TE OGH 2021/4/12 24Bl4/21w

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Veröffentlicht am 12.04.2021
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Kopf

Das

Landesgericht Wels

hat durch die Richter Mag. Reichl als Vorsitzenden, Mag. Huber (BE) und Mag. Brandmair in der Strafsache gegen M***** wegen des Vergehens nach § 1 zweiter Fall NotzeichenG über die Berufung der Staatsanwaltschaft Wels wegen des Ausspruchs über die Schuld gegen das Urteil des Bezirksgerichts Gmunden vom 19. November 2020, 4 U 117/20i-28, nach der in Anwesenheit des Leitenden Staatsanwalts Dr. Hubmer und des Angeklagten durchgeführten öffentlichen Berufungsverhandlung am 12. April 2021 zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung der Staatsanwaltschaft Wels wegen des Ausspruchs über die Schuld wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und in der Sache selbst erkannt:

M***** ist schuldig, er hat am 17. Mai 2020 in A***** vorsätzlich durch eine falsche Notmeldung, indem er bei Landesleitzentrale der Landespolizeidirektion O***** unter dem Namen „Herr M*****“ angerufen und angeben hat, dass er zuerst eine „komische männliche Person“ wahrgenommen habe und jetzt in der B***** im 1. Stock Licht brenne, dies käme ihm verdächtig vor, den Dienst der Polizei, somit eine der Rettung bei Unfällen dienende Einrichtung, in Anspruch genommen.

M***** hat dadurch das Vergehen nach § 1 zweiter Fall NotzeichenG begangen und wird hiefür nach § 1 NotzeichenG zu einer

Geldstrafe von 120 (einhundertzwanzig) Tagessätzen á EUR 4,00

(insgesamt EUR 480,00),

(im Nichteinbringungsfall 60 (sechzig) Tage Ersatzfreiheitsstrafe)

verurteilt.

Gemäß § 389 Abs 1, 390a Abs 1 StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Strafverfahrens zur Last.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am ***** geborene Angeklagte von dem gegen ihn mit Strafantrag der Staatsanwaltschaft Wels vom 19. Oktober 2020 erhobenen Vorwurf, er habe am 17. Mai 2020 in A***** durch eine falsche Notmeldung den Dienst der Polizei in Anspruch genommen, indem er durch einen Notruf der Landesleitzentrale der Landespolizeidirektion O***** unter dem Namen Herr M***** angerufen und angeben hat, dass er zuerst eine komische männliche Person wahrgenommen hat und jetzt in der B***** im 1. Stock Licht brennt, dies käme ihm verdächtig vor, gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die von der Staatsanwaltschaft Wels wegen des Ausspruchs über die Schuld zum Nachteil des Angeklagten erhobene Berufung.

Der Angeklagte äußerte sich zur Berufung der Staatsanwaltschaft Wels.

Die Berufung der Staatsanwaltschaft Wels ist berechtigt.

Während sich die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung wegen vorliegender Nichtigkeitsgründe gegen behauptete Fehler des angefochtenen Urteils (oder Unzulänglichkeiten des dazu führenden Verfahrens) richten, deren Bezugspunkt daher das angefochtene Urteil ist (13 Os 19/12m), ist Anfechtungsgegenstand der Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld (wie auch über die Strafe oder die privatrechtlichen Ansprüche) der in einer Ermessensentscheidung stehende Inhalt des (jeweiligen) Ausspruchs, nicht aber ein Fehler des Erstgerichts (Ratz in Fuchs/Ratz, WK StPO Vor §§ 280–296a, Rz 12 f mwN). Die in den Entscheidungsgründen festgestellten, den ergangenen (hier:) Freispruch tragenden Tatsachen können mit Schuldberufung bekämpft werden (Ratz aaO, § 464 Rz 8). Im Gegensatz zur Bekämpfung der Feststellungsgrundlage für die Frage der Schuld bei Kollegialgerichten ist die Anfechtung im Rahmen der Schuldberufung nicht auf formale Begründungsmängel und das Aufzeigen erheblicher Bedenken beschränkt, sondern umfassend – und zwar auch durch neue Tatsachenbehauptungen und neues Beweismittelvorbringen (§ 467 Abs 1 StPO; RIS-Justiz RS0131915) – zulässig. Das Berufungsgericht ist bei der sodann zu treffenden Entscheidung nicht an die bei der Anmeldung der Berufung oder in der Berufungsschrift allenfalls vorgetragenen Argumente gebunden. Es hat vielmehr alle für den Standpunkt des Berufungswerbers sprechenden Aspekte – selbst wenn die Berufung zum Nachteil des Angeklagten ergriffen wurde – auch ohne entsprechendes Vorbringen aus eigenem zu berücksichtigen, es sei denn, die Berufung enthielte deutliche und bestimmte Beschränkungen (RIS-Justiz RS0117216 [T8]; Ratz aaO, § 467 Rz 2).

Der Berufungssenat hat erhebliche Bedenken gegen die Beweiswürdigung des Erstgerichts, die – in noch aufgezeigten Teilen – in sich widersprüchlich ist:

Zusammengefasst (und soweit vorab wesentlich) stellte das Erstgericht fest, dass Polizeibeamten der PI G***** zunächst zu verhindern versucht hätten, dass der Angeklagte ins S***** in A***** einsteige oder eindringe, weil er bereits bekannt dafür gewesen sei, dass er nächtens in öffentlichen Gebäuden, auch S*****, herumschleiche. Um die Polizeibeamten vom S***** wegzulocken, habe er den angeführten Notruf getätigt. Disloziert in der rechtlichen Beurteilung gelangt das Erstgericht schließlich zur weiteren Feststellung, es sei dem Angeklagten „[…] nicht darauf an[gekommen], durch seinen Anruf an anderer Stelle dringend benötigte Kräfte zu binden [...]“. Aufgrund der weiteren Ausführungen in der rechtlichen Beurteilung ging das Erstgericht dabei offenkundig davon aus, dass einerseits die Polizeibeamten zum Zeitpunkt der Notmeldung gerade bloß eine Art „Objektschutz“ beim S***** ausgeübt hatten, daher nicht an anderer Stelle dringend benötigt worden wären (s. dazu noch unten) und andererseits nur eine solche falsche Notmeldung tatbildlich sein könne (und sich der Vorsatz daher auch darauf beziehen müsse), die – bereits ihrem Inhalt nach – die Polizeibehörde gerade für (!) eine Rettung bei Unfällen oder einer Gemeingefahr in Anspruch nimmt, maW mit der falschen Notmeldung selbst inhaltlich (schon) eine solche Situation suggeriert werden solle, welche eine Rettung bei Unfällen oder einer Gemeingefahr erfordern würde, daher im Ergebnis nur falsche Notmeldungen wegen (vorgetäuschten) Unfällen oder einer Gemeingefahr tatbildlich seien, während falsche Notmeldung wegen anderer Gefahren iSd § 19 Abs 1 SPG, nämlich insbesondere etwa für das Eigentum von Menschen (so bspw wegen des Verdachts auf Einbruchsdiebstahl udgl) nicht tatbestandsmäßig seien. Von letzterer (Rechts-)Auffassung geht letztlich auch der Angeklagte in seinen wiederholten Eingaben (s. dazu noch unten sowie rechtl. Beurteilung) aus.

Davon abgesehen, dass zum einen dem Gesetzeswortlaut nähere inhaltliche Anforderungen an die Notmeldung als solche nicht zu entnehmen sind (solange es sich nur überhaupt um eine Notmeldung handelt, s. dazu noch unten, rechtl. Beurteilung), zum anderen Absicht iSd § 5 Abs 2 StGB kein subjektives Tatbestandserfordernis ist (§ 1 NotzeichenG: „Wer vorsätzlich [...]“; s. § 5 Abs 1 StGB), liefert das Erstgericht für diese Feststellung keinerlei Begründung, offenbar geht es aber davon aus, dass der Umstand, dass der Angeklagte die Polizeibeamten durch die Notmeldung („bloß“) vom S***** weg- und zur B***** locken wollte, der Annahme entgegenstünde, dass durch diese falsche Notmeldung fallkonkret an anderer Stelle dringend benötigte Kräfte gebunden würden und nach dem Vorsatz des Angeklagten gebunden werden sollten (Anm.: bei der Verhinderung gerade des Letzteren handelt es sich um den Zweck (!) des Tatbestands, vgl ErläutRV 306 BlgNR 3. GP 2, s. dazu noch unten, rechtl. Beurteilung).

Nachvollziehbare Gründe insbesondere nämlich dafür dafür, weshalb es der Angeklagte der – so die sonstigen erstgerichtlichen Depositionen aber im Ergebnis – die falsche Notmeldung mit dem Ziel absetzte, die Einsatzkräfte dadurch gerade zum Einsatzort der Berufsschule zu bewegen (damit dort zu „binden“) dennoch – dh ungeachtet des konstatierten Zwecks seines Anrufs – nicht zumindest (!) ernstlich für möglich gehalten und sich billigend damit abgefunden haben sollte, dass dadurch Einsatzkräfte in Anspruch genommen würden (welche an anderer Stelle dringend benötigt würden, so bspw im Rahmen eines Unfalls oder einer Gemeingefahr, s. noch unten, rechtliche Beurteilung), führt das Erstgericht keine an.

Dass ein – zum Zeitpunkt des frustrierten Einsatzes – tatsächliches Unfall- oder Gefahrenereignis an anderer Stelle, bei welchem die Einsatzkräfte effektiv (und tatsächlich) gerade benötigt worden wären, nachgewiesen werden müsste, lässt sich dem Tatbestand wiederum ebenso wenig entnehmen und darf auch mit Blick auf dessen Regelungszweck nicht gefordert werden.

Das Erstgericht verletzte wegen dieses wesentlichen inneren Widerspruchs seinen Ermessenspielraum bei der Entscheidung über die Schuldfrage, weshalb die Kassation des bekämpften Urteils notwendig war.

Dem begegnete das Berufungsgericht durch Beweiswiederholung, indem es den Akt verlas und den Angeklagten sowie den Zeugen C***** ergänzend befragte, zumal in erster Instanz unterlassene Feststellungen vom Berufungsgericht nur nach Maßgabe einer Beweiswiederholung nachgeholt werden können (RIS-Justiz RS0124362 [T1]).

Da das Berufungsgericht – wie angeführt – über eine Berufung wegen Schuld grundsätzlich meritorisch zu entscheiden hat, hob es das bekämpfte Urteil auf und erkannte – nach Beweiswiederholung – in der Sache selbst.

Aufgrund der durchgeführten Beweiswiederholung steht folgender Sachverhalt fest:

Zur Person: Der – unbescholtene – am ***** geborene, ledige österreichische Angeklagte verdient als ***** – eigenen Angaben zufolge – monatlich etwa EUR ***** netto, hat ***** (Angaben Angeklagter in der Berufungsverhandlung u. Personalblatt, S 3/ON 10 u. PS 2/ON 27; Strafregisterauskunft, ON 22).

Zur Sache: Der Angeklagte hat am 17. Mai 2020 in A***** vorsätzlich durch eine falsche Notmeldung, indem er bei Landesleitzentrale der Landespolizeidirektion O***** unter dem Namen „Herr M*****“ angerufen und – wahrheitswidrig – angeben hat, dass er zuerst eine „komische männliche Person“ wahrgenommen habe und jetzt in der B***** im 1. Stock Licht brenne (obwohl einzig der Umstand, dass Licht brannte, den Tatsachen entsprach), dies käme ihm verdächtig vor, den Dienst der Polizei, somit eine der Rettung bei Unfällen dienende Einrichtung, in Anspruch genommen, wobei es ihm in subjektiver Hinsicht darauf ankam, dadurch eine (die angeführte) falsche/wahrheitswidrige Tatsachenmitteilung und damit eine falsche Notmeldung (also eine Information der Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes, die eine Dringlichkeit (arg: „Not“) für ein gefahrenabwehrendes Tätigwerden beinhaltet, dies je zumindest im Sinne einer „Parallelwertung in der Laiensphäre“ (wobei auch nicht etwa eine andere Gefahrensituation als die in der Notmeldung behauptete, sondern tatsächlich überhaupt keine Gefahrensituation vorlag) an die Landesleitzentrale der Landespolizeidirektion O***** zu erstatten und dadurch den Dienst der Polizei, somit – zumindest im Sinne einer „Parallelwertung in der Laiensphäre“ – eine der Rettung bei Unfällen dienende Einrichtung, in Anspruch zu nehmen, wobei er es ferner bzw zudem zumindest (!) ernstlich für möglich hielt und sich (billigend) damit abfand, dadurch (auch) an anderer Stelle dringend benötigte Kräfte zu binden.

Diese vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen stützen sich – beweiswürdigend – auf die in Klammer angeführten Beweismittel und auf Folgendes:

Der Angeklagte verantwortete sich leugnend, im Wesentlichen lässt sich seine Verantwortung im Kern auf Rechtsausführungen reduzieren (insbesondere darauf, dass bereits der objektive Tatbestand leg cit nicht erfüllt sei; s. dazu unten, rechtl. Beurteilung).

Ansonsten räumte er – erstmals in der Hauptverhandlung vor dem Erstgericht – ein, dass er zwar den inkriminierten Anruf getätigt habe – nachdem er eben dies zuvor noch stets bestritten hatte –, allerdings habe er die darin mitgeteilten Umstände tatsächlich wahrgenommen bzw hätten diese tatsächlich stattgefunden, sodass er keine falsche Notmeldung erstattet habe.

Diese Verantwortung überzeugte jedoch nicht und wird durch die polizeilichen Erhebungen, insbesondere die Vernehmung des Zeugen C***** (s. dessen ZV, PS 3 f/ON 27 sowie in der Berufungsverhandlung) widerlegt: Demnach hatten sich die Polizeibeamten zunächst noch vor dem S***** – wo sich der Pkw des Angeklagten befunden hatte – postiert, um zu verhindern, dass der Angeklagte das S***** widerrechtlich betritt, dies deshalb, weil dieser in der Vergangenheit bereits oftmals nächtens in S***** eingedrungen und dort seinen „Neigungen“ nachgegangen sei (*****).

Dass der Angeklagte folglich die Polizeibeamten durch die Notmeldung vom S***** weg- und zur B***** locken wollte, lässt sich bereits daraus ableiten, dass einerseits der Pkw des Angeklagten dann weggewesen war, nachdem die Polizeibeamten vom frustrierten Einsatz bei der B***** zum S***** zurückgekommen waren und andererseits der Angeklagte noch zuvor – nachdem ihn die Polizeibeamten aufgefordert hatten, nicht ins S***** einzudringen – ziellos im Ortszentrum umhergeirrt war (vgl ZV C*****, aaO: „[…] sauste er immer im Umkreis Ortszentrum A***** und S***** herum wie ein Getriebener […]“ bzw „[…] Wir versahen eben Streifendienst und sahen den Angeklagten immer wieder umherirren. Als wir ihn eben nicht sahen, kam der Notruf.“).

Nach den weiteren Angaben des Zeugen C***** habe kein Eindringen oder kein Einbruch in das Berufsschulgebäude – wie vom Angeklagten behauptet – stattgefunden, lediglich das Licht war (tatsächlich) eingeschalten gewesen.

In dieses Gesamtbild fügt sich ferner, dass der Angeklagte für die Notmeldung eine Telefonzelle nutzte (wobei seine Erklärung hiefür, wonach sein Handyakku leer gewesen sei, lebensah betrachtet wenig glaubhaft und als bloße Schutzbehauptung zu werten ist, wobei hinzu kommt, dass der Angeklagte wusste, dass die Polizeibeamten ohnehin nicht weit entfernt gewesen waren) und in der Folge die Örtlichkeit verließ, ohne etwa das Eintreffen der Beamten für allfällige weitere Informationen abzuwarten, was bereits deutlich zeigt, dass das von ihm behauptete Eindringen in die Berufsschule gar nicht stattgefunden hatte. Dazu passt, dass er zum einen – entgegen seiner Behauptung in der Notmeldung – keinen Hund mitgeführt hatte (wobei kein plausibler Grund ersichtlich ist, weshalb er, wenn seine Wahrnehmungen ansonsten den Tatsachen entsprochen hätten, bloß zu diesem Umstand lügen hätte sollen), zum anderen sich in der Notmeldung mit falschem Namen ausgegeben hatte (weil er eigenen Depositionen zufolge „[…] nicht in etwas involviert werden [...]“ habe wollen), was ebenso bereits gewichtig für sich und gegen die Verantwortung des Angeklagten spricht.

Dass der Angeklagte diese von ihm erstmals in der Hauptverhandlung geschilderten Umstände deshalb (noch) nicht bereits bei seiner polizeilichen Vernehmung angegeben hätte und deshalb dort noch geleugnet hätte, der Anrufer gewesen zu sein, weil „[…] der Tatbestand nach dem § 1 NotzeichenG nicht verwirklicht [...]“ sei – wobei er in der Berufungsverhandlung wiederum angab „[…] weil der Exekutivbeamte zuerst geschrieben hat, dass ich gar nicht der Anrufer gewesen sein kann. Ich war dann selbst schon verwirrt.“ – , rundet seine unglaubhafte und lebensfremde Verantwortung bloß noch ab.

Die Feststellungen zur subjektiven Tatseite lassen sich bei lebensnaher Betrachtung zwanglos aus dem objektiven Tatgeschehen, dem Umstand dass sich in dieser Tat ein durchdachtes bzw überlegtes Vorgehen manifestiert bzw dem Gesamtzusammenhang des Tatgeschehens ableiten, da die vom Angeklagten gesetzte Tathandlung im festgestellten Sinne keinen anderen Schluss zulassen als jenen, dass sie von dessen Vorsatz in jeweils festgestellter Form getragen wurden (dolus ex re; RIS-Justiz RS0116882; RS0098671), was im Übrigen methodisch gar nicht zu ersetzen wäre (vgl OLG Linz, 9 Bs 256/16k ua; Ratz in WK-StPO, § 281 Rz 452), wobei ergänzend festzuhalten ist, dass der Angeklagte – wie durch den Abschlussbericht der PI Gmunden, ON 10 hinreichend dokumentiert – bereits äußert vertraut im Umgang mit (Polizei-)Behörden und (deren) Amtshandlungen ist, woraus (sowie aus dem weiteren Umstand seiner juristischen Ausbildung) zwangsläufig auf den dazu festgestellten – zumindest (!) bedingten – Vorsatz geschlossen werden kann und muss.

Die – in der Berufungsverhandlung gestellten – Beweisanträge des Angeklagten (s. auch seine Eingabe vom 08.03.2021), waren aus den bereits anlässlich ihrer Abweisung verkündeten Gründen abzuweisen, soweit sie sich auf die Kategorisierung und Priorisierung von Notrufen beziehen, fehlte ihnen die Schuld- und Subsumtionserheblichkeit (s. noch unten), soweit die Einholung eines Sachverständigengutachtens aus dem Fachbereich der Einsatzleitkunde und des Notrufmanagements und die Beiziehung eines ebensolchen Sachverständigen beantragt wurde, erhoffte sich der Angeklagte daraus – soweit nicht ohnedies neuerlich die Kategorisierung und Priorisierung von Notrufen Beweisthema war – die Klärung bloßer Rechtsfragen.

Rechtliche Beurteilung

Nach den Feststellungen hat der Angeklagte in rechtlicher Hinsicht das Vergehen nach § 1 zweiter Fall NotzeichenG in objektiver und subjektiver Hinsicht verwirklicht.

Zu 14 Os 100/11d hat der Oberste Gerichtshof bereits Folgendes festgehalten: Die (wie fallaktuell) Sicherheitsbehörde als solches ist zur ersten Abhilfe einer gegenwärtigen oder unmittelbar drohenden Gefährdung von Leben, Gesundheit, Freiheit oder Eigentum von Menschen nicht nur ermächtigt, sondern – in den Fällen des § 19 Abs 1 SPG – vielmehr zur „ersten allgemeinen Hilfeleistungspflicht“ verpflichtet. Sie hat bei begründeter entsprechender Annahme einer derartigen Gefährdung unverzüglich festzustellen, ob eine solche tatsächlich besteht, sodann die Gefahrenquelle festzustellen, die zuständige Behörde, die Rettung oder die Feuerwehr zu verständigen und bis zu deren Einschreiten alles zur Abwehr der Gefahr Erforderliche zu unternehmen (§ 19 Abs 2 bis 4 SPG), womit sie insoweit als eine der Rettung bei Unfällen dienende Einrichtung anzusehen ist. Handelt der Täter, der via Polizeinotruf eine falsche Notmeldung in Bezug auf eine Gefährdung im eben dargelegten Sinn erstattet, mit dem Vorsatz, den Dienst der Sicherheitsbehörde im Rahmen ihrer solcherart bestehenden Verpflichtung als eine der Rettung bei Unfällen oder einer Gemeingefahr dienende Einrichtung in Anspruch zu nehmen, kommt demnach – auch dem aus den Materialien hervorgehenden Regelungszweck dieser Bestimmung (der Sanktionierung von falschen Notmeldungen, durch die aufgrund des dadurch ausgelösten Einsatzes an anderer Stelle dringend benötigte Kräfte gebunden werden; vgl ErläutRV 306 BlgNR 3. GP 2) entsprechend – eine Subsumtion dieses Verhaltens unter § 1 zweiter Fall NotzeichenG in Betracht.

Die weitwendigen Entgegnungen des Angeklagten in seinen Eingaben (s. exemplarisch etwa ON 3, 5a, 6-8) lassen sich im Kern darauf reduzieren, dass (bereits) der objektive Tatbestand nicht erfüllt sei, weil es sich um keine Not-, sondern bloß eine schlichte bzw einfache Meldung gehandelt habe, diese sei zudem auch nicht falsch gewesen, ferner habe auch keine Unfall- oder Gemeingefahrsituation vorgelegen.

Dabei vermengt der Angeklagte die Begriffe „Notmeldung“ und „[…] der Rettung bei Unfällen dienende Einrichtung“ miteinander:

1. Eine Notmeldung ist jede Information der Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes, die eine Dringlichkeit (arg: „Not“) für ein gefahrenabwehrendes Tätigwerden beinhaltet (vgl Keplinger/Pühringer, SPG17 Anm 7.1. zu § 92a Abs 1a). Der Begriff der Notmeldung per se ist dabei nicht bloß auf Unfälle oder andere Gefahren für Leib und Leben (bzw § 19 Abs 1 SPG: „[…] Leben, Gesundheit [...]“) beschränkt, auch eine Meldung wegen des Verdachts einer gegenwärtigen oder unmittelbar drohenden Gefährdung anderer Rechtsgüter (zB des Eigentums, worunter – infolge § 18 SPG – auch jenes von juristischen Personen und Körperschaften des öff. Rechts fällt, s. Pürstl/Zirnsack, SPG § 18 Anm 2 u. § 19 Anm 5) verpflichtet die Sicherheitsbehörde dazu unverzüglich festzustellen, ob tatsächlich eine solche Gefährdung vorliegt (§ 19 Abs 2 erster Satz SPG). Dass und ob die Sicherheitsbehörde nach Einlangen einer solchen Notmeldung in der Folge eine – rechtsgutsbezogene – Kategorisierung, Priorisierung oder „Reihung“ vornimmt, ist für das Begriffsverständnis per se aber irrelevant (s. dazu auch noch unten), weil sie – ungeachtet einer solchen – in allen in § 19 Abs 1 SPG bezeichneten Fällen im oa Sinn einzuschreiten hat. Der Begriff der Notmeldung geht insoweit mit der Pflicht der Sicherheitsbehörde zum unverzüglichen Einschreiten einher.

Der fallaktuelle objektive Erklärungswert des Anrufs des Angeklagten aus Sicht des Empfängers (Landesleitzentrale der Landespolizeidirektion Oberösterreich) war im gegebenen Zusammenhang jener, dass – vermutlich – eine unbekannte Person in die Berufsschule eingedrungen sei und sich noch dort befinde (wobei Letzteres bereits die Dringlichkeit unterstreicht). Zwar lässt – von diesem Erklärungswert ausgehend – der Anruf (bewusst) offen, ob „bloß“ eine (nachts um 23.17 Uhr (!) begangene) Besitzstörung oder ein Diebstahl durch Einbruch – iHa dort allfällig befindliche Wertträger bspw aus Getränkeautomaten oÄ – vorliegt (wobei immerhin der Polizeinotruf gewählt worden war), gerade die Klärung dieses Umstandes soll aber letztlich (ohnehin) erst durch die sich aus § 19 Abs 2 erster Satz SPG ergebende Pflicht zur Gefahrenerforschung – durch unverzügliches Einschreiten – erfolgen (Anm.: ohnehin wird kaum je ein unbeteiligter Anrufer den endgültigen Zweck und die Motivlage des von ihm beobachteten Eindringens einer Person in ein Gebäude erkennen können, während die Erforschung genau dessen (arg: „ob“ in § 19 Abs 2 erster Satz SPG) dann die Aufgabe der alarmierten Sicherheitsbehörde ist; sogen. „diffuse Gefahrenlage“, vgl Pürstl/Zirnsack, SPG § 19 Anm 1).

In jedem Fall sollte durch den Anruf des Angeklagten eine – durch Gefahrenerforschung noch abzuklärende – gegenwärtige oder unmittelbar drohende Gefährdung des Eigentums eines anderen suggeriert werden, welche die Sicherheitsbehörde zum unverzüglichen Einschreiten (zum Zwecke der Gefahrenerforschung) im oa Sinn verpflichtete.

Dass sich sein zumindest (!) bedingter Vorsatz auch auf die durch seinen falschen Anruf ausgelöste Pflicht der Sicherheitsbehörde zum unverzüglichen Einschreiten bezog (im Sinne des dadurch bedingten „in-Anspruch-Nehmens“ und „Bindens“ dieser), lässt sich zwanglos bereits aus seiner Motivlage ableiten, denn eine Meldung, welche gerade keine Dringlichkeit für ein gefahrenabwehrendes Tätigwerden beinhaltet hätte, hätte den vom Angeklagten beabsichtigten Zweck des „Weglockens“ der Polizeibeamten ohnehin verfehlt.

Dies ist auch der Grund, weshalb § 1 zweiter Fall NotzeichenG – unter den weiteren, unten noch dargestellten Voraussetzungen – nur Notmeldungen pönalisiert (und sich bspw die Kostentragungspflicht nach § 92a Abs 1a SPG nur auf solche Notmeldungen bezieht), weil andere Meldungen/Anrufe – also solche, welche keine Pflicht zum unverzüglichen Einschreiten nach sich ziehen (vgl als Bsp mwN bei Keplinger/Sadoghi, Strafrechtliche Nebengesetze³ Anm 2 zu § 1 NotzeichenG: „bloßes“ Beschimpfen von Beamten) die Sicherheitsbehörde erst gar nicht – auf die beschriebene Art und Weise, nämlich durch unverzügliches Einschreiten – „binden“ kann.

Im Ergebnis ist der Notmeldung im Kern also immanent, Sicherheitsbehörden dadurch zum unverzüglichen Einschreiten – wegen (irgend-)einer der in § 19 Abs 1 SPG beschriebenen Gefahrensituationen – zu veranlassen, sie also (bereits) dadurch zu „binden“. Dass die solcherart für eine Notmeldung charakteristische Gefahrensituation bloß auf die Rechtsgüter Leib und Leben (Unfall, Gemeingefahr oÄ) beschränkt wäre, lässt sich weder dem Gesetz noch der angeführten höchstgerichtlichen Entscheidung entnehmen, vielmehr ist die Sicherheitsbehörde bereits bei einer unmittelbar drohenden Gefährdung von („bloß“) Eigentum von Menschen oder von juristischen Personen (vgl § 19 Abs 1 SPG u. Pürstl/Zirnsack, aaO, Anm 5 sowie § 18 SPG) zum unverzüglichen Einschreiten im dargelegten Sinn verpflichtet, was den Anruf des Angeklagten damit zu einer falschen Notmeldung im iSd § 1 zweiter Fall NotzeichenG macht.

In diesem Zusammenhang ist aber auch die weitere Auffassung des Angeklagten, wonach seine Notmeldung deshalb nicht falsch gewesen sei, weil in der B***** zumindest tatsächlich Licht gebrannt hatte, wie in der Notmeldung geäußert (und wie dies dort auch die Polizeibeamten feststellen konnten) insofern unzutreffend, als eine Notmeldung schon dann falsch ist, wenn – wie hier – keine Gefahrensituation vorliegt (vgl Keplinger/Pühringer, SPG17 Anm 7.1. u. Fn 8 f zu § 92a Abs 1a), dass begleitende Informationen richtig sind/waren, ändert daran nichts (umgekehrt machen allfällig falsche begleitende Informationen eine ansonsten – im Kern – richtige Notmeldung noch nicht zu einer falschen (vgl Keplinger/Pühringer, aaO)).

2. Vom Begriff Notmeldung zu unterscheiden ist demgegenüber als weiteres Tatbestandsmerkmal des § 1 zweiter Fall NotzeichenG die der Rettung bei Unfällen dienende Einrichtung, mit welchem klargestellt wird, dass nur solche Notmeldungen tatbetsandmäßig sind, die an eine „der Rettung bei Unfällen dienende Einrichtung“ gerichtet sind und durch die deren Dienste (gleich jedoch, in welchem Ausmaß und Umfang bzw in Bezug auf welche Rechtsgüter, s. noch im Folgenden) in Anspruch genommen (und damit gebunden) werden. Erst dabei kommt den Rechtsgütern Leib und Leben bzw den Gefahrensituationen „Unfälle“ oder „Gemeingefahr“ Bedeutung insofern zu, als ohne der Pflicht der Sicherheitsbehörde zu ersten Abhilfe auch bei einer Gefährdung ebendieser Rechtsgüter (§ 19 Abs 2 bis 4 SPG) diese gerade keine „der Rettung bei Unfällen dienende Einrichtung“ wäre und damit von vornherein nicht dem § 1 zweiter Fall NotzeichenG unterfiele (vgl bereits oben, 14 Os 100/11d).

Gerade diese Verpflichtung (zu genau jener Abhilfe/Rettung, welche erschwert/beeinträchtigt/verzögert wird, weil Kräfte durch eine falsche Notmeldung anderweitig – nach § 19 Abs 1 SPG – gebunden sind) macht die Sicherheitsbehörde aber gerade (auch) zu einer solchen, ohne als solche aber explizit in § 1 zweiter Fall NotzeichenG genannt zu werden (Anm.: wobei Letzteres ohnehin auch selbst für anerkannte Rettungsorganisationen gilt, auch solche sind „bloß“ „[…] eine andere der Rettung bei Unfällen dienende Einrichtung [...]“ iSd leg cit), maW wird nur jene erschwerte/beeinträchtigte/verzögerte (erste) Abhilfe geschützt (und deren Beeinträchtigung durch § 1 zweiter Fall NotzeichenG pönalisiert), welche gegen Unfälle, eine Gemeingefahr oder eine Gefahr für Leib und Leben gerichtet ist, sodass die sonstigen – in § 19 Abs 1 SPG angeführten – Pflichten der Sicherheitsbehörden (Einschreiten bei Gefährdung von Eigentum) ebenso wenig vom Schutzzweck umfasst sind, wie allfällige andere Pflichten von Feuerwehr und Rettungsorganisationen, welche nicht in der Abhilfe gegen Unfälle, eine Gemeingefahr oder eine Gefahr für Leib und Leben bestehen.

Nur wegen (auch) dieser Verpflichtung wird die Sicherheitsbehörde überhaupt erst vor falschen Notmeldungen geschützt. Dass sie aber dann wiederum durch die Notmeldung gerade und ausschließlich wegen einer Gefährdung von Leib und Leben in Anspruch genommen wird, ist nicht erforderlich und weder dem Tatbestand selbst noch den bezughabenden Materialien zu entnehmen, entscheidend ist alleine, ob eine – ansonsten –„der Rettung bei Unfällen dienende Einrichtung“ (nicht notwendigerweise gerade deswegen) in Anspruch genommen und dadurch – unnötig – anderweitig gebunden wird und dadurch bedingt nicht „der Rettung bei Unfällen“ andernorts (arg: „an anderer Stelle“) zur Verfügung steht. Der Tatbestand des § 1 zweiter Fall NotzeichenG verfolgt demgemäß nicht den Zweck zu verhindern, dass die durch eine falsche Notmeldung gebundene Sicherheitsbehörde nicht zeitgleich bei einer („bloßen“) Besitzstörung oder einem Einbruchsdiebstahl erste Abhilfe leisten kann, sondern jenen, zu verhindern, dass die mit einer falschen Notmeldung gebundene – weil solcherart in Anspruch genommene – Sicherheitsbehörde nicht zeitgleich bei (sich allenfalls auch erst ereignenden) Unfällen oder einer Gemeingefahr erste Abhilfe leisten kann.

Nichts anderes lässt sich (wie bereits der Oberste Gerichtshof zu 14 Os 100/11d, als auch – fallbezogen – das Oberlandesgericht Linz zu 10 Bs 195/20b vom 16. September 2020, ON 13 festgehalten hatten) auch dem aus den Materialien hervorgehenden Regelungszweck dieser Bestimmung (der Sanktionierung falscher Notmeldungen, durch die aufgrund des dadurch ausgelösten Einsatzes an anderer Stelle dringend benötigte Kräfte gebunden werden; vgl erneut ErläutRV 306 BlgNR 3. GP 2) entnehmen.

An dieser Stelle soll nochmals festgehalten werden, dass demgegenüber der Inhalt der falschen Notmeldung per se nicht auf (vorgetäuschte) Unfälle oder eine Gemeingefahr gerichtet sein muss, weil die Sicherheitsbehörden auch bereits bei Gefährdung von („bloß“) Eigentum von Menschen zur ersten Abhilfe verpflichtet sind, sodass sogar/selbst bereits eine falsche Notmeldung wegen bloß einer solchen schon deren Kräfte verpflichtend bindet und (zeitgleich) deren Verfügbarkeit für gravierende Gefährdungen (Unfälle oder eine Gemeingefahr) beeinträchtigt. Genau diese Konstellation soll aber – den bezughabenden Materialien zufolge – durch § 1 NotzeichenG verhindert werden.

Aus diesem Grund ist es daher – entgegen der Auffassung des Angeklagten – im Ergebnis völlig unerheblich, ob mit seiner falschen Notmeldung „bloß“ Eigentums-/Vermögensverletzungen vorgetäuscht worden waren, solange damit auch nur eines der in § 19 Abs 1 SPG angeführten Rechtsgüter als gefährdet dargestellt worden war, dass die Sicherheitsbehörde zum Einschreiten verpflichtete, sie dadurch in Anspruch nahm/band, sodass sie in dieser Zeit nicht „der Rettung bei Unfällen“ dienen kann und zur Verfügung steht.

Soweit der Angeklagte die zitierte höchstgerichtliche Entscheidung 14 Os 100/11d stattdessen – seinem Standpunkt entsprechend – dahingehend interpretiert, dass tatbestandserfüllend die Sicherheitsbehörde mit der falschen Notmeldung nur wegen Unfällen oder einer Gemeingefahr in Anspruch genommen werden dürfe, ist dies der zitierten Entscheidung gerade nicht zu entnehmen (arg: „[…] als eine der Rettung bei Unfällen oder einer Gemeingefahr dienende Einrichtung in Anspruch zu nehmen [...]“). Hinzu kommt, dass – folgte man der Rechtsauffassung und Interpretation des Angeklagten – dann bspw etwa eine falsche Notmeldung wegen einer „Morddrohung“ nach § 107 Abs 1 u. Abs 2 StGB (vgl § 19 Abs 1 SPG: „[…] Freiheit [...]“) – welche die Sicherheitsbehörde ebenso zum unverzüglichen Einschreiten verpflichtet – nicht tatbestandsmäßig nach § 1 zweiter Fall NotzeichenG wäre, eine falsche Notmeldung wegen einer „Selbstmorddrohung“ (vgl VwGH 2000/01/0210) hingegen schon (§ 19 Abs 1 SPG: „[…] Leben, Gesundheit [...]“), welche Differenzierung dem gesetzgeberischen Willen wohl kaum zugesonnen werden kann.

Der Umstand ferner, dass die Zielsetzung des Angeklagten vordergründig jene war, konkret die – bereits vor dem Schulzentrum postierten – Polizeibeamten durch die Notmeldung an die Landesleitzentrale der Landespolizeidirektion O***** vom S***** wegzulocken, zeichnet zwar ein rundes Bild zu seiner Täterschaft wie auch zur Motivlage auf seiner subjektiven Tatseite, ist aber mit Blick auf den Tatbestand rechtlich insofern unerheblich, als es für die Tatbestandserfüllung nicht darauf ankommt, wo und wie die Sicherheitsbehörde bzw „der Rettung bei Unfällen dienende Einrichtungzum Zeitpunkt der falschen Notmeldung im Einsatz war, bspw wäre auch unerheblich, wenn die Sicherheitsbehörde zum Zeitpunkt der einlangenden Notmeldung gerade überhaupt keine (!) Amtshandlung vornehmen würde (oder bspw schlichtweg Bereitschaftsdienst am Posten versehen) würde, weil der Nachweis einer durch die Notmeldung in der Folge konkret bzw tatsächlich „vereitelten“ Rettung bei einem – zwischenzeitig tatsächlich passierten – Unfall weder vom Tatbestand gefordert noch regelmäßig überhaupt erst nachweisbar sein wird, stattdessen soll schlichtweg die sinnlose Bindung von Kräften und deren Verfügbarkeit für (allfällige (!)) jederzeit abstrakt mögliche Unfälle oder eine Gemeingefahr sichergestellt werden.

Dass also die Polizeibeamten der PI G***** fallaktuell zum Zeitpunkt der Notmeldung an die Landesleitzentrale der Landespolizeidirektion Oberösterreich gerade bloß eine Art „Objektschutz“ beim Schulzentrum ausgeübt hatten (welche Tätigkeit freilich keine „Rettung bei Unfällen“ ist) ist insofern irrelevant bzw schadet insofern nicht, als – im Sinne des oben Dargelegten – tatsächliche Unfälle oder eine Gemeingefahr jederzeit und unmittelbar passieren konnten (s. idZ einmal mehr ErläutRV 306 BlgNR 3. GP 2: „[…] falsche Notmeldungen, durch die aufgrund des dadurch ausgelösten Einsatzes an anderer Stelle [!] dringend benötigte Kräfte gebunden werden [...]“).

Die Ausführungen des Angeklagten zur Möglichkeit einer Kategorisierung und Priorisierung von eingehenden Notrufen (s. dazu seine Eingabe an das Berufungsgericht vom 08.03.2021: „[…] Kategorie Prio5 – die geringste Einsatzpriorität [...]“) sind – nicht zuletzt vor dem gerade dargestellten Hintergrund – irrelevant (s. dazu auch bereits oben), zum einen ist es (wie bereits dargelegt) unerheblich, ob die Sicherheitsbehörde zum Notmeldungszeitpunkt gerade überhaupt anderweitige Aufgaben zu erledigen hat bzw gerade „bloß“ Bereitschaftsdienst versieht oder nicht (und damit selbst für Einsätze „unterster Kategorie“ und Priorität verfügbar ist), solange die mit der Notmeldung übermittelte Information ihrem Inhalt (!) nach ein in § 19 Abs 1 SPG angeführtes Rechtsgut betrifft und eine Dringlichkeit für ein gefahrenabwehrendes Tätigwerden beinhaltet (wobei die Dringlichkeit – wie oben bereits festgehalten – bei nächtlichem Eindringen in Gebäude durch einen dort immer noch anwesenden Täter regelmäßig auf der Hand liegt), sodass auch die im konkreten Fall vorgnommene allfällige Kategorisierung oder Priorisierung durch die die Notmeldung entgegennehmende Person ohne Bedeutung bleibt, dies zum anderen auch deshalb, weil der Erklärungswert der Notmeldung als solches ohnehin der Aufnahme der Notmeldung selbst objektiv entnommen werden kann. Aus diesen Gründen waren auch sämtliche – in der Berufungsverhandlung gestellten – Beweisanträge des Angeklagten, welche sich auf die Kategorisierung und Priorisierung seiner Notmeldung beziehen (s. auch seine Eingabe vom 08. März 2021) abzuweisen (s. bereits oben, US 6).

Bloß der Vollständigkeit halber bleibt auch festzuhalten, dass die Notmeldung fallaktuell immerhin so prompt weitergeleitet wurde, dass ihr die PI G***** sogleich nachkam und vom S***** zur B***** fuhr, obwohl es gerade gegolten hätte, ein Eindringen des Angeklagten ins S***** zu verhindern.

Zur Strafbemessung: Nach § 1 NotzeichenG war von einem Strafrahmen von bis zu sechs Monaten Freiheitsstrafe oder Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen auszugehen und mildernd die bisherige Unbescholtenheit, erschwerend hingegen kein Umstand zu werten. Mit Rücksicht darauf und unter Anwendung der allgemeinen Strafbemessungsgründe ist die verhängte Geldstrafe tat- und schuldangemessen, wobei bloß deren Vollzug spezialpräventiven Erfordernissen genügt bzw beim Angeklagten die (offenbar) dringend notwendige Wertekorrektur ausreichend sicherstellt, insbesondere stand der – aufgrund bisheriger Unbescholtenheit ansonsten indizierten – Gewährung teilbedingter Strafnachsicht der Geldstrafe auch die noch in der Berufungsverhandlung zur Schau gestellte Bagatellisierungstendenz und insbesondere mangelnde Therapiebereitschaft des Angeklagten in Hinblick auf seine oben beschriebenen – letztlich tatkausalen – Neigungen entgegen.

Die Höhe des einzelnen Tagsatzes entspricht den persönlichen Verhältnissen bzw der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Angeklagten.

Selbstredend und allein der Vollständigkeit halber angeführt, verwehrten bereits general-, insbesondere aber auch spezialpräventive Belange (völlig fehlende Verantwortungsübernahme, vgl RIS-Justiz RS0116299) ein Vorgehen nach §§ 198 ff StPO, zumal unter dem Gesichtspunkt der Spezialprävention eine Übernahme der Verantwortung durch den Beschuldigten für das ihm zur Last gelegte Tatgeschehen Voraussetzung einer Diversion ist (Hinterhofer/Oshidari, System des österreichischen Strafverfahrens, Rz 7.937).

Die Kostenentscheidung gründet auf zitierter Gesetzesstelle.

Schlagworte

NotzeichenG,

Textnummer

EWE0000089

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LG00519:2021:0240BL00004.21W.0412.000

Im RIS seit

02.06.2022

Zuletzt aktualisiert am

02.06.2022
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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