TE Vwgh Beschluss 2022/5/4 Ro 2021/07/0002

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Veröffentlicht am 04.05.2022
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
81/01 Wasserrechtsgesetz

Norm

B-VG Art133 Abs4
VwGG §25a Abs1
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1
VwGG §34 Abs1a
VwGG §49 Abs6
WRG 1959 §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Hinterwirth sowie die Hofräte Dr. Bachler und Mag. Haunold als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Sinai, über die Revision des Landeshauptmannes von Oberösterreich als wasserwirtschaftliches Planungsorgan in 4021 Linz, Kärntnerstraße 10 - 12, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom 17. September 2020, Zl. LVwG-551806/9/Wg - 551811/2, betreffend die amtswegige Festlegung eines Schutzgebietes nach § 34 Abs. 1 WRG 1959 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Braunau; mitbeteiligte Parteien: 1. A F, 2. M R, 3. M R und 4. G T, alle in P und alle vertreten durch Dr. Johann Postlmayr, Rechtsanwalt in 5230 Mattighofen, Stadtplatz 6, sowie 5. H B, MSc, in S und 6. Wassergenossenschaft B in P, beide vertreten durch die Niederhuber & Partner Rechtsanwälte GmbH in 5020 Salzburg, Wilhelm-Spazier-Straße 2a ), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Der Bund hat den erst- bis viertmitbeteiligten Parteien Aufwendungen in der Höhe von insgesamt € 1.106,40 sowie den fünft- und sechstmitbeteiligten Parteien Aufwendungen von insgesamt € 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

1        Mit Bescheid der belangten Behörde vom 7. Dezember 1965 wurde dem Rechtsvorgänger des nunmehr Wasserberechtigten die wasserrechtliche Bewilligung zur Grundwasserentnahme auf Grundstück Nr. 434/27, KG P. zur Versorgung der W.-Siedlung mit Trink- und Nutzwasser erteilt. Weiters wurde als Schutzgebiet eine engere Schutzzone ausgewiesen, welche räumlich einen Kreis mit einem Radius von 10 m umfasst.

2        In Spruchabschnitt I. des Bescheides der belangten Behörde vom 28. Jänner 2020 ordnete die belangte Behörde von Amts wegen gemäß § 34 Abs. 1 WRG 1959 eine engere Schutzzone (Schutzzone II) sowie eine Schutzzone I (Fassungszone) an. Die Grundstücke Nrn. 434/19, 434/18, 435/2, 434/17 und 435/16 der mitbeteiligten Parteien befinden sich innerhalb des festgesetzten Schutzgebietes.

3        Dagegen erhoben die mitbeteiligten Parteien Beschwerde an das Verwaltungsgericht, in der sie unter anderem die ersatzlose Behebung von Spruchabschnitt I. des Bescheides der belangten Behörde vom 28. Jänner 2020 beantragten.

4        Die belangte Behörde erließ mit Bescheid vom 24. März 2020 eine Beschwerdevorentscheidung über die Beschwerde der sechstmitbeteiligten Partei.

5        Im Vorlageantrag beantragte die sechstmitbeteiligten Partei unter anderem wiederum die ersatzlose Behebung von Spruchabschnitt I. des Bescheides der belangten Behörde vom 28. Jänner 2020.

6        In Spruchabschnitt A. I. des nunmehr angefochtenen Erkenntnisses vom 17. September 2020 erkannte das Verwaltungsgericht dahin, dass alle Grundstücke der mitbeteiligten Parteien aus der in Spruchabschnitt I. des Bescheides der belangten Behörde vom 28. Jänner 2020 angeordneten Schutzzone II. gestrichen würden.

7        In Spruchabschnitt A. II. des angefochtenen Erkenntnisses erklärte das Verwaltungsgericht die Revision für zulässig.

8        Begründend wurde ausgeführt, dass bei der vom Verwaltungsgericht am 13. August 2020 durchgeführten mündlichen Verhandlung festgestellt worden sei, dass am gegenständlichen Standort kein dem Stand der Technik entsprechendes Schutzgebiet ausgewiesen werden könne. Der Standort werde für eine Entnahme aus dem ersten Grundwasserhorizont als nicht schützbar bewertet. Der Standort wäre aber für eine Entnahme aus dem zweiten und dritten Grundwasserhorizont geeignet und könnte auch dem Stand der Technik entsprechend geschützt werden. Bei der Errichtung einer Anlage zur Erschließung des zweiten oder dritten Grundwasserhorizontes würde es sich um eine ganz neue Anlage handeln.

9        In rechtlicher Hinsicht hielt das Verwaltungsgericht fest, dass gemäß § 34 Abs. 1 iVm. § 12a Abs. 3 erster Satz WRG 1959 die Behörde von Amts wegen ein dem Stand der Technik entsprechendes Schutzgebiet anzuordnen habe. Am gegenständlichen Standort könne aber kein „dem Stand der Technik und des Wissens“ entsprechendes Schutzgebiet ausgewiesen werden. Damit lägen die Voraussetzungen für eine amtswegige Anpassung des Schutzgebietes gemäß § 34 Abs. 1 iVm. § 12a Abs. 3 erster Satz WRG 1959 nicht vor. Die mitbeteiligten Parteien würden sich ausschließlich gegen die Schutzzone II wenden. Da es sich um einen relativ einheitlichen Grundstückskomplex handle und ein reduziertes Schutzgebiet besser sei als gar keines, würden (nur) die Grundstücke der mitbeteiligten Parteien aus der Schutzzone II gestrichen.

10       Die Zulässigkeit der ordentlichen Revision begründete das Verwaltungsgericht damit, dass zu der Rechtsfrage, ob ein betroffener Grundeigentümer Anspruch darauf habe, dass eine nicht dem Stand der Technik entsprechende Anordnung im Sinne des § 34 Abs. 1 WRG 1959 nur nach Durchführung einer Verhältnismäßigkeitsprüfung in einem antragsgebundenen Verfahren im Sinne des § 12a Abs. 3 zweiter Satz WRG 1959 getroffen werde, keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vorliege.

11       Dagegen richtet sich die vorliegende Amtsrevision des wasserwirtschaftlichen Planungsorganes, in der die Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts begehrt wird.

12       Die mitbeteiligten Parteien erstatteten Revisionsbeantwortungen, in denen sie die kostenpflichtige Zurück- bzw. Abweisung der Amtsrevision begehren.

13       Die Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus erstattete eine Revisionsbeantwortung.

14       Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

15       Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

16       Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

17       Auch in einer vom Verwaltungsgericht für zulässig erklärten (ordentlichen) Revision hat der Revisionswerber von sich aus die maßgeblichen Gründe zur Zulässigkeit der Revision anzusprechen. Diesbezüglich genügt es, wenn in der Revision auf eine Zulässigkeitsbegründung des Verwaltungsgerichtes in erkennbarer Weise Bezug genommen wird (vgl. VwGH 11.5.2017, Ra 2015/21/0240, Ro 2016/21/0004, Ro 2015/21/0042).

18       Diese Voraussetzung erfüllt die vorliegende Amtsrevision durch den Verweis auf den Zulässigkeitsausspruch des Verwaltungsgerichtes nach § 25a Abs. 1 VwGG. Sie erweist sich jedoch aus folgenden Überlegungen als nicht zulässig.

19       Die Rechtsfrage, die das Verwaltungsgericht als zulässig erachtete, stellte - soweit nachvollziehbar - darauf ab, ob ein betroffener Grundeigentümer Anspruch darauf habe, dass bei der Festlegung der Maßnahmen in einem Schutzgebiet eine Unterschreitung des Standes der Technik (durch eine Ausnahme im Sinne des § 12a Abs. 3 zweiter Satz WRG 1959) nur in einem antragsgebundenen Verfahren nach einem entsprechenden Antrag (oder im Gegenschluss: auch in einem amtswegigen Verfahren wie hier) zulässig sei.

20       Sofern der Antragsteller gemäß § 12a Abs. 3 zweiter Satz WRG 1959 nachweist, dass im Einzelfall auf Grund besonderer Umstände mit wirtschaftlich zumutbarem Aufwand der Stand der Technik nicht eingehalten werden kann bzw. technisch nicht herstellbar ist, darf eine Bewilligung mit weniger strengen Regeln dann erteilt werden, wenn dies im Hinblick auf die gegebenen wasserwirtschaftlichen Verhältnisse vorübergehend hingenommen werden kann.

21       Die Revision führt in ihrer Begründung Aspekte der Beachtung des Standes der Technik bei der Neuerrichtung eines Brunnens zum einen gegenüber der Verbesserung von Schutzanordnungen eines bereits bestehenden Brunnens zum anderen näher aus. So wird die Ansicht vertreten, dass die Beachtung des Standes der Technik eine Verbesserung von Schutzanordnungen nach § 34 Abs. 1 WRG 959 nicht verhindern solle. Würde man § 12a Abs. 3 zweiter Satz WRG 1959 anwenden, würden wirtschaftliche Interessen gegen den in § 34 leg. cit. verankerten bestmöglichen Schutz abgewogen werden.

22       Damit übersieht die Revision zum einen, dass der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt darauf hingewiesen hat, dass es bei einem Vorgehen der Behörde nach § 34 Abs. 1 letzter Satz WRG 1959 keinen Bedenken begegnet, dass sich die Abänderungen eines Schutzgebietes inhaltlich am Stand der Technik orientieren (VwGH 23.9.2004, 2003/07/0098, 0099; 28.1.2016, Ra 2015/07/0164, 0165). Zum anderen fehlt in der Revision aber jegliche rechtliche Auseinandersetzung mit der aufgeworfenen Rechtsfrage, insbesondere im Zusammenhang mit der in der Rechtsfrage (implizit) angedeuteten möglichen Vorgangsweise der Behörde in einem amtswegigen Verfahren (vgl. VwGH 9.9.2020, Ro 2020/07/0008, mwN).

23       In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

24       Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014. Die Revisionsbeantwortungen der fünft- und sechstmitbeteiligten Parteien sind inhaltsgleich und wurden durch dieselbe Rechtsvertretung eingebracht. Der Schriftsatzaufwand gebührt ihnen daher gemäß § 49 Abs. 6 VwGG insgesamt nur einmal, weshalb das diesbezügliche Mehrbegehren abzuweisen war (VwGH 25.1.2019, Ro 2018/02/0016 bis 0021, mwN).

Wien, am 4. Mai 2022

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2022:RO2021070002.J00

Im RIS seit

02.06.2022

Zuletzt aktualisiert am

03.06.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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