TE Vwgh Beschluss 2022/5/11 Ra 2022/09/0039

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 11.05.2022
beobachten
merken

Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
40/01 Verwaltungsverfahren
77 Kunst Kultur

Norm

AVG §45 Abs2
AVG §52
B-VG Art133 Abs4
DMSG 1923 §1
VwGG §34 Abs1
VwGVG 2014 §17

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel und den Hofrat Dr. Doblinger sowie die Hofrätin Dr. Koprivnikar als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Schörner, über die außerordentliche Revision der A GmbH in B, vertreten durch Dr. Christian M. Egger, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Eberhard-Fugger-Straße 3, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 21. Februar 2022, W183 2243012-1/12E, betreffend Unterschutzstellung nach dem DMSG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesdenkmalamt), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        1. Mit dem über die Vorstellung der revisionswerbenden Partei gegen den Mandatsbescheid vom 3. Juni 2020 ergangenen Bescheid des Bundesdenkmalamtes vom 23. April 2021 wurde dieser keine Folge gegeben und festgestellt, dass „die Erhaltung des Wispelhofs in seiner Gesamtheit (mit seiner wandfesten Ausstattung im Inneren)“ in der näher bezeichneten Gemeinde in dem genannten Bezirk in Salzburg, gelegen auf einem nach Grundstücksnummer, Einlagezahl und Katastralgemeinde umschriebenen Grundstück, gemäß §§ 1 und 3 Denkmalschutzgesetz (DMSG) im öffentlichen Interesse gelegen sei (Spruchpunkt I.) sowie einer allfälligen Beschwerde gegen diesen Bescheid die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt II).

2        2.1. Die Beschwerde der revisionswerbenden Partei gegen Spruchpunkt II. dieses Bescheides wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes (Verwaltungsgericht) vom 7. Juni 2021 abgewiesen und die Revision für nicht zulässig erklärt.

3        2.2. Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 21. Februar 2022 wies das Verwaltungsgericht die gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesdenkmalamtes vom 23. April 2021 erhobene Beschwerde der revisionswerbenden Partei nach Durchführung eines Augenscheins sowie einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab und sprach aus, dass eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

4        In der mündlichen Verhandlung wurden insbesondere die (divergierenden) Sachverständigengutachten mit der Amtssachverständigen sowie dem Privatsachverständigen erörtert.

5        Nach Darstellung des Verfahrensganges traf das Verwaltungsgericht u.a. nähere Feststellungen zur geschichtlichen, künstlerischen und kulturellen Bedeutung des Wispelhofs, zu seiner lokalen bzw. (über)regionalen Bedeutung, den Adaptierungen und baulichen Maßnahmen, die keine wesentlichen Eingriffe in Substanz und Erscheinung darstellen und zu keiner Schmälerung seiner Bedeutung führen würden, sowie zu dessen baulichem Zustand, wobei die vorhandenen Mängel (etwa Schimmelbildung, Feuchte und Risse) sanierbar und keine offenkundigen schweren Baumängel hervorgekommen seien.

6        Beweiswürdigend begründete das Verwaltungsgericht ausführlich, warum für die Feststellung der Denkmaleigenschaft und des Stellenwerts des Objekts das Amtssachverständigengutachten und die Ausführungen der Amtssachverständigen in der mündlichen Verhandlung relevant gewesen seien; u.a. führte es aus, das Gutachten verweise auf Literaturquellen und gehe auf Genese, Lage, Erhaltungszustand und Veränderungen ein. Der private Sachverständige habe die Aussagen der Amtssachverständigen teilweise bestätigt; die übrigen Aussagen seien aus näher dargestellten Gründen nicht geeignet, die dargelegte Bedeutung zu entkräften. Eine bestimmte Publikation weise etwa keinen Anspruch auf Vollständigkeit auf; die Fachwelt entwickle sich stetig weiter.

7        In der rechtlichen Beurteilung gelangte das Verwaltungsgericht nach Darstellung von Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes aus näher dargestellten Gründen zum Ergebnis, dass es sich beim Wispelhof um ein Denkmal handle, dessen Verlust eine Beeinträchtigung des österreichischen Kulturgutbestandes bedeuten würde, weshalb die Erhaltung im öffentlichen Interesse liege.

8        3. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die sich als unzulässig erweist:

9        3.1. Gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes ist die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

10       Bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist der Verwaltungsgerichtshof an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nach § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a VwGG). Er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

11       3.2.1. Die Revision macht zur Begründung ihrer Zulässigkeit zunächst geltend, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu der Frage, ob das Verwaltungsgericht auch im Anwendungsbereich des DMSG bei Vorliegen sich auf gleicher fachlicher Ebene widersprechenden Gutachten ohne Einholung eines weiteren fachspezifischen Gutachtens eine Entscheidung treffen könne. Hierbei sei besonders die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu beachten, nach welcher bei der Frage der Denkmaleigenschaft gerade die in der Fachwelt vorherrschende Meinung ausschlaggebend sei, wobei insbesondere auf den Wissens- und Erkenntnisstand in Sachverständigenkreisen Bedacht zu nehmen sei. Daraus ergebe sich zwingend, dass bei zwei sich widerstreitenden Gutachten auf gleicher fachlicher Ebene und im Bereich der für den Eigentümer so entscheidenden Frage des Vorliegens der Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 und 2 DMSG ein weiteres Gutachten einzuholen sei, um tatsächlich die in der Fachwelt vorherrschende Meinung dem Erkenntnis zu Grunde legen zu können. Es sei denklogisch, dass bei widerstreitenden Gutachten nur durch Einholung eines weiteren Gutachtens geklärt werden könne, welche Meinung tatsächlich die in der Fachwelt vorherrschende sei.

12       3.2.2. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist für die Lösung der Frage, ob es sich bei einer Sache um ein Denkmal im Sinn des § 1 Abs. 1 DMSG handelt, und ob dessen Erhaltung im öffentlichen Interesse liegt, dass es sich also gemäß § 1 Abs. 2 DMSG um ein Denkmal handelt, dessen Verlust eine Beeinträchtigung des österreichischen Kulturgutbestands in seiner Gesamtsicht hinsichtlich Qualität sowie ausreichender Vielzahl, Vielfalt und Verteilung bedeuten würde, die in der Fachwelt vorherrschende Meinung ausschlaggebend, wobei insbesondere auf den Wissens- und Erkenntnisstand sachverständiger Kreise Bedacht zu nehmen ist. Grundlage einer solchen Feststellung kann nur ein Fachgutachten sein, aus dem sich jene geschichtliche, künstlerische oder sonstige kulturelle Bedeutung und jener Dokumentationscharakter im Sinn des § 1 Abs. 2 DMSG ableiten lässt, aus dem der rechtliche Schluss gezogen werden kann, dass die Erhaltung des Denkmals im öffentlichen Interesse gelegen ist (vgl. VwGH 24.1.2019, Ra 2018/09/0168 bis 0169, mwN).

13       Ist eine Partei durch Vorlage eines Privatgutachtens einem Amtssachverständigen auf gleicher fachlicher Ebene entgegen getreten, so ist es Aufgabe eines Verwaltungsgerichtes, den in der Sache schon herangezogenen Amtssachverständigen aufzufordern, sein eigenes Gutachten zu ergänzen und sich dabei mit den Aussagen des Privatsachverständigen im Detail auseinander zu setzen und insbesondere auch dessen Grundlagen zu erörtern und gegebenenfalls darzulegen, warum die Annahme des Privatgutachters seiner Ansicht nach nicht zutreffen (vgl. VwGH 24.3.2020, Ra 2019/09/0159; 16.9.2009, 2009/09/0138, jeweils mwN).

14       Auch hat der Verwaltungsgerichtshof im Zusammenhang mit der (Teil)Unterschutzstellung von Denkmalen bereits wiederholt festgehalten, dass das Verwaltungsgericht bei einander widersprechenden Gutachten nach den Grundsätzen der freien Beweiswürdigung zu prüfen hat, welchem von ihnen höhere Glaubwürdigkeit beizumessen ist. Dabei hat es jene Gedankengänge aufzuzeigen, die es veranlasst haben, von den an sich gleichwertigen Beweismitteln dem einen einen höheren Beweiswert zuzubilligen als dem anderen. Bei einander widersprechenden Gutachten ist es dem Gericht somit gestattet, sich dem einen oder anderen Gutachten anzuschließen, es hat aber in der Begründung seiner Entscheidung die Gedankengänge und sachlichen Erwägungen darzulegen, die dafür maßgebend waren, dass es das eine Beweismittel dem anderen vorgezogen hat. Wenn das Gericht sich über ein von der Partei beigebrachtes Sachverständigengutachten hinwegsetzt, ist dies daher zu begründen. Der bloße Umstand, dass Sachverständige zu verschiedenen Ergebnissen kommen, macht weder das eine noch das andere Sachverständigengutachten unglaubwürdig (vgl. etwa VwGH 9.9.2021, Ra 2021/09/0184; sowie erneut 24.3.2020, Ra 2019/09/0159; 16.9.2009, 2009/09/0138, jeweils mwN).

15       Somit ist auch im Anwendungsbereich des DMSG bei Vorliegen divergierender sachverständiger Meinungen nicht zwingend ein weiterer Sachverständiger, der sämtliche vorliegende Gutachten zu beurteilen hat, beizuziehen, sondern die Behörde bzw. das Verwaltungsgericht hat die Möglichkeit, aufgrund eigener Überlegungen einem Gutachten wegen dessen größerer Glaubwürdigkeit bzw. Schlüssigkeit bei entsprechender Begründung den Vorzug zu geben (vgl. hierzu auch VwGH 30.10.1991, 91/09/0047, 9.11.2009, 2008/09/0322; 24.3.2020, Ra 2019/09/0159), wobei die Aussagen von Amts- und Privatsachverständigen grundsätzlich den gleichen verfahrensrechtlichen Beweiswert besitzen (vgl. VwGH 20.2.2014, Ro 2014/09/0004, mwN) und nicht schon die amtliche Eigenschaft des Sachverständigen den Ausschlag geben darf (vgl. erneut VwGH 30.10.1991, 91/09/0047, mwN).

16       Im vorliegenden Fall wurde - entsprechend der dargelegten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes - die Amtssachverständige nach Einlangen des Privatgutachtens und dessen Ergänzungen im weiteren Verfahren mit den Einwendungen des Privatsachverständigen konfrontiert und wurden vom Verwaltungsgericht mehrfach Ergänzungen des Amtssachverständigengutachtens veranlasst, wobei der revisionswerbenden Partei auch Gelegenheit gegeben wurde, hierzu Stellung zu beziehen. Darüber hinaus wurden im Rahmen der mündlichen Verhandlung sowohl der Privatsachverständige als auch die Amtssachverständige einvernommen und dem Vertreter der revisionswerbenden Partei sowie dem Privatsachverständigen in der mündlichen Verhandlung die Möglichkeit eingeräumt, Fragen an die Amtssachverständige zu richten. Auf dieser Grundlage setzte sich das Verwaltungsgericht in seiner Entscheidungsbegründung beweiswürdigend mit den beiden Gutachten auseinander und legte näher dar, weshalb es sich dem Gutachten der Amtssachverständigen anschließe und die Einholung eines weiteren Gutachtens für nicht erforderlich erachtet habe.

17       Entgegen der - für die Beurteilung der Zulässigkeit allein maßgebenden - Zulässigkeitsbegründung (vgl. hierzu etwa VwGH 5.1.2022, Ra 2021/09/0248 bis 0249, mwN) wurde die darin aufgeworfene Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bereits beantwortet; ein Abweichen des Verwaltungsgerichtes von dieser Rechtsprechung wurde von der revisionswerbenden Partei weder vorgebracht noch ist ein solches für den Verwaltungsgerichtshof ersichtlich.

18       3.3. Ausgehend von der Begründung des angefochtenen Erkenntnisses wird auch der von der revisionswerbenden Partei überdies in der Zulässigkeitsbegründung pauschal gerügte Verfahrensmangel, wonach sich das Verwaltungsgericht trotz Vorliegen widerstreitender Gutachten „angemaßt“ habe, ohne Einholung des ausdrücklich beantragten weiteren Sachverständigengutachtens zu beurteilen, ob dem Wispelhof geschichtliche, künstlerische und kulturelle Bedeutung zukomme, nicht aufgezeigt.

19       4. Da in der Revision somit keine Rechtsfragen aufgeworfen werden, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme, war die Revision gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 11. Mai 2022

Schlagworte

Beweismittel Sachverständigenbeweis Beweiswürdigung Wertung der Beweismittel Gutachten Beweiswürdigung der Behörde widersprechende Privatgutachten Rangordnung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022090039.L00

Im RIS seit

02.06.2022

Zuletzt aktualisiert am

21.06.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten