RS Vfgh 2021/3/10 V583/2020 ua

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Veröffentlicht am 10.03.2021
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Index

82/02 Gesundheitsrecht allgemein

Norm

B-VG Art18 Abs2
B-VG Art139 Abs1 Z1
COVID-19-MaßnahmenG §2
COVID-19-MaßnahmenV des Bürgermeisters von Innsbruck vom 20.03.2020 §1 Z20, §1 Z22
VfGG §7 Abs1

Leitsatz

Keine Gesetzwidrigkeit des Betretungsverbots von öffentlichen Orten (Inn- und Sillpromenade) einer Verordnung des Bürgermeisters von Innsbruck zur Verhinderung und Verbreitung von COVID-19; hinreichende Dokumentation der Entscheidungsgrundlagen

Rechtssatz

Abweisung von Anträgen des Landesverwaltungsgerichts Tirol (LVwG) gegen §1 Z20 und Z22 der Verordnung des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Innsbruck vom 20.03.2020 nach §2 Z3 des COVID-19-MaßnahmenG, Bote für Tirol 167/2020, idF der Verordnung des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Innsbruck vom 21.03.2020, mit der die Verordnung gemäß §2 Z3 des COVID-19-Maßnahmengesetzes (II-VA-V-006515/2020) geändert wird, Bote für Tirol 169/2020. Im Übrigen: Zurückweisung der Anträge. Den Anlassverfahren zu den beiden Verordnungsprüfungsanträgen liegen (nur) Straferkenntnisse zugrunde, die das Betreten der nördlichen Innpromenade (§1 Z20 der Verordnung) bzw der westlichen Sillpromenade (§1 Z22 der Verordnung) zum Gegenstand haben. Soweit sich die Anträge (auch) auf andere, in §1 der Verordnung angeführte öffentliche Orte beziehen, sind sie wegen offenkundigen Fehlens der Präjudizialität als unzulässig zurückzuweisen.

Der angefochtenen Verordnung liegen ausweislich der Akten und der vorgelegten Unterlagen ein dreiseitiges Besprechungsprotokoll des "Lagezentrums GEL Stabsbesprechung" vom 20.03.2020 sowie weiters je ein Aktenvermerk vom 20. und 21.03.2020 zugrunde.

Die verordnungserlassende Behörde hat in ihrem Aktenvermerk vom 20.03.2020 zunächst die "dynamische" Entwicklung des Infektionsgeschehens für den Zeitraum vom 18.03. bis zum 20.03.2020 unter anderem in der Landeshauptstadt Innsbruck dokumentiert und einen Anstieg der Zahl der positiv Getesteten innerhalb von 48 Stunden von 86 auf 123 Personen festgehalten. Sie hat weiters die intensive Nutzung der Innpromenaden dargelegt, am Beispiel der Innpromenade "hinter der Uni" durch einen Zeitungsbericht über eng nebeneinander verweilende Personen aus "Anfang März" belegt und daraus auf die Gefahr einer Ausbreitung von COVID-19 geschlossen. In dem der räumlichen Ausweitung des Betretungsverbotes (Bote für Tirol 169/2020) zugrunde liegenden "Aktenvermerk der Landes- und Gemeindeeinsatzleitung vom 21.03.2020" hat die verordnungserlassende Behörde festgehalten, dass sich an der "dynamischen Lageentwicklung" nichts geändert habe.

Damit hat die verordnungserlassende Behörde zum damaligen Zeitpunkt hinreichend dokumentiert, auf welcher Informationsbasis über die nach dem Gesetz maßgeblichen Umstände, nämlich das Auftreten von COVID-19 und die Erforderlichkeit von Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung dieser Krankheit, ihre Verordnungsentscheidung fußte. Der VfGH vermag der verordnungserlassenden Behörde ferner nicht entgegenzutreten, wenn sie in ihrer Äußerung auf der Erfahrung entsprechende Verlagerungseffekte bloß punktueller Betretungsverbote angesichts der damals herrschenden Witterungsverhältnisse hinweist, weshalb es der VfGH nicht für erforderlich erachtet, dass die Behörde erhebliche Menschenzusammenkünfte für jeden der in das Betretungsverbot einbezogenen Orte zu belegen gehabt hätte. Aus diesem Grund konnte die verordnungserlassende Behörde auch auf Basis der dokumentierten Informationslage mit der Änderungsverordnung vom Folgetag (Bote für Tirol 169/2020) noch weitere Orte in den Verbotsbereich einbeziehen.

Entscheidungstexte

  • V583/2020 ua
    Entscheidungstext VfGH Erkenntnis 10.03.2021 V583/2020 ua

Schlagworte

COVID (Corona), Bindung (des Verordnungsgebers), Verordnungserlassung, Legalitätsprinzip, VfGH / Gerichtsantrag, VfGH / Präjudizialität, VfGH / Prüfungsumfang, Geltungsbereich (örtlicher) einer Verordnung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2021:V583.2020

Zuletzt aktualisiert am

21.06.2022
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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