Entscheidungsdatum
17.03.2022Norm
AWG 2002 §37Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch Mag. Binder als Einzelrichterin über die Beschwerde der Marktgemeinde ***, vertreten durch A Rechtsanwälte GmbH, ***, ***, ***, gegen den Bescheid der Landeshauptfrau von Niederösterreich vom 28. Juli 2021, Zl. ***, betreffend Genehmigung einer Bodenaushubdeponie auf den Grundstücken Nr. ***, ***, *** und ***, KG ***, (mitbeteiligte Partei: B GmbH, vertreten durch *** Rechtsanwälte GmbH, ***, ***) nach dem Abfallwirtschaftsgesetz 2002 (AWG 2002) und dem NÖ Naturschutzgesetz 2000 (NÖ NSchG 2000) zu Recht:
1. Gemäß § 28 Abs. 1 und 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
2. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG) eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsbegründung:
1. Zum verwaltungsbehördlichen Verfahren:
Mit Bescheid der Landeshauptfrau von Niederösterreich vom 28. Juli 2021, Zl. ***, wurde auf Antrag der B GmbH folgende Genehmigung erteilt:
„Betrifft: B GmbH (FN ***) – Bodenaushubdeponie, *** – Standort: Marktgemeinde *** (***), KG ***, Gst. Nr. ***, ***, *** und ***, vereinfachtes Verfahren gemäß Abfallwirtschaftsgesetz § 37 ff AWG 2002 – AWG 2002; Genehmigungsbescheid
I. Abfallrechtliche Genehmigung
Die Landeshauptfrau von NÖ erteilt der B GmbH, ***, ***, die abfallrechtliche Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb einer Bodenaushubdeponie auf den Grundstücken mit den Gst.Nr. ***, ***, *** und ***, KG ***.
Die Deponie ist gemäß dem mit einer Bezugsklausel versehenen Projekt - erstellt von D und ursprünglich datiert mit Jänner 2020 (im Laufe des Verfahrens mehrfach aktualisiert bzw. ergänzt) - sowie gemäß der nachfolgenden Projektsbeschreibung zu errichten und zu betreiben, soweit sich nicht aus den Bedingungen, Befristungen und Auflagen Abweichungen davon ergeben.
Projektsbeschreibung:
Die B GmbH errichtet abschnittsweise und betreibt eine ***-Bodenaushubdeponie für nicht verunreinigtes Bodenaushubmaterial, Lehmmaterial und untergeordnet ggf. Ziegelbruchanteile der früheren Ziegelproduktion auf den Grundstücken Nr. ***, ***, *** und ***, KG ***, mit einer Fläche von 16.300 m2 und einem Volumen von 88.900 m3 netto (94.910 m3 mit Humusschicht) zum Zwecke der Zwischenlagerung und Deponierung von Aushubmaterial und Lehm des Deponieareals der bestehenden Baurestmassendeponie. Dies soll im Nordwesten der bestehenden Deponie durchgeführt werden. Die Längserstreckung (Nordwest – Südost) beträgt ca. 300 m, die Kronenbreite 3 m und die Basisbreite ca. 50 bis 53 m. Die Höhe ist mit 10 m bis max. 12,5 m geplant. Die Böschungsneigungen betragen im Norden 1:3 und Richtung Süden sowie im Westen und Osten 2:3. Die abgelagerten Materialien werden zum Teil für die spätere Verwendung als Baumaterialien für die bestehende Baurestmassendeponie zwischengelagert. Der nördliche Teil des Dammes wird belassen, so dass dieser als Lärm- und Sichtschutzdamm für den weiteren Baurestmassendeponiebetrieb fungiert. Ein Teil der Schüttung kann nach Abschluss des Deponiebetriebs auch als Rekultivierungsmaterial verwendet werden, das anfallende Lehmmaterial soll später beim weiteren Ausbau der Baurestmassendeponie als Dichtschichtmaterial verwendet werden.
I. Konsens:
a. Errichtung und Betrieb einer vereinfachten Bodenaushubdeponie auf Gst.Nr. ***, ***, *** und ***, alle KG ***, auf einer Fläche von 16.300 m² mit einem Gesamtvolumen von ca. 88.900 m³ (ohne Rekultivierungsschicht).
Die Ablagerungsphase wird bis 30.12.2030 befristet.
b. In dem Bodenaushubkompartiment dürfen ausschließlich folgende Materialien zur Ablagerung gelangen (Abfallschlüsselnummern gemäß Abfallverzeichnis edm.gv.at), die jedenfalls die Grenzwerte der Tabelle 1 Spalte I und Tabelle 2 (Anhang 1 DVO 2008) einhalten:
SNr.
Sp
Bezeichnung gemäß Abfallverzeichnis
***
30
Bodenaushub
Klasse A1
***
31
Bodenaushub
Klasse A2
***
32
Bodenaushub
Klasse A2-G
c. Behandlungsverfahren gemäß Anhang 2 zum AWG 2002:
1. D1 Ablagerungen in oder auf dem Boden (z.B. Deponien usw.)
2. D15 Lagerung bis zur Anwendung eines der unter D1 bis D14 aufgeführten
Verfahren (ausgenommen zeitweilige Lagerung – bis zur Sammlung –
auf dem Gelände der Entstehung der Abfälle)
d. Die Errichtung der Deponie erfolgt in zwei Abschnitten.
e. Die Betriebszeit wird mit werktags von Montag bis Freitag zwischen 07:00 und 17:00 Uhr sowie in Ausnahmefällen an Samstagen zwischen 09:00 und 12:00 Uhr festgelegt.
f. Die Rekultivierung ist längstens 1 Jahr nach dem Ende der Ablagerungsphase abzuschließen.“
[…]
„IV. Naturschutzrechtliche Bewilligung:
Die Landeshauptfrau von NÖ erteilt der B GmbH, ***, ***, die naturschutzrechtliche Bewilligung für die Errichtung der im Spruchteil I. bis III. beschriebenen Anlage für die Behandlung von Abfällen (Bodenaushubdeponie) mit einem Flächenverbrauch von rund 16.300 m².“
[…]
„Rechtsgrundlagen
Zu Spruchteile I. bis IV.:
§§ 22a, 37 Abs. 1, 38, 43, 47, 48 Abs. 1 - 3, 49 und 63 Abs. 3 Abfallwirtschaftsgesetz 2002 - AWG 2002 in Verbindung mit den Bestimmungen der Deponieverordnung 2008 (DVO 2008)“
In ihrer Begründung verwies die Abfallrechtsbehörde auf den Antrag der mitbeteiligten Partei vom 27. Jänner 2020 und darauf, dass am 30. September 2020 eine mündliche Verhandlung stattgefunden habe, bei der auch die Erweiterung der benachbarten Baurestmassendeponie um Abschnitt ***, geführt unter der AZ ***, mitverhandelt worden wäre.
Nach wörtlicher Wiedergabe der bei der Verhandlung abgegebenen Stellungnahmen, nämlich eines Vertreters der Marktgemeinde ***, des Vertreters der NÖ Umweltanwaltschaft und des Vertreters des Arbeitsinspektorates, führte belangte Behörde die im Rahmen der Verhandlung erstatteten Gutachten der Amtssachverständigen für Lärmtechnik, Grundwasserhydrologie, Luftreinhaltetechnik, Deponietechnik, Umwelthygiene und Naturschutz in ihrer Entscheidungsbegründung an.
In Bezug auf anschließend geforderte Nachweise gab die Abfallrechtsbehörde in ihrer Begründung ebenso die Stellungnahmen des Amtssachverständigen für Luftreinhaltetechnik vom 23. Dezember 2020, des Amtssachverständigen für Lärmtechnik vom 03. Februar 2021, des Amtssachverständigen für Deponietechnik und Gewässerschutz vom 10. Februar 2021 bzw. des Amtssachverständigen für Umwelthygiene vom 26. Februar 2021 wieder.
Weiters wurden u. a. das mit Schreiben der NÖ Umweltanwaltschaft vom
26. November 2020 und das im Auftrag der nunmehrigen Beschwerdeführerin erstattete naturschutzfachliche Privatgutachten der E, die darauf bezugnehmende Stellungnahme des Amtssachverständigen für Naturschutz vom 30. März 2021, sowie die im Rahmen des Parteiengehörs abgegebene Stellungnahme der NÖ Umweltanwaltschaft vom 29. April 2021 samt Replik des naturschutzfachlichen Amtssachverständigen vom 1. Juli 2021 in die Bescheidbegründung aufgenommen. Nach Darstellung der Rechtsgrundlagen ging die AWG-Behörde auf die Beanstandung des naturschutzfachlichen Gutachtens ein und kam zum Ergebnis, dass das vorgelegte Privatgutachten nicht geeignet sei, die Schlüssigkeit des Gutachtens bzw. die fachlichen Kenntnisse des Amtssachverständigen für Naturschutz in Zweifel zu ziehen bzw. von dessen Stellungnahme abzuweichen.
Zur Äußerung der Marktgemeinde *** vom 23. Juni 2021 führte die belangte Behörde wörtlich an:
„Die Entscheidung über die Situierung der beantragten Deponie obliegt allein der Konsenswerberin. Es handelt sich im gegenständlichen Genehmigungsverfahren um ein Projektgenehmigungsverfahren. Die Behörde kann nur das vorgelegte Projekt auf seine Genehmigungsfähigkeit zu prüfen, aber von sich aus keine Abänderungen des Projekts verlangen. Wenn das vorgelegte Projekt die Genehmigungsvoraussetzungen erfüllt, ist es zu genehmigen, unabhängig davon ob eine andere Situierung aus bestimmten Gründen zweckmäßig wäre.“
Das Ermittlungsverfahren habe eindeutig und zweifelsfrei die Genehmigungs- und Bewilligungsfähigkeit des beantragten Deponieprojektes ergeben.
Dieser Bescheid wurde von der Abfallrechtsbehörde der nunmehrigen Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 09. August 2021 „zur Kenntnis“ übermittelt.
2. Zum Beschwerdevorbringen:
Gegen diesen Genehmigungsbescheid erhob die Marktgemeinde *** durch ihre rechtsfreundliche Vertretung mit Schriftsatz vom 02. September 2021 Beschwerde und wurde beantragt, das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich möge eine mündliche Verhandlung durchführen und den bekämpften Bescheid in all seinen Spruchpunkten ersatzlos beheben.
Begründet wurden diese Anträge wie folgt:
„3.1 Zur Beschwerdelegitimation
(1) Gemäß § 42 Abs 1 Z 6 AWG 2002 hat ua die Standortgemeinde Parteistellung im abfallrechtlichen Genehmigungsverfahren für Behandlungsanlagen iSd § 37 Abs 1 AWG 2002. Keine Parteistellung der Standortgemeinde besteht gemäß § 50 Abs 4 AWG 2002 bloß im vereinfachten Verfahren für die unter § 37 Abs 3 AWG fallenden Behandlungsanlagen.
(2) Gemäß § 27 Abs 2 NÖ NSchG 2000 haben die betroffenen Gemeinden zur Wahrung ihrer Interessen des Fremdenverkehrs, der örtlichen Gefahrenpolizei, des Orts- und Landschaftsbildes und der örtlichen Raumordnung Parteistellung iSd § 8 AVG in den aufgrund des NÖ NSchG 2000 durchzuführenden Verwaltungsverfahren. Davon ausgenommen sind nur Verwaltungsstrafverfahren sowie Entschädigungsverfahren; eine Ausnahme für gewisse vereinfachte Verfahren ist hingegen nicht vorgesehen.
(3) Da das vorliegende Vorhaben eine Bodenaushubdeponie im Gemeindegebiet der Beschwerdeführerin zum Gegenstand hat, ist die Beschwerdeführerin Standortgemeinde iSd § 27 Abs 2 NÖ NSchG 2000 und hat daher im diesbezüglichen abfall- bzw. naturschutzrechtlichen Verfahren jeweils Parteistellung; nur wenn das abfallrechtliche Verfahren unter § 37 Abs 3 AWG 2002 fallen würde, hätte sie in Bezug auf das AWG 2002 – und nicht aber auch in Bezug auf das NÖ NSchG 2000 – keine Parteistellung.
(4) § 42 Abs 1 Z 6 AWG 2002 und § 27 Abs 2 NÖ NSchG 2000 begründen für die Beschwerdeführerin keine Parteistellung kraft subjektiver Rechte, sondern die Stellung einer sog Amts- bzw. Formalpartei. Dies bedeutet nach stRsp des VwGH, dass die Beschwerdeführerin zwar nicht die Verletzung der maßgebenden materiell-rechtlichen Bestimmungen, sehr wohl aber die Verletzung ihrer prozessualen Rechte geltend machen kann (vgl zum AWG 2002 etwa VwGH 27.2.2019, Ra 2018/05/0054; zum NÖ NSchG 2000 etwa VwGH 24.10.2017, Ra 2017/10/0130). Auch kann die Gemeinde als Formalpartei nach dem AWG 2002 geltend machen, dass das vereinfachte Verfahren zu Unrecht angewendet und ihr die Parteistellung iSd § 42 Abs 1
Z 6 AWG 2002 zu Unrecht aberkannt wurde (VwGH 23.2.2012, 2008/07/0012).
(5) Genau in den vorerwähnten prozessualen Rechten wurde die Beschwerdeführerin infolge der Aberkennung ihrer Parteistellung im gegenständlichen abfall- und naturschutzrechtlichen Verfahren verletzt, wie in Kapitel 3.3 der vorliegenden Beschwerde näher begründet wird.
3.2 Unzuständigkeit der belangten Behörde zur Erteilung der naturschutzrechtlichen Genehmigung
(6) Bevor die Verletzung der Beschwerdeführer in ihren prozessualen Rechten näher ausgeführt wird, sei darauf hingewiesen, dass die in Spruchpunkt IV. des bekämpften Bescheides enthaltene naturschutzrechtliche Genehmigung durch die „Landeshauptfrau von NÖ“ erteilt wurde, was sich sowohl aus der Formulierung von Spruchpunkt IV. des bekämpften Bescheides als auch aus der Fertigungsklausel auf Seite 117 des bekämpften Bescheides ergibt. Insoweit wurde der bekämpfte Bescheid von einer unzuständigen Behörde erlassen, weil zur Vollziehung des NÖ NSchG 2000, da es sich um eine Materie iSd Art 15 B-VG handelt, nicht die LH von NÖ, sondern die NÖ LReg zuständig ist.
(7) Daraus folgt, dass der bekämpfte Bescheid in Spruchpunkt IV. und in Spruchpunkt V., soweit letzterer die Vorschreibung der Landesverwaltungsabgabe für die Bewilligung nach dem NÖ NSchG 2000 zum Gegenstand hat, sondern allein aus diesem Grund wegen Unzuständigkeit der belangten Behörde zu beheben sein wird. Nur zur Vollständigkeit sei in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass diese Unzuständigkeit vom LVwG NÖ von Amts wegen und ungeachtet einer Möglichkeit der Verletzung sonstiger subjektivöffentlicher Rechte wahrzunehmen ist (zB VwGH 27.3.2018, Ra 2015/06/0072).
3.3 Verletzung der Beschwerdeführerin in ihren prozessualen Rechten
3.3.1 Unzulässige Genehmigungserteilung im vereinfachten Verfahren nach AWG 2002
(8) Wie bereits in Rz 7 der vorliegenden Beschwerde erwähnt wurde, wurde die gegenständliche abfallrechtliche Genehmigung für die Bodenaushubdeponie im vereinfachten Verfahren iSd § 50 AWG 2002 mit der Konsequenz erteilt, dass die belangte Behörde der Beschwerdeführerin keine Parteistellung zuerkannt hat (zu letzterem vgl Seite 109 des bekämpften Bescheides sowie die Zustellverfügung, in der die Beschwerdeführerin nicht genannt ist).
(9) Als Grundlage für die Anwendung des vereinfachten Verfahrens stütze sich die belangte Behörde offenbar auf § 37 Abs 3 Z 1 AWG 2002, der das vereinfachte Verfahren vorsieht für
„Deponien, in denen ausschließlich Bodenaushub- und Abraummaterial, welche durch Ausheben oder Abräumen von im Wesentlichen natürlich gewachsenem Boden oder Untergrund anfällt, abgelagert werden, sofern das Gesamtvolumen der Deponie unter
100 000 m³ liegt“.
(10) Wiewohl die belangte Behörde § 37 Abs 3 Z 1 AWG 2002 in ihrem Bescheid nicht ausdrücklich erwähnt, ergibt sich dessen Anwendung durch die belangte Behörde daraus, dass sie einerseits von einem Deponievolumen von 88.390m³ netto ausgeht und andererseits die übrigen Tatbestände des § 37 Abs 3 AWG 2002 von vornherein nicht in Betracht kämen.
(11) Die Auffassung der belangten Behörde, sie hätte die gegenständliche abfallrechtliche Genehmigung im vereinfachten Verfahren erteilen dürfen, ist jedoch rechtswidrig:
(12) Nach stRsp des VwGH sind verschiedene Regelungen im AWG 2002 den ihnen korrespondierenden Bestimmungen der GewO nachgebildet, sodass in diesen Fällen auf die Rsp zur GewO zurückgegriffen werden kann (zB VwGH 28.7.2016, 2013/07/0137; 22.3.2021, Ra 2019/05/0303). Dementsprechend ist die Judikatur zu den Genehmigungsvoraussetzungen für Betriebsanlagen nach der GewO auf die Genehmigungsvoraussetzungen für Behandlungsanlagen nach dem AWG 2002 übertragbar (zB VwGH 26.11.2015, 2012/07/0027; 28.7.2016, 2013/07/0137).
(13) Daraus folgt, dass für Behandlungsanlagen iSd AWG 2002 aus dem „Grundsatz der Einheit der gewerblichen Betriebsanlage“ nach der GewO der Grundsatz der Einheit der Behandlungsanlage abzuleiten ist. Der Grundsatz der Einheit der gewerblichen Betriebsanlage besagt, dass als gewerbliche Betriebsanlage die Gesamtheit jener Einrichtungen zu verstehen ist, die dem Zweck des Betriebes eines Unternehmens gewidmet sind und in einem örtlichen Zusammenhang stehen; die in einem sachlichen (betrieblichen) und örtlichen Zusammenhang stehenden Einrichtungen bilden eine Einheit und können nicht abgesondert genehmigt werden (zB VwGH 9.3.2021, Ra 2019/04/0143).
(14) Auf Behandlungsanlagen iSd §§ 37 ff AWG 2002 übertragen bedeutet dies, dass eine einheitliche Behandlungsanlage dann vorliegt, wenn die einzelnen Einrichtungen in einem sachlichen (betrieblichen) und örtlichen Zusammenhang zueinanderstehen.
(15) All dies trifft auf den vorliegenden Fall zu, sodass die mit dem bekämpften Bescheid genehmigte Bodenaushubdeponie nicht eine eigene Behandlungsanlage darstellt, sondern als Änderung der als Baurestmassendeponie mit Bescheid vom 14.9.2006 genehmigten, bereits bestehenden Behandlungsanlage zu qualifizieren ist.
(16) Der sachliche (betriebliche) Zusammenhang der verfahrensgegenständlichen Bodenaushubdeponie mit der bestehenden Baurestmassendeponie ergibt sich bereits aus der Betriebsbeschreibung der Bodenaushubdeponie selbst: Laut Seite 2 des hier bekämpften Bescheides soll nämlich die gegenständliche Bodenaushubdeponie der Zwischenlagerung und Deponierung von Aushubmaterial und Lehm des Deponieareals der bestehenden Baurestmassendeponie dienen; die abgelagerten Materialien sollen zum Teil für die spätere Verwendung als Baumaterialien für die bestehende Baurestmassendeponie zwischengelagert werden. Bestätigt wird der betriebliche Zusammenhang ferner dadurch, dass laut Auflagenpunkt II.2. des bekämpften Bescheides die Baurestmassendeponie zum Abstellen der auf der Bodenaushubdeponie eingesetzten Maschinen und Geräte dienen soll und dass laut Auflagenpunkt II.4. das für die Bodenaushubdeponie vorrätig zu haltende Ölbindemittel auf der Baurestmassendeponie vorrätig gehalten wird; dazu kommt, dass der Betrieb der Bodenaushubdeponie mit den schon bisher für die Baurestmassendeponie genehmigten Arbeitsmitteln erfolgen soll (vgl Stellungnahme des Arbeitsinspektorats auf Seite 26 des bekämpften Bescheides). All dies recht aus, um den betrieblichen Zusammenhang mit der bestehenden Baurestmassendeponie zu begründen.
(17) Der örtliche Zusammenhang zwischen der verfahrensgegenständlichen Bodenaushubdeponie und der bestehenden Baurestmassendeponie ist indes deshalb gegeben, weil die für die Bodenaushubdeponie vorgesehenen Grundstücke zu den Grundstücken der Baurestmassendeponie direkt benachbart sind (vgl zB Stellungnahme des ASV für Deponietechnik und Gewässerschutz auf Seite 26 des bekämpften Bescheides sowie den Plan auf Seite 82 des bekämpften Bescheides). Sie bilden mit letzteren eine zusammenhängende Fläche und – wie auch der ASV für Naturschutz auf Seite 20 des bekämpften Bescheides festgehalten hat – stellen die nördliche Fortsetzung der bestehenden Baurestmassendeponie dar. Unterstrichen wird dies dadurch, dass für die Vergrößerung der Baurestmassendeponie auf Grund des Bescheides der belangten Behörde vom 9.8.2021, ***, Teile derselben Grundstücke in Anspruch genommen werden wie für die hier verfahrensgegenständliche Bodenaushubdeponie, nämlich in beiden Fällen die Grundstücke Nr. *** und ***, KG ***, Marktgemeinde ***. Nur zur Vollständigkeit sei in diesem Zusammenhang überdies angemerkt, dass nach der Rsp des VwGH selbst eine geringfügige räumliche Trennung zwischen verschiedenen Anlagenteilen dem Vorliegen einer einheitlichen Betriebs-/Behandlungsanlage nicht entgegenstehen würde, solange die tatsächlichen Betriebsabläufe auf den Betriebsliegenschaften eine Einheit bilden (zB VwGH 9.3.2021, Ra 2019/04/0143); diese Einheit der Betriebsabläufe wurde bereits in Rz 27 dargelegt.
(18) Konsequenz dessen, dass die vorliegend verfahrensgegenständliche Bodenaushubdeponie kein eigenes Vorhaben, sondern eine Änderung der als Baurestmassendeponie mit Bescheid vom 14.9.2006 genehmigten Behandlungsanlage darstellt, ist es, dass der von der belangten Behörde für die Durchführung eines vereinfachten Verfahrens herangezogene Tatbestand des § 37 Abs 3 Z 1 AWG 2002 nicht erfüllt ist. Denn nach § 37 Abs 3 Z 1 AWG 2002 dürfen nur Deponien, in denen ausschließlich Bodenaushub und gewisses Abraummaterial deponiert werden und bei denen das Gesamtvolumen der Deponie unter 100.000 m³ liegt, im vereinfachten Verfahren genehmigt werden. Auf Grund des Vorliegens einer einheitlichen Behandlungsanlage ist das gegenständliche Projekt jedoch als Änderung einer bestehenden Baurestmassendeponie zu qualifizieren. Es liegt auf Grund der Änderung sohin eine kombinierte Baurestmassen- und Bodenaushubdeponie vor, in der nicht – wie von § 37 Abs 3 Z 1 AWG 2002 gefordert – ausschließlich Bodenaushub oder gewisses Abraummaterial deponiert wird; zudem ist, weil schon das ursprünglich am 14.9.2006 genehmigte Deponievolumen 678.479 m³ betragen hat, der Schwellenwert des § 37 Abs 3 Z 1 AWG 2002 von 100.000m³ klar überschritten.
3.3.2 Konkret zur Verletzung in prozessualen Rechten
(19) Die wie in Kapitel 3.3.1 dargelegt, rechtswidrige Durchführung des vereinfachten Verfahrens iSd § 50 AWG 2002 hat dazu geführt, dass die Beschwerdeführerin in ihren prozessualen Rechten verletzt wurde, weil, wie auch der bekämpfte Bescheid auf Seite 109 zugesteht, ihre Parteirechte iSd § 8 AVG negiert wurden: Die Beschwerdeführerin wurde im Verfahren zur Erlassung des bekämpften Bescheides insb um ihr Recht auf Akteneinsicht iSd § 18 AVG sowie ihr Recht gemäß § 45 Abs 3 AVG gebracht, vom Ergebnis der Beweisaufnahme Kenntnis zu erlangen und dazu Stellung zu nehmen (Recht auf Parteiengehör).
(20) Daran ändert auch der Umstand nichts, dass die Beschwerdeführerin im gegenständlichen Verfahren rudimentäre Stellungnahme abgegeben hat, welche auf Seite 14 des bekämpften Bescheides zitiert ist und aus gerade einmal 9 Zeilen besteht. Die Ausübung der Parteirechte gemäß § 45 Abs 3 AVG setzt nämlich voraus, dass auch die Möglichkeit zur Akteneinsicht besteht und dass der Partei die Ergebnisse der Beweisaufnahme zur Kenntnis gebracht wurden. All dies wurde aber der Beschwerdeführerin rechtswidrigerweise vorenthalten.
(21) Was Spruchteil IV. des bekämpften Bescheides betreffend die naturschutzrechtliche Bewilligung anlangt, so liegt die Verletzung der Beschwerdeführerin in ihren zuvor zitierten prozessualen Rechten im Übrigen schon allein deshalb klar auf der Hand, weil das NÖ NSchG 2000 kein vereinfachtes Genehmigungsverfahren kennt, in dem die Parteistellung der Beschwerdeführerin ausgeschlossen wäre. Selbst unter der – wie dargelegt freilich unzutreffenden – Annahme, dass die Durchführung des vereinfachten Verfahrens nach § 50 AWG 2002 zulässig gewesen wäre, hätte die belangte Behörde die Parteistellung der Beschwerdeführerin nach § 27 Abs 2 NÖ NSchG 2000 zu beachten gehabt, was aber ebenfalls nicht erfolgt ist.
(22) Nach stRsp des VwGH hat die rechtswidrige Nichtbeiziehung einer Formalpartei zur Folge, dass der bekämpfte Bescheid ersatzlos zu beheben und das betreffende Verfahren in der 1. Instanz neu durchzuführen ist (vgl dazu nur VwGH 13.4.2000, 99/07/0202; Hengstschläger/Leeb, § 66 AVG [Stand 1.7.2007, rdb.at] Rz 109). Das LVwG NÖ wird daher den bekämpften Bescheid ersatzlos zu beheben haben mit der Konsequenz, dass der verfahrenseinleitende Antrag wieder unerledigt ist und die belangte Behörde (bzw hinsichtlich der das NÖ NSchG 2000 betreffenden Spruchpunkte die NÖ LReg) darüber neuerlich zu entscheiden hat.“
3. Zum durchgeführten Ermittlungsverfahren:
Am 04. Oktober 2021 wurden die verfahrensrelevanten Bestandteile des Aktes zur Zl. ***, insbesondere der Genehmigungsbescheid vom 28. Juli 2021, Zl. ***, sowie die Beschwerde von der belangten Behörde dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich vorgelegt.
Mit E-Mail vom 26. Jänner 2022 wurden dem Gericht Leserechte für den gesamten, von der belangten Behörde elektronisch geführten Akt *** erteilt und wurde in diesen Einsicht genommen.
4. Feststellungen:
Mit Bescheid der Landeshauptfrau von Niederösterreich vom 09. August 2021,
Zl. ***, wurde der B GmbH die abfallrechtliche und naturschutzrechtliche Bewilligung zur Änderung der mit Bescheid vom 14. September 2006, Zl. ***, genehmigten Baurestmassen-deponie durch Erweiterung des Deponieabschnittes *** in Richtung Norden im Ausmaß von rund 2.091 m² bzw. rund 13.651 m³ auf den Grundstücken Nr. *** und ***, KG ***, Marktgemeinde ***, zum Zwecke der Anpassung der Deponiegrenze der Baurestmassendeponie an den Straßenverlauf erteilt. Der Deponieerweiterungsbereich wird mit der Bezeichnung *** geführt, nachdem der bestehende Deponieabschnitt *** in die Unterabschnitte *** und *** unterteilt ist. Das gegenständliche Areal liegt neben dem Bereich der ehemaligen Lehmgrube der Firma F, ca. 3 km nordöstlich von ***, direkt an der Landeshauptstraße LH ***. Mit dieser abfallrechtlichen Entscheidung wurde das Deponievolumen um ca. 13.651 m³ von der derzeit genehmigten Gesamtablagerungsmenge von 678.479 m³ auf 692.130 m³ erhöht.
Mit Ansuchen vom 27. Jänner 2020 wurde von der B GmbH unter Vorlage des Projektes „***, Gst. Nr. ***, ***, *** und ***, KG ***“, erstellt von der G GmbH am 29. Jänner 2020, GZ ***, um „Erteilung einer abfallrechtlichen Bewilligung zu abschnittweiser Errichtung und Betrieb eines *** für nicht verunreinigtes Bodenaushubmaterial auf den Grundstücken Nr. ***, ***, *** und ***, KG ***, mit einer Fläche von 1,63 ha und einem Volumen von rund 88.900 m³ (94.910 m³ mit Humusschicht) zum Zwecke der Zwischenlagerung und Lagerung von Aushubmaterial und Lehm des Deponieareals der bestehenden Baurestmassendeponie“ angesucht. Wörtlich wurde angeführt: „Aus rechtlicher Sicht wird der Zwischenlagerdamm als vereinfachte Bodenaushubdeponie gem. § 37 bzw. § 48 Abs. 4 Abfallwirtschaftsgesetz 2002 bzw. § 4 DVO 2008 eingereicht“.
Gemäß Projekt soll nördlich der abfallrechtlich und naturschutzrechtlich genehmigten Baurestmassendeponie ein Lager bzw. Zwischenlager für natürlich gewachsenes Bodenaushubmaterial, welches bei der Profilierung des Deponieabschnittes *** der Baurestmassendeponie anfällt, in Form eines Dammes errichtet werden.
Mit Schreiben vom 20. August 2020 erging an die Standortgemeinde (unter Anschluss der Bekanntmachung, des Antrages und der Projektunterlagen) auf Grundlage der §§ 37 Abs. 3 iVm 50 Abs. 2 AWG 2002 die Aufforderung, die Bekanntmachung innerhalb der von der Abfallrechtsbehörde genannten Fristen kundzumachen. Die Bekanntmachung wurde in weiterer Folge von der Marktgemeinde *** an der Amtstafel vom 21. August 2020 bis 30. September 2020 kundgemacht.
Am 30. September 2020 wurde von der Abfallrechtsbehörde im vereinfachten Genehmigungsverfahren eine Verhandlung abgehalten, in welcher Projekt-ergänzungen gefordert wurden.
Mit Schreiben vom 30. November 2020 wurde von der Konsenswerberin das überarbeitete Projekt „***, Gst. Nr. ***, ***, *** und ***, KG ***, überarbeitete Version November 2020“, erstellt von der G GmbH am 30. November 2020, GZ ***, vorgelegt.
Das beantragte *** soll in zwei Abschnitten errichtet werden:
Der Abschnitt 01 (nördlicher Bereich) umfasst eine Fläche von 9.723 m² und soll mit 48.665 m³ Bodenaushubmaterial, das im Zuge der Profilierung des Deponieabschnittes *** der bestehenden Baurestmassendeponie anfällt, beschüttet werden. Dieser Abschnitt soll auf Dauer belassen werden und fungiert in weiterer Folge auch als Lärm- und Sichtschutzdamm für den Baurestmassendeponiebetrieb.
Der Abschnitt 02 (Fläche 6.582 m²) soll mit 40.190 m³ Lehmmaterial, das ebenfalls vom Deponieabschnitt *** stammt, errichtet werden und soll dieses Material später beim weiteren Ausbau der Baurestmassendeponie als Dichtschichtmaterial verwendet werden.
Die Dammschüttung weist eine Kronenbreite von 3 m und eine Basisbreite von 50 bis 53 m auf. Die Höhe beträgt 10 bis 12,5 m. Die Böschungsneigungen betragen im Norden 1:3 und Richtung Süden, sowie im Westen und Osten 2:3.
Die Oberfläche des Abschnittes 01 wird nach Errichtung der Schüttung mit bewuchsfähigem Material abgedeckt; der Abschnitt 02 wird grundsätzlich nicht abgedeckt, da dieses Material für den Deponiebau der angrenzenden Baurestmassendeponie vorgesehen ist. Sollte das Lehmmaterial über die Dauer der Baurestmassendeponie hinaus bestehen, so wird 10 cm Humus aufgebracht und auch hier eine Rekultivierung durchgeführt werden.
Die Errichtung des Dammes wird maximal 10 Jahre betragen.
Mit Bescheid der Landeshauptfrau von Niederösterreich vom 28. Juli 2021, Zl. ***, wurde der B GmbH, die abfallrechtliche und naturschutzrechtliche Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb einer Bodenaushubdeponie auf den Grundstücken Nr. ***, ***, *** und ***, KG ***, erteilt. Gemäß dem mit der Bezugsklausel versehenen Projekt, erstellt von D, beträgt das beantragte – und genehmigte – Vollfüllvolumen der Deponie 88.900 m³.
5. Beweiswürdigung:
Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus dem von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakt, insbesondere aus dem der Genehmigung zugrunde- liegenden Projekt, und ist zwischen den Parteien des Beschwerdeverfahrens auch nicht strittig. Uneinigkeit besteht lediglich in der Beantwortung der Rechtsfrage, ob die Voraussetzungen zur Durchführung des Genehmigungsverfahrens in Anwendung des vereinfachten Genehmigungsverfahrens gemäß § 50 Abfallwirtschafts-gesetz 2002 (AWG 2002) erfüllt sind bzw. ob von einem einheitlichen Deponieprojekt auszugehen ist.
6. Rechtslage:
§ 28 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) regelt:
Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
§ 28 Abs. 2 VwGVG lautet:
Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn
1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder
2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
§ 37 Abs. 1 Abfallwirtschaftsgesetz 2002 (AWG 2002) lautet wie folgt:
Die Errichtung, der Betrieb und die wesentliche Änderung von ortsfesten Behandlungsanlagen bedarf der Genehmigung der Behörde. Die Genehmigungspflicht gilt auch für ein Sanierungskonzept gemäß § 57 Abs. 4.
§ 37 Abs. 3 AWG 2002 bestimmt:
Folgende Behandlungsanlagen – sofern es sich nicht um IPPC-Behandlungsanlagen oder Seveso-Betriebe handelt – und Änderungen einer Behandlungsanlage sind nach dem vereinfachten Verfahren (§ 50) zu genehmigen:
1. Deponien, in denen ausschließlich Bodenaushub- und Abraummaterial, welches durch Ausheben oder Abräumen von im Wesentlichen natürlich gewachsenem Boden oder Untergrund anfällt, abgelagert werden, sofern das Gesamtvolumen der Deponie unter 100 000 m3 liegt;
2. […]
Konzentration und Zuständigkeit:
§ 38. (1) (Verfassungsbestimmung) Im Genehmigungsverfahren und Anzeigeverfahren für gemäß § 37 genehmigungspflichtige Behandlungsanlagen sind alle Vorschriften – mit Ausnahme der Bestimmungen über die Parteistellung, die Behördenzuständigkeit und das Verfahren – anzuwenden, die im Bereich des Gas-, Elektrizitätswirtschafts-, Landesstraßen-, Naturschutz- und Raumordnungsrechts für Bewilligungen, Genehmigungen oder Untersagungen des Projekts anzuwenden sind. Hinsichtlich dieser landesrechtlichen Vorschriften hat die Behörde im selben Bescheid in einem eigenen Spruchpunkt zu entscheiden. Die behördlichen Befugnisse und Aufgaben zur Überprüfung der Ausführung einer Behandlungsanlage und der Übereinstimmung mit dem Genehmigungsbescheid, zur Kontrolle, zur Herstellung des gesetzmäßigen Zustands, zur Gefahrenabwehr, zur nachträglichen Konsensanpassung und zur Vorschreibung und Durchführung von Maßnahmen bei Errichtung, Betrieb, Änderung und Auflassung sind vom Landeshauptmann entsprechend den folgenden Bestimmungen dieses Abschnittes wahrzunehmen. In Angelegenheiten des Landesrechts ist der Landeshauptmann als Mitglied der Landesregierung oberstes Organ der Landesvollziehung.
§ 42 Abs. 1 Z 2 AWG 2002 lautet:
Parteistellung in einem Genehmigungsverfahren gemäß § 37 Abs. 1 haben
[…]
die Gemeinde des Standortes und die unmittelbar an die Liegenschaft der Behandlungsanlage angrenzende
Gemeinde,
[…]
§ 50 Abs. 1 AWG 2002 bestimmt:
Im vereinfachten Verfahren sind die §§ 38, 39, 43 und 46 bis 49 nach Maßgabe der folgenden Absätze anzuwenden.
§ 50 Abs. 2 AWG 2002 schreibt vor:
Die Behörde hat einen Antrag für eine Genehmigung gemäß § 37 Abs. 3 vier Wochen aufzulegen. Die Auflage ist in geeigneter Weise, wie Anschlag in der Standortgemeinde oder Veröffentlichung auf der Internetseite der Behörde, bekannt zu geben. Die Nachbarn können innerhalb der Auflagefrist Einsicht nehmen und sich zum geplanten Projekt äußern. Die Behörde hat bei der Genehmigung auf die eingelangten Äußerungen Bedacht zu nehmen.
§ 50 Abs. 4 AWG 2002 regelt:
Parteistellung im vereinfachten Verfahren hat der Antragsteller, derjenige, der zu einer Duldung verpflichtet werden soll, das Arbeitsinspektorat gemäß dem Arbeitsinspektionsgesetz 1993, das wasserwirtschaftliche Planungsorgan in Wahrnehmung seiner Aufgaben und der Umweltanwalt mit dem Recht, die Einhaltung von naturschutzrechtlichen Vorschriften und hinsichtlich der Verfahren gemäß § 37 Abs. 3 Z 2 bis 4 die Wahrung der öffentlichen Interessen gemäß § 1 Abs. 3 Z 1 bis 4 im Verfahren geltend zu machen. Dem Umweltanwalt wird das Recht eingeräumt, Rechtsmittel zu ergreifen, einschließlich Beschwerde an das Verwaltungsgericht sowie Revision an den Verwaltungsgerichtshof zu erheben.
Vorweg ist festzuhalten, dass durch die bloße Zustellung eines Bescheides die Parteistellung und damit das Recht zur Einbringung der Beschwerde nicht begründet werden kann (vgl. VwGH 29.06.1995, 92/07/0195).
Auf Grund des § 50 Abs. 4 AWG 2002 hat die Standortgemeinde im vereinfachten Genehmigungsverfahren keine Parteistellung (VwGH 26.02.2020, Ra 2019/05/0047). Im vereinfachten Betriebsanlagengenehmigungsverfahren nach § 359b Abs 1 GewO 1994 kommt den Nachbarn in der Frage, ob überhaupt die Voraussetzungen des vereinfachten Verfahrens gegeben sind, eine insoweit eingeschränkte Parteistellung zu. Dies gilt auch für das vereinfachte Verfahren nach § 50 AWG 2002 (VwGH 16.12.2010, 2007/07/0045), sodass der beschwerdeführenden Standortgemeinde im gegenständlichen Verfahren grundsätzlich eine Beschwerdelegitimation zukommt.
Die im Verfassungsrang stehende Bestimmung des § 38 Abs. 1 AWG 2002 begründet - wie sich insbesondere aus der Anordnung ihres zweiten Satzes ergibt, wonach die Behörde hinsichtlich der landesrechtlichen Vorschriften "im selben Bescheid in einem eigenen Spruchpunkt zu entscheiden" hat - eine Verfahrens- und Entscheidungskonzentration für die in dieser Bestimmung genannten landesrechtlichen Materien. Zur Ermöglichung dieser vollen Verfahrens- und Entscheidungskonzentration sieht § 38 Abs. 1 letzter Satz AWG 2002 vor, dass auch in Materien, die in die Gesetzgebung und Vollziehung der Länder gehören (vgl. Art. 15 Abs. 1 B-VG), - wie etwa im Naturschutzrecht - der "Landeshauptmann als Mitglied der Landesregierung oberstes Organ der Landesvollziehung" ist (VwGH 28.07.2016, 2013/07/0137). Aufgrund dieser durch die genannte Verfassungsbestimmung ermöglichten Verfahrens- und Entscheidungskonzentration ist die Parteistellung nach den abfallrechtlichen Bestimmungen zu beurteilen und nicht, wie von der Beschwerdeführerin behauptet, nach § 27 Abs. 2 NÖ NSchG 2000; ebenso irrt die beschwerdeführende Standortgemeinde, wenn sie eine Unzuständigkeit der belangten Behörde zur Erteilung der naturschutzrechtlichen Genehmigung (Punkt 3.2 der Beschwerdeschrift) gegeben sieht.
Wesentlich ist im gegenständlichen Beschwerdeverfahren, ob die belangte Behörde das gegenständliche Projekt in einem gesonderten Genehmigungsverfahren, losgelöst von der von der mitbeteiligten Partei betriebenen Baurestmassendeponie, genehmigen durfte bzw. ob der gegenständliche Antrag - wie von der Beschwerdeführerin behauptet - nicht als Abänderungsantrag der mit Bescheid vom 14. September 2006, Zl. ***, genehmigten Baurestmassendeponie zu werten wäre.
Nach den Begriffsdefinitionen in § 2 Abs. 7 Z 1 und 2 AWG 2002 setzt das Vorliegen einer Behandlungsanlage das Vorhandensein von Einrichtungen, "in" denen Abfälle behandelt werden, voraus. (vgl. auch VwGH 29.07.2015, Ra 2015/07/0010). Auf Grund des Wortlautes des Gesetzes müssen somit die Abfälle "in" der Einrichtung, in der sie behandelt werden, physisch vorhanden sein. Es genügt nicht, dass Abfälle, die sich außerhalb der Einrichtung befinden, "mit" oder "mittels" bestimmter Einrichtungen behandelt werden; derartige Einrichtungen, "in" denen die Behandlung nicht stattfindet, sind für sich allein keine Abfallbehandlungsanlagen im Sinne des AWG 2002. Anlagenteile aber, die mit einer Behandlungsanlage im dargelegten Sinn unmittelbar verbunden sind und in einem technischen Zusammenhang stehen, sind Teil der Behandlungsanlage (VwGH 20.03.2018, Ro 2017/05/0015).
In diesem Zusammenhang steht zunächst fest, dass dem AWG 2002 ein technischer Anlagenbegriff zugrunde liegt. Eine Behandlungsanlage liegt demnach jedenfalls in jenem Umfang vor, in dem Abfall faktisch behandelt wird, wobei im Rahmen einer örtlich gebundenen Einrichtung verwendete, nicht stabile oder nicht örtlich gebundene Elemente als Teil der Anlage gelten und folglich im Genehmigungs-verfahren zu berücksichtigen sind. Die Legaldefinition des § 2 Abs. 7 Z 1 AWG 2002 bezieht unmittelbar mit der (zentralen) Einrichtung verbundene, in einem technischen Zusammenhang stehende Anlagenteile in den Anlagenbegriff mit ein. Als Abfallbehandlungsanlage ist die Behandlungsanlage in ihrer Gesamtheit (zB eine Deponie mit den entsprechenden Einrichtungen, wie Zwischenlager, Labor, Gebäude des Personals) und andererseits ein bestimmter Anlagenteil einer Produktionsanlage (zB eine betriebseigene Deponie oder eine Verbrennungsanlage im Zusammenhang mit einer Produktionsanlage) zu verstehen. Zumindest kann daraus aber geschlossen werden, dass der technische Anlagenbegriff des AWG 2002 enger ist als jener der GewO 1994 und sich der zur gewerblichen Betriebsanlage entwickelte Grundsatz der Einheit der Betriebsanlage somit nicht auf das AWG 2002 übertragen lässt. Allein aufgrund eines lokalen Zusammenhangs kann daher nicht per se von einer einheitlichen Behandlungsanlage ausgegangen werden (Berl/Forster, Abfallwirtschaftsrecht² Kap. I.K (Stand 20.2.2020, rdb.at), Rz 277; ebenso Scheichl/Zauner/Berl, AWG 2002 (2015) § 2 Rz 178).
Gemäß § 2 Abs. 7 Z 4 AWG 2002 sind „Deponien“ Anlagen, die zur langfristigen Ablagerung von Abfällen oberhalb oder unterhalb (dh. unter Tage) der Erdoberfläche errichtet oder verwendet werden, einschließlich betriebseigener Anlagen für die Ablagerung von Abfällen, oder auf Dauer (dh. für länger als ein Jahr) eingerichtete Anlagen, die für die vorübergehende Lagerung von Abfällen genutzt werden.
Nicht als Deponien gelten hingegen
„a) Anlagen, in denen Abfälle abgeladen werden, damit sie für den Weitertransport zur Behandlung an einem
anderen Ort vorbereitet werden können,
b) Anlagen zur Zwischenlagerung von Abfällen vor der Verwertung, sofern die Dauer der Zwischenlagerung
drei Jahre nicht überschreitet, und
c) Anlagen zur Zwischenlagerung von Abfällen vor der Beseitigung, sofern die Dauer der Zwischenlagerung
ein Jahr nicht überschreitet.“
Gemäß § 34 Abs. 2 Deponieverordnung 2008 (DVO 2008) ist ein Lagern oder Zwischenlagern von Abfällen, einschließlich ein kurzzeitiges Lagern vor oder nach einer Behandlung, nur in einer dafür genehmigten anderen Anlage innerhalb des Deponiebereichs oder in einem Zwischenlager gemäß § 33 Abs. 1 oder bei Abfällen zur Deponierung im Zuge der Eingangskontrolle entsprechend § 18 Abs. 2 im Ablagerungsbereich des Deponiekörpers zulässig. Nach § 34 Abs. 3 gilt Abs. 1 und 2 nicht für Kompartimente, bei denen die endgültige Oberflächenabdeckung aufgebracht ist.
Nach der Legaldefinition des § 3 Z 11 DVO 2008 umfasst ein Deponiebereich die im Genehmigungsbescheid angeführten Flächen der Deponie gemäß § 2 Abs. 7 Z 4 AWG 2002; jedenfalls gehören dazu der Deponiekörper und die für den Deponiebetrieb erforderlichen, auch außerhalb des Deponiekörpers liegenden Einrichtungen zur Sickerwassererfassung oder Deponiegaserfassung, Gebäude für das Deponiepersonal, Abstell- und Umkehrflächen und ein Zwischenlager gemäß
§ 33 Abs. 1.
Ein Kompartiment ist ein Teil der Deponie, der so ausgeführt ist, dass eine vollständig getrennte Ablagerung von Abfällen, einschließlich einer getrennten Deponiesickerwassererfassung, sichergestellt ist. Jedes Kompartiment muss einer bestimmten Deponie(unter)klasse zugeordnet sein. Mehrere Kompartimente eines Deponiekörpers können gemeinsame Einrichtungen aufweisen (zB Rand- und Stützwälle), sofern es dadurch zu keiner Vermischung von Abfällen oder Wechselwirkung zwischen den Sickerwässern verschiedener Kompartimente kommt (§ 3 Z 32 DVO 2008).
§ 33 Abs. 1 DVO 2008 lautet:
Der Deponieinhaber hat im Deponiebereich getrennt vom Deponiekörper geeignete Einrichtungen, insbesondere für die Übernahme und die Eingangskontrolle von Abfällen (sofern nicht eine Ausnahme gemäß § 18 Abs. 1 genehmigt ist), einschließlich Abstell- und Umkehrflächen für Anlieferfahrzeuge, und das auf der Deponie beschäftigte Personal vorzusehen. Sofern Abfälle vor der Annahme und dem Einbau in den Deponiekörper zwischengelagert werden sollen, zB bei Verdacht auf eine unzulässige Kontamination, sind geeignete Zwischenlager getrennt vom Deponiekörper einzurichten. Für diese Zwischenlager gilt § 34 Abs. 1 Z 1 bis 3 sinngemäß.
Faktum ist, dass projektgemäß zumindest der Abschnitt 01 der verfahrensgegen-ständlichen Deponie auf Dauer errichtet werden soll. Auch beim Abschnitt 02 wurde ein Betriebszeitraum von 10 Jahren beantragt, sodass gemäß Legaldefinition des
§ 2 Abs. 7 Z 4 AWG 2002 der Deponiebegriff im rechtlichen Sinn bei beiden Abschnitten erfüllt ist; darüber hinaus ist ein örtlicher und sachlicher Zusammenhang zwischen den Abschnitten erkennbar. Zudem wurde gemäß den Feststellungen lediglich ins Auge gefasst, das im Bereich des Abschnittes 02 gelagerte Material zu einem späteren Zeitpunkt wieder zu entnehmen und im Bereich der Baurestmassendeponie zu verwerten.
Es besteht zwar eine örtliche Nähe zwischen der angrenzenden Baurestmassen-deponie und der verfahrensrelevanten Bodenaushubdeponie, doch kann der sachlich geforderte Zusammenhang vom erkennenden Gericht nicht erkannt werden: Sämtliche vom gegenständlichen Projekt umfassten Abfälle sollen nicht zu einem späteren Zeitpunkt in die angrenzende Baurestmassendeponie eingebracht werden; angedacht ist lediglich, dass ein Teil der Dammschüttung einer Verwertungsmaßnahme im Zuge der Errichtung von Deponieabschnitten zugeführt wird; ein Einbau in den Deponiekörper, nämlich eine Deponierung der Materialien als Beseitigungsmaßnahme, ist nicht geplant, sodass kein Zwischenlager iSd § 33
Abs. 1 DVO 2008 vorliegt. Ebenso liegt keine andere Anlage iSd § 34 Abs. 1 DVO 2008 vor, da die Errichtung nicht INNERHALB des Deponiebereiches der Baurestmassendeponie projektiert wurde, weshalb insgesamt kein einheitlicher Deponiebereich zwischen Baurestmassendeponie und Bodenaushubdeponie iSd
§ 3 Z 11 DVO 2008 gegeben ist.
Unstrittig ist, dass zwischen der Bodenaushubdeponie und der Baurestmassendeponie eine räumliche Distanz bestehen bleibt (siehe auch zustimmend im Punkt 28 der Beschwerdeschrift). Es mag sein, dass die beim Betrieb der Bodenaushubdeponie eingesetzten Maschinen auf der benachbarten Baurestmassendeponie gelagert werden bzw. auf letzterer die notwendigen Ölbindemittel aufbewahrt werden (Punkt 27 der Beschwerdeschrift). Der notwendige sachliche Zusammenhang, der bei einem Deponiebetrieb in der (gemeinsamen) Ablagerung von Abfällen begründet sein muss, kann