TE Vwgh Erkenntnis 2022/4/28 Ra 2019/06/0258

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Veröffentlicht am 28.04.2022
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Index

L82000 Bauordnung
L82007 Bauordnung Tirol
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

AVG §38
BauO Tir 2018 §38
BauO Tir 2018 §42
BauO Tir 2018 §44
BauO Tir 2018 §46
BauO Tir 2018 §46 Abs1
BauRallg

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Thoma und die Hofrätinnen Mag.a Merl und Mag. Liebhart-Mutzl als Richterinnen, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, über die Revision des Bürgermeisters der Gemeinde Sölden, vertreten durch Dr. Andreas Brugger, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Salurner Straße 16, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Tirol vom 7. Oktober 2019, LVwG-2019/38/1882-2, betreffend einen baupolizeilichen Auftrag nach § 46 Tiroler Bauordnung 2018 (mitbeteiligte Parteien: 1. V F in W, vertreten durch die Heiss & Heiss Rechtsanwälte OG in 6020 Innsbruck, Burggraben 4/II, 2. A G in S, und 3. Verlassenschaft nach P G, vertreten durch Mag. Antonius Falkner, Rechtsanwalt in 6414 Mieming, Barwies 329/5; weitere Partei: Tiroler Landesregierung), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Kostenbegehren der revisionswerbenden Partei wird abgewiesen.

Begründung

1        Zur Vorgeschichte wird auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. Dezember 2005, 2002/06/0004, verwiesen. Daraus ist Folgendes hervorzuheben:

Mit Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde S. (in der Folge: Amtsrevisionswerber) vom 8. Mai 2000 wurde P.G. gemäß § 37 der Tiroler Bauordnung 1998 (TBO 1998) „der Abbruch des errichteten Wohnhauses auf Gp X, Y und Z (der KG S) bis zum 30. Juni 2001 aufgetragen“. Begründend wurde ausgeführt, dass mit Eingabe vom 10. Dezember 1974 um die „baupolizeiliche Genehmigung“ zur Errichtung des Wohnhauses angesucht worden sei, es gebe für dieses aber keine rechtskräftige Baubewilligung; das (unvollständig belegte) Ansuchen sei mit Bescheid vom 8. Mai 2000 zurückgewiesen worden.

Die gegen diesen Abbruchbescheid erhobene Berufung des P.G. wurde mit Bescheid des Gemeindevorstandes der mitbeteiligten Gemeinde vom 10. April 2001 gemäß § 66 AVG mit der Begründung abgewiesen, die beantragte Bewilligung für die Genehmigung des Wohnhauses sei zurückgewiesen worden; dieser Bescheid sei von der Tiroler Landesregierung bestätigt worden, der Abbruch sei somit aufzutragen gewesen.

Die dagegen von P.G. unter anderem mit dem Argument, das Vorliegen einer baurechtlichen Bewilligung sei nur daran gescheitert, dass ein im Jahr 1974 abgeschlossener Tauschvertrag betreffend Grundstücksteilflächen der Grundstücke Nr. Y und A keiner pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung unterzogen worden sei und ein zivilgerichtliches Verfahren vor dem Bezirksgericht S. sei anhängig, erhobene Vorstellung wurde mit Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 7. September 2001 als unbegründet abgewiesen. Zur Begründung wurde (u.a.) ausgeführt, dass das verfahrensgegenständliche Wohnhaus zwar mit Bescheid vom 2. Dezember 1974 baurechtlich genehmigt worden sei, dieser Bescheid sei jedoch infolge der Berufung einer Nachbarin, die als Partei übergangen worden sei, aufgehoben worden. In der Folge sei der Bauantrag auf Genehmigung des Wohnhauses mangels Zustimmung der Grundeigentümer zurückgewiesen worden, welche Entscheidung letztlich mit Bescheid der belangten Behörde vom 18. Dezember 2000 bestätigt worden sei. Die Frage, ob eine nachträgliche Baubewilligung erteilt werden könne, stelle nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes keine Vorfrage im Abbruchverfahren dar. Daher sei auch das Ergebnis eines anhängigen Gerichtsverfahrens zur Klärung der Eigentumsverhältnisse nicht als Vorfrage anzusehen. Im Übrigen sei im vorliegenden Fall ein derartiges Gerichtsverfahren nicht anhängig und es bestehe auch kein Anspruch auf Aussetzung nach § 38 AVG.

2        Die gegen diesen Vorstellungsbescheid erhobene Beschwerde des P.G wies der Verwaltungsgerichtshof mit dem eingangs genannten Erkenntnis vom 19. Dezember 2005, 2002/06/0004, als unbegründet ab; es habe (zusammengefasst) nicht als rechtswidrig angesehen werden können, wenn die Vorstellungsbehörde in der Erteilung des gegenständlichen Abbruchauftrages keine Verletzung von Rechten des P.G. erblickt habe.

3        P.G. verstarb in der Folge im Jahr 2010; eine Vollstreckung des Abbruchauftrages erfolgte nicht. Nach der unbestritten gebliebenen Angabe in der vorliegenden Revision war eine Einantwortung der Verlassenschaft jedenfalls bis zur Revisionserhebung nicht erfolgt.

4        Mit Bescheid des Amtsrevisionswerbers vom 16. Juli 2019 wurde in Spruchpunkt 1. der Verlassenschaft nach P.G. (mitbeteiligte Partei 3, in der Folge: mP 3), in Spruchpunkt 2. der V.F. (mitbeteiligte Partei 1, in der Folge: mP 1) und in Spruchpunkt 3 dem A.G. (mitbeteiligte Partei 2, in der Folge: mP 2) gemäß § 46 Abs. 1 der Tiroler Bauordnung 2018 (in der Folge TBO 2018) aufgetragen, die in den einzelnen Spruchpunkten näher genannten Teile des Wohnhauses binnen näher bezeichneter Frist abzutragen. Begründend wurde hierzu zusammengefasst ausgeführt, gemäß der genannten Gesetzesbestimmung habe die Behörde dem Eigentümer einer baulichen Anlage, die bewilligungspflichtig sei und die ohne die erforderliche Bewilligung errichtet worden sei, deren Beseitigung aufzutragen. Das verfahrensgegenständliche Wohnhaus befinde sich auf 5 verschiedenen Grundstücken der KG S.; aus näheren Gründen (hier wird u.a. auf den Sachverhalt im Zusammenhang mit dem oben bereits erwähnten, im Jahr 1974 errichteten, in der Folge aber pflegschaftsgerichtlich nicht genehmigten Tauschvertrag verwiesen) stünden diese 5 Grundstücke im Eigentum dreier verschiedener (Rechts-) Personen: Eigentümerin des Grundstückes Nr. X sei die mP 1, Eigentümer der Grundstücke Nrn. C und A sei die mP 2, und Eigentümerin der Grundstücke Nrn. D und B sei die mP 3. Die jeweils auf den einzelnen Grundstücken errichteten Teile des Hauses stünden im jeweiligen Eigentum der mP 1, 2 und 3 (Verweis auf OGH 19.10.1978, 7 Ob 642/78). Der Abbruchauftrag vom 8. Mai 2000 sei gegenüber der mP 1 und der mP 2 nicht erlassen worden und habe infolgedessen in deren Rechte nicht eingreifen können. Hinsichtlich der Abbruchverpflichtung der mP 3 liege grundsätzlich Rechtskraft vor und erschöpfe sich die Wirkung des Bescheides vom 16. Juli 2019 in der Aktualisierung der Parzellenbezeichnung und in der Klarstellung, dass aus dem gegen P.G. erlassenen Abbruchauftrag nunmehr die mP 3 verpflichtet sei. Insofern, als mit Bescheid vom 8. Mai 2000 aber dem P.G. auch der Abbruch jener Gebäudeteile aufgetragen worden sei, die im Eigentum der mP 1 und der mP 2 stünden, gehe der genannte Abbruchauftrag vom 8. Mai 2000 ins Leere.

5        Aufgrund einer in der Folge von der mP 1 erhobenen, ausdrücklich nur gegen Spruchpunkt 2 des Bescheides vom 16. Juli 2019 gerichteten Beschwerde hob das Landesverwaltungsgericht Tirol (in der Folge: LVwG) den genannten Bescheid mit dem angefochtenen Erkenntnis ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung zur Gänze ersatzlos auf (Spruchpunkt 1.) und erklärte eine ordentliche Revision gegen dieses Erkenntnis gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig (Spruchpunkt 2.).

6        Begründend führte es hierzu nach Darstellung des Sachverhaltes zusammengefasst aus, der Bescheid des Amtsrevisionswerbers vom 16. Juli 2019 trage die Entfernung des gleichen Wohnhauses auf wie der Bescheid vom 8. Mai 2000. Die Sach- und Rechtslage hätten sich „zwischen der Ersterlassung und der Zweiterlassung“ des Entfernungsauftrages nicht geändert. Dem Bescheid vom 8. Mai 2000 sei eine Zurückweisung des Baugesuches vom 10. Dezember 1974 zugrunde gelegen. „Die Eigentumssituation“ sei „nach wie vor mit einem einzigen Unterschied verändert (gemeint wohl: unverändert), als mittlerweile der damalige Bauwerber P[...] G[...] verstorben ist und an dessen Stelle die Verlassenschaft nach ihm eingetreten ist“. Es liege Identität der Sache und auch der Rechtslage vor (wird näher ausgeführt). Auch wenn die Behörde von der Bestimmung des § 46 Abs. 8 TBO ausgegangen wäre „und in der Bebauung des Grundstückes der Beschwerdeführerin ein Superädifikat gesehen“ hätte, würde es keine Rechtfertigung für den nunmehrigen Bescheid geben, da gemäß § 46 Abs. 8 2. Satz TBO 2018 die Behörde nur dann den Eigentümer eines betroffenen Grundstückes im Fall eines Superädifikates zur Entfernung heranziehen könne, wenn der Superädifikatsberechtigte nicht oder nur mit einem unverhältnismäßigen Aufwand festgestellt werden könne. Dies sei gegenständlich nicht gegeben, da „aufgrund der Aktenlage eindeutig“ sei, „wer das Gebäude tatsächlich zum damaligen Zeitpunkt errichtet hat“. Aufgrund der Identität der Sach- und Rechtslage hätte die belangte Behörde „den nunmehr bekämpften Bescheid“ nicht erneut erlassen dürfen, sodass der Beschwerde Berechtigung zugekommen sei. Daraus folgend, „durch Vorliegen einer entschiedenen Sache“, sei unter Zugrundelegung des Grundsatzes ne bis in idem der Bescheid vom 16. Juli 2019 ersatzlos zu beheben gewesen.

7        Dagegen richtet sich die vorliegende Amtsrevision.

8        Die mP 1 erstattete im vom Verwaltungsgerichtshof durchgeführten Vorverfahren eine Revisionsbeantwortung, in der sie den Antrag stellte, die Revision kostenpflichtig als unzulässig zurück-, in eventu als unbegründet abzuweisen. Die weitere Partei Tiroler Landesregierung erstattete ebenfalls eine Revisionsbeantwortung.

9        Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

10       In der Amtsrevision wird zu deren Zulässigkeit (unter anderem) ein Abweichen von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Identität der Sache vorgebracht.

11       Die Revision ist aus dem genannten Grund zulässig und auch begründet.

12       Gemäß § 46 Abs. 1 TBO 2018 in der hier noch anzuwendenden Stammfassung LGBl. Nr. 28/2018 (die im Übrigen aber auch durch die nunmehr in Geltung stehende Fassung LGBl. Nr. 114/2021 keine Änderung erfahren hat) hat die Behörde, wenn eine bewilligungspflichtige oder anzeigepflichtige bauliche Anlage ohne die erforderliche Baubewilligung bzw. Bauanzeige errichtet wurde, dem Eigentümer der baulichen Anlage deren Beseitigung und erforderlichenfalls die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes des Bauplatzes aufzutragen.

13       Dass für das verfahrensgegenständliche Wohnhaus die erforderliche baubehördliche Bewilligung nicht vorliegt, ist unstrittig.

14       Der Amtsrevisionswerber bringt in der Revision unter anderem vor, mit Bescheid vom 8. Mai 2000 sei nur darüber entschieden worden, ob den P.G. eine bestimmte Verpflichtung getroffen habe; über die Frage, ob die mP 1 zu verpflichten sei, sei mit Bescheid vom 16. Juli 2019 erstmals entschieden worden. Die Rechtswirkungen eines Bescheides würden nur für Personen eintreten, an die der Bescheid erlassen worden sei und eine Bindungswirkung sei nur dann anzunehmen, wenn eine Identität sowohl der Parteien als auch des rechtserzeugenden Sachverhaltes bestehe (wird näher ausgeführt). Mit dem angefochtenen Erkenntnis habe das LVwG diese Personenbezogenheit von Bescheiden außer Acht gelassen.

15       Wie ausgeführt, ist nach der eindeutigen Rechtslage nach § 46 Abs. 1 TBO 2018 ein Auftrag zur Beseitigung von konsenslosen Baulichkeiten dem Eigentümer der Baulichkeit zu erteilen, und zwar unabhängig davon, wer die Herstellung vorgenommen hat. Anders nämlich als etwa in den §§ 38, 42, oder 44 TBO 2018, die bei Vorliegen der dort genannten Voraussetzungen jeweils Rechtsgrundlagen für die Erlassung von baupolizeilichen Aufträgen an den jeweiligen Bauherrn bilden, wird in § 46 Abs. 1 entgegen der offensichtlichen Ansicht des LVwG nicht auf die Bauherreneigenschaft, sondern ausschließlich auf die Frage des Eigentums an der betreffenden baulichen Anlage abgestellt.

16       Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu Bauaufträgen, die an den Eigentümer eines Bauwerks zu richten sind, ist die Feststellung der Eigentumsverhältnisse eine bei Erlassung dieses Bauauftrages zu beachtende zivilrechtliche Vorfrage (vgl. etwa VwGH 14.9.2021, Ra 2017/06/0025, 5.11.2015, 2013/06/0244, 15.12.2009, 2007/05/0057 oder auch 10.9.2008, 2007/05/0206, jeweils mwN).

17       Fallbezogen hat sich der Amtsrevisionswerber - in Übereinstimmung mit der genannten Rechtsprechung - im Bescheid vom 16. Juli 2019 mit näherer Begründung damit auseinandergesetzt, aus welchen Gründen er von einer (Mit)Eigentümerschaft der mP 1, der mP 2 und der mP 3 an dem in Rede stehenden Wohnhaus ausging (und ein Abbruchauftrag daher an alle drei mitbeteiligten Parteien zu ergehen habe); aufgrund der Beschwerde der mP 1 gegen Spruchpunkt 2 dieses Bescheides hob das LVwG den genannten Bescheid mit dem angefochtenen Erkenntnis ersatzlos auf, dies offenbar unter Zugrundelegung der (jedenfalls unter Berücksichtigung der nunmehr jeweils eingeschränkten Bauauftrages) falschen Rechtsansicht, es liege Identität der Sache vor, da für das Wohnhaus bereits einmal ein Abbruchauftrag (nämlich jener vom 8. Mai 2000) erteilt worden sei, bzw. es komme (nur) darauf an, wer das Gebäude errichtet habe.

18       Keine substantiierten Feststellungen traf das LVwG dabei jedoch zur der hier allein maßgeblichen Frage des (Mit)Eigentums am Wohnhaus; über die - nicht näher begründete - Ausführung hinaus, die Eigentumssituation sei nach wie vor mit dem einzigen Unterschied (un)verändert, dass P.G. mittlerweile verstorben sei und an dessen Stelle seine Verlassenschaft eingetreten sei (was keinen Aufschluss darüber gibt, ob bei Erlassung des Bauauftrages vom 8. Mai 2000 P.G. der alleinige Eigentümer des Hauses war), enthält das angefochtene Erkenntnis keine Ausführungen dazu, aus welchem Grund die Annahme des Amtsrevisionswerbers hinsichtlich der Eigentumsverhältnisse am Haus im Bescheid vom 16. Juli 2019 unzutreffend sein sollte.

19       Nur der Vollständigkeit halber ist in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, dass gegenständlich auch nicht - wie vom LVwG möglicherweise fälschlich angenommen - ein Fall von Unwiederholbarkeit des Abbruchauftrages aufgrund einer dinglichen Wirkung des Bauauftrages vom 8. Mai 2000 vorliegt; abgesehen davon, dass gemäß § 64 TBO 2018 Rechte und Pflichten, die sich aus Entscheidungen nach diesem Gesetz (mit Ausnahme von Entscheidungen in Verwaltungsstrafsachen) ergeben, auf dem Grundstück haften und auf den Rechtsnachfolger im Grundeigentum oder Baurecht übergehen (vgl. zur vergleichbaren Vorgängerbestimmung des § 53 TBO 2001 etwa VwGH 23.6.2010, 2006/06/0287), geht es im gegenständlichen Fall, der nur über eine Beschwerde der mP 1 gegen Spruchpunkt 2 des Bescheides vom 16. Juli 2019 an das LVwG herangetragen wurde, nicht um die Frage einer Rechtsnachfolge, sondern um eine beabsichtigte Ergänzung des baupolizeilichen Auftrages vom 8. Mai 2000 insofern, als die Baubehörde bei Erlassung des Bescheides vom 16. Juli 2019 aufgrund näherer zivilrechtlicher Überlegungen davon ausging, nicht P.G. allein sei (von vorneherein) Eigentümer des Wohnhauses gewesen, sondern auch die mP 1 und die mP 2. Ob ein neuerlicher und eingeschränkter Bauauftrag in Anbetracht dessen auch an die mP 3 (nämlich die Verlassenschaft nach P.G.) ergehen durfte, kann im vorliegenden Verfahren dahingestellt bleiben.

20       Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes können Bauaufträge an einzelne (Mit)Eigentümer auch in getrennten Bescheiden und damit unabhängig voneinander ergehen; ein Bauauftrag ist nicht rechtswidrig, wenn nicht sämtliche Miteigentümer des Bauwerks dem Bauauftragsverfahren beigezogen worden sind (vgl. etwa VwGH 26.2.2020, Fr 2019/05/0024, 2.8.2018, Ra 2017/05/0007, 23.7.2013, 2013/05/0012, oder auch 13.11.2012, 2011/05/0093, jeweils mwN). Die Frage, ob P.G. Alleineigentümer am Haus war, wurde im vorangegangenen Bauauftragsverfahren, welches im Bescheid vom 8. Mai 2000 mündete, nicht abschließend erörtert (vgl. hierzu sinngemäß VwGH 20.4.2001, 99/05/0229).

21       Aus dem Gesagten folgt, dass der Amtsrevisionswerber gegenständlich insofern im Recht ist, als hinsichtlich des Bescheides vom 8. Mai 2000 betreffend die mP 1 keine Identität der Sache vorliegt, weil es hier nicht darauf ankommt, dass ein Bauauftrag für das Wohnhaus bereits erteilt wurde, sondern darauf, ob der Bauauftrag an alle in Frage kommenden (Mit)Eigentümer erteilt wurde, was wie dargestellt eine Auseinandersetzung mit der zivilrechtlichen Vorfrage der Eigentumsverhältnisse am Haus voraussetzt.

22       Ausgehend von seiner offenkundig falschen Rechtsansicht hat das LVwG diese Frage im angefochtenen Erkenntnis aber unerörtert gelassen; ebenso enthält das angefochtene Erkenntnis keine Begründung dafür, aus welchem Grund aufgrund einer Beschwerde der mP 1 allein gegen Spruchpunkt 2 des Bescheides vom 16. Juli 2019 der gesamte Bescheid aufzuheben sei.

23       Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

24       Gemäß § 47 Abs. 4 VwGG hat die revisionswerbende Partei (unter anderem) in dem hier vorliegenden Fall einer Amtsrevision gemäß Art 133 Abs. 6 Z 2 B-VG keinen Anspruch auf Aufwandersatz. Der Antrag des Amtsrevisionswerbers, der Verwaltungsgerichtshof möge ihm Aufwandersatz zuerkennen, war daher abzuweisen (vgl. etwa VwGH 14.4.2016, Ra 2015/06/0096).

Wien, am 28. April 2022

Schlagworte

Baupolizei Baupolizeiliche Aufträge Baustrafrecht Kosten Konsenslosigkeit und Konsenswidrigkeit unbefugtes Bauen BauRallg9/2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2022:RA2019060258.L00

Im RIS seit

03.06.2022

Zuletzt aktualisiert am

21.06.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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