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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
B-VG Art133 Abs4Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Enzenhofer und die Hofräte Dr. Fasching und Mag. Brandl als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Kienesberger, über die Revision des L P in W, vertreten durch die Metzler & Partner Rechtsanwälte GmbH in 4020 Linz, Landstraße 49, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom 15. Februar 2022, Zl. LVwG-780185/21/KLi, betreffend Maßnahmenbeschwerde in einer Angelegenheit nach § 82 Sicherheitspolizeigesetz (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landespolizeidirektion Oberösterreich), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde über die Maßnahmenbeschwerde des Revisionswerbers wegen der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt wie folgt entschieden:
„I. Die Beschwerde wird hinsichtlich ... der durch ein Exekutivorgan am 17. Juli 2021 um 05:44 Uhr ... erfolgten Festnahme durch Anlegen von Handschellen am Rücken und ... der Verbringung mit dem Arrestantenwagen in das Polizeianhaltezentrum Linz ..., wo er bis 06:13 Uhr festgehalten wurde, als unbegründet abgewiesen.
II. Die Beschwerde wird hinsichtlich ... dem Begehren, die von einem Exekutivorgan im Zuge der Festnahme um 05:44 Uhr zugefügte Körperverletzung für rechtswidrig zu erklären, als unzulässig zurückgewiesen.“
Weiters wurde der Revisionswerber zu näher bezeichnetem Kostenersatz verpflichtet (III.) und eine Revision für nicht zulässig erklärt (IV.).
2 Begründend führte das Verwaltungsgericht aus, der Revisionswerber habe sein aggressives Verhalten den einschreitenden Beamten gegenüber trotz erfolgter Abmahnung nicht eingestellt und hiedurch eine Verwaltungsübertretung nach § 82 Abs. 1 Sicherheitspolizeigesetz (SPG) begangen. Die Voraussetzungen für die Festnahme nach § 35 Z 1 und 3 Verwaltungsstrafgesetz (VStG) seien vorgelegen. Die Handfesseln seien dem Revisionswerber angelegt worden, weil er wild gestikuliert und um sich geschlagen habe; aufgrund der physischen Gegenwehr sei die Fesselung auf dem Rücken schon zur Eigensicherung der Beamten als notwendig bzw. nicht unverhältnismäßig zu beurteilen gewesen. Sowohl die Fesselung (nach 23 Minuten) als auch die Anhaltung (nach 29 Minuten) seien beendet worden, nachdem sich der Revisionswerber im Polizeianhaltezentrum „beruhigt“ habe. Das Begehren, die von einem Exekutivorgan im Zuge der Festnahme dem Revisionswerber zugefügte „Körperverletzung“ für rechtswidrig zu erklären, sei zurückzuweisen gewesen, weil die diesbezügliche Beurteilung „primär“ in die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichtsbarkeit falle.
3 Dagegen richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.
4 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
5 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
6 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
7 In der gesonderten Zulassungsbegründung ist konkret darzulegen, in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht und konkret welche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof uneinheitlich oder noch gar nicht beantwortet hat. Lediglich pauschale Behauptungen erfüllen diese Voraussetzungen nicht (vgl. für viele VwGH 15.9.2021, Ra 2021/01/0210, mwN).
8 Dem Gebot der gesonderten Darstellung der Gründe nach § 28 Abs. 3 VwGG wird insbesondere dann nicht entsprochen, wenn die zur Zulässigkeit der Revision erstatteten Ausführungen der Sache nach Revisionsgründe (§ 28 Abs. 1 Z 5 VwGG) darstellen oder das Vorbringen zur Begründung der Zulässigkeit der Revision mit Ausführungen, die inhaltlich (bloß) Revisionsgründe darstellen, in einer Weise vermengt ist, dass keine gesonderte Darstellung der Zulässigkeitsgründe im Sinne der Anordnung des § 28 Abs. 3 VwGG vorliegt (vgl. etwa VwGH 24.3.2021, Ra 2021/01/0086, mwN).
9 Der Verwaltungsgerichtshof hat auch bereits wiederholt ausgesprochen, dass dem Erfordernis der gesonderten Darlegung von in § 28 Abs. 3 VwGG geforderten Gründen, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichts die Revision für zulässig erachtet wird, nicht entsprochen wird, wenn eine außerordentliche Revision die Ausführungen zur Begründetheit der Revision wortident auch als Ausführungen zur Zulässigkeit der Revision enthält (vgl. etwa VwGH 21.3.2022, Ra 2022/01/0065, mwN).
10 Diesen Anforderungen entspricht die vorliegende Revision, die unter Pkt. 2 („Zulässigkeit der Revision“) - abgesehen von lediglich pauschalem Zulässigkeitsvorbringen - ausschließlich fallbezogene, der Sache nach Revisionsgründe darstellende, Ausführungen enthält, die unter Pkt. 4 als „Begründung“ im Wesentlichen wortident wiederholt werden, nicht.
11 In Bezug auf Spruchpunkt I. des angefochtenen Erkenntnisses zeigt die Revision nicht auf, dass das Verwaltungsgericht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu den Voraussetzungen der Festnahme einer Person gemäß § 35 VStG (vgl. etwa VwGH 13.10.2015, Ra 2015/01/0154, mwN) oder von den Leitlinien der Rechtsprechung zur Rechtmäßigkeit der Anlegung von Handfesseln (vgl. VwGH 20.12.2016, Ra 2015/01/0033; 9.2.2021, Ra 2021/01/0023, zur „Fesselung am Rücken“ bei einem vergleichbaren Sachverhalt) abgewichen wäre.
12 Gegen die mit Spruchpunkt II. des angefochtenen Erkenntnisses erfolgte Beschwerdezurückweisung bringt die Revision nichts vor.
13 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 6. Mai 2022
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022010127.L00Im RIS seit
03.06.2022Zuletzt aktualisiert am
27.06.2022