Index
001 Verwaltungsrecht allgemeinNorm
B-VG Art133 Abs4Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel, den Hofrat Dr. Doblinger sowie die Hofrätin Dr. Koprivnikar als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Dr. Hotz, über die außerordentliche Revision der A AG in B, vertreten durch die CMS Reich-Rohrwig Hainz Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Gauermanngasse 2, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom 10. Jänner 2022, VGW-109/007/6833/2021-9, betreffend Vergütungsanspruch gemäß § 32 EpiG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Magistrat der Stadt Wien), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 1.1. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 11. Februar 2021 wurde der Antrag der revisionswerbenden Partei auf Zuerkennung einer Vergütung gemäß § 32 Epidemiegesetz 1950 (EpiG) für das einem näher bezeichneten Dienstnehmer für den Zeitraum vom 29. September bis 2. Oktober 2020 fortbezahlte Entgelt abgewiesen.
2 1.2. Begründend führte die belangte Behörde aus, dass in dem angeführten Zeitraum keine der in § 32 Abs. 1 EpiG aufgezählten behördlichen Maßnahmen angeordnet worden sei, aus der ein entsprechender Anspruch auf Vergütung des Verdienstentganges abzuleiten wäre. Der Dienstnehmer sei „Kontaktperson“ gewesen. Eine behördliche (Absonderungs-)Maßnahme nach §§ 7 und 17 EpiG sei jedoch nicht verfügt worden, weshalb die Voraussetzungen für die Vergütung des Verdienstentganges nicht vorlägen.
3 2.1. Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien (Verwaltungsgericht) wurde die von der revisionswerbenden Partei erhobene Beschwerde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet abgewiesen und ausgesprochen, dass gegen diese Entscheidung eine Revision nicht zulässig sei.
4 2.2. Zur Begründung seiner Entscheidung führte das Verwaltungsgericht zunächst aus, bei dem betroffenen Dienstnehmer handle es sich um einen in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis stehende Person (§ 17 Poststrukturgesetz - PTSG). Eine Nichte des Dienstnehmers sei ein Verdachtsfall im Hinblick auf eine Infektion mit dem Corona-Virus gewesen und der Dienstnehmer Kontaktperson, weshalb sich dieser auf Anordnung der „Gesundheitshotline 1450“ habe testen lassen. Ein Mitarbeiter der Teststraße habe ihm mitgeteilt, dass er sich bis zum Vorliegen des Testergebnisses in Quarantäne begeben solle.
5 Da der Dienstnehmer in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis stehe und es während des Zeitraumes der Absonderung aufgrund gehaltsrechtlicher Bestimmungen zu keinem Verdienstentgang komme, ergäben sich für den Beamten keine besoldungsrechtlichen Nachteile, weshalb es keinen Anspruch gemäß § 32 EpiG gebe. Weiters werde ergänzend angemerkt, dass hinsichtlich des Mitarbeiters der revisionswerbenden Partei kein Absonderungsbescheid oder ein Akt unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt im Sinne des § 7 oder § 17 EpiG erlassen worden sei. § 3b EpiG idF BGBl. I Nr. 23/2021 sei erst am 21. Jänner 2021 in Kraft getreten. Auch aus diesem Grund gebe es keinen Anspruch der revisionswerbenden Partei gemäß § 32 EpiG.
6 3. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.
7 4.1. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
8 Bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist der Verwaltungsgerichtshof an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nach § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a VwGG). Er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
9 4.2. Die revisionswerbende Partei bringt zur Zulässigkeit der Revision einerseits vor, es liege keine Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu der Frage vor, ob für öffentlich-rechtliche Bedienstete ein Vergütungsanspruch gemäß § 32 EpiG bestehe. Dies sei aus näheren Gründen der Fall, weshalb die Entscheidung des Verwaltungsgerichtes rechtswidrig sei. Andererseits sei die von einem Mitarbeiter der Teststraße erfolgte Anordnung der Heimquarantäne aus näher dargestellten Gründen als Akt unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt zu qualifizieren, was das Verwaltungsgericht verkannt habe. Im Übrigen sei das Verwaltungsgericht seiner Verpflichtung zur Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht nachgekommen, weshalb das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweiche.
10 4.3. Mit diesem Vorbringen wird keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung aufgezeigt:
11 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist im Zeitpunkt seiner Entscheidung zu beurteilen, ob eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vorliegt. Wurde die zu lösende Rechtsfrage daher in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes - auch nach Entscheidung des Verwaltungsgerichts oder selbst nach Einbringung der Revision - bereits geklärt, ist eine Revision wegen fehlender Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht (mehr) zulässig (vgl. VwGH 18.5.2021, Ra 2021/09/0125, mwN).
12 Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Beschluss vom 21. März 2022, Ra 2021/09/0235, auf dessen Begründung gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz iVm Abs. 9 VwGG verwiesen wird, ausgeführt, dass ein Arbeitgeber zwar auch für einen öffentlich-rechtlichen Bediensteten einen Anspruch auf Vergütung gemäß § 32 EpiG geltend machen kann, sofern bei diesem Bediensteten ein Verdienstentgang eingetreten ist. Da die revisionswerbende Partei jedoch nicht als Dienstgeberin der beim Bund beschäftigten und ihr nur zur Dienstleistung zugewiesenen öffentlich-rechtlichen Bediensteten zu qualifizieren ist, steht ihr für solche Mitarbeiter aber kein Vergütungsanspruch gemäß § 32 EpiG zu.
13 Da das Verwaltungsgericht in seinem Erkenntnis von dieser Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht abgewichen ist und somit eine tragfähige Begründung aufweist, stellt sich schon deshalb keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung, sodass auf das weitere Vorbringen der revisionswerbenden Partei zum behaupteten Vorliegen eines Aktes verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und damit im Zusammenhang behaupteter Verfahrensmängel nicht weiter einzugehen war (vgl. z.B. VwGH 4.3.2019, Ra 2018/14/0358, mwN). Hinsichtlich des Vorbringens, dass keine mündliche Verhandlung durchgeführt worden sei, ist darauf hinzuweisen, dass das Verwaltungsgericht nach dem im Akt liegenden Verhandlungsprotokoll eine mündliche Verhandlung durchgeführt hat, zu der die revisionswerbende Partei nach dem Rückschein geladen wurde. Ein Zustellmangel wird nicht behauptet.
14 5. Die Revision war daher ohne weiteres Verfahren gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
15 6. Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 VwGG abgesehen werden.
Wien, am 29. April 2022
Schlagworte
Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022090032.L00Im RIS seit
03.06.2022Zuletzt aktualisiert am
15.06.2022