Kopf
Das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien hat als Rekursgericht durch Dr. Streller als Vorsitzenden sowie den Richter Dr. Schaumberger und die Richterin Mag. Slunsky-Jost in der Exekutionssache der betreibenden Partei U*****, vertreten durch Fellner Wratzfeld & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, wider die verpflichtete Partei D*****, wegen € 40.775,05 s.A., über den Rekurs der betreibenden Partei gegen den Beschluss des Bezirksgerichtes Favoriten vom 28.10.2021, 19 E 2030/21i-8, den
B e s c h l u s s
gefasst:
Spruch
Dem Rekurs wird Folge gegeben und der angefochtene Beschluss dahin abgeändert, dass er zu lauten hat:
"1.) Die Exekution wird in Ansehung des erweiterten Exekutionspaketes (§ 20 EO) eingestellt.
2.) Die Exekution wird auf das einfache Exekutionspaket (§ 19 EO) eingeschränkt."
Der ordentliche Revisionsrekurs ist zulässig.
Text
B e g r ü n d u n g :
In ihrem am 26.7.2021 eingebrachten Exekutionsantrag zur Hereinbringung einer vollstreckbaren Kapitalforderung von € 40.775,05 s.A. begehrte die Betreibende das erweiterte Exekutionspaket nach § 20 EO. Die Auskunft beim Dachverband ergab als Drittschuldner die Österreichische Gesundheitskasse.
Mit Beschluss vom 9.8.2021 bewilligte das Erstgericht die beantragte Exekution, und zwar durch I. Pfändung des vom Verwalter zu ermittelnden beweglichen Vermögens der verpflichteten Partei sowie durch Aufnahme eines Vermögensverzeichnisses und II. durch Pfändung der Forderung des Verpflichteten gegen den Drittschuldner Österreichische Gesundheitskasse. Es erließ die gesetzlich vorgesehenen Verfügungs- und Zahlungsverbote an den Verpflichteten und den Drittschuldner und trug der betreibenden Partei auf, binnen 14 Tagen einen Kostenvorschuss von € 700,-- zur Deckung der Mindestentlohnung des Verwalters zu erlegen, andernfalls werde die Exekution, soweit sie mit Verwalter zu vollziehen wäre, eingestellt. Nach Vorliegen der Drittschuldnererklärung beantragte die Betreibende am 17.8.2021 den Vollzug der Fahrnisexekution. Einem hiezu erteilten Verbesserungsauftrag, offenbar gerichtet auf eine Berücksichtigung der Befugnisse des zu bestellenden Verwalters, kam die Betreibende nicht nach.
Sodann forderte das Erstgericht mit Beschluss vom 16.9.2021 die Betreibende neuerlich zum Erlag des Kostenvorschusses von € 700,-- zur Deckung der Mindestentlohnung des Verwalters binnen zwei Wochen auf, ansonsten die Exekution, soweit sie mit Verwalter zu vollziehen wäre, eingestellt werde.
Nachdem die Betreibende keinen Kostenvorschuss erlegt hatte, hat das Erstgericht mit dem angefochtenen Beschluss die Exekution unter Aufhebung aller schon vollzogenen Exekutionsakte gemäß § 39 Abs 1 Z 8 EO eingestellt.
Gegen diesen Beschluss richtet sich der Rekurs der Betreibenden mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und die Sache an das Erstgericht zur Fortsetzung der Exekution nach dem Exekutionspaket gemäß § 19 EO zurückzuverweisen.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist im Sinne Einstellung bezüglich des erweiterten Exekutionspakets und Einschränkung der Exekution auf das einfache Exekutionspaket berechtigt.
Die Exekutionsordnung unterscheidet seit der hier bereits anzuwendenden Gesamtreform des Exekutionsrechts - GREx, BGBl I Nr. 86/2021, zwischen dem einfachen Exekutionspaket nach § 19 EO und dem erweiterten Exekutiospaket nach § 20 EO.
Das vereinfachte Exekutionspaket umfasst
1.) die Exekution auf bewegliche Sachen und Papiere nach § 249,
2.) die Exekution auf vom betreibenden Gläubiger genannte wiederkehrende beschränkt pfändbare Geldforderungen und auf vom Dachverband des Sozialversicherungsträger nach § 295 ermittelte sowie
3.) die Aufnahme ins Vermögensverzeichnis nach § 47.
Beim vereinfachten Exekutionspaket wird kein Verwalter bestellt, die bei den genannten Exekutionsmitteln erforderlichen Vollzugshandlungen werden vom Vollstreckungsorgan (Gerichtsvollzieher) ausgeführt.
Beantragt der Gläubiger zur Hereinbringung einer Geldforderung das erweiterte Exekutionspaket, so erfasst diese Exekution gemäß § 20 Abs 1 EO, wenn der Gläubiger nichts anderes beantragt, alle Arten der Exekution auf das bewegliche Vermögen (§§ 249 bis 345) und die Aufnahme eines Vermögensverzeichnisses nach § 47. Zur Durchführung des erweiterten Exekutionspakets ist ein Verwalter zu bestellen.
Mit dem einfachen und dem erweiterten Exekutionspaket wurden keine neuen Exekutionsmittel geschaffen, sondern die bestehenden Exekutionsmittel im zweiten Teil des zweiten Abschnitts der EO (§§ 249 bis 345) im jeweils normierten Umfang kombiniert. Die Fahrnis- und Forderungsexekution nach § 295 EO sind jeweils Teil des einfachen wie auch des erweiterten Exekutionspaketes. Der Umfang dieser Exekutionsmittel ist unabhängig davon, welche Person (Vollstreckungsorgan oder Verwalter) deren Vollzug vornimmt.
Gemäß § 79 Abs 1 EO ist ein Verwalter erst zu bestellen, sobald ein Kostenvorschuss zur Deckung erlegt worden ist. Welche Rechtsfolge eintritt, wenn der betreibende Gläubiger den für die Verwalterbestellung notwendigen Kostenvorschuss nicht erlegt, ist im Gesetz nicht ausdrücklich normiert. Nach herrschender Rechtsprechung stellt der Nichterlag eines Kostenvorschusses ein Abstehen von Exekutionsvollzug nach § 39 Abs 1 Z 6 EO dar (RIS-Justiz RS0001484). Auch die gemäß § 56 Abs 2 EO anzunehmende Zustimmung zur Einstellung der Exekution erfüllt den Tatbestand des § 39 Abs 1 Z 6 EO (Angst/Jakusch/Mohr EO15 § 39 E 99). Das Erstgericht hat hier in seinen an die Betreibende erteilten Aufträgen zum Erlag eines Kostenvorschusses ausdrücklich die Einstellung der Exekution angedroht "soweit sie mit Verwalter zu vollziehen wäre". Schon aus dieser Einschränkung ergibt sich, dass bei Nichterlag des Kostenvorschusses nicht die gesamte Exekution eingestellt werden wird, sondern nur soweit sie mit Verwalter zu vollziehen wäre, also im Rahmen des erweiterten Exekutionspaketes. Das einfache Exekutionspaket gemäß § 19 EO bildet zweifellos ein Minus gegenüber dem erweiterten Exekutionspaket, hiefür ist eine Verwalterbestellung nicht notwendig. Auch nach Mohr/Eriksson/Michlits/Pesendorfer/Reichelt, Gesamtreform des Exekutionsrechts - GREx, Rz 90 ist im Falle des Nichterlags des Kostenvorschusses das Exekutionsverfahren hinsichtlich jener Exekutionsmittel einzustellen, die die Bestellung eines Verwalters erfordern, wenn dies angedroht wurde. Wurde das erweiterte Paket bewilligt und kein Kostenvorschuss erlegt, ist die Exekution auf das einfache Exekutionspaket einzuschränken.
Entgegen den Ausführungen des Erstgerichts in der Begründung des angefochtenen Beschlusses gibt es im vorliegenden Fall auch keinen Anhaltspunkt für einen Wegfall des Vollstreckungsinteresses des betreibenden Gläubigers, zumal dieser ausdrücklich den Vollzug der Fahrnisexekution beantragt hat. Einer Verbesserung bedurfte dieser Antrag nicht, vielmehr wird der Vollzug durch den Gerichtsvollzieher vorzunehmen sein. Die gegenteilige zu 47 R 244/21m vom Senat 47 des LGZ Wien vertretene Rechtsansicht wird vom erkennenden Senat nicht geteilt.
Dem Rekurs war daher Folge zu geben und die Exekution wird mit den Mitteln des einfachen Exekutionspaketes fortzusetzen sein.
Rekurskosten wurden nicht verzeichnet.
Der ordentliche Revisionsrekurs war gemäß § 78 EO iVm § 528 Abs 1 ZPO zuzulassen: Soweit ersichtlich liegt noch keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage vor, ob im Falle des Nichterlags des Kostenvorschusses für den Verwalter eine mit dem erweiterten Exekutionspaket bewilligte Exekution zur Gänze einzustellen oder auf das einfache Exekutionspaket einzuschränken ist.
Textnummer
EWZ0000221European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LG00003:2022:04600R00025.22Z.0420.000Im RIS seit
02.06.2022Zuletzt aktualisiert am
02.06.2022