TE OGH 2022/4/27 9Ob23/22f

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Veröffentlicht am 27.04.2022
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Fichtenau als Vorsitzende, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Ziegelbauer, Hon.-Prof. Dr. Dehn, Dr. Hargassner und Mag. Korn in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. C* G*, vertreten durch Dr. Andrea Wukovits Rechtsanwältin GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei Dr. F* G*, vertreten durch Dr. Helene Klaar und Dr. Norbert Marschall, Rechtsanwälte OG in Wien, wegen Ehescheidung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 19. Jänner 2022, GZ 44 R 393/21a-65, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision der beklagten Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

[1]            Die Vorinstanzen haben die am * 1991 geschlossene Ehe der Streitteile aus dem Alleinverschulden des beklagten Ehemannes der Klägerin geschieden.

[2]            Dagegen zeigt der Beklagte, der den Ausspruch des überwiegenden Verschuldens der Klägerin an der Zerrüttung der Ehe, allenfalls einen gleichteiligen Verschuldensausspruch anstrebt, keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO auf.

[3]            1. Die Frage, ob schwere Eheverfehlungen gesetzt wurden, ist unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Berücksichtigung des Wesens der Ehe zu beantworten (RS0056369 [T2]). Sie begründet daher – von Fällen grober Fehlbeurteilung abgesehen – keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO (RS0044188 [T12]; RS0119414 [T2]).

[4]            2. Die Vorinstanzen haben eine schwere Eheverfehlung des Beklagten in seinen – näher festgestellten – fortlaufenden Kontakten zu A*, der Mutter seines im Jahr 2011 geborenen außerehelichen Kindes, sowohl vor als auch nach 12. 10. 2019 gesehen. Soweit der Beklagte meint, es stelle keine Eheverfehlung dar, wenn er seine außereheliche Tochter im Krankheitsfall oder während Dienstreisen ihrer Mutter in deren Haushalt betreut habe, zumal ihm die Klägerin den Aufenthalt seiner Tochter in der Ehewohnung, im Landhaus und im Haus seiner Familie verboten habe, geht die Rechtsrüge nicht von den Feststellungen zu den Übernachtungen des Beklagten bei A* aus, deren Gründe nicht alleine in der Unterstützung der Mutter lagen. Die Rechtsauffassung der Vorinstanzen, der Beklagte habe durch dieses Verhalten zumindest den Anschein einer ehewidrigen Beziehung begründet, die Klägerin aber nicht über alle Umstände seiner Beziehung zu A* aufgeklärt und daher eine schwere Eheverfehlung begangen, hält sich im Rahmen der oberstgerichtlichen Rechtsprechung (vgl RS0056600 [T1]). Die in der Zulassungsbegründung der außerordentlichen Revision als erheblich bezeichnete Rechtsfrage zum Zerrüttungszeitpunkt, den das Berufungsgericht vertretbar aufgrund der konkreten Umstände des Falls (vgl RS0056832 [T5]; RS0043423 [T8] jedenfalls nicht bereits mit 12. 10. 2019 angenommen hat, ist daher aufgrund der schweren, vom Beklagten schon vor dem 12. 10. 2019 begangenen Eheverfehlungen nicht ausschlaggebend. Der Ehebruch aus dem Jahr 2010 wird dem Beklagten ohnedies nicht als Eheverfehlung angelastet.

[5]            3. Aber auch die übereinstimmende Beurteilung der Vorinstanzen, die Klägerin habe keine Eheverfehlung gesetzt, ist nach der Lage des Falls nicht zu beanstanden.

[6]            3.1. Die Feststellungen bieten keine Grundlage für die Annahme, die Klägerin habe die nächsten Verwandten des Beklagten in einer Art und Weise „abgelehnt“, dass sie dadurch eine schwere Eheverfehlung im Sinne des § 49 EheG begangen habe. Nach dem Sachverhalt lagen die Gründe dafür, dass die Klägerin weniger mit der Familie des Beklagten unternahm, in erster Linie in seiner außerehelichen Beziehung und der Tatsache, dass – zumindest vor ihr – die außereheliche Tochter des Beklagten in dessen Familie verschwiegen wurde. Die Klägerin distanzierte sich lediglich etwas, kam aber zu größeren Familienfesten noch mit. Ein über die Distanziertheit der Klägerin hinausgehendes Fehlverhalten der Familie des Beklagten gegenüber konnte nicht festgestellt werden. Auch die Rüge sekundärer Feststellungsmängel, die in diesem Zusammenhang in der außerordentlichen Revision erhoben wird, ist nicht berechtigt. Wenn zu einem bestimmten Thema – wie hier – (positive oder negative) Tatsachenfeststellungen getroffen wurden, mögen diese auch von den Vorstellungen des Rechtsmittelwerbers abweichen, können diesbezüglich keine rechtlichen Feststellungsmängel erfolgreich geltend gemacht werden; es ist nämlich ein Akt der Beweiswürdigung, wenn die vom Rechtsmittelwerber gewünschten (abweichenden) Feststellungen nicht getroffen werden (vgl RS0053317 [T1, T3]). Der Oberste Gerichtshof ist aber nicht Tatsacheninstanz, Fragen der Beweiswürdigung sind nicht revisibel (RS0042903 [T1, T2, T7, T8, T10]).

[7]            3.2. Zur behaupteten Eheverfehlung der Klägerin infolge einer Verletzung ihrer allgemeinen Beistandspflicht im Zusammenhang mit der außerehelichen Tochter des Beklagten ist schon das diesbezügliche erstinstanzliche Vorbringen des Beklagten zu unbestimmt, um daraus eine mögliche Eheverfehlung der Klägerin abzuleiten. Darin wirft der Beklagte der Klägerin (erkennbar) vor, ihn bei seinen (rechtlichen) Verpflichtungen gegenüber der außerehelichen Tochter nicht ausreichend unterstützt zu haben. Welche konkreten, der Klägerin nach den Umständen auch zumutbare Unterstützungshandlungen diese nach Ansicht des Beklagten setzen hätte müssen, geht daraus aber nicht hervor. Die in der außerordentlichen Revision als erheblich im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO bezeichnete Rechtsfrage, ob aus der Beistandspflicht der Ehegatten eine Unterstützung bei der Ausübung des Rechts auf persönliche Kontakte nach § 187 ABGB zu außerehelichen Kindern – wenn auch während aufrechter Ehe geboren – abzuleiten sei, muss daher hier nicht beantwortet werden.

[8]            4. Worauf die Argumentation der Revision in ihrer Zulassungsbegründung abzielt, der dem Beklagten von den Vorinstanzen auferlegte Ersatz der Detektivkosten als vorprozessuale Kosten sei rechtlich unrichtig, ist nicht verständlich, sind doch Kostenentscheidungen, auch wenn sie über vorprozessuale Kosten absprechen (vgl RS0007695 [T5]) in dritter Instanz unanfechtbar (§ 528 Abs 2 Z 3 ZPO).

[9]       Mangels Darstellung einer erheblichen Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO war die außerordentliche Revision des Beklagten zurückzuweisen.

Textnummer

E134965

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2022:0090OB00023.22F.0427.000

Im RIS seit

03.06.2022

Zuletzt aktualisiert am

03.06.2022
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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