TE Vwgh Beschluss 2022/4/29 Ra 2022/09/0031

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Veröffentlicht am 29.04.2022
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
82/02 Gesundheitsrecht allgemein
91/02 Post

Norm

B-VG Art133 Abs4
EpidemieG 1950 §32
PTSG 1996 §17 Abs1
PTSG 1996 §17 Abs6
PTSG 1996 §17 Abs6a Z1
VwGG §34 Abs1
VwRallg

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel, den Hofrat Dr. Doblinger sowie die Hofrätin Dr. Koprivnikar als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Dr. Hotz, über die außerordentliche Revision der A AG in B, vertreten durch die CMS Reich-Rohrwig Hainz Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Gauermanngasse 2, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom 5. Jänner 2022, VGW-109/007/5697/2021-8, betreffend Ansprüche nach dem Epidemiegesetz 1950 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Magistrat der Stadt Wien), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        1.1. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 25. Jänner 2021 wurde der Antrag der revisionswerbenden Partei auf Zuerkennung einer Vergütung gemäß § 32 Epidemiegesetz 1950 (EpiG) für das einem näher bezeichneten Dienstnehmer für den Zeitraum vom 28. September bis 2. Oktober 2020 fortbezahlte Entgelt abgewiesen.

2        1.2. Begründend führte die belangte Behörde aus, dass in dem angeführten Zeitraum keine der in § 32 Abs. 1 EpiG aufgezählten behördlichen Maßnahmen angeordnet worden sei, aus der ein entsprechender Anspruch auf Vergütung des Verdienstentganges abzuleiten wäre. Es sei vielmehr beim Sohn des Dienstnehmers der Verdacht einer Covid-19-Erkrankung vorgelegen und hätte die „Hotline 1450“ mündlich angeordnet, dass die Familienangehörigen bis zum Vorliegen des Testergebnisses zu Hause bleiben müssten. Eine behördliche (Absonderungs-)Maßnahme nach §§ 7 und 17 EpiG sei jedoch nicht verfügt worden, weshalb die Voraussetzungen für die Vergütung des Verdienstentganges nicht vorlägen.

3        2.1. Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien (Verwaltungsgericht) wurde die von der revisionswerbenden Partei erhobene Beschwerde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet abgewiesen und ausgesprochen, dass gegen diese Entscheidung eine Revision nicht zulässig sei.

4        2.2. Zur Begründung seiner Entscheidung führte das Verwaltungsgericht zunächst aus, bei dem betroffenen Dienstnehmer handle es sich um einen in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis stehende Person (§ 17 Poststrukturgesetz - PTSG).Der Sohn des Dienstnehmers habe im September 2020 Fieber, Halsweh und Husten gehabt und sei der Lebensgefährtin des Arbeitnehmers bei ihrem Anruf bei der „Gesundheitshotline 1450“ mitgeteilt worden, dass der Sohn und die restliche Familie zu Hause bleiben solle. Ein angekündigter Corona-Test habe nicht stattgefunden, nach einem nochmaligen Anruf sei eine Drive-in-Teststraße aufgesucht worden; das Testergebnis des Sohnes sei negativ gewesen. Weder eine Testung des Dienstnehmers noch seine behördliche Absonderung sei erfolgt.

5        Da der Dienstnehmer in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis stehe und es während des Zeitraumes der Absonderung aufgrund gehaltsrechtlicher Bestimmungen zu keinem Verdienstentgang komme, ergäben sich für den Beamten keine besoldungsrechtlichen Nachteile, weshalb es keinen Anspruch gemäß § 32 EpiG gebe. Der „Vollständigkeit halber“ werde ergänzend angemerkt, dass hinsichtlich des Mitarbeiters der revisionswerbenden Partei kein Absonderungsbescheid oder ein Akt unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt im Sinne des § 7 oder § 17 EpiG erlassen worden sei. § 3b EpiG idF BGBl. I Nr. 23/2021 sei erst am 21. Jänner 2021 in Kraft getreten. Auch aus diesem Grund gebe es keinen Anspruch der revisionswerbenden Partei gemäß § 32 EpiG.

6        3. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

7        4.1. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

8        Bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist der Verwaltungsgerichtshof an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nach § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a VwGG). Er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

9        4.2. Die revisionswerbende Partei bringt zur Zulässigkeit der Revision einerseits vor, es liege keine Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu der Frage vor, ob für öffentlich-rechtliche Bedienstete ein Vergütungsanspruch gemäß § 32 EpiG bestehe. Dies sei aus näheren Gründen der Fall, weshalb die Entscheidung des Verwaltungsgerichtes rechtswidrig sei. Andererseits sei die telefonisch erfolgte Anordnung der Heimquarantäne aus näher dargestellten Gründen als Akt unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt zu qualifizieren, was das Verwaltungsgericht verkannt habe.

10       4.3. Mit diesem Vorbringen wird keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung aufgezeigt:

11       Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist im Zeitpunkt seiner Entscheidung zu beurteilen, ob eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vorliegt. Wurde die zu lösende Rechtsfrage daher in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes - auch nach Entscheidung des Verwaltungsgerichts oder selbst nach Einbringung der Revision - bereits geklärt, ist eine Revision wegen fehlender Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht (mehr) zulässig (vgl. VwGH 18.5.2021, Ra 2021/09/0125, mwN).

12       Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Beschluss vom 21. März 2022, Ra 2021/09/0235, auf dessen Begründung gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz iVm Abs. 9 VwGG verwiesen wird, ausgeführt, dass ein Arbeitgeber zwar auch für einen öffentlich-rechtlichen Bediensteten einen Anspruch auf Vergütung gemäß § 32 EpiG geltend machen kann, sofern bei diesem Bediensteten ein Verdienstentgang eingetreten ist. Da die revisionswerbende Partei jedoch nicht als Dienstgeberin der beim Bund beschäftigten und ihr nur zur Dienstleistung zugewiesenen öffentlich-rechtlichen Bediensteten zu qualifizieren ist, steht ihr für solche Mitarbeiter kein Vergütungsanspruch gemäß § 32 EpiG zu.

13       Da das Verwaltungsgericht in seinem Erkenntnis von dieser Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht abgewichen ist, stellt sich schon deshalb keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung.

14       Lediglich der Vollständigkeit halber wird darauf hingewiesen, dass auch zur Frage, ob Telefonate mit der Hotline 1450 als Akte unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt zu qualifizieren sind, die einen Vergütungsanspruch nach § 32 EpiG begründen können, ebenfalls bereits Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vorliegt (vgl. die revisionswerbende Partei betreffend näher: VwGH 21.3.2022, Ra 2022/09/0002). Ein Abweichen des Verwaltungsgerichtes von dieser Rechtsprechung ist nicht ersichtlich.

15       5. In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

16       6. Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 VwGG abgesehen werden.

Wien, am 29. April 2022

Schlagworte

Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022090031.L00

Im RIS seit

03.06.2022

Zuletzt aktualisiert am

15.06.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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