Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Grohmann als Vorsitzende und den Senatspräsidenten Dr. Musger sowie die Hofräte Dr. Nowotny, MMag. Sloboda und Dr. Kikinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. Dr. W*, vertreten durch Pfletschinger Renzl Rechtsanwaltspartnerschaft in Wien, gegen die beklagte Partei Mag. E*, vertreten durch Mag. Dr. Ralf Heinrich Höfer, Rechtsanwalt in Wien, wegen 214.114,51 EUR sA und Rechnungslegung (Streitwert 50.000 EUR), über die Revision der beklagten Partei (Revisionsinteresse 131.423,61 EUR) gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 19. November 2021, GZ 16 R 148/21h-59, mit welchem das Teilurteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 25. Juli 2021, GZ 6 Cg 26/19s-55, bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 2.454,48 EUR bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung (darin 409,08 EUR Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung:
[1] Die Beklagte ist Erbin des 2016 verstorbenen Erblassers. Der Kläger ist ein Sohn aus dessen erster Ehe und macht gegen sie den Pflichtteil geltend. In den Nachlass fielen insbesondere zwei Eigentumswohnungen, an denen der Erblasser der Beklagten ein bücherliches Wohnungsgebrauchsrecht eingeräumt hatte. Das Berufungsgericht nahm an, dass dieses Recht zwar nach der Entscheidung 3 Ob 587/87 die Bemessungsgrundlage für den Nachlasspflichtteil mindere, dessen Einräumung aber nach § 785 Abs 1 ABGB idF vor dem ErbRÄG 2015 als Schenkung in Anschlag zu bringen sei. Die Revision ließ es wegen Fehlens von Rechtsprechung zu dieser Frage zu.
Rechtliche Beurteilung
[2] Die Revision der Beklagten ist ungeachtet dieses Ausspruchs nicht zulässig.
[3] 1. Die Revision ist trotz Zulassung durch das Gericht zweiter Instanz zurückzuweisen, wenn sie nur solche Gründe geltend macht, deren Erledigung nicht von der Lösung erheblicher Rechtsfragen abhängt (RS0102059; RS0048272 [T1]).
[4] 2. Im vorliegenden Fall wendet sich die Revision nicht gegen die Auffassung des Berufungsgerichts, dass auch die Einräumung eines beschränkten dinglichen Rechts, die den Wert der Sache über den Tod des Erblassers hinaus vermindert, als Schenkung angesehen werden kann. Vielmehr macht sie (erkennbar) einen sekundären Feststellungsmangel zur Schenkungsabsicht des Erblassers geltend. Allerdings konnte nach der Rechtsprechung zu § 785 ABGB idF vor dem ErbRÄG 2015 ein krasses Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung – und damit umso mehr das Fehlen einer Gegenleistung – Schenkungsabsicht indizieren (RS0012959 [T8]; vgl zum neuen Recht RS0133551). Ob auf dieser Grundlage eine pflichtteilsrelevante Schenkung anzunehmen ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab und begründet daher nur dann eine Rechtsfrage erheblicher Bedeutung, wenn eine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung vorliegt.
[5] 3. Im vorliegenden Fall ist die Annahme einer Schenkung nicht zu beanstanden: Nach den Feststellungen des Erstgerichts hat der Erblasser der Beklagten das Wohnungsgebrauchsrecht eingeräumt, um den Pflichtteil des Klägers zu vermindern. Die Schenkung einer weiteren Liegenschaft sollte dazu dienen, der Beklagten die Zahlung des so geminderten Pflichtteils zu ermöglichen. Auf dieser Grundlage ist es trotz fehlender (ausdrücklicher) Feststellung von Schenkungsabsicht unbedenklich, die ohne Gegenleistung erfolgte Einräumung des Wohnrechts als unentgeltliche Zuwendung iSv § 785 Abs 1 ABGB aF anzusehen.
Textnummer
E134960European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2022:0020OB00027.22T.0426.000Im RIS seit
03.06.2022Zuletzt aktualisiert am
03.06.2022