TE Vwgh Erkenntnis 1996/4/30 96/18/0182

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Veröffentlicht am 30.04.1996
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

FrG 1993 §15 Abs1 Z2;
FrG 1993 §17 Abs1;
VStG §6;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Robl und Dr. Rigler und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Rutter, über die Beschwerde des M in W, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 20. Oktober 1995, Zl. SD 1296/95, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) wurde der Beschwerdeführer, ein bosnischer Staatsangehöriger, gemäß § 17 Abs. 1 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ausgewiesen.

Der Beschwerdeführer lasse die - nach der unbestritten gebliebenen Sachverhaltsfeststellung zutreffende - Auffassung der Erstinstanz, daß er sich seit 24. August 1995 unberechtigt im Bundesgebiet aufhalte, unbekämpft. Er gebe ausdrücklich zu, daß er in einem LKW versteckt, also rechtswidrig, in das Bundesgebiet eingereist wäre. Da er über kein gültiges Reisedokument verfügt und auch keine andere Möglichkeit gesehen hätte, ein solches zu erlangen, wäre es ihm auch nicht möglich gewesen, einen für die Einreise nach Österreich benötigten Sichtvermerk zu beantragen. Die rechtswidrige Einreise wäre durch entschuldigenden Notstand gemäß § 6 VStG gerechtfertigt gewesen und daher nicht vorwerfbar. Nach Auffassung der belangten Behörde sei mit diesem Einwand für den Beschwerdeführer nichts zu gewinnen. Abgesehen davon, daß § 6 VStG nur im Gerichts- oder Verwaltungsstrafverfahren und nicht im Verwaltungsverfahren anzuwenden sei, stelle es der Gesetzgeber nach § 17 FrG nur darauf ab, ob sich der Fremde rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte, ohne Rücksicht darauf, aus welchen Gründen ein für die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts erforderlich gewesenes Tätigwerden des Fremden unterblieben sei (Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. Juni 1994, Zl. 94/18/0309). Ob ein Schuldausschließungsgrund vorliege, sei im Verwaltungsverfahren - um ein solches handle es sich im Verfahren zur Erlassung einer Ausweisung - irrelevant.

Auch der weitere Einwand des Beschwerdeführers, daß in Österreich seine Tante und deren Familie für ihn sorgen würden und er daher auch keine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit darstelle, sei unmaßgeblich. Gemäß § 17 Abs. 1 FrG sei eine allfällige konkrete Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit keine Voraussetzung. Dessen ungeachtet werde aber, wie die Erstinstanz richtigerweise festgestellt habe, die öffentliche Ordnung (konkret: auf dem Gebiet des Fremdenwesens) sehr wohl durch einen Fremden gestört, der illegal eingereist sei und überhaupt kein gültiges Reisedokument in den Händen halte.

Bei der nach § 17 Abs. 1 FrG vorzunehmenden Ausweisung sei auf § 19 FrG, das sei die dem Schutz des Privat- und Familienlebens gewidmete Bestimmung, Bedacht zu nehmen. Auch in dieser Hinsicht sei der Erstinstanz kein Fehler unterlaufen. Der Beschwerdeführer sei ledig und seine Familie lebe in seiner Heimat. Die in der Berufung erwähnte Tante des volljährigen Beschwerdeführers und deren Familienangehörige seien nicht vom Schutzzweck des § 19 FrG erfaßt. Vor der Erstbehörde habe der Beschwerdeführer zu Protokoll gegeben, daß er in Österreich keine familiären Bindungen hätte. Ein Eingriff in das Privat- und Familienleben sei daher nicht gegeben.

Hinzuweisen sei darauf, daß die Ausweisung lediglich die sich angesichts des nicht rechtmäßigen Aufenthalts ergebende Verpflichtung des Beschwerdeführers, Österreich zu verlassen, nicht jedoch ein Rückkehrverbot enthalte. Der Beschwerdeführer könne jederzeit nach Verlassen des Bundesgebietes um die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung ansuchen. So gesehen sei die vorliegende Ausweisung zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele dringend geboten und daher zulässig. Der Antrag des Beschwerdeführers auf (Feststellung der) Unzulässigkeit der Abschiebung gemäß § 54 FrG und der Antrag auf einen Durchsetzungsaufschub gemäß § 22 FrG werde von der Erstinstanz zu behandeln sein.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. In der Beschwerde bleibt unbestritten, daß der Beschwerdeführer am 24. August 1995 in einem LKW versteckt in das Bundesgebiet eingereist sei und über kein gültiges Reisedokument verfügt habe.

Entgegen der auf diese Sachverhaltsfeststellung gestützten Auffassung der belangten Behörde, daß sich der Beschwerdeführer seit dem genannten Zeitpunkt unberechtigt in Österreich aufhalte, vermeint der Beschwerdeführer, daß der belangten Behörde ein Verstoß gegen die Begründungspflicht gemäß § 58 Abs. 2 iVm § 67 AVG zur Last falle, da sie nicht geprüft habe, daß der Beschwerdeführer durch gerechtfertigten Notstand gezwungen gewesen sei, nach Österreich ohne gültigen Sichtvermerk einzureisen ("Schuldausschließungsgrund"). Der Verwaltungsgerichtshof vermag aber - auf dem Boden der unbestritten gebliebenen Feststellungen - in der Auffassung der belangten Behörde, daß sich der Beschwerdeführer seit dem genannten Datum unrechtmäßig in Österreich aufhalte, keine Rechtswidrigkeit zu erblicken. Wie die belangte Behörde zutreffenderweise (unter Hinweis auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes) ausführt, ist der genannte Einwand des Beschwerdeführers nicht zielführend, stellt doch das Gesetz (§ 17 FrG) allein auf den unrechtmäßigen Aufenthalt des Fremden im Bundesgebiet ab, ohne Rücksicht darauf, aus welchen Gründen ein für die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts erforderlich gewesenes Tätigwerden des Fremden unterblieben ist.

Weiters vertritt der Beschwerdeführer die Auffassung, daß die belangte Behörde nicht geprüft habe, inwieweit familiäre Bindungen des Beschwerdeführers - zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides - in Österreich vorgelegen hätten. Diese Behauptung zeigt - vor dem Hintergrund der gegebenen Sach- und Rechtslage - keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf. Zum einen ergibt sich aus dem angefochtenen Bescheid, daß die belangte Behörde auf die familiären Interessen des Beschwerdeführers im Lichte des § 19 FrG Bedacht genommen hat; zum anderen macht der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang keine Umstände geltend, die an dem aus der Sicht des Verwaltungsgerichtshofes einwandfreien Ergebnis der behördlichen Entscheidung etwas ändern würden. Die vom Beschwerdeführer zusätzlich vorgebrachten Erwägungen im Hinblick auf sein Heimatland sind im Hinblick darauf ohne Relevanz, daß mit einer Ausweisung nicht darüber abgesprochen wird, daß der Fremde in ein bestimmtes Land auszureisen habe oder daß er (allenfalls) abgeschoben werde (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. April 1996, Zl. 96/18/0193).

2. Da nach dem Gesagten die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt - was bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt - , war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.

3. Bei diesem Ergebnis erübrigt sich ein Abspruch über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1996180182.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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