TE OGH 2022/4/27 9ObA13/22k

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 27.04.2022
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Fichtenau und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Mag. Ziegelbauer und Dr. Hargassner sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Thomas Stegmüller (aus dem Kreis der Arbeitgeber) Mag. Dr. Robert Toder (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Mag. A* M*, vertreten durch Mag. Andreas Wimmer, Rechtsanwalt in Hallein, gegen die beklagten Parteien 1. R* M*, und 2. A*, beide vertreten durch die Pressl Endl Heinrich Bamberger Rechtsanwälte GmbH in Salzburg, wegen 9.090,07 EUR netto sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 30. November 2021, GZ 12 Ra 100/21v-43, mit dem der Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Arbeits- und Sozialgericht vom 29. Juli 2021, GZ 16 Cga 85/19a-39, nicht Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision der klagenden Partei wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit 917,02 EUR (darin 152,84 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

[1]       Die Klägerin schloss mit ihren Eltern am 15. 11. 2013 einen Arbeitsvertrag über die Verwaltung mehrerer Immobilien als „Hauptpflicht“ (Neuvermietung der Objekte, Kontrolle der Mieteinnahmen, Renovierungen, Behördenwege etc) ab. Vereinbart war zunächst ein Nettoentgelt von 1.200 EUR und ab März 2016 von 1.500 EUR für 18 Wochenstunden. Die Kündigungsfrist wurde ab März 2016 auf sechs Monate verlängert.

[2]       Im Jahr 2015 wurden die im Eigentum der Eltern stehenden Liegenschaften an ihre drei Kinder, nämlich die Klägerin und die beiden Beklagten, übergeben. Im Zuge dieser Übergabe wurde den Eltern ein Fruchtgenussrecht an jeder Immobilie eingeräumt. Auch nach diesem Zeitpunkt erbrachte die Klägerin Arbeitsleistungen im Zusammenhang mit der Verwaltung der Immobilien, an denen den Eltern das Fruchtgenussrecht zustand, und sie erhielt dafür weiter (bis November 2018) das vereinbarte Entgelt.

[3]       Im Jahr 2018 verstarben beide Elternteile der Streitteile, die Mutter am 28. 2., der Vater am 30. 11. Beide standen zuvor schon unter Sachwalterschaft. Die Verlassenschaft nach dem Vater wurde den Streitteilen am 15. 10. 2020 zu je einem Drittel eingeantwortet.

[4]       Mit der vorliegenden Klage begehrt die Klägerin von den Beklagten 13.635,10 EUR netto sA an offenem Entgelt für die Monate Dezember 2018 bis Juni 2019. Wegen Vereinigung nach ihrer Einantwortung schränkte die Klägerin im Verfahren ihr Begehren auf 9.090,07 EUR netto ein. Sie brachte vor, dass das Arbeitsverhältnis nach dem Ableben der Eltern zunächst mit der Verlassenschaft und danach mit den eingeantworteten Erben weiter bestanden habe. Vereinbarungen darüber, dass das Dienstverhältnis mit dem Tod der Eltern enden solle, seien nicht getroffen worden, vielmehr sei eine Kündigungsfrist von sechs Monaten vereinbart worden.

[5]       Die Beklagten bestritten das Klagebegehren, beantragten Klagsabweisung und wendeten – soweit für das Revisionsverfahren noch relevant – ein, dass ein allfällig bestandenes Arbeitsverhältnis zwischen der Klägerin und den Eltern mit dem Tod des Vaters geendet habe. Die Eltern der Klägerin seien zum Zeitpunkt ihres Todes nicht mehr Eigentümer der zu verwaltenden Liegenschaften gewesen. Durch den Tod des Vaters hätten die Nutzungsberechtigungen geendet und die Liegenschaften seien in das Eigentum der Beklagten und teilweise an die Klägerin selbst gefallen.

[6]            Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Das zwischen der Klägerin und den Eltern bestandene Arbeitsverhältnis habe mit dem Tod des Vaters geendet. Die Klägerin habe daher ab Dezember 2018 keinen Entgeltanspruch mehr. Die Mieteinnahmen resultierten aus Fruchtgenussberechtigungen an bereits an die Streitteile übergebenen Immobilien. Diese höchstpersönlichen Fruchtgenussrechte seien mit dem Tod untergegangen, womit nichts mehr zu verwalten gewesen sei. Der Arbeitsvertrag teile hier das Schicksal des Fruchtgenussrechtes. Darüber hinaus seien die Arbeitsleistungen der Klägerin ausschließlich und unmittelbar für die Personen der Arbeitgeber zu erbringen gewesen; die Klägerin sei daher eher als „Privatsekretärin“ der Eltern anzusehen. Das Arbeitsverhältnis habe sich auf eine familiäre Beziehung zueinander gegründet.

[7]       Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil und führte dazu aus: Grundsätzlich löse der Tod des Arbeitgebers das Arbeitsverhältnis nicht auf, sondern es werde vorerst der ruhende Nachlass Arbeitgeber. Mit der Einantwortung trete der Erbe im Rahmen der Gesamtrechtsnachfolge als Arbeitgeber in das Arbeitsverhältnis ein. Ausnahmsweise komme eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses mit dem Tod aber dann in Betracht, wenn a) bei einem Arbeitsverhältnis von vornherein vereinbart werde, dass es mit dem Tod enden solle, b) die vereinbarten Dienste ausschließlich und unmittelbar dem Arbeitgeber gegenüber zu erbringen seien, sodass die geschuldete Leistung dem Erben nicht sinnvoll erbracht werden könne, wie etwa eine Tätigkeit als Pfleger, Leibwächter oder Privatsekretär, und schließlich c) bei Arbeitsverhältnissen, bei denen der Arbeitgeber nach dem Arbeitsvertrag persönliche Leistungen zu erbringen habe, die durch den Tod unmöglich würden, wie etwa die Lehrlingsausbildung. Ob der Tod in diesen Fällen das Arbeitsverhältnis auflöse, sei eine Frage der Auslegung. Würden nach Abschluss des Geschäfts Konfliktfälle auftreten, die die Parteien nicht bedacht und daher nicht geregelt hätten, sei unter Berücksichtigung der übrigen Vertragsbestimmungen und des von den Parteien verfolgten Zwecks zu fragen, welche Lösung redliche und vernünftige Parteien vereinbart hätten. Im Anlassfall gäbe es keine ausdrückliche Vereinbarung, dass das Arbeitsverhältnis zwischen der Klägerin und ihren Eltern (zuletzt mit ihrem Vater) mit dem Tod ihrer Eltern ende. Was nach dem Tod der Eltern geschehen solle, sei offensichtlich nicht bedacht und daher auch nicht geregelt worden. Da die Eltern der Klägerin an sämtlichen Liegenschaften ab 2015 nur noch ein Fruchtgenussrecht gehabt hätten und persönliche Servituten mit dem Tod enden würden, sei auch die Verwaltung der Immobilien jedenfalls ab diesem Zeitpunkt nur noch auf die Eltern persönlich bezogen gewesen. Die mit dem Eigentümerwechsel der Liegenschaften verbundene Umstellung sei auch Vertragsinhalt geworden. Ein Fruchtnießer trage die Lasten, halte instand und habe dafür Anspruch auf die Erträge. Um dies für die Eltern zu erledigen, habe die Klägerin ua Mietverträge abgeschlossen, Kautionen verwaltet, Mieteinnahmen kontrolliert und Handwerker beauftragt. Nach dem Tod der Eltern habe die Klägerin selbst – und hätten die Beklagten – ihr Eigentumsrecht unbelastet ausüben können. Es habe kein Fruchtgenussrecht mehr gegeben, das die Klägerin als Arbeitnehmerin für ihre(n) ehemaligen Arbeitgeber „ausüben“ (im Sinn von verwalten) hätte können. Dass eine solche Verwaltungstätigkeit nach dem Tod auch für die Erben allenfalls sinnvoll möglich sei, sei von dem Umstand zu trennen, dass die Klägerin Ansprüche aus ihrem Arbeitsvertrag geltend mache. Da der Entgeltanspruch der Klägerin nach dem Arbeitsvertragsinhalt für persönlich für die Eltern im Rahmen deren Ausübung des Fruchtgenussrechtes erbrachten Verwaltungstätigkeiten resultiere, seien diese Verwaltungstätigkeiten mit dem Tod der Eltern sinnlos geworden. Auch wenn die Klägerin keine Privatsekretärin im eigentlichen Sinn gewesen sei, sei ihre Arbeitsleistung auf die Eltern persönlich bzw zuletzt auf die Person des Vaters zugeschnitten gewesen. Zum einen sei das Arbeitsverhältnis deshalb begründet worden, um für die im Jahr 2013 arbeitslose Klägerin einen Arbeitsplatz zu schaffen und zum anderen die betagten Eltern bei der Vermietung ihrer Immobilien zu unterstützen. Sei aber die enge verwandtschaftliche Beziehung das entscheidende Motiv für den Abschluss des Arbeitsverhältnisses gewesen, könne die durch den Tod bedingte Abwicklungsstörung nur so ausgelegt werden, dass redliche und vernünftige Parteien eine auflösende Bedingung mit dem Todeszeitpunkt vereinbart hätten. An dieser Motivenlage scheitere auch der von der Klägerin angestrebte Fremdvergleich mit der möglichen Beschäftigung anderer Arbeitnehmer.

[8]       Das Berufungsgericht ließ die Revision zu. Auch wenn es eine reine Auslegungsfrage sei, ob von Familienangehörigen geleistete Dienste im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses erbracht werden, habe die Frage der Beendigung eines solchen Arbeitsverhältnisses durch den Tod der Eltern über den Einzelfall hinaus Bedeutung, wenn es sich – wie hier – nicht um reine Pflegeleistungen handle, sondern um die Verwaltung eines Fruchtgenussrechtes für die Eltern.

[9]       Gegen diese Entscheidung des Berufungsgerichts richtet sich die Revision der Klägerin aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung. Sie beantragt, das angefochtene Urteil abzuändern und der Klage stattzugeben. Hilfsweise stellt sie einen Aufhebungsantrag.

[10]     Die Beklagten beantragen in ihrer Revisionsbeantwortung, die Revision der Klägerin zurückzuweisen, in eventu ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

[11]     Die Revision ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig und war daher zurückzuweisen. Dass Rechtsprechung zu einem vergleichbaren Sachverhalt fehlt, begründet noch nicht das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage (RS0102181). Die Begründung der Zurückweisung der ordentlichen Revision mangels erheblicher Rechtsfragen kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 Satz 4 ZPO).

[12]            1. Die Revision der Klägerin vermag nicht aufzuzeigen, dass die aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls getroffene Entscheidung des Berufungsgerichts korrekturbedürftig wäre. Ob der Tod, insbesondere bei Arbeitsverhältnissen mit nahen Angehörigen, das Arbeitsverhältnis auflöst, ist eine Frage der Auslegung (Jabornegg/Resch, Das rechtliche Schicksal von Arbeitsverhältnissen zwischen nahen Angehörigen beim Tod des Arbeitgebers, DRdA 1995, 220 [222]). Die angefochtene Entscheidung bewegt sich im Rahmen der – vom Berufungsgericht zutreffend aufgezeigten – Grundsätze der Rechtsprechung und Lehre zur Auflösung eines Arbeitsverhältnisses mit dem Tod des Arbeitgebers (4 Ob 91/77; RS0012213; Löschnigg, Arbeitsrecht13 Rz 8/430; Engelbrecht in Gruber-Risak/Mazal, Das Arbeitsrecht System und Praxiskommentar Kap XVI Rz 29; Jabornegg/Resch, Das rechtliche Schicksal von Arbeitsverhältnissen zwischen nahen Angehörigen beim Tod des Arbeitgebers, DRdA 1995, 220 [221 ff]; ua).

[13]           2. Soweit die Revision betont, dass auch nach dem Tod des Vaters noch Leistungen im Interesse der Streitteile, aber auch der Eltern zu erbringen gewesen seien, so verkennt sie, dass sie ihre bis dahin im Rahmen der Fruchtgenussrechte der Eltern erbrachten Dienste nicht mehr ausüben konnte, weil die Fruchtgenussrechte mit dem Tod der Eltern erloschen waren (§ 529 ABGB). Dass eine Verwaltung der Liegenschaften (ohne Fruchtgenussrecht) auch für die Verlassenschaft oder ihre Miterben sinnvoll möglich wäre, und sich die Beklagten in diese Materie erst einarbeiten hätten müssen, ist dabei nicht entscheidend. Zutreffend ist, dass das Erstgericht nicht festgestellt hat, dass es beim Abschluss des Arbeitsvertrags im Jahr 2013 auch darum gegangen sei, der damals arbeitslosen Klägerin einen Arbeitsplatz zu schaffen. Da die Klägerin aber das damit im Zusammenhang stehende Vorbringen der Beklagten, die Eltern hätten sie (primär) deshalb angestellt, damit sie Versicherungszeiten erwerben konnte, Zweck des Arbeitsvertrags also ihre sozialversicherungsrechtliche Absicherung gewesen sei, nicht substantiiert bestritten hat, durfte das Berufungsgericht auch dies seiner rechtlichen Beurteilung zugrunde legen.

[14]     Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagten haben in ihrer Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision der Klägerin hingewiesen (RS0035979 [T16]).

Textnummer

E134967

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2022:009OBA00013.22K.0427.000

Im RIS seit

03.06.2022

Zuletzt aktualisiert am

03.06.2022
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten