TE Vwgh Beschluss 2022/5/5 Ra 2021/07/0057

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Veröffentlicht am 05.05.2022
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

AVG §52 Abs1
AVG §7 Abs1 Z3
B-VG Art133 Abs4
VwGG §34 Abs1
VwGVG 2014 §17

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Hinterwirth sowie die Hofräte Mag. Stickler und Dr. Himberger als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Sinai, über die Revision der J K Gesellschaft m.b.H. in H, bei Revisionseinbringung vertreten durch Dr. Georg Lehner, Rechtsanwalt in 4600 Wels, Südtirolerstraße 12a, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom 9. November 2020, LVwG-551827/11/Wg, betreffend eine wasserrechtliche Bewilligung (mitbeteiligte Partei: Marktgemeinde H; belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Linz-Land), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Mit Bescheid vom 24. Februar 2020 erteilte die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land der mitbeteiligten Gemeinde - nach Maßgabe näher bezeichneter Projektunterlagen und unter Erteilung von Auflagen - die wasserrechtliche Bewilligung zur Versickerung des P-Baches im Bereich näher angeführter Grundstücke und zur Errichtung eines Retentions- und Versickerungsbeckens.

2        Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich die Beschwerde der revisionswerbenden Partei gegen diesen Bescheid - nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung - als unbegründet ab. Die Revision erklärte es für nicht zulässig.

3        Begründend führte das Verwaltungsgericht - soweit hier wesentlich - aus, die revisionswerbende Partei betreibe eine bewilligte Bodenaushubdeponie auf den Grundstücken Nr. 1814, 1816, 1818, 1894, 1896, 1898 und 1899, KG N[...]. Sie verfüge über keine Bewilligung zur Nutzung des Grundwassers. Die revisionswerbende Partei sei Eigentümerin des Grundstückes 1896, auf dem sich ihre Betriebsanlage befinde. Weitere Grundstücke, auf die sich ihre Tätigkeit erstrecke, seien von ihr gepachtet. Durch die Errichtung und den Betrieb der bewilligten Anlage der mitbeteiligten Partei werde die Hochwassergefährdung insbesondere auch für die Betriebsanlage der revisionswerbenden Partei auf Grundstück Nr. 1896 verringert. Mit negativen Auswirkungen auf die Betriebsanlage der revisionswerbenden Partei - bzw. auf das Grundstück Nr. 1896 - sei durch das bewilligte Projekt bei Einhaltung der vorgeschriebenen Auflagen auch sonst nicht zu rechnen.

4        Diese Feststellungen gründete das Verwaltungsgericht insbesondere auf die Gutachten zweier Amtssachverständiger. Die Gutachten seien nachvollziehbar. Gründe dafür, eine Befangenheit der Sachverständigen anzunehmen, lägen entgegen den Ausführungen der revisionswerbenden Partei nicht vor.

5        In rechtlicher Hinsicht folgerte das Verwaltungsgericht, es sei zu prüfen, ob die revisionswerbende Partei in ihren subjektiven öffentlichen Rechten (Parteirechten) verletzt werde. Durch bloß obligatorische Berechtigungen - insbesondere als Pächter - werde keine Parteistellung nach § 102 WRG 1959 begründet. Aber auch eine Verletzung der revisionswerbenden Partei in ihren gemäß § 12 Abs. 2 iVm. § 102 Abs. 1 WRG 1959 geschützten Rechten als Eigentümerin des Grundstückes Nr. 1896 trete durch die bewilligte Anlage nicht ein. Eine Beeinträchtigung dieses Grundstückes sei - wie festgestellt - nämlich nicht zu erwarten. Die Beschwerde sei daher abzuweisen.

6        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

7        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

8        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

9        Zur Zulässigkeit der Revision wird zunächst geltend gemacht, im Zuge des Verfahrens sei rechtskräftig bereits mit Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft vom 16. Dezember 2009 (als Hauptfrage) festgestellt worden, dass der revisionswerbenden Partei im Verfahren Parteistellung zukomme. Über diesen Bescheid habe sich das Verwaltungsgericht hinweggesetzt und der revisionswerbenden Partei die Parteistellung abgesprochen.

10       Mit diesen Ausführungen verkennt die Revision die angefochtene Entscheidung des Verwaltungsgerichts. Dazu ist darauf hinzuweisen, dass Personen, die eine Verletzung wasserrechtlich geschützter Rechte nach § 12 Abs. 2 WRG 1959 durch das von ihnen bekämpfte Vorhaben geltend machen, Parteistellung im Verfahren bereits dann zukommt, wenn eine Berührung ihrer geltend gemachten Rechte durch die projektsgemäße Ausübung des mit der behördlichen Genehmigung verliehenen Rechtes der Sachlage nach nicht auszuschließen ist. Ob eine Beeinträchtigung von Rechten tatsächlich stattfindet, ist Gegenstand des Verfahrens, vermag jedoch die Parteieigenschaft einer Person nicht zu berühren (vgl. VwGH 20.9.2012, 2012/07/0004, mwN).

11       Entgegen den Ausführungen in der Revision hat das Verwaltungsgericht in diesem Sinn die Parteistellung der revisionswerbenden Partei nicht verneint und die Beschwerde daher auch nicht - wie dies Folge einer fehlenden Parteistellung wäre (vgl. dazu etwa VwGH 21.02.2020, Ra 2019/17/0070) - zurückgewiesen. Vielmehr hat das Verwaltungsgericht eine Beeinträchtigung der wasserrechtlich geschützten Rechte der revisionswerbenden Partei, die dieser nach § 12 Abs. 2 WRG 1959 als Eigentümerin des in der Nachbarschaft der bewilligten Anlage befindlichen Grundstückes Nr. 1896 zukommen, geprüft und die Beschwerde mangels Verletzung dieser Rechte abgewiesen. Ein Widerspruch zum Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft vom 16. Dezember 2009, mit dem festgestellt worden war, dass der revisionswerbenden Partei im Verfahren Parteistellung zukomme, besteht daher nicht.

12       Zutreffend ist das Verwaltungsgericht dabei davon ausgegangen, dass die Nachbarn in ihrem Widerstand gegen ein nach dem WRG 1959 zu beurteilendes Vorhaben auf die Geltendmachung einer Verletzung ihrer wasserrechtlichen Rechte durch dieses Vorhaben beschränkt sind (vgl. näher etwa VwGH 23.5.2019, Ro 2018/07/0044; vgl. dazu, dass sonstige dingliche oder obligatorische Berechtigungen, wie etwa als Bestandnehmer eines Grundstücks, keine Rechte nach § 12 Abs. 2 WRG 1959 darstellen, etwa VwGH 29.9.2016, Ra 2016/07/0073 und 0074, mwN).

13       Unter dem Gesichtspunkt der Zulässigkeit der Revision wird weiters ausgeführt, die beigezogenen Amtssachverständigen des Landes Oberösterreich seien, wie bereits im verwaltungsbehördlichen Verfahren geltend gemacht worden sei, befangen. Das Land Oberösterreich habe nämlich das gegenständliche Projekt der mitbeteiligten Gemeinde mitfinanziert. Das Land Oberösterreich habe daher ein eigenes Interesse an der Genehmigung des Projektes.

14       Das Wesen der Befangenheit besteht in der Hemmung einer unparteiischen Entschließung durch unsachliche psychologische Motive, wobei das Element der Unsachlichkeit nicht schlechthin, wohl aber in Bezug auf die konkreten, vom Sachverständigen zu beurteilenden Fachfragen gegeben sein muss; von Befangenheit ist insbesondere dann zu sprechen, wenn die Möglichkeit besteht, dass ein Organ durch seine persönliche Beziehung zu der den Gegenstand einer Beratung und Beschlussfassung bildenden Sache oder zu den an dieser Sache beteiligten Personen in der unparteiischen Amtsführung bzw. in einem unparteiischen Tätigwerden beeinflusst sein könnte (vgl. VwGH 22.6.2016, Ra 2016/03/0027, mwN). Die Frage, ob ein Sachverständiger in einem bestimmten Verfahren als befangen anzusehen ist, stellt keine grundsätzliche, sondern eine einzelfallbezogene Rechtsfrage dar, welche die Zulässigkeit einer Revision jedenfalls dann nicht zu begründen vermag, wenn das Verwaltungsgericht diese Frage vertretbar gelöst hat (vgl. VwGH 15.3.2022, Ra 2021/11/0060, mwN).

15       Der Verwaltungsgerichtshof hat - unter Verweis auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 7. Oktober 2014, E 707/2014 - bereits wiederholt ausgesprochen, dass die Heranziehung von Amtssachverständigen in Verfahren vor den Verwaltungsgerichten erster Instanz grundsätzlich zulässig ist. Das Verwaltungsgericht ist auf dem Boden des § 17 VwGVG in Verbindung mit §§ 52 und 53 AVG verpflichtet, die ihm zur Verfügung stehenden amtlichen Sachverständigen (Amtssachverständigen) seinen Verfahren beizuziehen, wobei ein Verwaltungsgericht stets prüfen muss, ob ein Amtssachverständiger unbefangen, u.a. also tatsächlich unabhängig von der Verwaltungsbehörde ist, deren Bescheid beim Verwaltungsgericht angefochten wird (vgl. VwGH 3.9.2020, Ra 2019/22/0232; 20.3.2018, Ra 2016/05/0102; jeweils mwN).

16       Der Verwaltungsgerichtshof hat es insbesondere nicht als wichtigen Grund im Sinn von § 7 Abs. 1 Z 3 iVm. § 52 Abs. 1 AVG angesehen, durch den ohne Hinzutreten weiterer Umstände die volle Unbefangenheit eines bei einem Bundesland beschäftigten Amtssachverständigen in Zweifel zu ziehen wäre, dass dieses Land hinsichtlich eines Projektes, das Gegenstand des Verfahrens ist, selbst Antragsteller und damit Partei des Verfahrens ist (vgl. VwGH 5.10.2016, 2013/06/0085, mwN). Davon ausgehend ist auch im vorliegenden Fall die Ansicht des Verwaltungsgerichts, es seien allein durch die Behauptung eigener Interessen des Landes, zu dem die Sachverständigen in einem Dienstverhältnis stehen, an dem gegenständlichen Projekt, keine Umstände dargelegt worden, die geeignet gewesen wären, die volle Unbefangenheit der dem Verfahren beigezogenen Amtssachverständigen in Zweifel zu ziehen, nicht korrekturbedürftig.

17       In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 5. Mai 2022

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2022:RA2021070057.L00

Im RIS seit

02.06.2022

Zuletzt aktualisiert am

03.06.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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