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L5050 Schulbau, SchulerhaltungNorm
B-VG Art14 Abs3Leitsatz
Aufhebung einer ausführungsgesetzlichen Bestimmung des Steiermärkischen PflichtschulerhaltungsG 2004 wegen Verstoßes gegen das Pflichtschulerhaltungs-GrundsatzG mangels Einschränkung der Pflicht zur Vorschreibung eines Gastschulbeitrages lediglich für (bestimmte) GebietskörperschaftenSpruch
I. §35 Abs1 und 2 StPEG 2004, LGBl Nr 71/2004, idF LGBl Nr 102/2006 wird als verfassungswidrig aufgehoben.
II. Die Aufhebung tritt mit Ablauf des 31. Dezember 2021 in Kraft.
III. Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Kraft.
IV. Der Landeshauptmann der Steiermark ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Landesgesetzblatt verpflichtet.
V. Im Übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe
I. Antrag
Gestützt auf Art140 Abs1 Z1 lita B-VG, begehrt das Landesverwaltungsgericht Steiermark "§35 Abs1 Steiermärkisches Pflichtschulerhaltungsgesetz, LGBl Nr 71/2004 idF LGBl Nr 60/2019", "in eventu §35 StPEG 2004", "in eventu §35 StPEG 2004 und §23 Abs2 StPEG 2004" als verfassungswidrig aufzuheben.
II. Rechtslage
1. §8 Pflichtschulerhaltungs-Grundsatzgesetz, BGBl 163/1955 idF BGBl I 138/2017 lautet:
"(1) Die gesetzlichen Schulerhalter haben, vorbehaltlich anderer Formen der (gemeinsamen) Kostentragung bei in Schulclustern geführten Schulen, für die Kosten der Errichtung, Erhaltung und Auflassung der öffentlichen Pflichtschulen aufzukommen.
(2) Sofern mehrere Gebietskörperschaften zu einem Schulsprengel (§13) gehören oder in sonstiger Weise an einer öffentlichen Pflichtschule beteiligt sind, kann die Landesgesetzgebung bestimmen, daß die beteiligten Gebietskörperschaften Umlagen oder Schulerhaltungsbeiträge an den gesetzlichen Schulerhalter zu leisten haben. Handelt es sich dabei um Gebietskörperschaften verschiedener Bundesländer, so richtet sich die Beitragsleistung nach den Vorschriften, die im Land des gesetzlichen Schulerhalters gelten. In jenen Fällen, in denen sich die Sprengelangehörigkeit nach dem Wohnort richtet (§13 Abs7), kann die Landesgesetzgebung auch bestimmen, daß nicht an einer öffentlichen Pflichtschule beteiligte Gebietskörperschaften Umlagen oder Schulerhaltungsbeiträge an den gesetzlichen Schulerhalter zu leisten haben, wenn Schulpflichtige, deren Hauptwohnsitz außerhalb des Schulsprengels gelegen ist, lediglich zum Schulbesuch oder auf Grund einer Maßnahme der Jugendwohlfahrt innerhalb des Schulsprengels wohnen. Die Landesgesetzgebung kann darüber hinaus den Besuch einer sprengelfremden Schule und die damit verbundene Leistung von Umlagen oder Schulerhaltungsbeiträgen von der Zustimmung des Schulerhalters der sprengelmäßig zuständigen Schule abhängig machen; der sprengelfremde Schulbesuch darf dann nicht von der Zustimmung abhängig gemacht werden, wenn
1. Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf (§8 Abs1 des Schulpflichtgesetzes 1985 in der jeweils geltenden Fassung) statt einer entsprechenden Sonderschule eine außerhalb des eigenen Schulsprengels liegende allgemeine Schule deshalb besuchen, weil an der allgemeinen Schule des eigenen Schulsprengels eine entsprechende Förderung nicht in gleicher Weise erfolgen kann, und
2. ein der allgemeinen Schulpflicht unterliegender Schüler gemäß §49 Abs1 des Schulunterrichtsgesetzes, BGBl Nr 472/1986, in seiner jeweils geltenden Fassung, vom Besuch einer Schule ausgeschlossen wurde und eine außerhalb des eigenen Schulsprengels liegende allgemeinbildende Pflichtschule besucht.
(3) Im übrigen kann die Landesgesetzgebung Einrichtungen zur Unterstützung der gesetzlichen Schulerhalter hinsichtlich ihrer Schulbaulasten vorsehen und zur Dotierung dieser Einrichtungen auch Beiträge des Landes, der Gemeinden und von Gemeindeverbänden festsetzen.
(4) Die Landesgesetzgebung hat Vorschriften darüber zu enthalten, welche behördlichen Maßnahmen zu treffen sind, wenn ein gesetzlicher Schulerhalter oder eine zur Leistung von Umlagen oder Schulerhaltungsbeiträgen verpflichtete Gebietskörperschaft den gesetzlichen Verpflichtungen nicht nachkommt."
2. Die maßgeblichen Bestimmungen des Steiermärkischen Pflichtschulerhaltungsgesetzes 2004 (im Folgenden: StPEG 2004), LGBl 71/2004, idF LGBl 60/2019 lauten samt Überschriften – auszugsweise – wie folgt (die im Hauptantrag angefochtene Bestimmung – idF LGBl 102/2006 – ist hervorgehoben):
"§23
Verpflichtung zur Aufnahme
(1) Jeder Schulpflichtige ist in die für ihn nach der Schulart in Betracht kommende Schule, deren Schulsprengel er angehört (Sprengelschule), aufzunehmen.
(2) Über Antrag der Erziehungsberechtigten kann die Aufnahme eines dem Schulsprengel nicht angehörigen Schulpflichtigen genehmigt werden. Über diesen Antrag entscheidet der Bürgermeister der Gemeinde des Wohnsitzes nach Anhörung des Schulerhalters der Sprengelschule und der Bildungsdirektion. Der Antrag ist, abgesehen von begründeten Ausnahmefällen, bis zum Ende Februar für das folgende Schuljahr bei der Wohnsitzgemeinde einzubringen, welche ohne unnötigen Aufschub jedoch bis längstens 31. März über den Antrag zu entscheiden hat. Die Entscheidungsfrist beträgt in jedem Fall vier Wochen. Die Bewilligung zum sprengelfremden Schulbesuch kann unter Berücksichtigung der persönlichen Verhältnisse der Schülerin/des Schülers, seiner individuellen Bildungsziele, unter Bedachtnahme auf die örtlichen Verkehrsverhältnisse, die Zumutbarkeit des Schulweges und die Organisationsform der betroffenen Pflichtschulen erteilt werden. Dem Antrag kann jedoch nur stattgegeben werden, wenn der Erhalter der aufnehmenden Schule sein Einverständnis dazu erklärt hat.
(3) Der gesetzliche Schulerhalter, der den Schüler aufnehmen soll, darf die Aufnahme nicht verweigern, wenn es sich um Schulpflichtige handelt, die bisher dem Schulsprengel einer von ihm erhaltenen Pflichtschule angehört haben, nunmehr aber infolge Wohnsitzwechsels dem Schulsprengel einer anderen Pflichtschule angehören.
(4) Der gesetzliche Erhalter, der den Schüler aufnehmen soll, ist zur Aufnahme verpflichtet, wenn
1.Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf statt einer entsprechenden Sonderschule eine außerhalb des eigenen Schulsprengels liegende allgemeine Schule deshalb besuchen, weil an der allgemeinen Schule des eigenen Schulsprengels eine entsprechende Förderung nicht in der gleichen Weise erfolgen kann;
2.ein der allgemeinen Schulpflicht unterliegender Schüler vom Besuch einer Schule ausgeschlossen wurde und eine außerhalb des eigenen Schulsprengels liegende allgemein bildende Pflichtschule besucht;
3.eine Schülerin/ein Schüler in einer sprengelfremden allgemein bildenden Pflichtschule mit einer bereits bestehenden ganztägigen Schulform ausschließlich die Tagesbetreuung besucht und eine ganztägige Schulform an der allgemein bildenden Pflichtschule des eigenen Schulsprengels nicht angeboten wird.
(5) Die Bestimmungen des Abs2 gelten nicht für die Abs3 und 4. Sofern der Erhalter der aufnehmenden Schule zustimmt, ist Abs2 auch bei Aufnahme einer Schülerin/eines Schülers, die/der noch dem Schulsprengel einer aufgelassenen Schule angehört, nicht anzuwenden.
§27
Kostentragung
Die gesetzlichen Schulerhalter haben für die Kosten der Errichtung, Erhaltung und Auflassung der Pflichtschulen aufzukommen.
§29
Schulerhaltungsbeiträge
(1) Sofern eine oder mehrere Gemeinden mit ihrem ganzen Gebiet oder einem Teil hievon zu einem Schulsprengel gehören, ohne selbst gesetzliche Schulerhalter zu sein, haben sie zur Bestreitung der Kosten des Schulsachaufwandes an den gesetzlichen Schulerhalter Schulerhaltungsbeiträge nach Maßgabe des §30 zu leisten, sofern Abs2 nicht anders bestimmt. Dasselbe gilt, wenn Teile einer Gemeinde, die selbst Schulerhalter ist, zum Schulsprengel der Pflichtschule eines anderen gesetzlichen Schulerhalters gehören.
(2) Falls eine Gemeinde oder Teile derselben durch Sprengeländerung einem anderen Schulsprengel zugewiesen werden, ist die Gemeinde in diesem von der Verpflichtung zur Leistung von Schulerhaltungsbeiträgen für einen Neu-, Um- und Erweiterungsbau von Schulgebäuden in dem Ausmaß befreit, als sie Beiträge für denselben Zweck in den letzten 10 Jahren in früheren Schulsprengeln bereits entrichtet hat.
§35
Beiträge für Gastschüler
(1) Für Schüler, die nicht im Schulsprengel wohnen (Gastschüler), hat der Erhalter der aufnehmenden Schule der Gemeinde des Wohnsitzes Beiträge vorzuschreiben. Die Wohnsitzgemeinde ist zur Entrichtung des Gastschulbeitrages gemäß Abs2 verpflichtet, sofern nicht eine Vereinbarung gemäß §30 Abs5 abgeschlossen ist.
(2) Die Beiträge für einen Gastschüler werden ermittelt, indem die Gesamtsumme des ordentlichen Schulsachaufwandes durch die Gesamtschülerzahl (einschließlich der Gastschüler) geteilt wird.
(3) Für einen Gastschüler gemäß §23 Abs4 Z3 hat die Gemeinde des Wohnsitzes für den Besuch der Tagesbetreuung einen Beitrag zu entrichten, und zwar in Höhe der Differenz des ermäßigten Betreuungsbeitrages für diesen Gastschüler zum Betreuungsbeitrag, der von der Schulerhaltergemeinde für Elternbeiträge festgelegt wird. Eine Vereinbarung gemäß §30 Abs5 ist möglich.
§36
Schulerhaltungsbeiträge für Schulen in einem anderen Bundesland
(1) Sind Gemeinden des Landes Steiermark an einer Pflichtschule eines anderen Bundeslandes beteiligt, so richtet sich deren Beitragsleistung nach den Vorschriften, die im Lande des gesetzlichen Schulerhalters gelten. Sind umgekehrt Gemeinden eines anderen Bundeslandes an einer Pflichtschule im Land Steiermark beteiligt, so gelten in Bezug auf die Leistung von Schulerhaltungsbeiträgen die Vorschriften dieses Gesetzes.
(2) Gehört das Land Steiermark mit seinem Gebiet ganz oder teilweise dem Sprengel einer Pflichtschule eines anderen Bundeslandes an und leistet es an den gesetzlichen Schulerhalter dorthin Beiträge für den Schulsachaufwand, haben jene steirischen Gemeinden, aus denen Kinder die betreffende Schule besuchen, dem Land im Ausmaß der Vorschreibung Ersatz (§37 Abs5) zu leisten.
§37
Vorschreibung, Abrechnung und Entrichtung der Schulerhaltungsbeiträge und Gastschulbeiträge
(1) Die gesetzlichen Schulerhalter haben bis 30. November jeden Jahres die Schulerhaltungsbeiträge und Gastschulbeiträge gemäß den §§29, 30 und 35 für den voraussichtlichen Schulsachaufwand des folgenden Kalenderjahres den beitragspflichtigen Gemeinden mit Bescheid vorzuschreiben.
(2) Spätestens vier Monate nach Ablauf des Kalenderjahres haben die gesetzlichen Schulerhalter mit den beitragspflichtigen Gemeinden den Schulsachaufwand des abgelaufenen Kalenderjahres abzurechnen, wobei die widmungsgemäße Verwendung der nach Abs1 vorgeschriebenen Schulerhaltungsbeiträge und Gastschulbeiträge nachzuweisen ist. Für die Landeshauptstadt Graz hat die Abrechnung bis zum Ende des auf den Abrechnungszeitraum folgenden Jahres zu erfolgen. Das Ergebnis der Abrechnung ist mit Bescheid festzustellen.
(3) (Anm: entfallen)
(4) Wird gegen die Vorschreibung der Schulerhaltungsbeiträge und Gastschulbeiträge keine Beschwerde erhoben, sind sie in zwei gleichen, jeweils am 31. März und 30. September fälligen Teilbeträgen an den gesetzlichen Schulerhalter zu entrichten.
(5) Gehört das Land Steiermark mit seinem Gebiet ganz oder teilweise zum Sprengel einer Pflichtschule eines anderen Bundeslandes, an die es Beiträge für den Schulsachaufwand leistet, sind die Schulerhaltungsbeiträge von der Landesregierung innerhalb von drei Monaten nach Bezahlung durch das Land den beitragspflichtigen Gemeinden vorzuschreiben. Die Bezahlung hat innerhalb eines Monates nach der Vorschreibung zu erfolgen."
III. Antragsvorbringen und Vorverfahren
1. Dem Antrag liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
1.1. Mit Bescheid der Stadtgemeinde Hartberg in der Steiermark vom 19. November 2019 wurden der Marktgemeinde Neustift an der Lafnitz im Burgenland Gastschulbeiträge gemäß §37 Abs1 StPEG 2004 für das Haushaltsjahr 2020 in der Höhe von € 1.325,- vorgeschrieben.
1.2. Begründend wird ausgeführt, dass der vorliegende Voranschlag über den Sachaufwand der angeführten Schule für das Haushaltsjahr 2020 mit Beschluss des Gemeinderates vom 18. November 2019 genehmigt worden sei. Gemäß §29 Abs1 StPEG 2004 hätten die eingeschulten Gemeinden Schulerhaltungsbeiträge an den gesetzlichen Schulerhalter zu leisten. Die Schulerhaltungsbeiträge seien gemäß §30 leg cit aufgeteilt worden.
1.3. Dagegen hat die Marktgemeinde Neustift an der Lafnitz Beschwerde beim Landesverwaltungsgericht Steiermark erhoben und diese damit begründet, dass der betreffende, namentlich genannte Schüler erst seit 7. August 2019 in der Marktgemeinde Neustift an der Lafnitz gemeldet sei, die Gemeinde eine eigene Volksschule habe, sie keine Zustimmung für die Bezahlung des vorgeschriebenen Schulerhaltungsbeitrages gegeben habe und in derartigen Fällen von keiner burgenländischen Gemeinde ein Schulerhaltungsbeitrag geleistet würde.
2. Das Landesverwaltungsgericht Steiermark hegt das Bedenken, dass §35 Abs1 StPEG 2004 im Widerspruch zu §8 Abs2 Pflichtschulerhaltungs-Grundsatzgesetz stehe und daher über die vom Grundsatzgesetzgeber gesteckten Grenzen hinausgehe.
Auf bundesgesetzlicher Ebene werde die Verpflichtung zur Leistung von Schulerhaltungsbeiträgen durch Gebietskörperschaften, die nicht zum Schulsprengel der betreffenden öffentlichen Pflichtschule gehören, von der – als Grundsatzbestimmung bezeichneten – Vorschrift des §8 Abs2 Pflichtschulerhaltungs-Grundsatzgesetz geregelt. Demnach könne die Landesgesetzgebung, sofern mehrere Gebietskörperschaften zu einem Schulsprengel gemäß §13 leg cit gehören oder in sonstiger Weise an einer öffentlichen Pflichtschule beteiligt sind, bestimmen, dass die beteiligten Gebietskörperschaften Umlagen oder Schulerhaltungsbeiträge an den gesetzlichen Schulerhalter zu leisten haben.
Handelt es sich dabei um Gebietskörperschaften verschiedener Bundesländer, so richte sich die Beitragsleistung nach den Vorschriften, die im Land des gesetzlichen Schulerhalters gelten. In jenen Fällen, in denen sich die Sprengelangehörigkeit gemäß §13 Abs7 leg cit nach dem Wohnort richtet, könne die Landesgesetzgebung auch bestimmen, dass nicht an einer öffentlichen Pflichtschule beteiligte Gebietskörperschaften Umlagen oder Schulerhaltungsbeiträge an den gesetzlichen Schulerhalter zu leisten haben, wenn Schulpflichtige, deren Hauptwohnsitz außerhalb des Schulsprengels gelegen ist, lediglich zum Schulbesuch oder auf Grund einer Maßnahme der Jugendwohlfahrt innerhalb des Schulsprengels wohnen oder mit Zustimmung des Schulerhalters der sprengelmäßig zuständigen Schule eine sprengelfremde Schule besuchen. Eine derartige Zustimmung sei nicht erforderlich, wenn
1. Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf (§ 8 Abs1 Schulpflichtgesetz) statt einer entsprechenden Sonderschule eine außerhalb des eigenen Schulsprengels liegende allgemeine Schule deshalb besuchen, weil an der allgemeinen Schule des eigenen Schulsprengels eine entsprechende Förderung nicht in gleicher Weise erfolgen kann und
2. ein der allgemeinen Schulpflicht unterliegender Schüler gemäß §49 Abs1 SchUG vom Besuch einer Schule ausgeschlossen wurde und eine außerhalb des eigenen Schulsprengels liegende allgemeine Pflichtschule besucht.
§35 StPEG 2004 regle die Verpflichtung jener Gemeinde, die einen nicht im Schulsprengel wohnenden Schüler (Gastschüler) aufnimmt, der Wohnsitzgemeinde des Schülers Beiträge vorzuschreiben, sowie die Verpflichtung der Wohnsitzgemeinde zur Entrichtung des Gastschulbeitrages gemäß §35 Abs2 StPEG 2004 (Beitragsermittlung). Dies treffe zu, sofern nicht eine Vereinbarung gemäß §30 Abs5 StPEG 2004 (Vereinbarung vom gesetzlichen Schulerhalter mit beitragspflichtigen Gemeinden) abgeschlossen sei.
Zunächst sei der Umstand, dass ein Schüler einer allgemeinbildenden Pflichtschule seinen Hauptwohnsitz in einer Gemeinde außerhalb des Schulsprengels der von ihm besuchten Schule hat, für sich alleine nicht ausreichend, um eine "Beteiligung" dieser Gemeinde im Sinne des §8 Abs2 Pflichtschulerhaltungs-Grundsatzgesetz annehmen zu können. Vielmehr sei der Bestimmung des §8 Abs2 dritter Satz Pflichtschulerhaltungs-Grundsatzgesetz zu entnehmen, dass die in den umschriebenen Fällen zum Ausdruck gebrachte Beziehung zwischen einer Gebietskörperschaft und einer öffentlichen Pflichtschule (noch) keine "Beteiligung" zur Gebietskörperschaft an der Pflichtschule darstelle; andernfalls könne nämlich in diesen Fällen von der betroffenen Gebietskörperschaft nicht als von einer "nicht an einer öffentlichen Pflichtschule beteiligten Gebietskörperschaft" gesprochen werden. Der Umstand, dass der Hauptwohnsitz eines Schulpflichtigen in einer Gemeinde außerhalb des Schulsprengels gelegen ist, habe daher für sich noch nicht die "Beteiligung" dieser Gemeinde an der vom Schulpflichtigen besuchten Pflichtschule zur Folge.
Die Vorschrift des §35 Abs1 StPEG 2004, wonach für Schüler, die nicht im Schulsprengel wohnen, der Erhalter der aufnehmenden Schule der Gemeinde des Wohnsitzes jedenfalls Beiträge vorzuschreiben hat und die Wohnsitzgemeinde zur Entrichtung des Gastschulbeitrages jedenfalls verpflichtet ist, beziehe daher "nicht beteiligte Gebietskörperschaften" im Sinne des §8 Abs2 dritter Satz Pflichtschulerhaltungs-Grundsatzgesetz in die Kostenbeitragspflicht ein. Damit gehe die Vorschrift des §35 Abs1 StPEG 2004 über den durch §8 Abs2 dritter Satz Pflichtschulerhaltungs-Grundsatzgesetz gesteckten Rahmen hinaus, indem sie eine Kostenbeitragsregelung für die Wohnsitzgemeinde des – eine sprengelfremde Schule besuchenden – Schülers ohne Rücksicht darauf vorsehe, ob einer der in §8 Abs2 dritter Satz Pflichtschulerhaltungs-Grundsatzgesetz genannten Fälle vorliege. Vielmehr werde die Wohnsitzgemeinde des Schülers ungeachtet grundsatzgesetzlicher Beschränkungen schlechthin und jedenfalls zur Beitragsleistung herangezogen.
Eine solche landesgesetzliche Vorschrift lasse die Bestimmung des §8 Abs2 Pflichtschulerhaltungs-Grundsatzgesetz, mit der eine abschließende und somit dem Landesgesetzgeber auch keinen "grundsatzfreien" Raum offenlassende Regelung der Kostenfrage getroffen werde, allerdings nicht zu.
Für den Fall, dass ein untrennbarer Zusammenhang zwischen §35 Abs1 StPEG 2004 und §35 Abs2 und Abs3 leg cit bestehe, werde der Eventualantrag hinsichtlich der Aufhebung des gesamten §35 StPEG 2004 gestellt.
Der zweite Eventualantrag hinsichtlich der Aufhebung des §35 StPEG 2004 und §23 Abs2 StPEG gründe sich darauf, dass in §23 Abs2 StPEG bei der Entscheidung des Bürgermeisters der Wohnsitzgemeinde über einen sprengelfremden Schulbesuch der Schulerhalter der Sprengelschule – der nicht in jedem Fall mit der Wohnsitzgemeinde identisch sein müsse – lediglich ein Anhörungsrecht habe. Eine Zustimmung des Erhalters der Sprengelschule sei jedoch nach §8 Abs2 Pflichtschulerhaltungs-Grundsatzgesetz eine Voraussetzung dafür, dass für einen Schüler, dessen Hauptwohnsitz außerhalb des Schulsprengels gelegen ist, Gastschulbeiträge vorgeschrieben werden können.
3. Die Steiermärkische Landesregierung hat eine Äußerung erstattet, in der den im Antrag erhobenen Bedenken wie folgt entgegengetreten wird:
"I. Zur Zulässigkeit
[…]
Dem Antrag des Landesverwaltungsgerichts Steiermark mangelt es an der notwendigen Präjudizialität der angefochtenen Bestimmungen, da §23 Abs2 und §35 StPEG 2004 nicht zur Anwendung gelangen.
Dies aus folgenden Gründen:
Der beim Landesverwaltungsgericht Steiermark angefochtene Bescheid der Stadtgemeinde Hartberg, mit dem der Marktgemeinde Neustift a. d. Lafnitz Gastschulbeiträge für das Haushaltsjahr 2020 in der Höhe von 1.325,00 vorgeschrieben wurden, ist ua auf §37 Abs1 StPEG 2004 gestützt. Diese landes(ausführungs)gesetzliche Bestimmung regelt die Vorschreibung, Abrechnung und Entrichtung der Schulerhaltungsbeiträge und Gastschulbeiträge, wonach nach deren Absatz 1 die gesetzlichen Schulerhalter bis 30. November jeden Jahres die Schulerhaltungsbeiträge und Gastschulbeiträge gemäß §§29, 30 und 35 StPEG 2004 für den voraussichtlichen Schulsachaufwand des folgenden Kalenderjahres den beitragspflichtigen Gemeinden mit Bescheid vorzuschreiben haben. Die bundes(grundsatz)gesetzlichen Vorgaben für die Vorschreibung von Umlagen oder Schulerhaltungsbeiträgen sind in §8 Abs2 Pflichtschulerhaltungs-Grundsatzgesetz, BGBl Nr 163/1955 idF BGBl I Nr 138/2017, enthalten.
Das Landesverwaltungsgericht Steiermark beantragt die Aufhebung des §35 Abs1 StPEG 2004, in eventu des §35 StPEG, in eventu des §35 StPEG 2004 und des §23 Abs2 StPEG 2004 und begründet die Präjudizialität der angefochtenen Bestimmungen für die von ihm zu treffende Entscheidung im Wesentlichen damit, dass es über die Beschwerde der Marktgemeinde Neustift a. d. Lafnitz gegen den Bescheid der Stadtgemeinde Hartberg hinsichtlich der Vorschreibung eines Gastschulbeitrages unter Anwendung des §35 StPEG 2004 zu entscheiden hat. §35 StPEG 2004 regelt die Beiträge für Gastschüler und hat nach Absatz 1 der Erhalter der aufnehmenden Schule für Schüler, die nicht im Schulsprengel wohnen (Gastschüler), der Gemeinde des Wohnsitzes Beiträge vorzuschreiben. Die Wohnsitzgemeinde ist zur Entrichtung des Gastschulbeitrages gemäß Abs2 verpflichtet, sofern nicht eine Vereinbarung gemäß §30 Abs5 StPEG 2004 abgeschlossen ist. Nach §23 Abs2 StPEG 2004 kann die Aufnahme eines dem Schulsprengel nicht angehörigen Schulpflichtigen über Antrag der Erziehungsberechtigten genehmigt werden. Über diesen Antrag entscheidet der Bürgermeister der Gemeinde des Wohnsitzes nach Anhörung des Schulerhalters der Sprengelschule und der Bildungsdirektion.
Nach den Ausführungen im Antrag des Landesverwaltungsgerichts (Seite 2 f), der Beschwerde der Marktgemeinde Neustift a. d. Lafnitz und insbesondere der Beschwerde- und Aktenvorlage der Stadtgemeinde Hartberg hat der in Rede stehende Schüler die 1. Klasse bereits in der Volksschule Hartberg/Gartengasse besucht. Mit 7. August 2019 verlegte er seinen Wohnsitz von der Stadtgemeinde Hartberg in die Marktgemeinde Neustift a. d. Lafnitz und besuchte im Schuljahr 2019/2020 die 2. Klasse der Volksschule Hartberg/Gartengasse. Da der Schulpflichtige bereits zu einem davorliegenden Zeitpunkt in die seinerzeit noch sprengeleigene Schule aufgenommen wurde, wozu die gesetzliche Verpflichtung besteht, ist nunmehr kein Aufnahmeverfahren vorgesehen. §23 Abs2 StPEG 2004 kann demzufolge nicht zur Anwendung gelangen und hat kein Verfahren über den sprengelfremden Schulbesuch zu erfolgen.
Diese Ansicht steht im Einklang mit §3 Abs8 Schulunterrichtsgesetz (im Folgenden: SchUG). Nach dieser Bestimmung gilt die Aufnahme ohne weitere Anmeldung für alle an der betreffenden Schule geführten Schulstufen derselben Schulart bis zur Beendigung des Schulbesuches im Sinne des §33 leg. cit. Das bedeutet, dass der in Rede stehende Schüler, der bereits vor der Änderung des Wohnsitzes in die Volksschule Hartberg/Gartengasse aufgenommen worden war, diese nunmehr 'sprengelfremde' Schule weiterhin besuchen darf. Der 'fortgesetzte' Schulbesuch bedarf diesfalls weder der Zustimmung des Schulerhalters dieser Schule noch der Zustimmung des Schulerhalters der sprengelmäßig für den Schüler zuständigen Schule (vgl VwGH 27.01.2004, 2004/10/0015, wonach ein einmal erklärtes Einverständnis des Erhalters der aufnehmenden Schule in der Folge nicht wiederholt werden muss und nach Ansicht des VwGH auch ein 'sprengelfremder' Schüler, sobald er in die betreffende Schule aufgenommen wurde, für den weiteren Besuch der einzelnen Schulformen dieser Schule keiner weiteren Zustimmungserklärung bedarf).
§35 StPEG 2004 ermöglicht - wie bereits oben angesprochen - dem Schulerhalter der aufnehmenden Schule, der Wohnsitzgemeinde des sprengelfremden Schülers Gastschulbeiträge vorzuschreiben. Eine (neuerliche) Aufnahme ist aber im Lichte des §3 Abs8 SchUG gerade nicht erforderlich. Weder §35 noch eine andere Bestimmung des StPEG 2004 sehen vor, dass der Schulerhalter in solchen Fällen einen Gastschulbeitrag vorschreiben kann. Vielmehr hat der Schulerhalter weiterhin für die Kosten des ursprünglich sprengeleigenen Schülers aufzukommen. Diesbezüglich ist auf die auch von Jonak/Kövesi, Das österreichische Schulrecht14, 2016, §8 FN 6a, 441, zitierte Judikatur des VwGH zur in den wesentlichen Punkten vergleichbaren niederösterreichischen Rechtslage hinzuweisen:
Wird ein Schüler nach seiner Aufnahme (infolge Hauptwohnsitzwechsels) zu einem sprengelfremden Schüler, hat der gesetzliche Schülerhafter der besuchten Schule die Kosten für den sprengelfremden Schüler zu tragen (vgl VwGH 28.04.2006, 2005/10/0056). Die Bestimmung des §35 StPEG 2004 betreffend die Beiträge für Gastschüler kommt demzufolge nicht zur Anwendung.
Auch besteht der Zweck der Bestimmung des §8 Abs2 Pflichtschulerhaltungs-Grundsatzgesetz in der Normierung einer Kostenbeteiligungsregelung für den Fall des Neueintrittes eines Schülers in eine Schule, sei es infolge des Beginns einer neuen Schulart oder eines Schulwechsels. Der hier zu Grunde liegende Fall, dass sich während des Besuches einer Schule infolge einer Änderung des Wohnsitzes des betreffenden Schülers die Sprengelzugehörigkeit ändert, ist von dieser Regelung von vornherein nicht umfasst. Auch die gebotene grundsatzgesetzkonforme Interpretation des §35 StPEG 2004 führt somit zu keinem anderen Ergebnis.
Da die Bestimmungen des §35 bzw des §23 Abs2 StPEG 2004 somit offenkundig nicht Voraussetzung für die vom antragstellenden Gericht zu treffende Entscheidung sind, sind sie nicht präjudiziell iS der zitierten Judikatur. Der Antrag zu G288/2020-3 ist somit unzulässig. Der Hauptantrag des Landesverwaltungsgerichts Steiermark, §35 Abs1 StPEG 2004 bzw die Eventualanträge §35 StPEG 2004 bzw §35 StPEG 2004 und §23 Abs2 StPEG 2004 aufzuheben, sind daher nach Ansicht der Steiermärkischen Landesregierung - mangels der erforderlichen Präjudizialität der angefochtenen Bestimmungen für das Landesverwaltungsgericht Steiermark- als unzulässig zurückzuweisen.
II. In der Sache:
In der Sache wird ausgeführt, dass die Annahme des Landesverwaltungsgerichts Steiermark unzutreffend ist, dass im gegenständlichen Fall in Anwendung des §35 StPEG 2004 hinsichtlich der Vorschreibung eines Gastschulbeitrages zu entscheiden ist. Die im Antrag des Landesverwaltungsgerichts (Seite 8) zitierte Entscheidung des VfGH vom 29.06.2001, G 86/99, betreffend die Aufhebung des §53 Abs2 des Oberösterreichischen Pflichtschulorganisationsgesetzes 1992-0.0.POG 1992, LGBl Nr 35 idF LGBl Nr 1/1995, stellt zudem keinen Parallelfall dar. Weder der Sachverhalt, der der oberösterreichischen Entscheidung zugrunde liegt, noch dessen rechtliche Beurteilung entspricht dem gegenständlichen Fall, weshalb auch die Judikatur nicht übertragbar ist."
IV. Erwägungen
1. Zur Zulässigkeit des Antrages
1.1. Der Verfassungsgerichtshof ist nicht berechtigt, durch seine Präjudizialitätsentscheidung das antragstellende Gericht an eine bestimmte Rechtsauslegung zu binden, weil er damit indirekt der Entscheidung dieses Gerichtes in der Hauptsache vorgreifen würde. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes darf daher ein Antrag iSd Art139 Abs1 Z1 B-VG bzw des Art140 Abs1 Z1 lita B-VG nur dann wegen Fehlens der Präjudizialität zurückgewiesen werden, wenn es offenkundig unrichtig (denkunmöglich) ist, dass die – angefochtene – generelle Norm eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlassfall bildet (vgl etwa VfSlg 10.640/1985, 12.189/1989, 15.237/1998, 16.245/2001 und 16.927/2003).
1.1.1. Die Steiermärkische Landesregierung vertritt in ihrer Äußerung die Auffassung, dass §35 bzw §23 Abs2 StPEG 2004 nicht Voraussetzung für die vom Landesverwaltungsgericht Steiermark zu treffende Entscheidung sei und es daher an der notwendigen Präjudizialität mangle. Begründet wird dies im Wesentlichen damit, dass für den betreffenden Schüler der Volksschule Hartberg/Gartengasse kein Aufnahmeverfahren gemäß §3 Abs8 SchUG iVm §23 Abs3 StPEG vorgesehen sei. Eine (neuerliche) Aufnahme sei in diesem Fall gerade nicht erforderlich. Weder §35 leg cit noch eine andere Bestimmung des StPEG 2004 sehe vor, dass der Schulerhalter in solchen Fällen einen Gastschulbeitrag vorschreiben könne.
1.1.2. Mit diesem Vorbringen ist die Steiermärkische Landesregierung nicht im Recht: Im zugrunde liegenden Anlassverfahren wurde der Marktgemeinde Neustift an der Lafnitz von der Stadtgemeinde Hartberg mit Bescheid ein Gastschulbeitrag iSd §35 Abs1 StPEG 2004 für das Haushaltsjahr 2020 in der Höhe von € 1.325,– vorgeschrieben.
Das Landesverwaltungsgericht Steiermark geht daher denkmöglich davon aus, dass es bei der Prüfung, ob diese Vorschreibung eines Gastschulbeitrages zu Recht erging, §35 Abs1 StPEG 2004 anzuwenden hat.
1.2. Das Landesverwaltungsgericht Steiermark begehrt mit seinem Hauptantrag die Aufhebung von §35 Abs1 StPEG 2004, in eventu die Aufhebung von §35 StPEG 2004 in der Fassung LGBl 60/2019. §35 StPEG 2004 wurde zuletzt durch die Novelle LGBl 102/2006 abgeändert und ist seither unverändert in dieser Fassung in Geltung. Aus der Antragsbegründung sowie der wörtlichen Wiedergabe des §35 leg cit ist unzweifelhaft erkennbar, dass §35 Abs1 bzw §35 StPEG 2004 in der Fassung LGBl 102/2006 angefochten werden soll (vgl VfSlg 16.773/2002, 16.912/2003, 17.237/2004, 20.039/2016, 20.313/2019).
1.3. Die Grenzen der Aufhebung einer auf ihre Verfassungsmäßigkeit hin zu prüfenden Gesetzesbestimmung sind, wie der Verfassungsgerichtshof sowohl für von Amts wegen als auch für auf Antrag eingeleitete Gesetzesprüfungsverfahren schon wiederholt dargelegt hat (VfSlg 13.965/1994 mwN, 16.542/2002, 16.911/2003), notwendig so zu ziehen, dass einerseits der verbleibende Gesetzesteil nicht einen völlig veränderten Inhalt bekommt und dass andererseits die mit der aufzuhebenden Gesetzesstelle untrennbar zusammenhängenden Bestimmungen auch erfasst werden.
Dieser Grundposition folgend hat der Gerichtshof die Rechtsauffassung entwickelt, dass im Gesetzesprüfungsverfahren der Anfechtungsumfang der in Prüfung gezogenen Norm bei sonstiger Unzulässigkeit des Prüfungsantrages nicht zu eng gewählt werden darf (vgl zB VfSlg 8155/1977, 12.235/1989, 13.915/1994, 14.131/1995, 14.498/1996, 14.890/1997, 16.212/2001). Das antragstellende Gericht hat all jene Normen anzufechten, welche für die Beurteilung der allfälligen Verfassungswidrigkeit der Rechtslage eine untrennbare Einheit bilden. Es ist dann Sache des Verfassungsgerichtshofes, darüber zu befinden, auf welche Weise eine solche Verfassungswidrigkeit – sollte der Verfassungsgerichtshof die Auffassung des antragstellenden Gerichtes teilen – beseitigt werden kann (VfSlg 16.756/2002, 19.496/2011, 19.684/2012, 19.903/2014; VfGH 10.3.2015, G201/2014).
Unzulässig ist der Antrag etwa dann, wenn der im Falle der Aufhebung im begehrten Umfang verbleibende Rest einer Gesetzesstelle als sprachlich unverständlicher Torso inhaltsleer und unanwendbar wäre (VfSlg 16.279/2001, 19.413/2011; VfGH 19.6.2015, G211/2014; 7.10.2015, G444/2015; 10.10.2016, G662/2015), der Umfang der zur Aufhebung beantragten Bestimmungen so abgesteckt ist, dass die angenommene Verfassungswidrigkeit durch die Aufhebung gar nicht beseitigt würde (vgl zB VfSlg 18.891/2009, 19.933/2014), oder durch die Aufhebung bloßer Teile einer Gesetzesvorschrift dieser ein völlig veränderter, dem Gesetzgeber überhaupt nicht mehr zusinnbarer Inhalt gegeben würde (VfSlg 18.839/2009, 19.841/2014, 19.972/2015; VfGH 15.10.2016, G339/2015).
1.4. Die Bedenken des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark richten sich im Wesentlichen dagegen, dass Wohnsitzgemeinden eines Gastschülers ohne weitere Differenzierung gemäß §8 Abs2 Pflichtschulerhaltungs-Grundsatzgesetz gemäß §35 Abs1 StPEG 2004 Gastschulbeiträge vorzuschreiben sind.
Da die vom Landesverwaltungsgericht Steiermark behauptete Verfassungswidrigkeit nur durch eine Aufhebung von §35 Abs1 und 2 StPEG 2004 beseitigt werden können, ist der Anfechtungsumfang des Hauptantrages zu eng gewählt:
§35 Abs1 und 2 StPEG 2004 steht in einem untrennbaren Regelungszusammenhang, weil sich im Falle der Aufhebung von §35 Abs1 StPEG 2004 aus §35 Abs2 iVm §37 Abs1 StPEG 2004 eine unbedingte Pflicht zur Vorschreibung von Pflichtschulbeiträgen ergeben würde.
Der erste Eventualantrag grenzt den Anfechtungsumfang dagegen zutreffend ein, soweit er sich gegen §35 Abs1 und 2 StPEG 2004 richtet. Diese Bestimmungen stehen offenkundig nicht in einem Zusammenhang mit §35 Abs3 StPEG 2004, weshalb sich der erste Eventualantrag, soweit er sich gegen §35 Abs3 StPEG 2004 richtet, als unzulässig erweist.
1.5. Damit hat das Landesverwaltungsgericht Steiermark in seinem ersten Eventualantrag jenen Umfang für die Anfechtung gewählt, der für den Verfassungsgerichtshof vor dem Hintergrund der geltend gemachten Bedenken zur Beurteilung der behaupteten Verfassungswidrigkeit erforderlich ist.
1.6. Bei diesem Ergebnis erübrigt sich ein Eingehen auf den zweiten Eventualantrag.
2. In der Sache
2.1. Der Verfassungsgerichtshof hat sich in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes gemäß Art140 B-VG auf die Erörterung der geltend gemachten Bedenken zu beschränken (vgl VfSlg 12.691/1991, 13.471/1993, 14.895/1997, 16.824/2003). Er hat sohin ausschließlich zu beurteilen, ob die angefochtene Bestimmung aus den in der Begründung des Antrages dargelegten Gründen verfassungswidrig ist (VfSlg 15.193/1998, 16.374/2001, 16.538/2002, 16.929/2003).
2.2. Der Antrag ist begründet.
2.3. Das Landesverwaltungsgericht Steiermark hegt das Bedenken, dass §35 Abs1 StPEG 2004 im Widerspruch zu §8 Abs2 Pflichtschulerhaltungs-Grundsatzgesetz steht, weil Wohnsitzgemeinden eines Gastschülers ohne weitere Differenzierung gemäß §8 Abs2 Pflichtschulerhaltungs-Grundsatzgesetz nach §35 Abs1 StPEG 2004 Gastschulbeiträge vorgeschrieben werden können.
2.4. Die Steiermärkische Landesregierung entgegnet diesem Bedenken im Wesentlichen damit, dass §35 Abs1 StPEG 2004 im vorliegenden Fall nicht anwendbar sei, weil ein Aufnahmeverfahren gemäß §23 Abs2 StPEG nicht stattzufinden habe. Die im Antrag des Landesverwaltungsgerichts zitierte Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes vom 29. Juni 2001, G86/99, betreffend die Aufhebung des §53 Abs2 des Oberösterreichischen Pflichtschulorganisationsgesetzes 1992 stelle zudem keinen Parallelfall dar. Weder der Sachverhalt, der der oberösterreichischen Entscheidung zugrunde liegt, noch dessen rechtliche Beurteilung entspreche dem vorliegenden Fall, weshalb auch die Judikatur nicht übertragbar sei.
2.5. Der Verfassungsgerichtshof teilt die Bedenken des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark:
2.5.1. Die Kompetenzverteilung auf dem Gebiet des Schulwesens ist in Art14 B-VG geregelt. Gemäß Art14 Abs3 B-VG ist Bundessache die Gesetzgebung über die Grundsätze, Landessache die Erlassung von Ausführungsgesetzen und die Vollziehung in den dort aufgezählten Angelegenheiten. Ein Ausführungsgesetz darf gemäß Art15 Abs6 B-VG einem Grundsatzgesetz nicht widersprechen (vgl zB VfSlg 2087/1951, 2820/1955, 4919/1965), es also auch nicht in seiner rechtlichen Wirkung verändern (VfSlg 3744/1960, 12.280/1990) oder einschränken (vgl VfSlg 4919/1965).
2.5.2. Gemäß §8 Abs1 Pflichtschulerhaltungs-Grundsatzgesetz hat der gesetzliche Schulerhalter für die Kosten der Errichtung, Erhaltung und Auflassung der öffentlichen Pflichtschulen selbst aufzukommen. Für den Fall, dass mehrere Gebietskörperschaften zu einem Schulsprengel gehören oder in "sonstiger Weise" an einer öffentlichen Pflichtschule beteiligt sind, kann die Landesgesetzgebung anordnen, dass die beteiligten Gebietskörperschaften Umlagen oder Schulerhaltungsbeiträge an den gesetzlichen Schulerhalter zu leisten haben (VfSlg 16.244/2001). Die Art der Beteiligung liegt dabei innerhalb der vom Verfassungsgerichtshof (vgl VfSlg 3861/1960 und 7901/1976) aufgezeigten Grenzen im Freiraum des Ausführungsgesetzgebers.
Aus dem Wortlaut des §8 Abs2 Pflichtschulerhaltungs-Grundsatzgesetz ergibt sich, dass nicht jede Beziehung einer Gebietskörperschaft zu einer Pflichtschule eine Beteiligung im Sinne dieser Bestimmung darstellt. Der Grundsatzgesetzgeber hebt einen Fall der Beteiligung (Zugehörigkeit mehrerer Gebietskörperschaften zu einem Schulsprengel) hervor und spricht anschließend von einer Beteiligung der Gebietskörperschaft "in sonstiger Weise". Der vom Grundsatzgesetzgeber gebrauchte Ausdruck "Beteiligung" vermittelt dadurch deutlich, dass es sich bei der Beteiligung jedenfalls um eine unmittelbare Beziehung der Gebietskörperschaft zur öffentlichen Pflichtschule handeln muss (VfSlg 3861/1960).
2.5.3. Der Verfassungsgerichtshof hat in seiner Entscheidung VfSlg 18.785/2009 ausführlich dargelegt, dass der Landesausführungsgesetzgeber für den Fall, dass keine Beteiligung einer Gebietskörperschaft an einer öffentlichen Pflichtschule vorliegt, die Gebietskörperschaft unter den im §8 Abs2 dritter Satz Pflichtschulerhaltungs-Grundsatzgesetz genannten Voraussetzungen zu Umlagen oder Schulerhaltungsbeiträgen heranziehen kann, wenn sich die Sprengelzugehörigkeit nach dem Wohnort richtet. Gemäß §21 Abs1 StPEG 2004 sind dabei jene Schulpflichtigen sprengelangehörig, die – wenn auch nur zum Zwecke des Schulbesuches – im Schulsprengel wohnen.
§8 Abs2 dritter Satz Pflichtschulerhaltungs-Grundsatzgesetz räumt dem Landesausführungsgesetzgeber die Möglichkeit ein, in drei verschiedenen Fallkonstellationen Umlagen und Schulerhaltungsbeiträge an Gebietskörperschaften auch dann vorzuschreiben, wenn diese Gebietskörperschaften weder zu einem Schulsprengel gehören noch an einer öffentlichen Pflichtschule in sonstiger Weise beteiligt sind, und zwar
1. wenn Schulpflichtige, deren Hauptwohnsitz außerhalb des Schulsprengels gelegen ist, lediglich zum Schulbesuch innerhalb des Schulsprengels wohnen
2. wenn Schulpflichtige, deren Hauptwohnsitz außerhalb des Schulsprengels gelegen ist, auf Grund einer Maßnahme der Jugendwohlfahrt innerhalb des Schulsprengels wohnen oder
3. wenn Schulpflichtige, deren Hauptwohnsitz außerhalb des Schulsprengels gelegen ist, mit Zustimmung des Schulerhalters der sprengelmäßig zuständigen Schule eine sprengelfremde Schule besuchen.
Für den Fall, dass der Landesausführungsgesetzgeber die Vorschreibung von Umlagen oder Schulerhaltungsbeiträgen für Schulpflichtige, deren Hauptwohnsitz außerhalb des Schulsprengels gelegen ist und die eine sprengelfremde Schule besuchen, vorsehen will, hat dieser – abgesehen von den beiden in §8 Abs2 Z1 und Z2 Pflichtschulerhaltungs-Grundsatzgesetz genannten Fällen (Z1: Kinder mit sonderpädagogischen Förderbedarf; Z2: Ausschluss vom Schulbesuch) – gemäß §8 Abs2 vierter Satz Pflichtschulerhaltungs-Grundsatzgesetz stets das Erfordernis der Zustimmung des Schulerhalters der sprengelmäßig zuständigen Schule vorzusehen.
2.5.4. Gemäß §37 Abs1 StPEG 2004 haben die gesetzlichen Schulerhalter bis 30. November jedes Jahres die Schulerhaltungsbeiträge und Gastschulbeiträge gemäß den §§29, 30 und 35 leg. cit. für den voraussichtlichen Schulsachaufwand des folgenden Kalenderjahres den beitragspflichtigen Gemeinden mit Bescheid vorzuschreiben.
2.5.5. §23 Abs2 StPEG 2004 sieht vor, dass die Aufnahme eines dem Schulsprengel nicht angehörigen Schulpflichtigen über Antrag der Erziehungsberechtigten genehmigt werden kann. Über diesen Antrag entscheidet der Bürgermeister der Gemeinde des Wohnsitzes nach Anhörung des Schulerhalters der Sprengelschule und der Bildungsdirektion. Gemäß §23 Abs3 StPEG 2004 darf der gesetzliche Schulerhalter, der den Schüler aufnehmen soll, die Aufnahme nicht verweigern, wenn es sich um Schulpflichtige handelt, die bisher dem Schulsprengel einer von ihm erhaltenen Pflichtschule angehört haben, nunmehr aber infolge Wohnsitzwechsels dem Schulsprengel einer anderen Pflichtschule angehören. Die betreffenden Schüler gelten dabei gemäß §3 Abs8 SchUG ohne weitere Anmeldung für alle an der betreffenden Schule geführten Schulstufen derselben Schulart bis zur Beendigung des Schulbesuchs im Sinne des §33 SchUG als aufgenommen (vgl VfSlg 18.785/2009). Dieses Aufnahmeverfahren ist als antragsbedürftiges Verfahren vom amtswegig zu führenden Gastschulbeitragsverfahren zu unterscheiden. Ersteres betrifft die beiden Gebietskörperschaften, den Schulpflichtigen und seine Erziehungsberechtigten, letzteres ausschließlich die Regelung der finanziellen Angelegenheiten der betroffenen Gebietskörperschaften untereinander.
2.5.6. §35 Abs1 StPEG 2004 führt die Bundesgrundsatzbestimmung des §8 Abs2 Pflichtschulerhaltungs-Grundsatzgesetz landesgesetzlich aus. §8 Abs2 Pflichtschulerhaltungs-Grundsatzgesetz trifft eine abschließende Regelung der Kostenbeteiligung sprengelfremder Gebietskörperschaften. Gemäß §35 Abs1 StPEG 2004 sind für nicht dem Schulsprengel angehörige Schulpflichtige vom Erhalter der aufnehmenden Schule jährlich Gastschulbeiträge vorzuschreiben (vgl VwGH 14.7.2011, 2009/10/0175; VfSlg 18.785/2009).
2.5.7. Die Wohnsitzgemeinde ist zur Entrichtung des Gastschulbeitrages gemäß §35 Abs1 StPEG 2004 verpflichtet, sofern nicht eine Vereinbarung gemäß §30 Abs5 StPEG 2004 abgeschlossen ist.
2.5.8. Eine Einschränkung der Pflicht zur Vorschreibung eines Gastschulbeitrages lediglich für Gebietskörperschaften, die zu einem Schulsprengel gehören oder in "sonstiger Weise" an einer öffentlichen Pflichtschule beteiligt sind oder für nicht beteiligte Gebietskörperschaften gemäß §8 Abs2 vierter Satz Pflichtschulerhaltungs-Grundsatzgesetz (vgl VfSlg 16.244/2001) findet sich in §35 Abs1 StPEG 2004 nicht.
2.5.9. §35 Abs1 StPEG 2004 widerspricht daher Art14 Abs3 iVm Art15 Abs6 B-VG und §8 Abs2 Pflichtschulerhaltungs-Grundsatzgesetz und erweist sich deshalb als verfassungswidrig.
V. Ergebnis
1. §35 Abs1 und 2 StPEG 2004 ist daher wegen Verstoßes gegen Art14 Abs3 iVm Art15 Abs6 B-VG und §8 Abs2 Pflichtschulerhaltungs-Grundsatzgesetz als verfassungswidrig aufzuheben.
2. Die Bestimmung einer Frist für das Außerkrafttreten der aufgehobenen Gesetzesstelle gründet sich auf Art140 Abs5 dritter und vierter Satz B-VG.
3. Der Ausspruch, dass frühere gesetzliche Bestimmungen nicht wieder in Kraft treten, beruht auf Art140 Abs6 erster Satz B-VG.
4. Die Verpflichtung des Landeshauptmannes zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung und der damit im Zusammenhang stehenden sonstigen Aussprüche erfließt aus Art140 Abs5 erster Satz B-VG und §64 Abs2 VfGG iVm §2 Abs1 Z7 Steiermärkisches Kundmachungsgesetz.
5. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
Schlagworte
Grundsatz- und Ausführungsgesetzgebung, Schulerhaltungsbeiträge, Pflichtschulen, VfGH / Präjudizialität, VfGH / Prüfungsumfang, VfGH / Prüfungsgegenstand, VfGH / Verwerfungsumfang, VfGH / Gerichtsantrag, VfGH / Fristsetzung, Schulsprengel, Schulorganisation, Kostentragung, SchulenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2021:G288.2020Zuletzt aktualisiert am
01.06.2022