TE OGH 2022/4/27 9ObA20/22i

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Veröffentlicht am 27.04.2022
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Fichtenau als Vorsitzende, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Mag. Ziegelbauer und Dr. Hargassner sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Thomas Stegmüller (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Mag. Dr. Robert Toder (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei DI K* N*, vertreten durch Celar Senoner Weber-Wilfert Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei T* GesmbH, *, vertreten durch e/n/w/c Natlacen Walderdorff Cancola Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 1. Kündigungsanfechtung und 2. Feststellung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 20. Dezember 2021, GZ 10 Ra 82/21h-70, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision der beklagten Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

[1]            Die Vorinstanzen haben sowohl das Kündigungsanfechtungsbegehren des Klägers als auch das Klage- und Eventualbegehren auf Feststellung, dass der Kläger nicht verpflichtet (gewesen) sei, Arbeitsleistungen auf seinem neuen Arbeitsplatz (nach Versetzung) zu erbringen, abgewiesen.

Rechtliche Beurteilung

[2]            In seiner außerordentlichen Revision zeigt der Kläger keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO auf.

[3]            1. Nach ständiger Rechtsprechung kann die Beweiswürdigung im Revisionsverfahren nicht überprüft werden, es sei denn, das Berufungsgericht hätte sich mit der Beweisfrage überhaupt nicht auseinandergesetzt (RS0043371). Das Berufungsgericht ist gehalten, sich mit der Beweisrüge auseinanderzusetzen und seine Überlegungen dazu in seinem Urteil festzuhalten (RS0043150). Im Ergebnis kommt es also nicht darauf an, dass das Berufungsgericht sich besonders ausführlich mit den beweiswürdigenden Erwägungen auseinandersetzt, sondern darauf, dass es sich mit den Kernargumenten des Rechtsmittelwerbers inhaltlich befasst und sich in logisch nachvollziehbarer Weise dazu äußert (6 Ob 142/21g [Pkt 18]). Dieser Verpflichtung ist das Berufungsgericht in der Behandlung der Beweisrüge auch zu den in der Revision relevierten Feststellungen ausreichend nachgekommen, weil es – wenn auch gestrafft – nachvollziehbar die bezugnehmende Beweiswürdigung des Erstgerichts überprüft hat. Einer Auseinandersetzung mit jedem einzelnen Argument der Berufungswerberin bedurfte es nicht (RS0040180 [T1, T2]). Die behauptete Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt daher nicht vor.

[4]            2.1. Nach § 105 Abs 3 Z 1 lit i ArbVG kann eine Kündigung angefochten werden, wenn sie wegen der offenbar nicht unberechtigten Geltendmachung vom Arbeitgeber in Frage gestellter Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis durch den Arbeitnehmer erfolgt ist.

[5]            2.2. Strebt ein Arbeitgeber auf dem durch die Rechtsordnung vorgesehenen Weg, nämlich durch ein Änderungsangebot, eine Vertragsänderung über dispositive Vertragspunkte an und stimmt der Arbeitnehmer nicht zu, so kann die aus diesem Grund ausgesprochene Kündigung zwar nach § 105 Abs 3 Z 2 ArbVG, nicht aber als Motivkündigung nach § 105 Abs 3 Z 1 lit i ArbVG angefochten werden (RS0018143). Die Rechtsprechung begründet dies damit, dass das Interesse eines Arbeitgebers an einer notwendigen oder sachgerechten – auch verschlechternden – Änderungsvereinbarung für die Zukunft noch kein Infragestellen bestehender Ansprüche des Arbeitnehmers bedeutet, weil der Änderungswunsch deren Anerkennung gerade voraussetzt. Insofern kann in der Ablehnung eines Änderungsbegehrens durch den Arbeitnehmer auch keine Geltendmachung von Ansprüchen gesehen werden, die vom Arbeitgeber in Frage gestellt wurden (RS0127599 [T5]). Dies stellt auch die außerordentliche Revision des Klägers nicht in Frage.

[6]            2.3. Anders verhält es sich jedoch nach der Rechtsprechung (8 ObA 40/03w) – und darauf zielt die außerordentliche Revision ab –, wenn das mit der Androhung der Beendigung des Vertragsverhältnisses verbundene Änderungsanbot die Reaktion auf die Geltendmachung nicht offenbar unberechtigter Ansprüche durch den Arbeitnehmer war und inhaltlich darauf hinauslief, den Arbeitnehmer vor die Wahl zu stellen, seine Forderung (im Wesentlichen) aufzugeben oder die Beendigung des Arbeitsverhältnisses hinnehmen zu müssen. Dies ist hier jedoch nicht der Fall.

[7]            2.4. Nach den Feststellungen konnte die Beklagte den Kläger aufgrund einer internen Umstrukturierung zumindest ab März 2017 nicht mehr am bisherigen Arbeitsplatz auf Dauer einsetzen, weshalb sie ihn mit Ende März/Anfang April 2017 zunächst vorübergehend auf einen anderen Arbeitsplatz versetzte. Die Beklagte wollte damit den Kläger nicht zur Selbstkündigung bewegen, sondern war der Ansicht, dass die Versetzung durch den Dienstvertrag gedeckt sei und zu keiner Verschlechterung der Arbeitsbedingungen des Klägers führe. Da der Kläger dieser Versetzung widersprach, die Beklagte aber keine andere Einsatzmöglichkeit für den Kläger im Betrieb hatte, sprach sie am 28. 9. 2017 die nun angefochtene Änderungskündigung aus.

[8]            2.5. Die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts, aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls liege der Kündigung der Beklagten kein verpöntes Motiv im Sinne des § 105 Abs 3 Z 1 lit i ArbVG zugrunde, hält sich im Rahmen der oben dargestellten Rechtsprechung. Entgegen der Ansicht des Klägers in seiner außerordentlichen Revision hat die Beklagte dadurch nicht zu erkennen gegeben, dass sie seinen Anspruch auf Beschäftigung an seinem vorhergehenden Arbeitsplatz in Frage stellt, sondern hat das Berufungsgericht dazu (vertretbar) ausgeführt, dass die Beklagte mit der Änderungskündigung die ihr einzig verbliebene Möglichkeit einer Aufrechterhaltung des Dienstverhältnisses auch nach dem 1. 10. 2017 – wenn auch unter anderen Bedingungen und auf einem anderen Arbeitsplatz – wahrgenommen hat.

[9]            3. Das Berufungsgericht sah die Versetzung des Klägers zwar als verschlechternd an, weshalb der Kläger mangels wirksamer Zustimmung des Betriebsrats ohne die (zulässige) Änderungskündigung nicht verpflichtet gewesen wäre, die neue Tätigkeit auf Dauer auszuüben. Dennoch wies es die Feststellungsbegehren des Klägers, mit denen er inhaltlich seine vorübergehende und dauernde Versetzung bekämpft, ab, weil diesen Begehren aufgrund der erfolglos angefochtenen und daher rechtswirksamen Kündigung des Dienstverhältnisses das Feststellungsinteresse im Sinne des § 228 ZPO fehle. Diese Rechtsauffassung wird in der außerordentlichen Revision vom Kläger nicht bekämpft. Auf die in der Zulassungsbegründung der Revision rekurrierte Frage, ob die Beklagte rechtzeitig die Zustimmung des Betriebsrats zur (vorübergehenden) Versetzung des Klägers eingeholt hat, kommt es hier daher nicht mehr an.

[10]     Mangels Geltendmachung einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO ist die außerordentliche Revision der Beklagten zurückzuweisen.

Textnummer

E134955

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2022:009OBA00020.22I.0427.000

Im RIS seit

02.06.2022

Zuletzt aktualisiert am

02.06.2022
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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