TE Vwgh Erkenntnis 1996/4/30 96/18/0090

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Veröffentlicht am 30.04.1996
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Index

19/05 Menschenrechte;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

FrG 1993 §20 Abs1;
MRK Art8 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Robl, Dr. Rigler und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Rutter, über die Beschwerde des S in W, vertreten durch Dr. N, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 24. August 1995, Zl. SD 945/95, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 24. August 1995 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 18 Abs. 1 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 1838/1992, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von fünf Jahren erlassen.

Der Beschwerdeführer sei erstmalig am 6. März 1990 ohne erforderlichen Sichtvermerk in das Bundesgebiet eingereist und sei daraufhin mit Bescheid vom 18. Juli 1990 gemäß § 10a des Fremdenpolizeigesetzes 1954 ausgewiesen worden. Der Beschwerdeführer sei nach seinen Angaben etwa im Jänner 1992 neuerlich ohne Sichtvermerk nach Österreich eingereist, habe am 2. Juni 1992 eine österreichische Staatsbürgerin geheiratet, nur zwei Tage später einen Befreiungsschein beantragt und am 27. August 1992 einen Sichtvermerksantrag gestellt. Aufgrund der Ehe und des ihm erteilten Befreiungsscheines habe der Beschwerdeführer einen Sichtvermerk bis 30. August 1993 erhalten.

Mittlerweile habe sich herausgestellt, daß der Beschwerdeführer die Ehe mit der österreichischen Staatsbürgerin nur deshalb geschlossen habe, um in den Besitz einer Beschäftigungsbewilligung bzw. einer Aufenthaltsberechtigung zu gelangen. Wie seine Gattin am 24. September 1994 beim Bundesministerium für Inneres zu Protokoll gegeben habe, habe sie für die Eheschließung öS 30.000,-- vom Beschwerdeführer erhalten, den sie nach der Verehelichung am Standesamt Währing nicht mehr gesehen habe; weder sei die Ehe vollzogen noch ein gemeinsamer Haushalt geführt worden. Der Beschwerdeführer bestreite diesen Sachverhalt nicht, wende aber ein, daß dieser nicht hinreiche, gegen ihn ein Aufenthaltsverbot zu erlassen.

Dem sei jedoch die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entgegenzuhalten, wonach ein Aufenthaltsverbot auf § 18 Abs. 1 FrG gestützt werden könne, wenn triftige Gründe vorlägen, die zwar nicht die Voraussetzungen der in § 18 Abs. 2 FrG angeführten Fälle aufweisen, wohl aber in ihrer Gesamtheit die in § 18 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme rechtfertigten. Im vorliegenden Fall sei das im Grunde dieser Gesetzesstelle relevante Gesamt(fehl)verhalten des Beschwerdeführers in der mißbräuchlichen Eingehung einer Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin zwecks Beschaffung fremdenrechtlich bedeutsamer Berechtigungen (Beschäftigungsbewilligung, Aufenthaltsberechtigung) zu erblicken gewesen. Entgegen der Meinung des Beschwerdeführers handle es sich bei diesem Rechtsmißbrauch um ein die öffentliche Ordnung erheblich beeinträchtigendes, seinem Gehalt nach dem Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 6 FrG gleichzusetzendes Verhalten, das eine bestimmte Tatsache im Sinne des § 18 Abs. 1 FrG darstelle, welche die dort umschriebene Annahme in Ansehung der öffentlichen Ordnung (konkret: des öffentlichen Interesses an einem geordneten Fremdenwesen) rechtfertige (siehe dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 15. Jänner 1995, Zl. 94/18/1053). In einem solchen Fall sei gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot zu erlassen, wenn dem nicht die Bestimmungen der §§ 19 und 20 FrG entgegenstünden. Diesbezüglich sei festzuhalten, daß der Aufenthalt des Beschwerdeführers ebenso wie seine Beschäftigung hinsichtlich der jeweiligen Berechtigung letztlich auf der rechtsmißbräuchlich eingegangenen Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin basierten. Selbst wenn man - entsprechend dem Vorbringen des Beschwerdeführers, wonach dieser für das in der Ehe geborene Kind "als Vater namhaft gemacht" worden sei - von einem mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriff in sein Privat- und Familienleben ausginge, sei damit für den Beschwerdeführer nichts zu gewinnen. Denn diesfalls sei die Erlassung des Aufenthaltsverbotes aufgrund des Dringend-geboten-seins dieser Maßnahme nach der Bestimmung des § 19 FrG zulässig. Wer, wie der Beschwerdeführer, grob rechtsmißbräuchlich (ausschließlich) zu dem Zweck vorgehe, um sich aus dem Blickwinkel des Fremdenrechts wesentliche Berechtigungen zu verschaffen, verstoße gegen gewichtige öffentliche Interessen, die ein Aufenthaltsverbot zum Schutz der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 MRK) notwendig erscheinen ließen.

Bei Annahme eines Eingriffs in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers und der demnach - neben der Prüfung, ob das Aufenthaltsverbot dringend geboten sei - auch erforderlichen Interessenabwägung gemäß § 20 Abs. 1 FrG werde die Zulässigkeit dieser Maßnahme auch nach dieser Bestimmung zu bejahen sein, zumal der Beschwerdeführer einer allfälligen Unterhaltsverpflichtung auch aus dem Ausland nachzukommen vermöge. Auch das Ausmaß seiner Integration sei im Hinblick darauf, daß Aufenthalt und Beschäftigung auf das besagte rechtsmißbräuchliche Verhalten zurückzuführen seien, nicht wesentlich zu seinen Gunsten zu veranschlagen gewesen. Jedenfalls sei die belangte Behörde zu der Auffassung gelangt, daß die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie keinesfalls schwerer wögen als die gegenläufigen öffentlichen Interessen und damit die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von dieser Maßnahme. Sohin sei das Aufenthaltsverbot zu Recht erlassen worden.

Was die Gültigkeitsdauer dieser Maßnahme betreffe, so erscheine die von der belangten Behörde nunmehr vorgenommene Befristung gerechtfertigt. In Anbetracht des aufgezeigten Fehlverhaltens des Beschwerdeführers könne ein Wegfall des für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Grundes, nämlich die Gefährdung des öffentlichen Interesses an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens durch den Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet, nicht vor Ablauf der festgesetzten Frist angenommen werden.

2. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte die Behandlung der Beschwerde ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab (Beschluß vom 27. November 1995, B 3180/95).

Vor dem Verwaltungsgerichtshof begehrt der Beschwerdeführer, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Zutreffend hat die belangte Behörde - der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes folgend - die Eingehung einer Ehe allein zum Zweck der Erlangung von fremdenrechtlich bedeutsamen Berechtigungen als Rechtsmißbrauch qualifiziert, der als gravierende Beeinträchtigung eines geordneten Fremdenwesens anzusehen sei und - entgegen der in der Beschwerde vertretenen Ansicht - solcherart die im § 18 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme rechtfertige und der auch zum Schutz der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 MRK) die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes dringend geboten erscheinen lasse und demnach diese Maßnahme im Grunde des § 19 FrG zulässig mache (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 21. März 1996, Zl. 95/18/1441).

2. Die Beschwerde zeigt auch keine Rechtswidrigkeit der von der belangten Behörde vorgenommenen Beurteilung gemäß § 20 Abs. 1 FrG auf. Die belangte Behörde hat dabei berücksichtigt, daß der Beschwerdeführer aufgrund der Vermutung des § 138 ABGB als Vater eines in der Ehe geborenen Kindes gilt und einer Beschäftigung in Österreich nachgeht. Der Beschwerdeführer behauptet zwar, daß er "eine für Fremde untypisch intensive familiäre Beziehung in Österreich" unterhalte und "sohin einen Ausnahmefall" darstelle, zeigt aber hiefür keine Umstände auf, denen dies entnommen werden könnte; so wurde etwa ein Zusammenleben in einem gemeinsamen Haushalt nicht behauptet. Es ist daher nicht ersichtlich, auf welche Umstände im Zusammenhang mit dem Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers einzugehen die belangten Behörde verabsäumt haben sollte. Im übrigen ist die im angefochtenen Bescheid zum Ausdruck gebrachte Auffassung, daß die - bloß auf das besagte rechtsmißbräuchliche Verhalten zurückzuführenden - Tatsachen eines mehrjährigen Aufenthalts und einer Beschäftigung des Beschwerdeführers sowie das daraus ableitbare Ausmaß einer Integration eben deshalb nicht wesentlich zu seinen Gunsten zu veranschlagen seien, unbedenklich. Was die vom Beschwerdeführer angesprochene Frage seiner Unterhaltsleistung gegenüber seinem Kind betrifft, ist festzuhalten, daß der Beschwerdeführer Unterhaltszahlungen auch vom Ausland erbringen kann (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 18. September 1995, Zl. 95/18/1184). Zu der vom Beschwerdeführer angesprochenen Frage des Kontaktes zu seinem Kind ist festzuhalten, daß durch das Aufenthaltsverbot die Kontaktnahme zwischen Vater und Kind zweifellos erschwert wird, doch wäre es möglich, diesen Kontakt durch Besuche des Kindes im Ausland zumindest in einem eingeschränkten Ausmaß aufrecht zu erhalten (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 8. Februar 1996, Zl. 95/18/0009). Es erscheint somit auch die von der belangten Behörde vorgenommene zusammenfassende Beurteilung, daß die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers nicht schwerer wögen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von dieser Maßnahme, nicht mit Rechtswidrigkeit behaftet.

3. Da bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1996180090.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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