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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
FrG 1993 §36 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Robl, Dr. Rigler und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Rutter, über die Beschwerde des L in L, vertreten durch Mag. Dr. H, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 7. November 1994, Zl. Fr 253/94, betreffend Feststellung gemäß § 54 Abs. 1 Fremdengesetz, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich (der belangten Behörde) vom 7. November 1994 wurde aufgrund des Antrages des Beschwerdeführers gemäß § 54 Fremdengesetz - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, festgestellt, daß keine stichhaltigen Gründe für die Annahme bestünden, daß er in der Republik Kongo gemäß § 37 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG bedroht sei.
Die belangte Behörde führte nach Wiedergabe der einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen aus, daß der Beschwerdeführer bei seiner - auch für das vorliegende Verfahren heranzuziehenden - Aussage im Asylverfahren vorgebracht habe, er sei im Jahre 1990 der MCDDI, einer nicht verbotenen Oppositionspartei, beigetreten. Diese Partei führe einen Kampf gegen den Präsidenten des Kongo; der Beschwerdeführer habe daran jedoch nicht teilgenommen. Er sei lediglich als Chauffeur tätig gewesen und habe Werbematerial transportiert. Am 3. November 1993 sei er von sechs uniformierten Soldaten zu Hause abgeholt und verhaftet worden. Es sei ihm Tränengas ins Gesicht gesprüht worden, weil er keine Auskunft über den Verbleib seines Parteiführers habe geben können. Bis 23. Dezember 1993 sei er im Gefängnis verblieben, wobei er wiederholt nach dem Verbleib seines Parteiführers gefragt worden sei. Er sei ständig in einer finsteren Zelle angehalten worden. Als Nahrung habe er nur gesalzenen Fisch und wenig Wasser erhalten. Einmal sei er während der Haft von Soldaten am Hals gepackt, gewürgt und geschüttelt worden. Am 23. Dezember 1993 seien drei Parteigenossen des Beschwerdeführers in Armeeuniformen in seine Zelle gekommen. Diese Männer (von denen ihm nur einer dem Namen nach bekannt gewesen sei) hätten ihm zur Flucht verholfen. Sie hätten ihn an den bewaffneten Wachposten, mit denen sie einige Worte geredet hätten, vorbeigeleitet und schließlich zum Flughafen gebracht. Auch hätten sie ihm seinen Reisepaß, einen Personalausweis, ein Flugticket und einen Geldbetrag von ATS 500,-- übergeben. Weiters habe er von diesen Männern einen auf einen anderen Namen ausgestellten, mit seinem Lichtbild versehenen Reisepaß erhalten.
Nach Wiedergabe des Inhaltes des im Asylverfahren ergangenen Berufungsbescheides führte die belangte Behörde aus, es erscheine "zweifelhaft, wenn nicht unglaubwürdig", daß die Armee ein derart großes Interesse am Aufenthalt des Führers einer im Parlament vertretenen Partei gehabt habe. Auch die Darstellung des Beschwerdeführers über seine Festnahme, die Behandlung während der Haft und insbesondere die Flucht sei unglaubwürdig. Eine - von dem Beschwerdeführer persönlich nicht bekannten Personen - derart perfekt organisierte Flucht, bei der auch ein gefälschter Reisepaß und Geld in der Währung des Zufluchtslandes zur Verfügung gestellt würden, werde nach Ansicht der belangten Behörde "bestenfalls für ein führendes Parteimitglied", nicht aber für den nur in untergeordneter Parteifunktion tätigen Beschwerdeführer inszeniert.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Gemäß § 54 Abs. 1 FrG hat auf Antrag eines Fremden die Behörde mit Bescheid festzustellen, ob stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, daß dieser Fremde in einem von ihm bezeichneten Staat gemäß § 37 Abs. 1 oder 2 FrG bedroht ist.
Nach § 37 Abs. 1 FrG ist die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung eines Fremden in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, daß er Gefahr liefe, dort einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe unterworfen zu werden.
Nach § 37 Abs. 2 FrG ist die Zurückweisung oder Zurückschiebung eines Fremden in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, daß dort sein Leben oder seine Freiheit aus Gründen seiner Rasse, seiner Religion, seiner Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder seiner politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z. 1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974).
2. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Fremde im Rahmen eines Feststellungsverfahrens nach § 54 FrG das Bestehen einer aktuellen, also im Falle der Abschiebung des Fremden in den von seinem Antrag erfaßten Staat dort gegebenen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten Bedrohung im Sinne des § 37 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG glaubhaft zu machen, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 29. Februar 1996, Zl. 95/18/1182, m.w.N.).
3.1. Der Beschwerdeführer meint, es sei nicht ersichtlich, aufgrund welcher Überlegungen die belangte Behörde seinen Angaben über die Umstände seiner Haft und seiner Flucht nicht geglaubt habe.
Entgegen diesen Ausführungen hat die belangte Behörde - wie dargestellt - in ihrem Bescheid ausgeführt, aufgrund welcher Umstände sie den Angaben des Beschwerdeführers keinen Glauben schenkte.
Gegen die Ansicht der belangten Behörde, der Beschwerdeführer habe eine aktuelle Gefährdung und/oder Bedrohung seiner Person im Sinne des § 37 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG nicht glaubhaft gemacht, hegt der Gerichtshof keine Bedenken.
Der Beschwerdeführer hat selbst ausgesagt, als Parteimitglied der MCDDI nur Botendienste verrichtet zu haben, wobei er sich für den Inhalt der von ihm zu transportierenden Schriften nicht interessiert habe. Er habe etwa auch an der Parteisitzung, zu der er am 1. November 1993 Informationsmaterial gebracht habe, nicht teilgenommen. Ebenso habe er sich an den bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen seiner Partei und dem Präsidenten nicht beteiligt. Wenn die belangte Behörde daraus den Schluß zog, es sei nicht glaubwürdig, daß für ein nur in derart untergeordneter Rolle tätiges Parteimitglied von - dem Beschwerdeführer persönlich nicht bekannten - Parteigängern eine derart perfekte Flucht organisiert werde, widerspricht dies weder den Denkgesetzen noch der Lebenserfahrung. Überdies ist die Aussage des Beschwerdeführers insofern auch widersprüchlich, als er zunächst ausführte, "viele hohe Abgeordnete, nein Bezirksvertreter der Partei" chauffiert zu haben und an späterer Stelle angab, nur Werbematerial, niemals jedoch Personen, befördert zu haben. Es kann nicht als unschlüssig erkannt werden, daß die belangte Behörde aufgrund der nicht glaubwürdigen Angaben des Beschwerdeführers über seine Flucht auch den Angaben betreffend die Festnahme und die Vorfälle während der Haft keinen Glauben schenkte, zumal die Ausführungen des Beschwerdeführers - wie dargestellt - auch teilweise in sich widersprüchlich sind.
3.2. Die Beschwerdeausführungen, die belangte Behörde habe es unterlassen, zu erheben, ob im Kongo ausreichender staatlicher Schutz des Beschwerdeführers gewährleistet sei, gehen schon deshalb ins Leere, weil vorliegend keine nicht vom Staat selbst ausgehende Verfolgung behauptet wurde, bei deren Vorliegen es erst darauf ankäme, ob sie vom Staat verhindert werden kann (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 20. Juli 1995, Zl. 95/18/0946).
3.3. Soweit der Beschwerdeführer rügt, es sei nicht ersichtlich, worauf die Behörde ihre Erkenntnisse über die allgemeine politische Lage im Kongo stütze, tut er die Relevanz des damit geltend gemachten Verfahrensmangels nicht dar, zumal der in seiner Aussage im Asylverfahren enthaltene Hinweis auf einen Bürgerkrieg in seinem Heimatland, an dem er selbst nicht teilgenommen habe, zur Glaubhaftmachung einer Bedrohung und Gefährdung nicht ausreicht (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 29. Juni 1995, Zl. 95/18/0883).
4. Da nach dem Gesagten der im Instanzenzug getroffenen Feststellung der belangten Behörde, es bestünden keine stichhaltigen Gründe für die Annahme einer Gefährdung oder Bedrohung des Beschwerdeführers in der Republik Kongo im Sinne des § 37 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG, Rechtswidrigkeit nicht anhaftet, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
5. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich im Rahmen des gestellten Begehrens auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 2 VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1994181074.X00Im RIS seit
20.11.2000