nach § 1431 ABGB vor) anzuwenden. Die Aufhebung wegen Nichteinhaltung des verfassungsrechtlich vorgesehenen Weges zur Erlassung eines Gesetzes könne nur eine Aufhebung ex tunc bedeuten, welche gegen jeden Betroffenen (hier vermeintlich Abgabepflichtigen) "Wirkung entfacht, ohne daß dieser das Erkenntnis als Beschwerdeführer angestrengt haben" müsse. In diesem Falle trete "durchaus auch eine Rückwirkung ein und sind die von der Beschwerdeführerin an das Landesabgabenamt entrichteten Selbstbemessungsabgaben jedenfalls als "zu Unrecht eingebracht" anzusehen", weil der Einhebung dieser Abgaben von vornherein die rechtliche Grundlage gefehlt habe. Daran ändere auch die spätere Kundmachung der Aufhebung durch den Landeshauptmann nichts.
2.0. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
2.1. Der Verwaltungsgerichtshof hat vor Eingehen in die Sacherledigung die von der beschwerdeführenden Partei nicht angeschnittene Frage nach der Bescheidqualität der angefochtenen Erledigung geprüft.
Gemäß § 70 Abs. 1 Sbg LAO müssen alle schriftlichen Ausfertigungen der Abgabenbehörden die Bezeichnung der Behörde enthalten.
Fehlt die Bezeichnung der Behörde und enthält die Ausfertigung keinerlei Anhaltspunkte dafür, von welcher Behörde die Erledigung ausgeht, so liegt keine wirksame amtliche Erledigung vor (vgl. zum inhaltsgleichen § 96 BAO das hg. Erkenntnis vom 22. Dezember 1976, Zl. 2163/74, unter Bezugnahme auf Reeger - Stoll, Kommentar zur BAO, Wien 1966, 341, Anm. 3 zu § 96 BAO).
Dem für die Bescheidqualifikation einer Erledigung wesentlichen Erfordernis der Bezeichnung der Behörde ist - wie der Verwaltungsgerichtshof für die vergleichbare Regel des § 58 Abs. 3 in Verbindung mit § 18 Abs. 4 AVG ausgesprochen hat - Rechnung getragen, wenn - nach objektiven Gesichtspunkten für jedermann, also unabhängig von der subjektiven Kenntnis des Adressaten des Schriftstückes (hg. Erkenntnis vom 5. Juni 1987, Zl. 85/18/0149 = ZfVB 1988/3/1125) - erkennbar ist, von welcher Behörde der Bescheid erlassen wurde; ist die bescheiderlassende Behörde nicht erkennbar (die Erledigung einer bestimmten Behörde nicht zurechenbar), so liegt ein Bescheid nicht vor (hg. Erkenntnis vom 14. Juni 1993, Zl. 92/10/0448
= ZfVB 1993/5/1520, sowie Walter - Mayer, Grundriß des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts6, Rz 410).
Anders als in den der Rechtsprechung häufig zugrundeliegenden Fällen, in denen eine Erledigung bloß den behördlichen Hilfsapparat (etwa das Amt der Landesregierung), der für mehrere Behörden und sogar selbst als Behörde tätig werden kann, nennt und damit Zweifel über die Zurechnung offenläßt, könnte der Zweifel im Beschwerdefall durch die Nennung zweier Behörden in der Erledigung entstehen: Zum einen stehen unmittelbar über dem Wort "SPRUCH" die Worte "BESCHEID DES LANDESABGABENAMTES SALZBURG:" und zum anderen beginnt der Erwägungsteil der Begründung mit den Worten: "Zu diesem Sachverhalt hat die Abgabenbehörde 2. Instanz folgendes erwogen" und erfolgte die Unterfertigung "Für die Landesregierung". Die Verwendung des Kopfpapiers "Amt der Salzburger Landesregierung" trägt zur Lösung der Frage nichts bei, weil im Hinblick auf den Anhang lit. B sublit f) der Geschäftseinteilung der Salzburger Landesregierung LGBl. Nr. 86/1993 zumindest zweifelhaft ist, ob sich nicht (ebenso wie die Landesregierung) auch das Landesabgabenamt (Gesetz LGBl. Nr. 3/1947) dieses Hilfsapparates bedient. Wesentliche Bedeutung für die Erkennbarkeit kommt nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes dem Einleitungssatz der Erwägungen (wonach die Abgabenbehörde zweiter Instanz, das ist die Landesregierung, über den Sachverhalt erwogen habe) im Zusammenhalt mit der Fertigungsklausel "Für die Landesregierung" zu. Auch die Rechtsmittelbelehrung spricht dafür, daß nicht ein Bescheid des Landesabgabenamtes (hier wäre insbesondere auch an eine Berufungsvorentscheidung zu denken) intendiert war. Bei Würdigung des Gesamtbildes der Erledigung ist daher objektiv erkennbar, daß die Worte "Bescheid des Landesabgabenamtes Salzburg" versehentlich auf die Seite 1 der Erledigung geraten sind (und einen berichtigungstauglichen Fehler darstellen würden). Die Erledigung ist somit der Landesregierung als Abgabenbehörde zweiter Instanz zuzurechnen.
2.2. Art. 140 Abs. 7 erster und zweiter Satz B-VG lauten:
"Ist ein Gesetz wegen Verfassungswidrigkeit aufgehoben worden oder hat der Verfassungsgerichtshof gemäß Abs. 4 ausgesprochen, daß ein Gesetz verfassungswidrig war, so sind alle Gerichte und Verwaltungsbehörden an den Spruch des Verfassungsgerichtshofes gebunden. Auf die vor der Aufhebung verwirklichten Tatbestände mit Ausnahme des Anlaßfalles ist jedoch das Gesetz weiterhin anzuwenden, sofern der Verfassungsgerichtshof nicht in seinem aufhebenden Erkenntnis anderes ausspricht."
§ 182 Sbg LAO lautet auszugsweise:
"(1) Wurde eine Abgabe zu Unrecht eingebracht, so ist der zu Unrecht entrichtete Betrag über Antrag zurückzuzahlen. Die Rückzahlung kann auch von Amts wegen erfolgen.
(2) ...
(3) Anträge nach Abs. 1 und 2 können bis zum Ablauf des fünften Kalenderjahres gestellt werden, das auf das Jahr folgt, in dem der Betrag zu Unrecht entrichtet wurde."
2.3. Die Auffassung der beschwerdeführenden Partei, daß die Aufhebung des zweiten Abschnittes ("Stromerzeugungsabgabe") sowie der §§ 11 und 14 des Salzburger Umweltfondsgesetzes durch den Verfassungsgerichtshof ex tunc wirke und daher auch die Abgabenschuld der beschwerdeführenden Partei, die durch die Selbstbemessung als festgesetzt gelte, erfasse, ist unzutreffend. Die beschwerdeführende Partei übersieht Art. 140 Abs. 7 zweiter Satz B-VG, demzufolge auf die vor der Aufhebung verwirklichten Tatbestände mit Ausnahme des Anlaßfalles das Gesetz weiterhin anzuwenden ist, sofern der Verfassungsgerichtshof nicht in seinem aufhebenden Erkenntnis anderes ausspricht. Diese Regeln treffen auf alle Fälle zu, in denen der Verfassungsgerichtshof zu einer Aufhebung des Gesetzes gelangt, also auch auf jene Fälle, in denen die Aufhebung mit einem Fehler im Zuge des Vorganges bei der Erlassung des Gesetzes begründet wird. Im vorliegenden Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 7. Dezember 1994, G 101-153/94, G 202/94, hat der Verfassungsgerichtshof einen Ausspruch über die Rückwirkung der Gesetzesaufhebung im Sinne des Art. 140 Abs. 7 zweiter Satz zweiter Halbsatz B-VG nicht vorgenommen. Auf die vor der Aufhebung verwirklichten Abgabentatbestände wäre daher die aufgehobene Gesetzesbestimmung im Beschwerdefall nur dann nicht anzuwenden, wenn es sich um einen Anlaßfall des Gesetzesprüfungsverfahrens vor dem Verfassungsgerichtshof handelte. Dies ist unbestritten nicht der Fall.
Das Tatbestandsmerkmal in der Rückzahlungsbestimmung des § 182 Sbg LAO, daß der Abgabenbetrag "zu Unrecht entrichtet" wurde, liegt im Beschwerdefall nicht vor, weil die Selbstbemessung und Entrichtung für den vor der Aufhebung der Abgabennorm gelegenen Bemessungszeitraum auf Grund der damals geltenden Gesetzesbestimmung (Grundsatz der Zeitbezogenheit der Abgabenvorschriften - vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 26. Mai 1995, Zl. 95/17/0067), DIE gemäß Art. 140 Abs. 7 zweiter Satz B-VG WEITERHIN ANZUWENDEN IST, damit insoweit "zu Recht" erfolgte.
2.4. Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen ließ, daß die von der beschwerdeführenden Partei behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
2.5. Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.
Schlagworte
Behördenbezeichnung Behördenbezeichnung Behördenorganisation Bescheidbegriff Mangelnder Bescheidcharakter Bescheidcharakter Bescheidbegriff Intimation Zurechnung von BescheidenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1996170086.X00Im RIS seit
25.01.2001