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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
B-VG Art140 Abs1;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):95/10/0164 Serie (erledigt im gleichen Sinn):95/10/0155 E 6. Mai 1996 95/10/0156 E 6. Mai 1996 95/10/0157 E 6. Mai 1996 95/10/0158 E 6. Mai 1996 95/10/0160 E 6. Mai 1996 95/10/0161 E 6. Mai 1996 95/10/0162 E 6. Mai 1996 95/10/0166 E 6. Mai 1996 95/10/0167 E 6. Mai 1996 95/10/0168 E 6. Mai 1996 95/10/0169 E 6. Mai 1996 95/10/0170 E 6. Mai 1996 95/10/0172 E 6. Mai 1996 95/10/0153 E 6. Mai 1996 95/10/0154 E 6. Mai 1996Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde der Monika S in G, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in G, gegen denBescheid des Bundesministers für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten vom 13. Juli 1995, Zl. 1075/3-III/9/95, betreffend Schulbeihilfe und 2. über die Beschwerde der Ursula X in A, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid des Bundesministers für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten vom 13. Juli 1995, Zl. 1075/3-III/9/95, betreffend Schulbeihilfe, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerinnen haben dem Bund jeweils Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Bundesministers für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten vom 13. Juli 1995 wurde die Berufung der Erstbeschwerdeführerin gegen den Bescheid des Landesschulrates für Steiermark vom 12. April 1995, betreffend Schulbeihilfe abgewiesen und ausgesprochen, daß die Erstbeschwerdeführerin keinen Anspruch auf Schulbeihilfe habe. Hiezu wurde im wesentlichen ausgeführt, der Landesschulrat für Steiermark habe aufgrund eines Antrages der Erstbeschwerdeführerin ausgesprochen, daß diese keinen Anspruch auf Schulbeihilfe habe. Die von der Erstbeschwerdeführerin dagegen erhobene Berufung sei nicht berechtigt. Gemäß § 1 Abs. 4 SchBG würden die mit dem Öffentlichkeitsrecht ausgestatteten Privatschulen mit Organisationsstatut (§ 14 Abs. 2 Privatschulgesetz) als Schulen im Sinne dieses Gesetzes gelten, wenn sie mit mittleren oder höheren Schulen vergleichbar seien und in mehreren Unterrichtsjahren mindestens 1200 Unterrichtsstunden, hievon in jedem Unterrichtsjahr mindestens 500 Unterrichtsstunden in den Pflichtgegenständen umfaßten. Die in Rede stehende Fachschule für Altendienste der Caritas in Graz weise aber laut in Kraft stehendem Organisationsstatut nur insgesamt 1160 Stunden Unterricht in den Pflichtgegenständen auf. Es möge zwar zutreffend sein, daß die Praktika, verbindlichen Übungen und Freigegenstände zu einer höheren Anzahl von Gesamtstunden führen könnten, doch sei die Zahl der bei diesen Veranstaltungen zugebrachten Stunden nicht in die Stunden der Pflichtgegenstände einzurechnen. Der Gesetzgeber verstehe nämlich unter Pflichtgegenständen jene Unterrichtsgegenstände, deren Besuch für alle in der Schule aufgenommenen Schüler verpflichtend sei. Charakteristisch für Pflichtgegenstände sei auch der gemeinsame Unterricht für eine Mehrheit von Schülern in einem Schulgebäude und es könnten Praktika sowie verbindliche Übungen wegen ihrer Verschiedenartigkeit im Vergleich zum Unterricht in den Pflichtgegenständen diesem nicht gleichgestellt werden. Der Zweck des Unterrichtes bestehe in der Vermittlung von allgemeinbildenden oder berufsbildenden Kenntnissen und Fertigkeiten. Die Praktika und Übungen hingegen bezweckten die praktische Anwendung der im Unterricht vermittelten Kenntnisse und Fertigkeiten. Damit erscheine klargestellt, daß Übungen und Praktika begrifflich nicht einem Unterricht in Pflichtgegenständen gleichgesetzt werden könnten. Abschließend sei zu sagen, daß auch im vom Bundesminister für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten mit Bescheid vom 24. September 1992, Zl. 24.348/1-III/4/92, genehmigten Organisationsstatut zwischen Pflichtgegenständen und anderen Veranstaltungen unterschieden würde. Hätte der Gesetzgeber im Rahmen des § 1 Abs. 4 SchBG beabsichtigt, auch andere Veranstaltungen einem Unterricht in den Pflichtgegenständen gleichzuhalten, dann hätte er sich terminologisch der einschränkenden Wendung "Unterricht in den Pflichtgegenständen" enthalten müssen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die von der Erstbeschwerdeführerin erhobene Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
II.
Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Bundesministers für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten vom 13. Juli 1995 wurde die Berufung der Zweitbeschwerdeführerin gegen den Bescheid des Landesschulrates für Steiermark vom 12. April 1995, betreffend Schulbeihilfe abgewiesen und ausgesprochen, daß die Zweitbeschwerdeführerin keinen Anspruch auf Schulbeihilfe habe. Dieser Bescheid wurde im wesentlichen gleichlautend begründet wie der unter I. dargestellte.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die von der Zweitbeschwerdeführerin erhobene Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
III.
Der Verwaltungsgerichtshof hat beschlossen, die beiden Beschwerden wegen ihres sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung zu verbinden. Er hat sodann erwogen:
Gemäß § 1 Abs. 2 Schülerbeihilfengesetz 1983 (SchBG) haben österreichische Staatsbürger, die eine mittlere oder höhere Schule ab der 10. Schulstufe oder eine Schule für Berufstätige als ordentliche Schüler oder eine Schule für den medizinisch-technischen Fachdienst oder eine Bundeshebammenlehranstalt besuchen, nach Maßgabe dieses Bundesgesetzes Ansprüche auf Schulbeihilfen und Heimbeihilfen.
Gemäß § 1 Abs. 4 SchBG gelten als Schulen im Sinne dieses Bundesgesetzes unter anderem auch die den mittleren und höheren Schulen vergleichbaren mit dem Öffentlichkeitsrecht ausgestatteten Privatschulen mit Organisationsstatut (§ 14 Abs. 2 des Privatschulgesetzes, BGBl. Nr. 244/1962), jeweils unter der Voraussetzung, daß sie entweder in einem Unterrichtsjahr mindestens acht Monate mit mindestens 30 Wochenstunden oder in mehreren Unterrichtsjahren insgesamt mindestens 1200 Unterrichtsstunden, hievon in jedem vollen Unterrichtsjahr jedoch mindestens 500 Unterrichtsstunden, in den Pflichtgegenständen umfassen.
Die Beschwerdeführerinnen bestreiten nicht, daß es sich bei der von ihnen besuchten Fachschule für Altendienste der Caritas in Graz um eine mit dem Öffentlichkeitsrecht ausgestattete Privatschule mit Organisationsstatut im Sinne des § 14 Abs. 2 Privatschulgesetz handelt und daß nach dem für sie in Betracht kommenden Lehrplan die Gesamtstundenanzahl der als Pflichtgegenstände bezeichneten Unterrichtsgegenstände 1160 beträgt.
Vielmehr bringen sie in ihren - im wesentlichen gleichlautenden - Beschwerden zunächst vor, aus einer Wortinterpretation des § 1 Abs. 4 SchBG ergebe sich eindeutig, daß bei der (alternativen) Voraussetzung eines Unterrichtsjahres von mindestens acht Monaten mit mindestens 30 Wochenstunden nicht auf Pflichtgegenstände abgestellt werde.
Laut Organisationsstatut betrage die Gesamtstundenanzahl 2680, was durch 80 Wochen dividiert "in jedem Fall" eine über 30 Stunden liegende Wochenstundenanzahl ergebe und die geforderte Voraussetzung erfülle.
Diese Auslegung erweist sich schon in sprachlicher Hinsicht als unzutreffend, weil die Wortfolge "in den Pflichtgegenständen" in gleicher Weise wie das Verbum "umfassen" auf beide Voraussetzungen bezogen ist. Es ist daher verfehlt, wenn die Beschwerden von der "Gesamtstundenanzahl" ausgehen, ohne darauf Bedacht zu nehmen, ob es sich um "Unterrichtsstunden in Pflichtgegenständen" handelt.
Die Beschwerdeführerinnen bringen weiters vor, es wäre für den Fall, daß die angebotene Wortinterpretation nicht ausschlaggebend sein sollte und daher nur die zweite Alternative relevant sein könnte, eine teleologische Interpretation angebracht und auf den Sinn der Beihilfenbestimmung abzustellen gewesen. Sinn des Schülerbeihilfegesetzes sei es in jedem Fall, Schülern, denen der Schulbesuch keine Möglichkeit lasse, einer beruflichen Tätigkeit nachzugehen und so die zur Lebensführung notwendigen Mittel zu erwirtschaften, eine ordnungsgemäße Ausbildung zu gewährleisten. Die von den Beschwerdeführerinnen besuchte Schule könne nur absolviert werden, wenn auch die Teilnahme an den verbindlichen Übungen nachgewiesen werde. Diese Übungen seien jedoch zeitlich in einer Weise vorgesehen, die eine berufliche Tätigkeit nebenher nicht zulasse. Berücksichtige man zudem noch die erforderliche "Lernzeit in der Freizeit", so ergebe sich neben der mehr als 33 Wochenstunden betragenden Unterrichtsbelastung eine Belastung, die zumindest einer vollen beruflichen Tätigkeit mit 40 Wochenstunden gleichzuhalten sei. Es müsse daher als "utopisch" angesehen werden, nebenher eine berufliche Tätigkeit wahrzunehmen. Insoferne müsse den verbindlichen Übungen die "gleiche Gewichtung" zukommen wie den Pflichtgegenständen.
Der Auffassung der Beschwerdeführerinnen, der Begriff der "Pflichtgegenstände" in § 1 Abs. 4 SchBG sei dahin zu interpretieren, daß darunter alle besuchspflichtigen Schulveranstaltungen zu verstehen seien, ist entgegenzuhalten, daß der Begriff der Pflichtgegenstände zwar nicht im SchBG, wohl aber in § 8 lit. c SchOG definiert ist. Demnach sind unter Pflichtgegenständen jene Unterrichtsgegenstände zu verstehen, deren Besuch für alle in die betreffende Schule aufgenommenen Schüler verpflichtend ist, soferne sie nicht vom Besuch befreit oder im Falle des Religionsunterrichtes aufgrund der Bestimmungen des Religionsunterrichtsgesetzes vom Besuch abgemeldet worden sind. Unter verbindlichen Übungen sind hingegen gemäß § 8 lit. e SchOG jene Unterrichtsveranstaltungen zu verstehen, deren Besuch für alle in die betreffende Schule aufgenommenen Schüler verpflichtend ist, soferne sie nicht vom Besuch befreit sind, und die nicht beurteilt werden. Es ist kein Anhaltspunkt dafür ersichtlich, daß das Schulbeihilfengesetz von einem Inhalt des Begriffes "Pflichtgegenstände" ausginge, der von der Definition in § 8 lit. c SchOG abweicht.
Indem § 1 Abs. 4 SchBG auf Pflichtgegenstände abstellt, verbietet sich daher eine Auslegung, die - entsprechend der von den Beschwerdeführerinnen vorgebrachten Auffassung - verbindliche Übungen als von diesem Begriff mitumfaßt ansieht. Vielmehr kommen hier nur Pflichtgegenstände im Sinne des § 8 lit. c SchOG in Betracht.
Die Beschwerdeführerinnen bringen weiters vor, in der "Stundentafel des Organisationsplanes" befinde sich unter den verbindlichen Übungen auch der Begriff "Leibesübungen". Leibesübungen seien aber an sämtlichen anderen allgemeinen höheren Schulen, aber auch an sämtlichen Berufsschulen ein Pflichtgegenstand. Berücksichtige man daher, daß für die verbindliche Übung "Animation, Rehabilitation und Leibesübungen" 120 Stunden vorgesehen seien, so sei die Gesamtstundenanzahl von 1200 bei weitem überschritten. Schließlich habe die belangte Behörde auch die - im Sinne des SchOG als verbindliche Übungen zu qualifizierenden - "Pflichtpraktika" unberücksichtigt gelassen, ohne diese und zwar im Gesamtausmaß von 1200 Stunden ein erfolgreicher Abschluß der Ausbildung an der von den Beschwerdeführerinnen besuchten Schule nicht möglich wäre. Es sei daher eine Anzahl von insgesamt 2680 "Pflichtstunden", somit mehr als das doppelte der im Gesetz für Privatschulen vorgesehenen Stunden notwendig, um einen positiven Schulabschluß zu erlangen. In den Pflichtpraktika würden für die Berufsausübung unbedingt notwendige Spezialkenntnisse und -fertigkeiten vermittelt; daneben würden noch unverbindliche Übungen und Freigegenstände angeboten. Bei den Pflichtpraktika bestehe Anwesenheitspflicht, es werde bereits die Beherrschung und Umsetzung des Lehrstoffes verlangt und es erfolge auch eine Betreuung und Benotung durch Lehrkräfte. Könnten daher die für Pflichtpraktika vorgesehenen Stunden nicht als Unterrichtsstunden in den Pflichtgegenständen im Sinne des § 1 Abs. 4 SchBG berücksichtigt werden, so würden die Beschwerdeführerinnen gegenüber Schülern anderer in dieser Bestimmung genannten Schulen ungleich behandelt, ohne daß dies sachlich gerechtfertigt wäre. Die Beschwerdeführerinnen regen für diesen Fall die Einleitung eines Verfahrens zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit dieser Bestimmung an.
Im Gegensatz zu anderen Schülerinnen wie zum Beispiel Krankenpflegeschülerinnen, erhielten die Beschwerdeführerinnen kein Taschengeld, keine Vergütung der Arbeitsleistung am Praxisplatz und auch keinen Fahrtkostenersatz zu den Praxisstellen. Vielmehr hätten sie die Kosten für Verpflegung und Unterkunft sowie die Auslagen für die Dienstkleidung in nahezu allen Institutionen selbst zu tragen. Die Verweigerung der Schulbeihilfe für die Beschwerdeführerinnen würde daher bedeuten, daß gerade dieser wichtige Ausbildungszweck, bei welchem das Hauptaugenmerk auf Arbeit mit alten und bedürftigen Menschen gelegt werde, so beurteilt würde, als bestünde hier kein Ausbildungs- und Schulungsbedarf.
Auch dieses Vorbringen ist nicht geeignet, die Beschwerden zum Erfolg zu führen. Es schlägt nämlich der Vergleich mit anderen Schulen schon deshalb fehl, weil es sich bei der von den Beschwerdeführerinnen besuchten Schule unbestrittenermaßen um eine Privatschule im Sinne des § 14 Abs. 2 Privatschulgesetz handelt, die keiner öffentlichen Schulart entspricht. Während daher im Lehrplan der Fachschulen für Sozialberufe gemäß § 63 Abs. 4 SchOG als Pflichtgegenstände unter anderem Leibesübungen und Praktika vorzusehen sind, räumen die Beschwerdeführerinnen selbst ein, daß der auf dem genehmigten Organisationsstatut beruhende Lehrplan der von ihnen besuchten Schule weder Leibesübungen noch Pflichtpraktika als Pflichtgegenstände vorsieht. Zählen aber Leibesübungen und Pflichtpraktika an der von den Beschwerdeführerinnen besuchten Schule nicht als Pflichtgegenstände - mangels rechtlicher Grundlage für eine Beurteilung erfüllen die Pflichtpraktika auch angesichts der von den Beschwerdeführerinnen vorgebrachten Benotung die an Pflichtgegenstände im Sinne des § 8 lit. c (i.V.m. lit. e letzter Halbsatz) SchOG gestellten Anforderungen nicht -, so ist zunächst der Vorwurf, die belangte Behörde habe diese zu Unrecht nicht als Pflichtgegenstände berücksichtigt, unbegründet. Es entbehrt aber auch der weitere Vorwurf, § 1 Abs. 4 SchBG bewirke eine unsachliche Differenzierung, der Grundlage, weil die Voraussetzung der normierten Mindestzahl an Unterrichtsstunden in Pflichtgegenständen einerseits für alle nach dieser Bestimmung in Betracht kommenden Privatschulen gilt und sie andererseits auch nicht an sich geeignet ist, Anlaß zu entsprechenden Bedenken zu geben, zumal es dem Gesetzgeber nicht verwehrt ist, den Anspruch auf Beihilfen an die Erfüllung von Mindestvoraussetzungen zu binden.
Die sich somit als unbegründet erweisenden Beschwerden waren gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Von der Durchführung der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1995100163.X00Im RIS seit
02.08.2001Zuletzt aktualisiert am
15.11.2011