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32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;Norm
BAO §184;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Karger, Dr. Graf, Mag. Heinzl und Dr. Zorn als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Traudtner, über die Beschwerde des W in I, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Tirol vom 16. Mai 1995, Zl. 50.180-5/95, betreffend Sicherstellungsauftrag, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Am 11. Mai 1994 erstattete das Finanzamt Innsbruck gegen den Beschwerdeführer eine Strafanzeige an die Staatsanwaltschaft Innsbruck wegen des Verdachtes der Abgabenhinterziehung gemäß § 33 Abs. 1 Finanzstrafgesetz. Die Anzeige gründete sich auf Provisionszahlungen von zwei liechtensteinischen Firmen im Zusammenhang mit dem Verkauf von Kunstgegenständen. Bei den liechtensteinischen Firmen handle es sich um reine "Briefkastenfirmen" des Beschwerdeführers. Die Provisionszahlungen an die A. GmbH, die mit dem Verkauf der Kunstgegenstände nichts zu tun gehabt habe, hätten bloß dazu gedient, die Erlöse einer Versteuerung beim Beschwerdeführer zu entziehen.
Nach Einleitung der gerichtlichen Voruntersuchung und Durchführung einer Hausdurchsuchung erließ das Finanzamt am 27. Mai 1994 gegen den Beschwerdeführer einen Sicherstellungsauftrag betreffend die aus den Provisionszahlungen aus Liechtenstein voraussichtlich resultierenden Abgabenansprüche (Einkommensteuer und Gewerbesteuer für 1990 und 1991 im Gesamtbetrag von S 3,583.611).
In der gegen diesen Sicherstellungsauftrag erhobenen Berufung wurde eingewendet, er stütze sich auf bloße Vermutungen, nicht aber auf konkrete Tatsachenfeststellungen.
Das Finanzamt wies die Berufung mit Berufungsvorentscheidung vom 16. Dezember 1994 ab. Darin wurde ausgeführt, der Beschwerdeführer habe den Tatbestand, an den die Abgabepflicht geknüpft sei, durch seine Tätigkeit als Kunsthändler verwirklicht. Zur näheren Begründung wurde auf die angeschlossene, von der Prüfungsabteilung Strafsachen des Finanzamtes erstellte Sachverhaltsdarstellung und rechtliche Würdigung verwiesen. Darin wurde ausgeführt, daß der Beschwerdeführer im Jahr 1985 sämtliche Rechte an der liechtensteinischen M Anstalt gekauft habe. Eine diesbezügliche Vereinbarung mit dem früheren Inhaber der Rechte sei bei der Hausdurchsuchung vorgefunden worden. Außerdem ergebe sich aus vorgefundenen Urkunden, daß der Beschwerdeführer einen liechtensteinischen Treuhänder zum Verwaltungsrat bestellt habe. Als eine namentlich genannte Malerin im Jahr 1980 verstorben sei und deren künstlerischer Nachlaß verkauft werden sollte, habe sich der Beschwerdeführer dafür interessiert. Über Anraten seines damaligen Rechtsberaters habe er die A. Holland BV mit Vertrag vom 9. April 1983 (Neufassung vom 12. Oktober 1986) als Käuferin eingesetzt. Der Beschwerdeführer sei alleinzeichnungsberechtigter Prokurist dieser niederländischen Gesellschaft gewesen. Alleiniger Gesellschafter sei seine Ehefrau. Der Kaufpreis für die Bilder habe S 1,698.000,-- betragen. In den Jahren 1983 bis 1987 habe sich der Beschwerdeführer bemüht, das Werk der Malerin durch verschiedene Aktivitäten international bekannt zu machen. Die damit verbundenen Kosten habe die A. GmbH in Innsbruck getragen, deren alleiniger Gesellschafter die Ehefrau des Beschwerdeführers gewesen sei. Mit Kaufvertrag vom 12. Februar 1987 habe die liechtensteinische M. Anstalt zu einem Kaufpreis von S 1,7 Millionen die Nachlaßwerke der Malerin von der A. Holland BV erworben. Ab 1987 habe der Beschwerdeführer über Inserate Kapitalgeber bzw. Mitgesellschafter für eine "Gesellschaft zur internationalen Vermarktung expressionistischer Malerei der klassischen Moderne" gesucht, wobei er in diversen Antwortschreiben auf Beteiligungsangebote mitgeteilt habe, daß es sich um die Werke der genannten Malerin handle. In einem Brief an eine Interessentin habe er die Bereitschaft zum Verkauf von Bildern dieser Malerin geäußert. In den Jahren 1988 und 1989 habe der Beschwerdeführer weitere näher umschriebene Aktivitäten zum Verkauf der Werke der Malerin unternommen. Im Jahre 1989 seien mindestens drei Werke der Malerin im Namen der M. Anstalt um insgesamt S 688.000,-- verkauft worden. Am 10. Mai 1990 habe die M. Anstalt die zum Nachlaß gehörenden Werke der Malerin mit einigen Ausnahmen verkauft. Nach Angabe des Beschwerdeführers habe die M. Anstalt dafür einen Betrag von sfr 2,150.000,-- erhalten. Seine Ankündigungen betreffend die steigende Tendenz des Handelswertes der Werke der Malerin habe sich bewahrheitet. Außer den Werken der genannten Malerin habe der Beschwerdeführer in den Jahren 1989 bis 1992 auch Werke anderer Künstler zum Verkauf angeboten.
In rechtlicher Hinsicht ging das Finanzamt davon aus, der Beschwerdeführer habe allein über die M. Anstalt verfügt. Auf Grund dieses Erscheinungsbildes und der Tatsachen, daß der Firmensitz der M. Anstalt das Büro eines liechtensteinischen Treuhandbüros gewesen sei, alle Geschäftspartner und Interessenten mit dem Beschwerdeführer unter seiner Innsbrucker Adresse und Telefonnummer kommuniziert hätten, die Sammlung der Nachlaßwerke nie nach Liechtenstein verbracht worden seien, sondern sich immer in Räumlichkeiten befunden hätten, die im Eigentum eines Familienmitgliedes des Beschwerdeführers gestanden seien, sei bei Anwendung der im Abgabenverfahren gemäß § 21 BAO anzuwendenden wirtschaftlichen Betrachtungsweise die Geschäftsgebarung der M. Anstalt dem Beschwerdeführer steuerlich zuzurechnen. Der Beschwerdeführer habe sich demnach als gewerblicher Kunsthändler betätigt.
Mit Schriftsatz vom 20. Jänner 1995 beantragte der Beschwerdeführer die Entscheidung über seine Berufung durch die belangte Behörde und brachte unter anderem vor, daß sich die Berufungsvorentscheidung auf einen völlig anders gelagerten Sachverhalt stütze als der Sicherstellungsauftrag vom 27. Mai 1994. Im Schreiben an die belangte Behörde vom 15. Februar 1995 erklärte der Beschwerdeführer sein Einverständnis zur Erlassung einer zweiten Berufungsvorentscheidung für den Fall, daß der Berufung stattgegeben werde.
Mit Schreiben vom 27. Februar 1995 wies die belangte Behörde das Finanzamt an, der Berufung stattzugeben, weil der Sicherstellungsauftrag vom 27. Mai 1994 von einer unrichtigen Abgabenbemessungsgrundlage (Provisionszahlungen 1990 und 1991 an die A. GmbH) ermittelt worden sei, und unverzüglich einen neuen Sicherstellungauftrag zu erlassen.
Mit zweiter Berufungsvorentscheidung vom 3. März 1995 gab das Finanzamt der Berufung gegen den Sicherstellungsauftrag vom 27. Mai 1994 statt. Mit demselben Datum wurde gegen den Beschwerdeführer neuerlich ein Sicherstellungsauftrag erlassen, und zwar zur Sicherstellung von Umsatzsteuer für die Jahre 1989, 1990 und 1992 und von Einkommensteuer und Gewerbesteuer für die Jahre 1989 und 1990 im Gesamtbetrag von S 7,535.639,--). Die Begründung dieses Sicherstellungsauftrages entspricht jener der Berufungsvorentscheidung vom 16. Dezember 1994.
Mit Schriftsätzen vom 26. März 1995 beantragte der Beschwerdeführer die Entscheidung über seine Berufung gegen den Sicherstellungsauftrag vom 27. Mai 1994 durch die belangte Behörde und erhob Berufung gegen den Sicherstellungsauftrag vom 3. März 1995. In dieser führte er im wesentlichen aus, der Durchgriff bei der M. Anstalt auf ihn sei verfehlt, weil diese "eine 100 % Tochter" der A. Holland BV sei. Dieser Sicherstellungsauftrag sei außerdem im Hinblick auf den Sicherstellungsauftrag vom 27. Mai 1994 rechtswidrig. Die Abgabenbehörde verwende für beide Sicherstellungsaufträge dieselbe Begründung, sodaß in ein und derselben Sache zweimal entschieden worden sei.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung gegen den Sicherstellungsauftrag vom 27. Mai 1994 statt und hob diesen auf (Spruchpunkt 1). Der Sicherstellungsauftrag vom 3. März 1995 wurde nur in Ansehung der Höhe der sichergestellten Abgabenforderungen (insgesamt S 6,870.667,--) abgeändert (Spruchpunkt 2).
Begründend führte die belangte Behörde im wesentlichen aus, dem Sicherstellungsauftrag vom 27. Mai 1994 sei die Grundlage entzogen worden, weil die ihm zugrundeliegenden entscheidenden Sachverhaltselemente, nämlich die Provisionszuweisungen durch zwei liechtensteinische Firmen, auf Grund der nachfolgenden Ermittlungen nicht mehr aufrecht zu erhalten gewesen seien. Ob die erstmals in der Begründung der Berufungsvorentscheidung vom 21. Dezember 1994 herangezogene Tätigkeit des Beschwerdeführers als Kunsthändler tatsächlich ausgeübt worden sei, sei nicht weiter zu prüfen, weil der Sicherstellungsauftrag vom 27. Mai 1994 von einer derartigen Tätigkeit nicht ausgegangen sei. Der Sicherstellungsauftrag vom 3. März 1995 lasse auf Grund der ihm angeschlossenen Sachverhaltsdarstellung und rechtlichen Würdigung deutlich erkennen, von welchem konkreten Sachverhalt ausgegangen worden sei und welche Erwägungen im Rahmen der Beweiswürdigung dafür maßgebend gewesen seien. Die angenommene Verwirklichung des Abgabenanspruches aus einer über einen Zeitraum von mehreren Jahren in Gewinnerzielungsabsicht ausgeübten Betätigung als gewerblicher Kunsthändler ergebe sich aus dem dargestellten Sachverhalt in Verbindung mit den Grundtatbeständen des EStG, UStG und GewStG. Die Höhe der sichergestellten Abgabenansprüche sei zu reduzieren gewesen, weil im erstinstanzlichen Bescheid anstelle des ermäßigten Umsatzsteuersatzes der Normalsteuersatz angewendet worden sei. Die weiteren Berufungsausführungen, die sich gegen die steuerliche Zurechnung der Einnahmen beim Beschwerdeführer richteten, ließen die in wirtschaftlicher Betrachtungsweise vorgenommene Zurechnung der Geschäftstätigkeit der M. Anstalt beim Beschwerdeführer nicht als unschlüssig erkennen. Die Annahme der Gefährdung werde nicht bestritten. Der Einwand des Beschwerdeführers, der Sicherstellungsauftrag vom 3. März 1995 sei im Hinblick auf den Sicherstellungsauftrag vom 27. Mai 1994 rechtswidrig, sei unbegründet, weil den beiden Sicherstellungsaufträgen voneinander unterschiedliche Sachverhalte zugrundelägen und daher nicht identische Abgabenansprüche geltend gemacht worden seien.
Gegen diesen Bescheid, und zwar nur gegen dessen Spruchpunkt 2, richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend macht und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides aus diesen Gründen beantragt.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer hält die Zurechnung der Einkünfte aus den Bilderverkäufen für verfehlt und vertritt die Auffassung, diese seien allein der M. Anstalt zuzurechnen. Er habe demnach eine Tätigkeit als Kunsthändler nicht ausgeübt, sodaß durch ihn auch kein die Abgabepflicht begründender Tatbestand verwirklicht worden sei.
Der Beschwerdeführer zeigt mit diesen Ausführungen keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf. Zunächst ist festzuhalten, daß der Beschwerdeführer in der Beschwerde die im Abgabenverfahren aufgestellte Behauptung, die M. Anstalt sei eine "100 % Tochter" der A. Holland BV, offenbar nicht aufrecht erhält. Die Beschwerde enthält dazu jedenfalls keinerlei Ausführungen. Geht man aber - im Einklang mit den vom Beschwerdeführer vorgelegten Urkunden - davon aus, daß ihm am 4. November 1985 die Rechte an der M. Anstalt abgetreten wurden, von ihm am 1. Februar 1986 der Mandatsvertrag mit dem Beauftragten abgeschlossen wurde und kein Anhaltspunkt für die Annahme besteht, die Rechte an der M. Anstalt seien in der Folge auf andere Personen übergegangen, dann ist es nicht als rechtswidrig zu erkennen, wenn die belangte Behörde angenommen hat, der Beschwerdeführer sei allein Berechtigter an der M. Anstalt, und ihm in Anwendung des § 21 BAO die Einkünfte aus der Tätigkeit als Kunsthändler zugerechnet hat, zumal der Firmensitz der M. Anstalt das Büro eines liechtensteinischen Treuhandbüros gewesen ist, alle Geschäftspartner und -interessenten mit dem Beschwerdeführer unter seiner Innsbrucker Adresse und Telefonnummer in Kontakt getreten sind und die Sammlung der Bilder sich immer in Räumlichkeiten befunden hat, die im Eigentum eines Familienangehörigen des Beschwerdeführers standen.
Den vom Beschwerdeführer zitierten hg. Erkenntnissen vom 11. August 1993, Zl. 91/13/0005, und vom 22. Dezember 1993, Zl. 91/13/0011, lagen völlig anders gelagerte Sachverhalte und Problemstellungen zugrunde; sie sind daher nicht geeignet, den Standpunkt des Beschwerdeführers zu stützen.
Der Beschwerdeführer erblickt eine Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften darin, daß im Zeitpunkt der Erlassung des Sicherstellungsauftrages vom 3. März 1995 bereits der Sicherstellungsauftrag vom 27. Mai 1994 vorgelegen sei. Diese Ausführungen sind schon deshalb verfehlt, weil sie außer acht lassen, daß dem Beschwerdeführer zugleich mit dem Sicherstellungsauftrag vom 3. März 1995 die Berufungsvorentscheidung vom selben Tag zugestellt wurde, mit der seiner Berufung gegen den Sicherstellungsauftrag vom 27. Mai 1994 stattgegeben wurde, sodaß dessen normativen Wirkungen im Zeitpunkt der (mit der Zustellung erfolgten) Erlassung des Sicherstellungsauftrages vom 3. März 1995 nicht mehr vorhanden waren. Dazu kommt, wie in der Begründung des angefochtenen Bescheides bereits zutreffend dargelegt wurde, daß den Sicherstellungsaufträgen völlig verschiedene Sachverhalte zugrundelagen, sodaß auch deshalb der Vorwurf des Beschwerdeführers, es sei zweimal in derselben Sache entschieden worden, verfehlt ist.
Da sich nach dem Gesagten die Beschwerde insgesamt als unbegründet erwiesen hat, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1995140088.X00Im RIS seit
20.11.2000